Verlustbringende Vermietung eines Einfamilienhauses an den Gesellschafter-Geschäftsführer einer GmbH
Leitsatz
1. Tätigt eine Kapitalgesellschaft ohne angemessenes Entgelt verlustträchtige Geschäfte, die im privaten Interesse ihrer Gesellschafter liegen, so kann dies zu einer vGA führen. Ob eine Kapitalgesellschaft ein Verlustgeschäft im eigenen Gewinninteresse oder im Interesse der Gesellschafter durchgeführt hat, ist nach denjenigen Kriterien zu prüfen, die zur Abgrenzung zwischen Einkunftserzielung und „Liebhaberei” entwickelt worden sind (Bestätigung des Senatsurteils vom I R 54/95, BFHE 182, 123).
2. Erwirbt und unterhält eine GmbH ein Einfamilienhaus und vermietet dieses an ihren Gesellschafter-Geschäftsführer zu dessen privaten Wohnzwecken, bemisst sich die anzusetzende Miete regelmäßig nach den Grundsätzen der Kostenmiete zuzüglich eines angemessenen Gewinnzuschlags. Vorteile der GmbH aus der Inanspruchnahme begünstigter Aufwendungen für Baudenkmäler nach § 82i EStDV 1990 sind nicht einzubeziehen.
Gesetze: KStG § 8 Abs. 3 Satz 2
Instanzenzug: ,F (EFG 2003, 1405) (Verfahrensverlauf),
Gründe
I.
Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), eine GmbH & Co. KG, ist Gesamtrechtsnachfolgerin einer GmbH, deren Unternehmensgegenstand es u.a. war, Beteiligungen an Gesellschaften der Werbewirtschaft zu verwalten und Werbetreibende zu beraten. Die Anteile an der GmbH wurden von JS gehalten. Bis zum war die GmbH alleinige Komplementärin einer GmbH & Co. KG (KG II); zum erwarb sie sämtliche Anteile an dieser Gesellschaft.
Mit notariellem Kaufvertrag vom hatte die KG II ein Einfamilienhaus erworben. Der Kaufpreis für das 297 qm große Grundstück und das unter Denkmalschutz stehende Gebäude mit einer Wohnfläche von 214,37 qm betrug 1,6 Mio. DM. In den Streitjahren 1991 und 1992 wurde das Einfamilienhaus von der GmbH mit einem Aufwand von (brutto) 1 026 982 DM umgebaut; unter anderem wurde ein Schwimmbad eingebaut.
Aufgrund eines Mietvertrages vom vermietete die GmbH mit Wirkung vom eine Teilfläche des Gebäudes von 144,54 qm (= 67,43 v.H. der Gesamtfläche) für einen monatlichen Mietzins von 3 115,05 DM an JS. Die verbleibende Fläche von 69,83 qm (= 32,57 v.H. der Gesamtfläche) wurde von ihr selbst als Büro- und Konferenzraum genutzt.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt —FA—) vertrat unter Hinweis auf das Senatsurteil vom I R 54/95 (BFHE 182, 123) die Ansicht, ein ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsführer wäre nicht bereit gewesen, aus der Vermietung des Einfamilienhauses einen laufenden Verlust zu tragen. In Höhe des Unterschiedsbetrages zwischen den vereinnahmten Mieten und den in den Streitjahren entstandenen Aufwendungen lägen deswegen verdeckte Gewinnausschüttungen (vGA) vor. Außerdem sei ein Gewinnaufschlag von jährlich 10 v.H. vorzunehmen. Das FA errechnete hiernach vGA für 1991 in Höhe von 72 482 DM und für 1992 in Höhe von 81 917 DM.
Die anschließend erhobene Klage blieb bis auf eine Herabsetzung der vGA für 1991 auf 62 222 DM erfolglos. Das ,F ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2003, 1405 abgedruckt.
Die Revision stützt die Klägerin auf Verletzung materiellen Rechts.
Sie beantragt sinngemäß, das FG-Urteil aufzuheben, die angefochtenen Steuerbescheide zu ändern und bei der Neufestsetzung der Steuer keine vGA auszusetzen.
Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.
II.
Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG. Dessen Feststellungen reichen für eine abschließende Entscheidung darüber, ob und ggf. in welcher Höhe eine vGA anzunehmen ist, nicht aus.
1. a) Nach ständiger Rechtsprechung des erkennenden Senats (vgl. z.B. Urteile in BFHE 182, 123; vom I R 123/97, BFHE 186, 540; vom I R 106/99, BFHE 196, 173, BStBl II 2003, 487; vom I R 83/03, BFHE 206, 58), der sich die Vorinstanz angeschlossen hat, verfügen Kapitalgesellschaften steuerlich gesehen über keine außerbetriebliche Sphäre. Aufgrund dessen gehören von einer Kapitalgesellschaft angeschaffte Wirtschaftsgüter —im Streitfall das von der Klägerin erworbene Einfamilienhaus— zum betrieblichen Bereich und stellen die von ihr hierauf getätigten Aufwendungen und die hieraus erlittenen Verluste Betriebsausgaben dar; bei späteren Veräußerungserlösen handelt es sich um Betriebseinnahmen. Aus welchen Gründen sich die Kapitalgesellschaft entschließt, die Investition vorzunehmen, ist grundsätzlich unbeachtlich (vgl. auch Senatsurteil in BFHE 206, 58, m.w.N. zu Wertpapierrisikogeschäften).
b) Das schließt indes nicht aus, dass die Verluste aus einer derartigen Investition als vGA (§ 8 Abs. 3 Satz 2 des Körperschaftsteuergesetzes —KStG—) angesehen werden können (vgl. , BFHE 116, 12, BStBl II 1975, 722; vom I R 78/92, BFHE 173, 412, BStBl II 1994, 479; in BFHE 182, 123; in BFHE 186, 540; in BFHE 206, 58). Davon ist aber regelmäßig nicht auszugehen, wenn die Kapitalgesellschaft sich entschließt, ein Geschäft zu tätigen, das die Gefahr auch erheblicher Verluste in sich birgt. Es unterliegt der unternehmerischen und kaufmännischen Freiheit, derartige Risiken in Kauf zu nehmen. Anders kann es sich allerdings verhalten, wenn die Gesellschaft nicht aus eigenem Gewinnstreben, sondern nur zur Befriedigung privater Interessen der Gesellschafter handelt. Maßstab dafür, ob dies der Fall ist, können diejenigen Kriterien sein, die zur Abgrenzung zwischen Einkunftserzielung und sog. Liebhaberei entwickelt worden sind (Senatsurteil vom I R 92/00, BFHE 199, 217). Lässt sich eine gesellschaftliche (Mit-)Veranlassung der getätigten Investition und der im Zusammenhang damit in Kauf genommenen Verluste hiernach nicht nachweisen, scheidet die Annahme einer vGA regelmäßig schon deswegen aus, weil die verlustbedingte Minderung des Unterschiedsbetrages gemäß § 4 Abs. 1 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes —EStG— (i.V.m. § 8 Abs. 1 KStG) nicht geeignet ist, beim Gesellschafter einen sonstigen Bezug i.S. des § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG auszulösen (vgl. Senatsurteil vom I R 2/02, BFHE 200, 197, BStBl II 2004, 131).
c) Im Streitfall ließe sich hiernach eine vGA nur annehmen, wenn und soweit die Klägerin JS das Haus zu einem nicht kostendeckenden Preis zur Nutzung überlassen hätte. Die Vorinstanz hat diese Frage nicht weiter geprüft. Sie wird das im 2. Rechtsgang nachzuholen haben. Dabei wird im Rahmen des auch insoweit anzustellenden Fremdvergleichs zu berücksichtigen sein, dass ein ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsführer nur dann bereit sein wird, die laufenden Aufwendungen für den Ankauf, den Ausbau und die Unterhaltung eines Einfamilienhauses zu (privaten) Wohnzwecken —also im privaten Interesse— des Gesellschafters der Kapitalgesellschaft zu tragen, wenn der Gesellschaft diese Aufwendungen in voller Höhe erstattet werden. Er wird deswegen nicht die Marktmiete, sondern die sog. Kostenmiete ansetzen. Die dazu vom Bundesfinanzhof (BFH) in seinem Urteil vom IX R 35/92 (BFHE 174, 51, BStBl II 1995, 98; vgl. im Einzelnen auch Drenseck in Schmidt, Einkommensteuergesetz, 23. Aufl., § 21 Rz. 59 f., m.w.N.) gemachten Einschränkungen für den Bereich der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung gelten im Zusammenhang mit der Prüfung einer vGA nicht.
Grundlage der Berechnung der Kostenmiete ist die Verordnung über wohnungswirtschaftliche Berechnungen nach dem Zweiten Wohnungsbaugesetz (II.BVO) i.d.F. vom (BGBl I 1990, 2178). Abweichend hiervon (vgl. , BFHE 185, 471, BStBl II 1998, 386, m.w.N.) sind allerdings die erhöhten Absetzungen für Abnutzung (AfA) für Baudenkmäler nach § 82i der Einkommensteuer-Durchführungsverordnung 1990, heute gemäß § 7i EStG, nicht zu berücksichtigen, soweit sie die reguläre AfA (§ 7 EStG) übersteigen (Senatsurteil in BFHE 182, 123). Hierbei handelt es sich um die Erlangung steuerlicher Vorteile, die der Kapitalgesellschaft unabhängig von der Vorteilszuwendung an den Gesellschafter zustehen. Einzubeziehen ist jedoch eine Verzinsung des eingesetzten Eigenkapitals (vgl. § 19 Abs. 1 Satz 2, § 20 Abs. 1 und § 15 Abs. 1 Nr. 1 II.BVO; s. dazu , EFG 1995, 670). Zusätzlich wird der ordentliche und gewissenhafte Geschäftsleiter einen angemessenen Gewinnaufschlag verlangen (Senatsurteil in BFHE 182, 123).
In Höhe jenes Betrages, in dem die nach diesen Grundsätzen zu ermittelnde Miete unterschritten wurde, ist im Streitfall eine vGA i.S. des § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG und eine andere Ausschüttung i.S. des § 27 Abs. 3 Satz 2 KStG anzunehmen.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
BB 2005 S. 1261 Nr. 23
BB 2005 S. 817 Nr. 15
BFH/NV 2005 S. 793
BFH/NV 2005 S. 793 Nr. 5
DB 2005 S. 749 Nr. 14
DStR 2005 S. 594 Nr. 14
DStRE 2005 S. 551 Nr. 9
FR 2005 S. 589 Nr. 11
HFR 2005 S. 445
INF 2005 S. 368 Nr. 10
KÖSDI 2005 S. 14587 Nr. 4
StB 2005 S. 164 Nr. 5
WAAAB-44837