Bindung an Tatsachenfeststellungen hinsichtlich eines anderen Arbeitsplatzes bei einem häuslichen Arbeitszimmer
Leitsatz
1. Es ist höchstrichterlich hinreichend geklärt, unter welchen Voraussetzungen ein anderer Arbeitsplatz für die berufliche Tätigkeit eines Steuerpflichtigen zur Verfügung steht.
2. Dabei sind die tatrichterliche Überzeugungsbildung, die Tatsachen- bzw. Sachverhaltswürdigung sowie Schlussfolgerungen des FG in tatsächlicher Art für das Revisionsgericht grundsätzlich bindend.
Gesetze: EStG § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 b Satz 2EStG § 9 Abs. 5FGO § 115 Abs. 2 Nr. 1FGO § 118 Abs. 2
Instanzenzug: ,
Gründe
Die Beschwerde der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) hat keinen Erfolg. Die von den Klägern geltend gemachten Zulassungsgründe liegen nicht vor.
1. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) kommt einer Rechtssache dann grundsätzliche Bedeutung (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung —FGO—) zu, wenn die für die Beurteilung des Streitfalles maßgebliche Rechtsfrage das (abstrakte) Interesse der Allgemeinheit an einer einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts berührt. Außerdem muss die Rechtsfrage klärungsbedürftig und in einem künftigen Revisionsverfahren klärungsfähig sein (vgl. Seer in Tipke/ Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, § 115 FGO Tz. 46, 50 und 52 f., mit umfangreichen Rechtsprechungsnachweisen).
Entgegen der Ansicht der Kläger kommt der Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung (mehr) zu. Die Frage, unter welchen Voraussetzungen ein anderer Arbeitsplatz für die berufliche Tätigkeit eines Steuerpflichtigen zur Verfügung steht (§ 9 Abs. 5 i.V.m. § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 b Satz 2 des Einkommensteuergesetzes —EStG—), ist im Wesentlichen geklärt. Der Streitfall bietet keinen Anlass für eine weitere höchstrichterliche Leitentscheidung; insbesondere haben die Kläger keine neuen, vom BFH bisher nicht erwogenen Gesichtspunkte vorgetragen.
Wie der Senat in zahlreichen Entscheidungen (vgl. u.a. Urteile jeweils vom VI R 17/01, BFHE 203, 130, BStBl II 2004, 78; VI R 41/98, BFHE 203, 119, BStBl II 2004, 80; VI R 162/00, BFHE 203, 124, BStBl II 2004, 83; VI R 16/01, BFHE 203, 128, BStBl II 2004, 77; VI R 118/00, BFHE 203, 122, BStBl II 2004, 82 mit Anm. Loschelder in Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung —HFR— 2003, 1154) erkannt hat, ist ein „anderer Arbeitsplatz” i.S. des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 b Satz 2 EStG grundsätzlich jeder Arbeitsplatz, der zur Erledigung büromäßiger Arbeiten geeignet ist. Der andere Arbeitsplatz steht „für die betriebliche oder berufliche Tätigkeit…zur Verfügung”, wenn ihn der Steuerpflichtige in dem konkret erforderlichen Umfang und in der konkret erforderlichen Art und Weise tatsächlich nutzen kann. Bei Steuerpflichtigen, die (wie im Streitfall) nur einer beruflichen Tätigkeit nachgehen, muss ggf. geprüft werden, ob ein —an sich vorhandener— anderer Arbeitsplatz auch tatsächlich für alle Aufgabenbereiche der Erwerbstätigkeit genutzt werden kann. Es genügt hingegen nicht, dass ein Steuerpflichtiger nach Feierabend oder am Wochenende im häuslichen Arbeitszimmer Arbeiten verrichtet, die er grundsätzlich auch an einem anderen Arbeitsplatz verrichten könnte (vgl. auch , BFHE 204, 176, BStBl II 2004, 775; Beschluss vom VI B 135/03, BFH/NV 2004, 1638).
Die Frage, ob ein Steuerpflichtiger seinen anderen Arbeitsplatz in dem konkret erforderlichen Umfang und in der konkret erforderlichen Art und Weise nutzen kann, betrifft nach ständiger Rechtsprechung die Tatsachenfeststellung. Sie muss vom jeweiligen Richter der Tatsacheninstanz anhand der objektiven Umstände des konkreten Einzelfalls beantwortet werden (z.B. BFH-Urteile in BFHE 203, 130, BStBl II 2004, 78, und in BFHE 204, 176, BStBl II 2004, 775).
Das angefochtene Urteil geht von diesen Rechtsprechungsgrundsätzen aus. Nach den den Senat bindenden Feststellungen des Finanzgerichts (FG) stand dem Kläger ein Arbeitszimmer in der Gemeindeverwaltung (Rathaus) zur Verfügung. Das FG würdigte die vom Kläger im finanzgerichtlichen Verfahren vorgetragenen Gründe dahin gehend, dass der Kläger das häusliche Arbeitszimmer aus Gründen der privaten Lebensführung in den späten Abendstunden bzw. am Wochenende genutzt habe. Dabei hat das FG der Bescheinigung der Gemeindeverwaltung keine durchgreifende Bedeutung beigemessen. Nach Ansicht des FG habe die Bescheinigung im Wesentlichen nur die Aufgabenbereiche des Klägers als Bürgermeister umschrieben; sie habe jedoch nichts darüber ausgesagt, dass der Kläger in seinem häuslichen Arbeitszimmer getrennt zu beurteilende, abgrenzbare Aufgabenbereiche (vgl. hierzu BFH-Urteile in BFHE 203, 119, BStBl II 2004, 80; vom VI R 1/02, BFH/NV 2004, 943) zu erledigen gehabt habe, die er nicht in seinem Amtszimmer hätte erledigen können (vgl. auch , BFH/NV 2004, 1102).
Im Kern richtet sich die Beschwerde der Kläger gegen die tatrichterlichen Feststellungen und die daran anknüpfende rechtliche Wertung (vgl. § 118 Abs. 2 FGO). Indessen sind die tatrichterliche Überzeugungsbildung, die Tatsachen- bzw. Sachverhaltswürdigung sowie Schlussfolgerungen tatsächlicher Art (vgl. hierzu Lange in Hübschmann/Hepp/Spitaler, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, § 118 FGO Rz. 154) einer Nachprüfung durch den BFH weitgehend entzogen. Die tatrichterliche Überzeugungsbildung der Vorinstanz (§ 96 Abs. 1 FGO) ist nur insoweit revisibel, als Verstöße gegen die Verfahrensordnung, gegen Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze vorliegen (ständige Rechtsprechung; Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 5. Aufl., § 118 Rz. 30; Seer in Tipke/Kruse, a.a.O., § 118 FGO Tz. 87, m.w.N.). Solche Verstöße sind jedoch im Streitfall nicht erkennbar. Aus revisionsrechtlicher Sicht ist es nicht zu beanstanden, wenn das FG aus den ihm vorliegenden Umständen abgeleitet hat, dem Kläger stehe für die ihm obliegenden Arbeiten ein anderer Arbeitsplatz zur Verfügung. Die Kläger verkennen, dass die vorinstanzlichen Schlussfolgerungen den BFH als Revisionsgericht schon dann binden, wenn sie möglich (vertretbar) sind; sie müssen nicht zwingend sein (ständige Rechtsprechung; vgl. z.B. , BFHE 177, 95, BStBl II 1995, 462; Beermann, Steuerliches Verfahrensrecht, § 118 FGO Tz. 24).
2. Die Kläger haben nicht schlüssig dargelegt, dass dem FG ein Verfahrensfehler (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO) unterlaufen ist.
Soweit die Kläger meinen, das FG habe zu Unrecht die Bescheinigung der Verbandsgemeinde als Gefälligkeitsbescheinigung gewürdigt, wird ein materiell-rechtlicher Mangel, jedoch kein Fehler des FG in der Handhabung des gerichtlichen Verfahrens gerügt.
Die nach Ansicht der Kläger fehlerhafte Beweiswürdigung durch das FG stellt keinen Verfahrensmangel dar. Die Grundsätze der Beweiswürdigung sind dem materiellen Recht zuzuordnen (Gräber/ Ruban, a.a.O., § 115 Rz. 82 und § 118 Rz. 30). Ein Verfahrensfehler liegt insbesondere nicht vor, wenn das FG die ihm vorliegenden, entscheidungserheblichen Tatsachen anders —als von den Klägern angestrebt— gewürdigt hat (z.B. , BFH/NV 2000, 868).
Soweit die Kläger anführen, das FG habe seine Pflicht zur Sachverhaltsaufklärung verletzt, fehlt es bereits an einer prozessordnungsgemäßen Darlegung (vgl. § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO; vgl. z.B. , BFH/NV 2005, 221; , Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht 2004, 627).
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
BStBl 2005 II Seite 488
BB 2005 S. 762 Nr. 14
BFH/NV 2005 S. 783
BFH/NV 2005 S. 783 Nr. 5
BStBl II 2005 S. 488 Nr. 12
DB 2005 S. 2278 Nr. 42
DStRE 2005 S. 554 Nr. 10
HFR 2005 S. 540
INF 2005 S. 284 Nr. 8
NWB-Eilnachricht Nr. 48/2006 S. 4066
NWB-Eilnachricht Nr. 52/2006 S. 4492
StB 2005 S. 162 Nr. 5
LAAAB-44845