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BFH Urteil v. - VII 185/57 U BStBl 1959 III S. 11

Leitsatz

  1. Sind Eingangsabgaben nachzufordern, weil die Zollstelle sie auf Grund einer objektiv unrichtigen oder irreführenden Zollanmeldung nicht oder zu niedrig festgesetzt hat, so ist die nachträgliche Einziehung dieser Abgaben ohne Rücksicht darauf, ob sie abgewälzt werden können, dann nicht unbillig, wenn die unrichtige Zollanmeldung auf Umständen beruht, die der Zollbeteiligte zu vertreten hat, weil er nicht alles ihm Zumutbare getan hat, um seiner Pflicht zur Mitwirkung an einer gesetzmäßigen Verzollung zu genügen.

  2. Die Nachforderung von Eingangsabgaben auf Grund von § 223 AO ist nicht in das Ermessen der Verwaltung gestellt; diese ist vielmehr verpflichtet, die Nachforderung geltend zu machen, es sei denn, daß dem auf Grund besonders gelagerter außergewöhnlicher Umstände des einzelnen Falles die Grundsätze von Treu und Glauben entgegenstehen.

  3. Da der Zollbeteiligte durch seinen Antrag das Zollverfahren bestimmt (§ 74 Abs. 1 ZG) und damit die Voraussetzungen für das Entstehen oder Nichtentstehen einer Zollschuld setzt, kann die Einziehung einer Eingangsabgabenforderung, die auf Grund seines Antrags entstanden ist, nicht allein deshalb unter dem Gesichtspunkt einer "ungerechtfertigten Bereicherung" des Steuergläubigers als unbillig angesehen werden, weil der Zollbeteiligte nach Lage des Falles durch die Stellung eines anderen Antrages das Entstehen einer Abgabenschuld hätte vermeiden können. Ist jedoch der Zollbeteiligte ohne sein Verschulden durch Organe der Zollverwaltung zur Stellung des in seinen Wirkungen für ihn ungünstigen Antrages veranlaßt worden, so kann darin ein Billigkeitsgrund liegen.

  4. Soweit der Bundesminister der Finanzen in den "Richtlinien zur Anwendung des § 131 der Reichsabgabenordnung auf dem Gebiet der Zölle und Verbrauchsteuern vom " die ihm unterstellten Zolldienststellen ermächtigt hat, beim Vorliegen bestimmter Tatbestände aus sachlichen Gründen die Eingangsabgaben zu erlassen, liegt darin gleichzeitig die allgemeine Anerkennung dieser Tatbestände als Grund für einen Billigkeitserlaß. Mit Rücksicht auf den Grundsatz der Selbstbindung der Verwaltung kann der Umstand, daß Zolldienststellen trotz Vorliegens eines solchen Tatbestandes im Einzelfall von der Ermächtigung keinen Gebrauch gemacht haben, einen Ermessensmißbrauch darstellen. Die Finanzgerichte haben daher, wenn ein solcher Ermächtigungstatbestand in dem zu entscheidenden Fall in Frage kommen kann, in unmittelbarer Anwendung des § 131 AO zu prüfen, ob die darin liegende allgemeine Anerkennung als Billigkeitsgrund sich innerhalb der durch das Gesetz gezogenen Ermessensgrenzen hält. Trifft dies zu, so haben die Finanzgerichte als Grundlage für ihre Entscheidung darüber, ob ein Ermessensmißbrauch durch die ermächtigte Dienststelle vorliegt, im Rahmen ihrer Tatsachenermittlungspflicht festzustellen, ob der zur Entscheidung stehende Sachverhalt dem Ermächtigungstatbestand entspricht.

Fundstelle(n):
BStBl 1959 III Seite 11
BFHE 1959 S. 27 Nr. 68
IAAAB-46534

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