BFH Urteil v. - I R 79/04

Verdeckte Gewinnausschüttung wegen unangemessener Gesamtausstattung eines für mehrere Gesellschaften als Geschäftsführer tätigen GmbH-Gesellschafter

Gesetze: KStG § 8 Abs. 3 Satz 2

Instanzenzug: (Verfahrensverlauf),

Gründe

I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist eine GmbH, deren Wirtschaftsjahr am 1. März beginnt und am 28. Februar endet. Sie vertreibt und verarbeitet ...artikel. Ihr alleiniger Gesellschafter und Geschäftsführer WS war bis Ende 1994 gleichzeitig (vollzeitbeschäftigter) Angestellter der A-GmbH und seit dem —im Zuge einer Umstrukturierung— Alleingesellschafter und Alleingeschäftsführer der im Lande Brandenburg ansässigen GmbH II. Die letztere GmbH II war 1993 von der Ehefrau des WS und seinem Bruder RS gegründet worden. RS war bis zur Übernahme dieses Amtes durch WS deren Geschäftsführer; daneben übte er die Funktion des Betriebsleiters der Klägerin aus.

Die Geschäftsführervergütungen von WS beliefen sich in den Streitjahren 1996 und 1997 auf 240 989 DM (1996) und 302 549 DM (1997). Die Geschäftsführerbezüge bei der GmbH II beliefen sich in den Streitjahren auf 167 700 DM (1996) und 340 000 DM (1997).

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt —FA—) vertrat die Auffassung, dass die Geschäftsführervergütungen von WS bei der Klägerin überhöht und in Höhe von 41 889 DM (1996) und 105 235 DM (1997) als verdeckte Gewinnausschüttungen (vGA) zu behandeln seien.

Gegen die hiernach ergangenen Bescheide erhob die Klägerin Klage, die nur teilweisen Erfolg hatte. Das Niedersächsische Finanzgericht (FG) sah nach Vornahme eines Fremdvergleichs anhand externer Gehaltsstrukturuntersuchungen Beträge von 200 000 DM (1996) und 220 000 DM (1997) als angemessen an, wobei zum einen davon ausgegangen wurde, dass ein nur „durchschnittlich erfolgreiches Unternehmen” wie die Klägerin „bei der Bemessung des Gehalts nicht an die obere Grenze der am Markt gezahlten Gehälter gegangen wäre”, und zum anderen, dass WS tatsächlich lediglich 50 v.H. seiner Gesamtarbeitskraft für die Klägerin erbracht habe. Das ist in Deutsches Steuerrecht/Entscheidungsdienst 2005, 159 veröffentlicht.

Ihre Revision stützt die Klägerin auf Verletzung materiellen Rechts.

Sie beantragt sinngemäß, das FG-Urteil aufzuheben und die angefochtenen Steuerbescheide dahin zu ändern, dass die an WS gezahlten Gehälter zum Betriebsausgabenabzug zugelassen werden.

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

II. Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG. Dessen Feststellungen ermöglichen keine abschließende Beurteilung der Frage, ob die Gehälter von WS in Anbetracht seiner Funktionen als Geschäftsführer bei der Klägerin, aber auch deren Schwestergesellschaft noch als angemessen anzusehen sind.

1. Nach § 8 Abs. 3 Satz 2 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) darf eine vGA das steuerlich zu erfassende Einkommen einer Körperschaft nicht mindern. VGA in diesem Sinne sind nach ständiger Rechtsprechung des Senats Vermögensminderungen und verhinderte Vermögensmehrungen, die nicht auf einer offenen Gewinnausschüttung beruhen, sich auf den Unterschiedsbetrag i.S. des § 4 Abs. 1 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) auswirken und durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst sind (z.B. , BFHE 191, 107, BStBl II 2000, 545; vom I R 40/99, BFHE 191, 330, BStBl II 2000, 504; vom I R 12/99, BFHE 193, 274, BStBl II 2001, 140). Dazu gehören insbesondere einem Gesellschafter-Geschäftsführer gezahlte Vergütungen, die ein ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter (§ 43 Abs. 1 des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung) einem gesellschaftsfremden Geschäftsführer unter ansonsten vergleichbaren Verhältnissen nicht gewährt hätte (Senatsurteil vom I R 27/99, BFHE 195, 228, BStBl II 2002, 111).

2. Zwischen den Beteiligten ist hiernach streitig, ob die Gesamtausstattung des Gesellschafter-Geschäftsführers in den Streitjahren ihrer Höhe nach angemessen war.

a) Für die Bemessung der angemessenen Bezüge eines Gesellschafter-Geschäftsführers gibt es keine festen Regeln. Der angemessene Betrag ist vielmehr im Einzelfall durch Schätzung zu ermitteln. Bei dieser Schätzung ist zu berücksichtigen, dass häufig nicht nur ein bestimmtes Gehalt als angemessen angesehen werden kann, sondern der Bereich des Angemessenen sich auf eine gewisse Bandbreite von Beträgen erstreckt. Unangemessen im Sinne einer vGA sind dann nur die Bezüge, die den oberen Rand dieser Bandbreite übersteigen (vgl. , BFHE 202, 241, BStBl II 2004, 132 und I R 80, 81/01, BFH/NV 2003, 1346; vom I R 24/02, BFHE 202, 494, BStBl II 2004, 136 und I R 38/02, BFHE 202, 500, BStBl II 2004, 139; vom I R 92/03, BFH/NV 2005, 77, jeweils m.w.N.). Wo im konkreten Einzelfall die hiernach zu bestimmende (Ober-)Grenze zwischen (noch) angemessenen und (schon) unangemessenen Gesamtbezügen verläuft, ist eine Frage, deren Beantwortung dem FG vorbehalten ist (§ 96 Abs. 1 Satz 1 der FinanzgerichtsordnungFGO—). Dabei zählt es zum Bereich der vom FG zu treffenden Sachverhaltsfeststellungen, welchen Kriterien der Vorrang zur Beurteilung der Angemessenheit der Geschäftsführervergütung im Einzelfall beizumessen ist. Vorausgesetzt, die Erkenntnisse des FG sind nicht verfahrensfehlerhaft zustande gekommen und verstoßen nicht gegen Denkgesetze oder gegen allgemeine Erfahrungssätze, ist das Revisionsgericht hieran gebunden (vgl. § 118 Abs. 2 FGO). Das ist unabhängig davon, ob sich aus den vorhandenen Schätzungsgrundlagen gleichermaßen andere Beträge hätten ableiten lassen.

b) Das FG ist im Ausgangspunkt von diesen Grundsätzen ausgegangen. Es hat die an WS gezahlten Geschäftsführervergütungen danach lediglich bis zu einer Gesamthöhe von 200 000 DM (in 1996) und von 220 000 DM (in 1997) als angemessen angesehen; bei den darüber hinaus geleisteten Beträgen handele es sich um vGA. Das FG ist zu dieser Erkenntnis aufgrund des von ihm angestellten Fremdvergleichs gelangt, den es vornehmlich anhand betriebsexterner Faktoren, insbesondere einschlägiger Gehaltsstrukturuntersuchungen (Kienbaum, Tänzer), angestellt hat. Danach seien bezogen auf die Streitjahre in der Branche der Klägerin im oberen Quartil zwar Gehälter bis zu 290 000 DM üblich. Ein nur durchschnittlich erfolgreiches Unternehmen wie die Klägerin wäre bei der Bemessung des Gehalts aber nicht an die obere Grenze der am Markt gezahlten Gehälter gegangen. Überdies habe WS tatsächlich lediglich 50 v.H. seiner Gesamtarbeitskraft für die Klägerin erbracht, was sich entsprechend mindernd auswirke.

c) Dem kann nach den bisherigen Feststellungen des FG nicht uneingeschränkt gefolgt werden.

aa) Nachdem das FG die Gehaltsobergrenzen, die in den Streitjahren in der Branche der Klägerin gezahlt wurden, anhand betriebsexterner Faktoren auf 290 000 DM taxiert hat, war es nach den dargestellten Rechtsprechungsgrundsätzen prinzipiell nicht zu beanstanden, dass die Klägerin und WS in dem Anstellungsvertrag bis an den oberen Bereich der im Fremdvergleich festgestellten Gehaltsbandbreite gegangen sind. Allerdings gehört die Klägerin nach Umsätzen und Gewinnen nicht zu jenen Vergleichsunternehmen des oberen Quartils der Gehaltsstrukturuntersuchungen. Das könnte eine betragsmäßige Einschränkung der Gehaltsbandbreite rechtfertigen. Maßgeblich dafür ist die wirtschaftliche Situation der Klägerin in jenem Zeitpunkt, in dem die Gehaltsvereinbarungen mit WS getroffen wurden. Dazu hat das FG bislang nichts festgestellt, was im 2. Rechtsgang nachzuholen ist.

bb) Ob von dem hiernach maßgeblichen Ausgangsbetrag wegen der anderweitigen Geschäftsführertätigkeit von WS bei der Schwestergesellschaft ein Abschlag zu machen war, hängt davon ab, ob diese andere Geschäftsführertätigkeit sich für die Klägerin in greifbarer Weise als vorteilhaft herausstellte. Das wird von der Klägerin behauptet. Sie hat —bereits im Klageverfahren— vorgetragen, die Tätigkeit von WS in beiden Gesellschaften habe eine wesentliche Verbesserung der Produktionsabläufe und der Vertriebsstruktur und damit im Ergebnis der Gewinnsituation herbeigeführt. Davon hätten beide GmbH profitiert. Das FG ist diesen Erwägungen und Einwänden nicht nachgegangen.

Unterstellt, dieses Sachvorbringen der Klägerin träfe zu und es würden konkrete Vorteile für die Klägerin im Einzelnen nachgewiesen, wäre der Klage u.U. (ggf. auch nur teilweise) zu entsprechen. Wie der Senat in mittlerweile ständiger Rechtsprechung entschieden hat (vgl. Urteile in BFHE 202, 241, BStBl II 2004, 132, und in BFH/NV 2003, 1346; vom I R 101/03, BFH/NV 2004, 1672), wird der ordentliche und gewissenhafte Geschäftsleiter einer Gesellschaft bei der Bemessung eines Geschäftsführergehalts die Tätigkeit des Geschäftsführers für andere Unternehmen zwar regelmäßig mindernd berücksichtigen, weil ein für mehrere Unternehmen tätiger Geschäftsführer naturgemäß nicht jedem einzelnen dieser Unternehmen seine gesamte Arbeitskraft zur Verfügung stellen kann. Eine (vollständige oder teilweise) Nichtberücksichtigung anderweitiger Tätigkeiten wird jedoch in Betracht kommen, wenn gerade die anderweitige Tätigkeit für die zu beurteilende Gesellschaft Vorteile mit sich bringt, die den Verlust an zeitlichem Einsatz des Geschäftsführers ausgleichen. Besteht unter diesem Gesichtspunkt Streit über die Angemessenheit der Vergütung, so ist dies von der Gesellschaft darzulegen und erforderlichenfalls nachzuweisen.

Auf der Grundlage der erwähnten Senatsurteile, in denen die vorstehenden Grundsätze zur Angemessenheit bei mehrfacher Geschäftsführertätigkeit aufgestellt wurden, hätte das FG Anlass gehabt, solchen Überlegungen nachzugehen. Da dies unterblieben ist, ist die notwendige Prüfung im 2. Rechtsgang nachzuholen.

Fundstelle(n):
BB 2007 S. 2 Nr. 44
BB 2007 S. 2 Nr. 44
BFH/NV 2005 S. 1147 Nr. 7
HFR 2005 S. 768 Nr. 8
GAAAB-52014