Instanzenzug:
Gründe
I. Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) hat 1994/1995 drei Partien Kochhinterschinken von Hausschweinen ohne Knochen (Marktordnungs-Warenlistennummer 1602 4110 2100) zur Ausfuhr nach Russland angemeldet. Sie beantragte dafür Ausfuhrerstattung, die ihr der Beklagte und Revisionskläger (das Hauptzollamt —HZA—) in Höhe von insgesamt 35 999,06 DM (Bescheide vom , und ) gewährte. Später wurde festgestellt, dass es sich bei den von der Klägerin angemeldeten Waren teilweise um Kasslerfleisch (Marktordnungs-Warenlistennummer 1602 4911 1900) handelte. Deshalb forderte das HZA die gewährte Ausfuhrerstattung in Höhe von insgesamt 8 069,22 DM zurück, nämlich für die Gewichtsanteile der Partien, die auf das Kassler entfielen (Rückforderungsbescheid vom ). Auf die deswegen erhobene Klage hat das Finanzgericht (FG) diesen Bescheid insoweit aufgehoben, als das HZA mehr als 2 624,25 DM zurückgefordert hat. Das FG urteilte, die Klägerin habe Anspruch auf die für das Kassler geltende —niedrigere— Ausfuhrerstattung.
Gegen dieses Urteil richtet sich die vom FG zugelassene Revision des HZA, das die Verletzung materiellen Rechts rügt. Das HZA beantragt, die Klage unter Aufhebung der Vorentscheidung abzuweisen.
Die Klägerin beantragt, die Revision des HZA zurückzuweisen.
Auf Ersuchen des Senats nach Art. 234 des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft n.F. (EG) hat der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) durch Beschluss vom (Rs. C-446/02) folgende für die Entscheidung des Rechtsstreits maßgeblichen Rechtssätze aufgestellt:
„1) Für vor dem beantragte Erstattungen sind Artikel 78 Absatz 3 der Verordnung (EWG) Nr. 2913/92 des Rates vom zur Festlegung des Zollkodex der Gemeinschaften und Artikel 3 Absatz 5 Buchst. a der Verordnung (EWG) Nr. 3665/87 der Kommission vom über gemeinsame Durchführungsvorschriften für Ausfuhrerstattungen bei landwirtschaftlichen Erzeugnissen dahin auszulegen, dass ein Anspruch auf Zahlung der Ausfuhrerstattung wenigstens nach dem für das tatsächlich ausgeführte Erzeugnis anwendbaren Erstattungssatz besteht, wenn im Rahmen einer zollamtlichen Überprüfung festgestellt wird, dass die angemeldete und ausgeführte Sendung nicht vollständig aus dem angemeldeten Erzeugnis bestand, sondern zu einem Teil ein anderes Erzeugnis enthielt, für das ein niedrigerer Erstattungssatz galt, und die Zollbehörden die Anmeldung gemäß Artikel 78 Absatz 3 des Zollkodex der Gemeinschaften berichtigt haben.
2) Es ist nicht entscheidungserheblich, ob es sich bei der unzutreffend angemeldeten Ware um eine ähnliche Ware wie die tatsächlich angemeldete handelt.
3) Für ab dem beantragte Erstattungen gilt in einem solchen Fall Artikel 11 der Verordnung Nr. 3665/87 in der Fassung der Verordnung (EG) Nr. 2945/94 der Kommission vom zur Änderung der Verordnung Nr. 3665/87 hinsichtlich Sanktionen und der Rückforderung zu Unrecht gezahlter Beträge.”
Das HZA hat zu dieser Entscheidung des EuGH vorgetragen, durch sie sei die hier maßgebliche Frage nicht entschieden, ob eine Ausfuhranmeldung gemäß Art. 78 Abs. 1 und 3 der Verordnung (EWG) Nr. 2913/92 des Rates vom zur Festlegung des Zollkodex der Gemeinschaften —ZK— (Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften —ABlEG— Nr. L 302/1) nach dem Überlassen der Ausfuhrware berichtigt werden könne. Das HZA meint hierzu, die Voraussetzungen, unter denen eine Zollanmeldung nach ihrer Annahme berichtigt werden darf, seien in Art. 65 ZK abschließend geregelt; eine Berichtigung der Zollanmeldung sei demnach im Streitfall ausgeschlossen, da die Waren der Klägerin bereits überlassen worden sind. Art. 78 ZK gebe dem HZA nur die Möglichkeit einer Überprüfung der Zollanmeldung, nicht aber zu ihrer Berichtigung. Nach Art. 78 ZK könnten die Feststellungen, die die Zollbehörde bei Prüfungsmaßnahmen getroffen hat, zur Grundlage für eine erneute Beurteilung des Sachverhalts gemacht werden und die danach erforderlichen Maßnahmen getroffen werden. Das bedeute hier: Rückforderung der zuviel gezahlten Ausfuhrerstattung und/oder Verhängung von Sanktionen. Eine Berichtigung der Zollanmeldung in der Weise, dass auf dem vom Ausführer vorgelegten Dokument Änderungen vorgenommen werden, sei in der Vorschrift hingegen nicht vorgesehen.
II. Die Revision des HZA ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung —FGO—). Das angefochtene Urteil entspricht dem Bundesrecht (§ 118 Abs. 1 FGO), zu dem im Sinne vorgenannter Vorschrift das hier anzuwendende Recht der Europäischen Gemeinschaften gehört.
Wie das FG zutreffend ausgeführt hat, kann Rechtsgrundlage des angefochtenen Rückforderungsbescheides nur § 10 Abs. 1 Satz 1 des Gesetzes zur Durchführung der gemeinsamen Marktorganisationen (MOG) sein, soweit es um die Bescheide vom August 1994 und März 1995 geht. Nach dieser Vorschrift sind rechtswidrige begünstigende Bescheide über Ausfuhrerstattungen zurückzunehmen, auch nachdem sie unanfechtbar geworden sind. Hinsichtlich des Erstattungsbescheides vom August 1995 ergibt sich aufgrund des insofern anzuwendenden Art. 11 Abs. 3 Unterabs. 1 der Verordnung (EWG) Nr. 3665/87 der Kommission vom über gemeinsame Durchführungsvorschriften für Ausfuhrerstattungen bei landwirtschaftlichen Erzeugnissen (ABlEG Nr. L 351/1, hier anzuwenden in der Fassung der Änderungsverordnung EG Nr. 2945/94, ABlEG Nr. L 310/57) im Wesentlichen eine gleiche Rechtslage; denn nach dieser Vorschrift hat der Begünstigte zu Unrecht erhaltene Beträge zurückzuzahlen.
Rechtswidrig sind die der Klägerin erteilten Erstattungsbescheide und zu Unrecht erhalten hat die Klägerin die darin festgesetzten Beträge nach Ansicht des HZA insoweit, als Kasslerfleisch ausgeführt worden ist, obwohl in der Ausfuhranmeldung eine andere Ware angegeben war. Die falsche Bezeichnung der Waren in der Ausfuhranmeldung schließt indes einen Erstattungsanspruch insoweit nicht aus, als die für die Ausfuhr gewährte Ausfuhrerstattung dem entspricht, was nach den einschlägigen Erstattungssätzen für die ausgeführte Menge von Kasslerfleisch zu gewähren ist. Das ergibt sich aus der Vorabentscheidung des EuGH, von der der erkennende Senat in diesem Urteil auszugehen hat. Wie Rdnr. 36 dessen Urteils ausführt, ist der von dem (EuGHE 1999, I-35) aufgestellte Rechtssatz, Ausfuhrerstattung dürfe nicht gewährt werden, wenn die tatsächlich ausgeführte Ware infolge eines dem Ausführer zurechenbaren Verhaltens nicht der angemeldeten Ware entspricht, auf den vorliegenden Streitfall nicht zu übertragen. Nach Nr. 1 des Entscheidungsausspruches der Vorabentscheidung besteht vielmehr ein Anspruch auf Zahlung der Ausfuhrerstattung nach dem für das tatsächlich ausgeführte Erzeugnis anwendbaren Erstattungssatz, sofern festgestellt worden ist, dass die Ausfuhrsendung dieses Erzeugnis enthielt und die Zollbehörden die Anmeldung gemäß Art. 78 Abs. 3 ZK berichtigt haben.
Diese Voraussetzungen liegen im Streitfall vor. Die (teilweise) falschen Angaben der Klägerin in den Zollpapieren sind zwar von den zuständigen Zollstellen nicht in der Weise berichtigt worden, dass auf den betreffenden Dokumenten nachträglich entsprechende (Berichtigungs-)Vermerke angebracht worden wären. Der EuGH hat indes —anders als das HZA offenbar meint— die Gewährung von Ausfuhrerstattung für eine falsch angemeldete Ware nach Maßgabe des für die tatsächlich ausgeführte Ware geltenden Satzes davon auch nicht abhängig gemacht. Eine andere Deutung seines Urteils verbietet sich schon deshalb, weil nach dem Vorabentscheidungsersuchen des erkennenden Senats vom kein Zweifel daran bestehen konnte, dass die Ausfuhranmeldungen der Klägerin von den Zollbehörden nicht in der vorgenannten Weise berichtigt worden sind. Es kann schwerlich angenommen werden, dass der EuGH bei dieser Sachlage den oben unter 1) wiedergegebenen Rechtssatz, ohne auf Art. 78 Abs. 3 ZK näher einzugehen, aufgestellt hätte, wenn er eine solche Berichtigung als Voraussetzung der Erstattungsgewährung angesehen hätte.
Noch weniger kann angenommen werden, dass der EuGH die Frage unbeantwortet lassen wollte, ob eine Berichtigung einer Ausfuhranmeldung aufgrund des Art. 78 Abs. 3 ZK möglich ist und der Beteiligte auf sie (nach Freigabe der Ware) einen Anspruch hat. Vielmehr ist der EuGH, was die Möglichkeit einer Berichtigung der Ausfuhranmeldung angeht, ersichtlich der dem Vorabentscheidungsersuchen des erkennenden Senats zugrunde liegenden —vom HZA allerdings offenbar für unzutreffend gehaltenen— Rechtsauffassung gefolgt, dass unbeschadet des Rechtes des Zollbeteiligten, seine Anmeldung —unter bestimmten, hier nicht gegebenen Voraussetzungen— nach Art. 65 ZK zu berichtigen, die Zollbehörde diese Möglichkeit hat, wenn sie nachträglich feststellt, dass die ausgeführte Sendung nicht oder nur teilweise das angemeldete Erzeugnis enthielt. Die im letzten Halbsatz des oben wiedergegebenen ersten Entscheidungssatzes vom EuGH angesprochene Berichtigung der Anmeldung nach Art. 78 Abs. 3 ZK kann deshalb —trotz des darauf scheinbar hindeutenden Anschlusses mit „und"— nicht als eine selbständige Voraussetzung für die Gewährung von Ausfuhrerstattung verstanden werden, welche neben die in diesem Entscheidungssatz zuvor genannte zollamtliche Feststellung, dass die Sendung zu einem Teil ein anderes als das angemeldete Erzeugnis enthielt, treten müsste und von irgendwelchen zusätzlichen Voraussetzungen außer dieser Feststellung abhängig oder gar —wie das HZA meint— von vornherein ausgeschlossen wäre.
Wenn der erkennende Senat im Übrigen in dem Vorabentscheidungsersuchen auf die Möglichkeit einer Berichtigung der Zollanmeldung nach Art. 78 Abs. 3 ZK hingewiesen hat, so hat er diesen Begriff in einem gleichsam materiellen Sinne gebraucht, nämlich dahin, dass die bei der Zollbehörde hinsichtlich der Warenanmeldung des Zollbeteiligten bzw. des Ausführers erfassten Angaben über —u.a.— die Beschaffenheit der Ware berichtigt werden könnten, wenn sie sich als unrichtig erweisen, und alsdann auf der Grundlage der zutreffenden Tatsachen der Fall neu geregelt werden könne. Dies auf den Zollpapieren nachzuvollziehen, wird damit nicht verlangt und wäre, wie das HZA mit Recht bemerkt, ohne praktischen Nutzen.
Es steht im Streitfall fest und ist zwischen den Beteiligten auch nicht streitig, dass die drei Ausfuhrsendungen in dem vom FG festgestellten Umfang Kasslerfleisch enthielten. Dementsprechend sind von dem HZA die Maßnahmen zu treffen, um die Behandlung des Falles diesen Gegebenheiten anzupassen, d.h. für die betreffenden Teile die Ausfuhrerstattung nach Maßgabe des für Kasslerfleisch festgesetzten Satzes zu berechnen, wie es das FG in dem angefochtenen Urteil getan hat. Nachdem Einwendungen gegen die Richtigkeit dieser Berechnungen nicht erhoben und auch sonst nicht erkennbar sind, hat das FG den Rückforderungsbescheid des HZA in dem entsprechenden Umfang zu Recht aufgehoben, weil die Voraussetzungen des § 10 Abs. 1 MOG bzw. des Art. 11 Abs. 3 VO Nr. 3665/87 nicht vorliegen. Die Revision des HZA gegen diese Entscheidung ist folglich zurückzuweisen.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
BFH/NV 2005 S. 933
BFH/NV 2005 S. 933 Nr. 6
KAAAB-44572