Prüfung der Sachentscheidungsvoraussetzungen des finanzgerichtlichen Verfahrens durch den BFHS. 22
Instanzenzug:
Gründe
Die Beteiligten streiten darüber, ob eine Klage rechtzeitig erhoben wurde.
Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) wurden als Eheleute zusammen zur Einkommensteuer für das Jahr 1996 veranlagt. Gegen den Steuerbescheid vom legten sie Einspruch ein. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt —FA—) erließ eine Einspruchsentscheidung, die am mit einfachem Brief zur Post gegeben wurde. Am , einem Sonntag, ging u.a. eine vom Prozessbevollmächtigten der Kläger gefertigte, nicht unterschriebene Klageschrift per Telefax bei dem Finanzgericht (FG) ein. Das unterschriebene Original der Klageschrift wurde dem FG am übermittelt. Der Berichterstatter des FG wies —im Zusammenhang mit der Übersendung der Klageerwiderung des FA— den Prozessbevollmächtigten der Kläger auf die nicht unterschriebene Klageschrift hin. Eine Äußerung des Bevollmächtigten erfolgte nicht.
Das FG wies die Klage als unzulässig ab, weil die Klageschrift nicht unterschrieben sei. Das Erfordernis der eigenhändigen Unterzeichnung gelte auch für die Klageerhebung durch Telefax. Anhaltspunkte dafür, dass das Merkmal der Schriftlichkeit ausnahmsweise ohne eigenhändige Unterschrift erfüllt sei, lägen nicht vor. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand komme nicht in Betracht.
Mit der —vom Senat zugelassenen— Revision rügen die Kläger einen Verfahrensmangel. Die Klage hätte nicht als unzulässig abgewiesen werden dürfen, da die Klageschrift frist- und formgerecht beim FG eingereicht worden sei. Am habe der Prozessbevollmächtigte zwei Telefaxe im Abstand von fünf Minuten an das FG gesandt, die nach den Sendeprotokollen korrekt übermittelt worden seien. Der Grund für die zweimalige Absendung habe darin gelegen, dass der Bevollmächtigte nach Versendung des ersten Faxes festgestellt habe, dass die Klageschrift nicht unterschrieben gewesen sei. Die Unterschrift sei nachgeholt und das Fax danach ein zweites Mal in korrekter Form an das FG gesandt worden. Das FG habe den Klageeingang ohne Hinweis auf die fehlende Unterschrift bestätigt. Nach einer Mitteilung des beklagten FA an den Bundesfinanzhof (BFH) habe die Geschäftsstelle des FG dem FA eine per Telefax am eingegangene und vom Prozessbevollmächtigten unterschriebene Klageschrift zur Stellungnahme übersandt. Im Übrigen nehmen die Kläger zur materiellen Rechtsfrage des Streitfalles Stellung.
Die Kläger beantragen sinngemäß, das vorinstanzliche Urteil aufzuheben und den angefochtenen Steuerbescheid dahin zu ändern, dass bei den Einkünften der Klägerin aus nichtselbständiger Arbeit weitere Werbungskosten in Höhe von 3 251 DM berücksichtigt werden.
Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Es trägt im Einzelnen vor, die geltend gemachten höheren Werbungskosten seien nicht nachgewiesen.
Die Revision der Kläger führt zur Aufhebung des finanzgerichtlichen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung —FGO—). Die Klage hätte nicht als unzulässig abgewiesen werden dürfen.
1. Das FG hat sein klageabweisendes Urteil darauf gestützt, dass das als Klageschrift zu den Akten genommene Telefax keine Unterschrift enthält. Nach dem Vortrag der Kläger hat ihr Prozessbevollmächtigter jedoch unmittelbar nach der Übermittlung des nicht unterzeichneten Klageschriftsatzes seinen Irrtum bemerkt, die Unterschrift nachgeholt und die nunmehr unterschriebene Klageschrift an das FG gefaxt. Dieses Vorbringen wird durch die Mitteilung des FA im Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde bestätigt, wonach die dem FA vom Gericht zur Stellungnahme übersandte Klageschrift —ein am um 15.07 Uhr beim FG eingegangenes Fax— unterschrieben war, und entspricht auch den mit der Nichtzulassungsbeschwerde vorgelegten Sendeprotokollen. Damit ist der Eingang einer unterschriebenen Klageschrift innerhalb der Klagefrist bei dem FG erwiesen. Zu dieser Feststellung ist der Senat befugt, da der BFH das Vorliegen der Sachentscheidungsvoraussetzungen des finanzgerichtlichen Verfahrens zu prüfen hat und dazu eigene Feststellungen treffen kann (vgl. Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 5. Aufl., § 118 Rz. 43 ff.). Auf den vom FG erwähnten Umstand, dass das als Klageschrift behandelte Fax den Vermerk „Vorab per Fax ...” trägt, während das nach Ablauf der Klagefrist übersandte Original diese Zeile nicht enthält, kann es wegen des rechtzeitigen Eingangs einer unterschriebenen Klageschrift nicht ankommen.
2. Da das FG die Sachurteilsvoraussetzungen fehlerhaft beurteilt und zu Unrecht ein Prozessurteil statt eines Sachurteils gefällt hat, war das angefochtene Urteil wegen der Verletzung formellen Rechts aufzuheben. Die Sache war an das FG zurückzuverweisen, weil sie nicht entscheidungsreif ist. Denn das FG hat —von seinem Rechtsstandpunkt aus zutreffend— die materiell-rechtlichen Einwendungen der Kläger nicht geprüft. Dies wird es im zweiten Rechtsgang nachzuholen haben.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
BFH/NV 2005 S. 1120 Nr. 7
DAAAB-52028