Instanzenzug:
Gründe
I. Die Sache befindet sich im zweiten Rechtsgang.
Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), eine GmbH, erbrachte in den Streitjahren (1994 und 1995) an die X-GmbH und die Y-GmbH Werkleistungen durch Entwicklung, Herstellung und Installation von Datenverarbeitungsprogrammen für Banken. Den Leistungen lagen ein zwischen der Klägerin und der X-GmbH geschlossener Rahmenvertrag nebst Protokollnotiz zugrunde. In dem Rahmenvertrag, in dem die Klägerin als Vertragspartner bezeichnet wird, war u.a. vereinbart:
„Gegenstand dieses Rahmenvertrages sind die Entwicklung und Herstellung von Programmen (Programmerstellung) namens und im Auftrag der X-GmbH zur Installation und Einsatz bei der X-GmbH. Der Vertragspartner wird der X-GmbH eine funktionsfähige Software-Lösung zur Verfügung stellen, die die Anforderungen der X-GmbH, wie sie in dem jeweiligen Einzelwerkvertrag definiert werden, erfüllt, und für die Installation und Herbeiführung der Funktionsfähigkeit sorgen (Gesamtleistung).
Der Vertragspartner räumt der X-GmbH schon jetzt das ausschließliche und zeitlich und räumlich unbeschränkte Recht auf Nutzung, Weiterentwicklung, Vervielfältigung, Verbreitung, Vorführung, Bearbeitung oder sonstige Verwertung von Urheber- und Leistungsschutzrechten ein, die der Vertragspartner oder dessen Mitarbeiter bei der Tätigkeit im Rahmen dieses Vertrages erwirbt. Der Vertragspartner verzichtet auf die Nennung als Urheber/Autor. Die X-GmbH ist zur Übertragung des Nutzungsrechtes auf Dritte und zur Erteilung von Unterlizenzen berechtigt.
Alle im Rahmen der Leistungserbringung erstellten Unterlagen/ Aufzeichnungen/Dokumentationen etc. gehen in das Eigentum der X-GmbH über und sind bei Vertragsbeendigung vollständig zu übergeben. Zurückhaltungsrechte sind ausgeschlossen. Die zwingenden gesetzlichen Bestimmungen des Urheberrechtsgesetzes bleiben von den vorstehenden Regelungen unberührt.”
Auf der Grundlage dieses Rahmenvertrages schlossen die jeweiligen Vertragsparteien Einzelverträge, die neben detaillierten Aufgabenbeschreibungen für das zu entwickelnde Programm besondere Vorgaben hinsichtlich der besonderen Anforderungen enthielten. Die Klägerin erhielt eine Vergütung in Höhe der von ihr nachgewiesenen Stunden, die sie zur Erbringung der Leistungen aufgewendet hatte.
Die X-GmbH und die Y-GmbH überließen die von der Klägerin entwickelte Software im Rahmen ihres jeweiligen Unternehmensgegenstandes zur Nutzung an ihre nachfolgend genannten Kunden:
Gegenstand des Unternehmens der X-GmbH sind Datenverarbeitungsleistungen an verschiedene Banken. Sie hatte in den Streitjahren Tochtergesellschaften in D (Inland) sowie in Russland und Ungarn. Die X-GmbH ist Organgesellschaft der Bank... Z-AG. Die Z-AG einschließlich ihrer weiteren Tochtergesellschaften zählt zu den Kunden der X-GmbH. Zu den übrigen Kunden der X-GmbH gehörten u.a. die T-Bank sowie deren Tochtergesellschaften, die S-Bank AG sowie weitere konzernfremde Unternehmen im Ausland; mit diesen Kunden bestand keine Organschaft.
Gegenstand des Unternehmens der Y-GmbH war in den Streitjahren der gemeinsame Einkauf und die Bereitstellung von Bankensoftware für die Unternehmen der „Unternehmensgruppen” und Kooperationspartner ihrer Gesellschafterinnen. Eine Organschaft zwischen der Y-GmbH und ihren Kunden bestand nicht.
Die aufgrund dieser Verträge ausgeführten Umsätze unterwarf die Klägerin in ihren jeweiligen Umsatzsteuererklärungen dem ermäßigten Steuersatz (§ 12 Abs. 2 Nr. 7 Buchst. c des Umsatzsteuergesetzes 1993 —UStG 1993—).
Dagegen besteuerte der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt —FA—) diese Umsätze in den angefochtenen Umsatzsteuerbescheiden für 1994 und 1995 mit dem allgemeinen Steuersatz. Die Einsprüche der Klägerin blieben erfolglos.
Im Laufe des Klageverfahrens erging am ein geänderter Umsatzsteuerbescheid für 1995. Dieser wurde auf Antrag der Klägerin Gegenstand des Verfahrens.
Die Klage hatte Erfolg. Das Finanzgericht (FG), dessen Urteil in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2001, 320 veröffentlicht ist, nahm an, dass die Klägerin insoweit steuerermäßigte Umsätze nach § 12 Abs. 2 Nr. 7 Buchst. c UStG 1993 ausgeführt habe, weil die Klägerin der X-GmbH das volle Verwertungsrecht gemäß § 69c des Urheberrechtsgesetzes —UrhG— (BGBl I 1965, 1273) eingeräumt habe.
Auf die Revision des FA hob der (BFH/NV 2002, 821), auf das zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen wird, das Urteil des FG auf und verwies den Rechtsstreit zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurück, um aufzuklären, ob nach dem wirtschaftlichen Gehalt des Vertragswerks die Klägerin der X-GmbH das von ihr in deren Auftrag entwickelte Computerprogramm nur zur Benutzung in ihrem Unternehmen überlassen habe und ob die Befugnis zur Verbreitung und Vervielfältigung nur zur Absicherung der Benutzung vereinbart worden sei, oder ob es den Vertragsparteien wesentlich auf die Vervielfältigung und Verbreitung durch die X-GmbH angekommen sei, insbesondere, ob die Überlassung des für die X-GmbH entwickelten Computerprogramms auch dazu bestimmt gewesen sei, das Programm durch die X-GmbH entgeltlich oder unentgeltlich in Verkehr zu bringen, d.h. aus der internen Betriebssphäre der Öffentlichkeit zuzuführen und damit zu verbreiten oder zu vervielfältigen.
Das FG wies daraufhin die Klage ab. Es vertrat in seinem in EFG 2004, 226 veröffentlichten Urteil (zu beiden Streitjahren) die Auffassung, die Einräumung der Rechte aus dem UrhG sei nicht Hauptbestandteil der Leistungen der Klägerin gewesen.
Mit ihren (getrennt eingelegten) Revisionen rügt die Klägerin Verletzung des § 12 Abs. 2 Nr. 7 Buchst. c UStG 1993 sowie als Verfahrensfehler Verletzung der § 60 Abs. 3, § 76, § 83 der Finanzgerichtsordnung (FGO).
Die Klägerin beantragt sinngemäß, die Vorentscheidung aufzuheben und unter Änderung des Umsatzsteuerbescheids für 1994 vom in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom und des Umsatzsteuerbescheids für 1995 vom die Umsatzsteuer für 1994 auf 147 758,34 € und die Umsatzsteuer für 1995 auf 136 721,27 € festzusetzen sowie die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren für notwendig zu erklären.
Das FA beantragt, die Revisionen zurückzuweisen.
Es verteidigt die angefochtene Vorentscheidung.
Durch Beschluss des Amtsgerichts (AG)…vom…2004 ist über das Vermögen der Klägerin das Insolvenzverfahren eröffnet worden. Der vom AG bestellte, durch einen Bevollmächtigten vertretene Insolvenzverwalter hat mit Schriftsätzen vom die unterbrochenen Verfahren aufgenommen.
II. Die Revisionen der Klägerin, die der Senat gemäß § 73 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 121 FGO zu gemeinsamer Entscheidung verbindet, sind begründet; sie führen zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Stattgabe der Klage (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 FGO). Die Voraussetzungen des § 12 Abs. 2 Nr. 7 Buchst. c UStG 1993 sind im Streitfall erfüllt.
1. Die Verbindung der Revisionsverfahren V R 12/03 und V R 33/04 beruht auf § 73 Abs. 1, § 121 Satz 1 FGO; sie betreffen dieselben Beteiligten und denselben, sowohl für Umsatzsteuer 1994 als auch für Umsatzsteuer 1995 erheblichen Sachverhalt.
2. Der Senat ist durch das anhängige Insolvenzverfahren nicht gehindert, über die Revisionen zu entscheiden. Die nach § 155 FGO, § 240 Satz 1 der Zivilprozessordnung (ZPO) unterbrochenen Revisionsverfahren sind durch Zustellung der Schriftsätze des Insolvenzverwalters vom nach § 155 FGO, § 250 ZPO, § 85 Abs. 1 Satz 1 der Insolvenzordnung (InsO) wieder aufgenommen worden (vgl. , BFH/NV 2004, 349, m.w.N.; Zöller/Greger, Zivilprozessordnung, 24. Aufl., § 240 Rz. 10, § 250 Rz. 1 und 5).
3. Die Steuer ermäßigt sich auf 7 v.H. der Bemessungsgrundlage für Umsätze durch die Einräumung, Übertragung und Wahrnehmung von Rechten, die sich aus dem UrhG ergeben (§ 12 Abs. 2 Nr. 7 Buchst. c UStG 1993).
a) Begünstigt ist danach die Einräumung (durch vertragliche Bestellung) und Übertragung von Verwertungsrechten, die aus dem Urheberrecht abgeleitet werden, durch den Urheber oder den Nutzungsberechtigten an Dritte (z.B. an Verleger oder Verwertungsgesellschaften). Das Urheberrecht als solches ist grundsätzlich nicht übertragbar (§ 29 Abs. 1 UrhG). Die ebenfalls steuerermäßigte Wahrnehmung von Rechten, die sich aus dem UrhG ergeben (regelmäßig durch Verwertungsgesellschaften), ist u.a. auf Einräumung von Nutzungs- oder Einwilligungsrechten und die Geltendmachung von Vergütungsansprüchen gerichtet. Durch die Einräumung von Nutzungsrechten (§ 31 Abs. 1 UrhG) wird der Empfänger berechtigt, das Werk neben dem Urheber oder anderen Nutzungsberechtigten (einfaches Nutzungsrecht nach § 31 Abs. 2 UrhG) oder unter Ausschluss aller anderen Personen (ausschließliches Nutzungsrecht nach § 31 Abs. 3 UrhG) auf die ihm vertraglich eingeräumte Art zu nutzen.
b) Rechte, die sich aus dem UrhG ergeben, können auch an Computerprogrammen (Software) eingeräumt oder übertragen werden. Computerprogramme gehören zu den durch das UrhG geschützten Sprachwerken (§ 2 Abs. 1 Nr. 1 UrhG). Das UrhG schützt denjenigen, der ein Computerprogramm durch eigenschöpferische Leistung geschaffen hat (§ 2 Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 2, § 69a Abs. 3 Satz 1 UrhG), u.a. gegen dauerhafte oder vorübergehende Vervielfältigung (§ 69c Satz 1 Nr. 1 UrhG), gegen Bearbeitungen (§ 69c Satz 1 Nr. 2 UrhG) und gegen jede Form der Verbreitung (§ 69c Satz 1 Nr. 3 UrhG).
4. Die Steuerermäßigung nach § 12 Abs. 2 Nr. 7 Buchst. c UStG für die Zurverfügungstellung eines urheberrechtsfähigen Computerprogramms, das für die Bedürfnisse des Leistungsempfängers entwickelt wurde, setzt voraus, dass der Rechtsinhaber dem Leistungsempfänger nach den vertraglichen Vereinbarungen und dem wirtschaftlichen Gehalt des Umsatzes das Recht zur Verwertung des Werks gemäß den Bestimmungen des UrhG (insbesondere durch Vervielfältigung und Verbreitung) einräumt und nicht nur die bestimmungsgemäße Benutzung gestattet. Die Einräumung oder Übertragung der urheberrechtlichen Nutzungsrechte muss Hauptbestandteil der einheitlichen Gesamtleistung (Entwicklung und Überlassung des Programms zur Benutzung und Verbreitung) sein (vgl. dazu auch Abschn. 168 Abs. 1 der Umsatzsteuer-Richtlinien —UStR— 2000; BStBl I 1994, 45).
a) Dementsprechend ist die Überlassung von geschützten Computerprogrammen nach § 12 Abs. 2 Nr. 7 Buchst. c UStG 1993 begünstigt, wenn der Urheber oder Nutzungsberechtigte dem Leistungsempfänger die in § 69c Satz 1 Nr. 1 bis 3 UrhG bezeichneten Rechte auf Vervielfältigung und Verbreitung nicht nur als Nebenfolge einräumt (, BFHE 196, 335, und vom V R 14/01, BFHE 196, 357, BStBl II 2002, 114; vom V R 13/01, BFH/NV 2002, 821).
Das Verbreitungsrecht ist das Recht, das Original oder Vervielfältigungsstücke des Werkes der Öffentlichkeit anzubieten oder in Verkehr zu bringen (§ 17 Abs. 1, § 69c Nr. 3 UrhG). Inverkehrbringen ist das Heraustreten des Anbietenden aus der internen Sphäre in die Öffentlichkeit (vgl. z.B. , BGHZ 113, 159; Schricker/Loewenheim, Urheberrechtsgesetz, § 69c Rz. 21 f., m.w.N.). Ein Heraustreten in die Öffentlichkeit wird nicht dadurch ausgeschlossen, dass ein Vertrieb an rechtlich selbstständige Schwestergesellschaften oder Kooperationspartner erfolgt. Für die Frage des Inverkehrbringens ist nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) bedeutungslos, ob der Rechtsinhaber und Lizenznehmer demselben Konzern angehören ( 15/74 —Centrafarm I—, Slg. 1974, 1147, Neue Juristische Wochenschrift —NJW— 1975, 516; vgl. auch —EDM—, Umsatzsteuer-Rundschau —UR— 2004, 292, RandNr. 65 ff., 89).
b) Dagegen ist die bloße zustimmungspflichtige oder zustimmungsfreie Befugnis zur Benutzung des urheberrechtlich gegen unbefugte Verbreitung geschützten Computerprogramms nicht nach § 12 Abs. 2 Nr. 7 Buchst. c UStG 1993 begünstigt.
aa) Wenn der wirtschaftliche Gehalt des Vorgangs nicht auf die Verwertung des Computerprogramms, sondern auf seine Anwendung durch den Leistungsempfänger gerichtet ist, unterliegt der Umsatz dem regelmäßigen Steuersatz (vgl. , BFH/NV 2001, 213, zur Anwendung einer Bibliothekssoftware; vgl. auch , BFHE 182, 423, BStBl II 1997, 372, zur Veräußerung von Standardsoftware; , EFG 1997, 1557; , EFG 1999, 1159; BMF-Schreiben in BStBl I 1994, 45). Der Urheber eines Computerprogramms kann einem anderen nämlich auch das Recht einräumen, das Werk auf einzelne oder auf alle Arten zu nutzen (§§ 31 bis 41 UrhG). Die Person, die zur Benutzung des Programms berechtigt ist (§ 69d Abs. 1 Satz 1 UrhG), darf ohne besondere Zustimmung des Rechtsinhabers Handlungen zur bestimmungsgemäßen Benutzung des Computerprogramms vornehmen (§ 69d Abs. 1 UrhG). In diesem Rahmen dürfen Vervielfältigungsstücke und Sicherungskopien angefertigt und das Funktionieren des Programms getestet werden (§ 69d Abs. 2 bis 3 UrhG). Einer Einräumung von Vervielfältigungs- und Verbreitungsrechten bedarf es hierfür grundsätzlich nicht.
bb) Von einem solchen Fall (Einräumung eines bloßen Nutzungsrechts) ist auszugehen, wenn sich aus der Art der Leistung und aus den Umständen des Einzelfalls ergibt, dass sich der Leistungsempfänger die Benutzung des für seine Bedürfnisse geschaffenen Computerprogramms gesichert hat und der Leistende dem Leistungsempfänger die Vervielfältigung und Verbreitung zwar gestattet hat, diese aber objektiv nicht erstrebt ist. In diesem Sinne sind auch die Urteile des Senats in BFHE 196, 357, BStBl II 2002, 114, in BFHE 196, 335, und in BFH/NV 2002, 821, unter II. 2. und 3. zu verstehen: Der Senat ist bei der Prüfung, ob die in § 69c UrhG bezeichneten Rechte nicht nur als Nebenfolge eingeräumt worden sind, von den vertraglichen Vereinbarungen und den tatsächlichen Leistungen ausgegangen. Ergänzend hat er auf objektive Beweisanzeichen (z.B. die Tätigkeit des Leistungsempfängers, die vorhandenen Vertriebsvorbereitungen und Vertriebswege, die wirkliche Durchführung der Vervielfältigung und Verbreitung sowie die Vereinbarungen über die Bemessung und Aufteilung des Entgelts) abgestellt.
5. Gemessen daran ist die Vorentscheidung aufzuheben. Die Beurteilung des FG, es liege keine Einräumung von Urheberrechten i.S. des § 12 Abs. 2 Nr. 7 Buchst. c UStG 1993 vor, ist revisionsrechtlich zu beanstanden.
a) Die vertraglichen Beziehungen zwischen der Klägerin und der X-GmbH hat das FG dahin gewürdigt, die Klägerin habe bei Abschluss der Verträge von Vertriebskonzepten der X-GmbH und der Weitergabe der Software an konzernfremde Unternehmen im In- und Ausland nichts gewusst. Von der späteren Weitergabe sei die Klägerin allenfalls unvollständig unterrichtet gewesen. Daher habe die Klägerin nicht mit dem Willen geleistet, Vervielfältigungs- und Verbreitungsrechte als „Hauptleistung” übertragen zu wollen, und es sei nicht beiden Beteiligten auf die Vervielfältigung und Verbreitung durch die X-GmbH angekommen. Die Einräumung der Berechtigung der X-GmbH, Nutzungsrechte weiter zu übertragen, könne deshalb nicht Hauptbestandteil der Leistung gewesen sein.
b) Das FG hat bei seiner Würdigung rechtserhebliche objektive Beweisanzeichen irrtümlich außer Acht gelassen, weil es die rechtlichen Vorgaben des Senats im ersten Rechtsgang offenbar dahin gehend (miss-)verstanden hat, es sei allein auf die subjektiven Vorstellungen der Vertragspartner bei Vertragsabschluss abzustellen. Nach der für das FG nach § 126 Abs. 5 FGO bindenden rechtlichen Beurteilung des BFH im ersten Rechtsgang (vgl. BFH-Beschluss in BFH/NV 2002, 821, unter II. 2. b) waren jedoch u.a. die Tätigkeit des Leistungsempfängers, die vorhandenen Vertriebsvorbereitungen, die vorhandenen Vertriebswege und die wirkliche Durchführung der Vervielfältigung und Verbreitung vom FG im Rahmen seiner tatsächlichen Würdigung als Beweisanzeichen heranzuziehen. Das FG hätte deshalb die Vertriebsvorbereitungen der X-GmbH, u.a. die in den Streitjahren bestehenden Tochtergesellschaften in D, Russland und Ungarn, sowie die —nach den Vereinbarungen gestattete und demgemäß auch wahrgenommene— tatsächliche Vervielfältigung und Verbreitung der Software an drei Schwestergesellschaften sowie an eine nicht festgestellte Anzahl Konzernfremder sowie ausländische Kunden, berücksichtigen müssen. Allein der vom FG festgestellte Umstand, dass die Klägerin vom Kundenkreis der X-GmbH nur unvollständig Kenntnis hatte, rechtfertigt es nicht, diese Beweisanzeichen völlig außer Acht zu lassen; dies gilt umso mehr, als zwischen Vertragsabschluss und Leistung (Erfüllungshandlung) ein erheblicher Zeitraum lag.
c) Soweit die Klägerin an die Y-GmbH Leistungen erbracht hat, ist das FG davon ausgegangen, es liege insoweit keine Verbreitung der Computerprogramme vor, weil die Weitergabe der Software nur innerhalb eines überschaubaren Unternehmenskreises der beiden Gesellschafterinnen der Y-GmbH erfolgt sei.
d) Das FG ist dabei von unzutreffenden rechtlichen Voraussetzungen ausgegangen. Nach den Ausführungen unter II. 4. a kann die Weitergabe eines Computerprogramms innerhalb eines „überschaubaren Unternehmenskreises der Gesellschafterinnen” eine Verbreitung i.S. des § 17, § 69c Nr. 3 UrhG darstellen. Davon ist im Streitfall auszugehen.
aa) Der Ansatz des FG greift im Streitfall schon deshalb nicht durch, weil die X-GmbH, die Gesellschafterin der Y-GmbH ist, nach den Feststellungen des FG die Software auch Unternehmen außerhalb des „Unternehmenskreises” gegen Entgelt angeboten hat. Dies allein schon gilt als Verbreitung der Software; für das Verbreiten in Form des Anbietens reicht bereits ein Angebot aus (vgl. BGH-Urteil in BGHZ 113, 159, unter 1.).
bb) Auch der Weitervertrieb von Computerprogrammen an rechtlich selbstständige Kooperationspartner der Y-GmbH ist eine solche Verbreitung. Im Bereich des Urheberrechtsschutzes von Software muss das Computerprogramm für jeden einzelnen Anwender lizenziert werden (sog. „Netzwerklizenz” mit Anzahl der Nutzer, § 69c Nr. 1 und 4 UrhG; vgl. Löffler, UR 2000, 98, 101). Bereits die bloße Weitergabe eines Computerprogramms innerhalb eines sog. „Intranets” oder eines sog. „file-sharing-Systems” kann eine Verbreitung i.S. der § 17, § 69c Nr. 3 UrhG sein (vgl. Loewenheim/Hoeren, Handbuch des Urheberrechts, § 21 Rz. 26; BRDrucks 684/02, S. 37). Die Y-GmbH hätte deshalb die Computerprogramme der Klägerin nicht im Rahmen einer bestimmungsgemäßen Benutzung i.S. des § 69d UrhG ohne Zustimmung des Rechteinhabers an ihre Kooperationspartner weitergeben dürfen, sie musste sich für den Weitervertrieb das Verbreitungsrecht i.S. des § 69c Nr. 3 UrhG von der Klägerin einräumen lassen. Dies ist durch die erwähnten Grundsatzvereinbarungen geschehen.
6. Der Anwendung des § 12 Abs. 2 Nr. 7 Buchst. c UStG 1993 auf die Einräumung von Verbreitungsrechten an Software steht Art. 12 Abs. 3 Buchst. a Unterabs. 3 i.V.m. Anhang H Nr. 8 der Sechsten Richtlinie des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern 77/388/EWG (Richtlinie 77/388/EWG) nicht entgegen.
a) Nach Art. 12 Abs. 3 Buchst. a Unterabs. 3 der Richtlinie 77/388/EWG dürfen die Mitgliedstaaten unter weiteren, im Streitfall vorliegenden Voraussetzungen auf die in Anhang H genannten Kategorien einen ermäßigten Steuersatz anwenden.
Anhang H Nr. 8 der Richtlinie 77/388/EWG lautet:
„Werke…von Schriftstellern…sowie deren Urheberrechte.”
b) Es liegt nahe, die in § 69c UrhG genannten Rechte an einem Computerprogramm wie „Urheberrechte” an einem Werk eines „Schriftstellers” i.S. des Anhangs H Nr. 8 der Richtlinie 77/388/EWG zu beurteilen (gl.A. de Weerth, Deutsches Steuerrecht/Entscheidungsdienst 2002, 778, 779; Nieskens in Rau/ Dürrwächter, Umsatzsteuergesetz (Mehrwertsteuer), Kommentar, 8. Aufl., § 12 Allg. Anm. 72, 76 f.; Lohse in Rau/Dürrwächter, a.a.O., Art. 12 der Richtlinie 77/388/EWG Vorbemerkung), weil ein Computerprogramm nach Art. 1 Abs. 1 der Richtlinie des Rates vom über den Rechtsschutz von Computerprogrammen 91/250/EWG (Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften Nr. L 142, S. 42) als literarisches Werk geschützt wird und nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 UrhG ein Sprachwerk ist. Die Frage kann hier offen bleiben.
c) Selbst wenn § 12 Abs. 2 Nr. 7 Buchst. c UStG 1993 nicht gemeinschaftsrechtskonform sein sollte, ginge das für die Klägerin günstigere nationale Recht vor (vgl. , BFHE 166, 191, BStBl II 1992, 209, unter II. 2. d; vom V R 110/88, BFHE 172, 163, BStBl II 1993, 779, unter II. B. 2. c).
7. Da die Vorentscheidung bereits aus anderen Gründen aufzuheben ist, muss über die von der Klägerin erhobenen Verfahrensrügen nicht mehr entschieden werden.
8. Die Sache ist spruchreif. Ausgehend davon, dass die Klägerin der X-GmbH und Y-GmbH vereinbarungsgemäß nicht nur die bestimmungsgemäße Benutzung, sondern den genannten Vertrieb gestattet hat, und die Software der Klägerin durch die Leistungsempfänger an Unternehmen im In- und Ausland vertrieben worden ist, liegt eine Einräumung von Urheberrechten i.S. des § 12 Abs. 2 Nr. 7 Buchst. c UStG 1993 vor.
Das FG hat die für die abschließende Entscheidung des Streitfalls erforderlichen Tatsachen —teilweise durch Bezugnahme— festgestellt. Auf die in der Höhe unstreitigen Umsätze der Klägerin aus der Einräumung von Urheberrechten ist der ermäßigte Steuersatz anzuwenden. Die Berechnung der Umsatzsteuer für die Streitjahre wird dem FA übertragen (§ 100 Abs. 2 Satz 2, § 121 Satz 1 FGO).
9. Die Kostenscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.
Der Antrag der Klägerin, die Zuziehung eines Bevollmächtigten für die Vorverfahren für notwendig zu erklären (§ 139 Abs. 3 Satz 3 FGO), ist im Revisionsverfahren unzulässig. Die Entscheidung darüber gehört sachlich zum Kostenfestsetzungsverfahren (§ 149 FGO), hierfür ist das Gericht des ersten Rechtszugs zuständig (, BFHE 90, 150, BStBl II 1968, 56; , BFHE 202, 79, BStBl II 2004, 434).
Fundstelle(n):
BFH/NV 2005 S. 1152 Nr. 7
PAAAB-52024