Fehlen von Entscheidungsgründen; Anspruch auf rechtliches Gehör; Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung und der Divergenz
Gesetze: FGO § 105 Abs. 2 Nr. 5, § 115 Abs. 2
Instanzenzug:
Gründe
Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) hat die geltend gemachten Revisionszulassungsgründe nicht in der nach § 116 Abs. 3 Satz 3 i.V.m. § 115 Abs. 2 Nr. 1 bis 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) gebotenen Art und Weise dargelegt.
1. Der Kläger rügt die Verletzung von Verfahrensvorschriften. Er bemängelt unter Hinweis auf § 119 Nr. 6 FGO das Fehlen von Entscheidungsgründen, behauptet die Verletzung seines Anspruchs auf rechtliches Gehör (§ 96 Abs. 2 FGO) und hält dem Finanzgericht (FG) vor, entgegen § 96 Abs. 1 Satz 1 FGO seine Überzeugung nicht aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gebildet zu haben. Dieses Vorbringen hat keinen Erfolg.
a) Die nach § 105 Abs. 2 Nr. 5 FGO vorgeschriebene Wiedergabe der Entscheidungsgründe dient der Mitteilung der wesentlichen rechtlichen Erwägungen, die aus der Sicht des Gerichts für die getroffene Entscheidung maßgebend waren. Die Entscheidungsgründe fehlen deshalb dann, wenn den Beteiligten die Möglichkeit entzogen ist, das Urteil auf seine Richtigkeit und Rechtmäßigkeit hin zu überprüfen (vgl. , BFHE 143, 325, BStBl II 1985, 417). Das ist insbesondere der Fall, wenn nicht ersichtlich ist, welcher Sachverhalt der Entscheidung zugrunde liegt oder auf welche rechtlichen Erwägungen sich die Entscheidung stützt (, BFH/NV 2002, 201). Die Entscheidungsgründe fehlen auch dann, wenn das FG einen selbständigen prozessualen Anspruch oder ein selbständiges Angriffs- oder Verteidigungsmittel mit Stillschweigen übergangen hat (vgl. , BFH/NV 2002, 80; , BFH/NV 2002, 369, jeweils m.w.N.). Dabei sind unter selbständigen Ansprüchen und selbständigen Angriffs- und Verteidigungsmitteln nur die eigenständigen Klagegründe und solche Angriffs- und Verteidigungsmittel zu verstehen, die den vollständigen Tatbestand einer mit selbständiger Wirkung ausgestalteten Rechtsnorm bilden (BFH-Urteile in BFH/NV 2002, 80, und vom IX R 25/99, BFH/NV 2002, 363, jeweils m.w.N.). Der Kläger hat nicht dargetan, dass das angefochtene Urteil an derartigen Mängeln leidet, die zum Fehlen von Entscheidungsgründen führen würden.
Das FG hat in dem angefochtenen Urteil im Tatbestand das Vorbringen des Klägers hinreichend wiedergegeben und in den Rechtsausführungen den sich aus § 152 der Abgabenordnung (AO 1977) ergebenden Zweck des Verspätungszuschlags, die in dieser Vorschrift enthaltenen Maßstäbe für seine Bemessung und die vom Beklagten und Beschwerdegegner (Finanzamt —FA—) angestellten Ermessenserwägungen insbesondere zum Verschulden, zu etwaigen Entschuldigungsgründen und zum Erklärungsabgabeverhalten des Klägers in den Vorjahren dargestellt. Vor diesem Hintergrund genügt es nicht, wenn der Kläger behauptet, das FG habe die von ihm vorgebrachten Exkulpationsgründe und weiteren angeführten Überlegungen mit Schweigen übergangen. Letztlich erschöpft sich das Vorbringen des Klägers darin, seine Unzufriedenheit mit der vom FG getroffenen Entscheidung im Stile einer Revisionsbegründung zum Ausdruck zu bringen.
Soweit der Kläger in diesem Zusammenhang dem FG eine widersprüchliche Argumentation und damit einen Verstoß gegen Denkgesetze vorwirft, wenn es einerseits die fragliche Betriebsprüfung als hinsichtlich ihres zeitlichen und sachlichen Umfangs außergewöhnlich bezeichnet und andererseits als in der Praxis eines Steuerberaters nicht außergewöhnlich gewertet hat, übersieht er zweierlei. Zum einen kann eine Betriebsprüfung im Einzelfall für den Steuerpflichtigen außergewöhnlich sein, während sich dies bei einem Steuerberater, der üblicherweise mehrere Mandanten betreut, anders darstellt. Zum anderen ist ein Verstoß gegen die Denkgesetze ein materiell-rechtlicher Fehler und kein Verfahrensmangel.
b) Die Rügen des Klägers, das FG habe seinen Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt und seine Überzeugung nicht aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnen (§ 96 Abs. 2 und 1 FGO) bestehen letztlich in Ausführungen darüber, dass das FG den Sachverhalt, insbesondere das Vorbringen des Klägers zur Entschuldigung der verspäteten Abgabe der Steuererklärung, nicht so gewertet hat, wie es den Vorstellungen des Klägers entspricht. Besonders deutlich wird dies, wenn der Kläger sich auf einen Vorschlag des FG zur Herabsetzung des Verspätungszuschlags in einem Erörterungstermin bezieht, der zu anderen Verfahren durchgeführt wurde, und wenn er das angefochtene Urteil, das diesen Erörterungstermin und den dort unterbreiteten Vorschlag nicht erwähnt, als Überraschungsentscheidung betrachtet. Die gleiche Zielrichtung der generellen Kritik an dem angefochtenen Urteil ist aus dem Vorbringen des Klägers über Herabsetzungen von Verspätungszuschlägen ersichtlich, die gegen einen anderen Steuerpflichtigen festgesetzt wurden.
Der Kläger lässt bei seinen Rügen außer Acht, dass weder der Anspruch auf rechtliches Gehör noch die Pflicht des Gerichts, seine Überzeugung aus dem Gesamtergebnis der Verhandlung zu bilden, das Gericht verpflichtet, sich zu jedem Vorbringen der Beteiligten zu äußern (vgl. Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 5. Aufl., § 119 Anm. 10a) und alle Umstände des Einzelfalls zu erörtern (Senatsbeschluss vom X B 102/02, BFH/NV 2003, 1209). Denn grundsätzlich ist davon auszugehen, dass das Gericht das Vorbringen der Beteiligten zur Kenntnis genommen und auch denjenigen Akteninhalt in Erwägung gezogen hat, mit dem es sich in den schriftlichen Entscheidungsgründen nicht ausdrücklich auseinander gesetzt hat (, BFH/NV 2000, 673, m.w.N.). Daran bestehen im Streitfall angesichts der Ausführungen des FG keine Zweifel. Erst recht ergibt sich aus dem Anspruch auf rechtliches Gehör nicht die Verpflichtung des Gerichts, sich die Wertungen und Beurteilungen der Beteiligten zu eigen zu machen. Ein Verstoß gegen § 96 Abs. 1 und 2 FGO liegt also nicht bereits deshalb vor, weil das FG den Akteninhalt nicht entsprechend den Vorstellungen des Klägers gewürdigt hat. Soweit der Kläger die Würdigung des FG in der angefochtenen Entscheidung angreift, macht er keinen Verfahrensmangel geltend; vielmehr wendet er sich insoweit gegen die sachliche Richtigkeit der Vorentscheidung. Dies eröffnet jedoch nicht die Revision nach § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO.
2. Zu den geltend gemachten Zulassungsgründen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO) und der Notwendigkeit einer Entscheidung des BFH zur Fortbildung des Rechts sowie zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO), die einen Unterfall der grundsätzlichen Bedeutung darstellen, hat der Kläger bis ins Einzelne gehend die Besonderheiten des Streitfalles aus seiner Sicht dargelegt, ohne jedoch hinreichend den allgemeinen Charakter seiner Fragen darzutun. Damit fehlt es an der Darlegung der Klärungsbedürftigkeit im allgemeinen Interesse.
a) Es genügt für die Darlegung des Zulassungsgrundes der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache nicht, eine Vielzahl von Fragen, die sich mit der Würdigung des FG kritisch auseinander setzen, allgemein zu formulieren und ihre allgemeine Klärungsbedürftigkeit zu behaupten.
b) Im Rahmen der Ermessensentscheidung nach § 152 AO 1977 ist es erforderlich, die besonderen Umstände des jeweiligen Einzelfalles zu berücksichtigen. Daher ist es nicht möglich, aus vermeintlichen Abweichungen des angefochtenen Urteils von den vom Kläger genannten Entscheidungen anderer Gerichte (, BFH/NV 1990, 615; Urteil des , Entscheidungen der Finanzgerichte —EFG— 1978, 416; , EFG 1997, 259, und , EFG 1991, 440), die sich mit den Besonderheiten des jeweiligen Einzelfalls zum Verschulden befassen, die Notwendigkeit einer Entscheidung des BFH zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 FGO abzuleiten. Davon abgesehen ist es dem Kläger nicht gelungen, den genannten Entscheidungen allgemeine Rechtssätze zu entnehmen, von denen ein aus dem angefochtenen Urteil von ihm zu bildender allgemeiner Rechtssatz tatsächlich abgewichen wäre.
c) Weshalb die vom Kläger im Zusammenhang mit seiner Fristversäumnis angestellten Überlegungen zu § 275 des Bürgerlichen Gesetzbuchs und die Behauptung eines enteignungsgleichen Eingriffs in die Praxis seines Bevollmächtigten eine Entscheidung des BFH zur Rechtsfortbildung erforderlich machen, konnte der Kläger nicht dartun. Auch insoweit macht der Prozessbevollmächtigte Besonderheiten des Einzelfalls geltend, die keine allgemeine Klärungsbedürftigkeit begründen.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
BFH/NV 2005 S. 1117 Nr. 7
NWB-Eilnachricht Nr. 48/2006 S. 4066
VAAAB-52009