BFH Beschluss v. - V B 153/04, V S 18/04

Instanzenzug:

Gründe

I. Die Klägerin, Beschwerdeführerin und Antragstellerin (Klägerin) betrieb in K einen Kfz-Handel; ihr einziger Angestellter war AB, ein Bruder des BB.

In ihren Umsatzsteuererklärungen für die Streitjahre 1995 und 1996 machte die Klägerin Umsatzsteuerbeträge aus Rechnungen einer Firma C-Automobilhandel BB (C) in Norderfriedrichskoog und einer Firma D in Kempen geltend.

BB, der Inhaber von C, war auch Inhaber der in Brixen/Italien ansässigen Firma E. Nach den Feststellungen der Finanzverwaltung verfügte BB in Norderfriedrichskoog über keine eigenen Räumlichkeiten; vielmehr war dort lediglich ein Büroservice tätig.

Inhaber vom D war ein Schwager von BB.

Im Anschluss an eine Umsatzsteuersonderprüfung versagte der Beklagte, Beschwerdegegner und Antragsgegner (das Finanzamt —FA—) der Klägerin den begehrten Vorsteuerabzug, da die Fahrzeuge unmittelbar von BB in Italien an die Klägerin geliefert worden seien.

Die Klage gegen die Umsatzsteuerbescheide hatte keinen Erfolg. Das Finanzgericht (FG) meinte, es könne nicht festgestellt werden, dass der Ort der streitigen Lieferungen in Deutschland liege (und der Klägerin deshalb zu Recht deutsche Umsatzsteuer in Rechnung gestellt worden sei).

Es sei davon auszugehen, dass die Klägerin die von D gekauften Fahrzeuge bereits bestellt und gekauft habe, bevor diese aus Italien ins Inland transportiert worden seien. Nach § 3 Abs. 7 des Umsatzsteuergesetzes 1993 (UStG) in der für die Streitjahre geltenden Fassung gelte in den Fällen, in denen der Unternehmer den Gegenstand der Lieferung an den Abnehmer befördere oder versende, die Lieferung mit dem Beginn der Beförderung oder mit der Übergabe des Gegenstands an den Beauftragten als ausgeführt. Die Lieferung gelte deshalb als in Italien ausgeführt, unabhängig davon, ob sie dem Inhaber der Firma D oder dem Schwager BB zuzurechnen sei.

Ebenso lägen die Dinge bei den von BB (unter der Firma C) an die Klägerin gelieferten Fahrzeuge.

Das FG ließ die Revision gegen sein Urteil nicht zu.

Hiergegen hat die Klägerin Beschwerde eingelegt. Die Beschwerdebegründung hat folgenden Wortlaut:

„Die Entscheidung ist von grundsätzlicher Bedeutung, weil die Frage zu klären ist, wo der Lieferort einer Fahrzeuglieferung eines inländischen Unternehmers an einen inländischen Abnehmer liegt, wenn das Liefergeschäft dann erfüllt ist, wenn ein Fahrzeug übergeben werden kann, was einen vom deutschen TÜV erstellten Kfz-Brief hat. Dieser Zeitpunkt löst vertragsgemäß die Zahlungsverpflichtung aus. Mit der Übergabe des in Deutschland nach einer technischen Untersuchung erstellten Kfz-Briefes hat der inländische Lieferant seine Lieferverpflichtung erfüllt. Die Kraftfahrzeuge waren zu diesem Zeitpunkt schon mindestens zwei Wochen im Inlandsgebiet.

Im vorliegenden Urteil des Finanzgerichtes Düsseldorf im Verfahren Klägerin gegen das Finanzamt K wurde der Vorsteuerabzug für die Jahre 1995 und 1996 mit der Begründung versagt, bei den entsprechenden Lieferungen handele es sich um bewegte Lieferungen, deren Ort in Italien liegt. Die Lieferungen wären somit steuerbar und steuerfrei.

Das Finanzgericht ist bei der Urteilsfindung von einer Lieferung im Zeitpunkt des Verbringens der einzelnen Kraftfahrzeuge nach Deutschland ausgegangen. Die Gefahr des zufälligen Untergangs haben aber in den entscheidenden Fällen die C und die D getragen. Wie im Kraftfahrzeughandel üblich, erfolgt die Lieferung und die Gegenleistung mit Übergabe des deutschen Kfz-Briefes. In diesem Zeitpunkt kann der Abnehmer erst über den Liefergegenstand wirtschaftlich verfügen und in diesem Zeitpunkt wird erst die Gegenleistung fällig.

Somit haben die C und die D in Deutschland meine Mandantin beliefert, es handelt sich um eine ruhende Lieferung mit Lieferort Deutschland.”

Im Nachgang zu ihrer Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision hat die Klägerin beantragt, die Vollziehung des angefochtenen Umsatzsteuerbescheides 1996 auszusetzen.

Das FA ist der Beschwerde und dem Antrag auf Aussetzung der Vollziehung entgegengetreten.

II. Die Verbindung der Verfahren zur gemeinsamen Entscheidung beruht auf § 73 Abs. 1, § 121 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO).

III. Die Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision hat keinen Erfolg.

Nach § 115 Abs. 2 FGO ist die Revision zuzulassen, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO), die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH) erfordert (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO) oder ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO). Die Nichtzulassung kann mit der Beschwerde angefochten werden (§ 116 Abs. 1 FGO). In der Beschwerdebegründung müssen die Voraussetzungen des § 115 Abs. 2 FGO dargelegt werden (§ 116 Abs. 3 Satz 3 FGO).

Stützt sich die Beschwerde —wie im Streitfall— auf grundsätzliche Bedeutung gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO, muss der Beschwerdeführer konkret auf die Rechtsfrage und ihre Bedeutung für die Allgemeinheit eingehen. Zur Darlegung eines Allgemeininteresses an einer Revisionsentscheidung ist ein konkreter und substantiierter Vortrag geboten, aus welchen Gründen im Einzelnen die Klärung der Rechtsfrage durch die angestrebte Revisionsentscheidung im allgemeinen Interesse liegt, also ein Vortrag zur Klärungsbedürftigkeit (vgl. z.B. BFH-Beschlüsse vom VIII B 18/01, BFH/NV 2002, 205; vom III B 97/01, BFH/NV 2002, 366, und vom IX B 130/01, BFH/NV 2002, 802). Der Klärung einer Rechtsfrage, die auslaufendes oder ausgelaufenes Recht betrifft, kommt nur bei Geltendmachung besonderer Gründe ausnahmsweise noch grundsätzliche Bedeutung zu (vgl. , BFH/NV 2004, 336).

Eine Rechtssache kann auch dann als grundsätzlich bedeutsam angesehen werden, wenn eine Revisionsentscheidung zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich ist. Insofern kann in dem Zulassungsgrund nach § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO ein Unterfall des Zulassungsgrundes nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO gesehen werden. Auch zur Darlegung des Zulassungsgrundes „Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung” ist der schlüssige Vortrag erforderlich, dass die angestrebte BFH-Entscheidung geeignet und notwendig ist, künftige unterschiedliche gerichtliche Entscheidungen über die betreffende Rechtsfrage zu verhindern. In der Beschwerdebegründung müssen bereits bestehende oder zu erwartende Unterschiede in der finanzgerichtlichen Rechtsprechung oder eine Abweichung des angefochtenen Urteils von der Rechtsprechung des BFH aufgezeigt werden. Ausreichend ist auch das schlüssige Vorbringen, die Entscheidung beruhe auf einer offensichtlich falschen Rechtsanwendung, die geeignet ist, das Vertrauen in die Rechtsprechung zu beschädigen (, BFH/NV 2002, 1600).

Diesen Anforderungen entspricht die Beschwerdebegründung nicht.

Sie enthält zwar sinngemäß die Frage nach dem Ort von grenzüberschreitenden Lieferungen, geht insoweit aber weder auf die in den Streitjahren noch auf die heute geltenden Rechtsvorschriften ein. Sie genügt deshalb weder den Anforderungen an die Darlegung einer Rechtsfrage noch den Anforderungen an die Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung einer derartigen Rechtsfrage.

Die Klägerin rügt in der Beschwerdebegründung auch nicht schlüssig, die Vorentscheidung beruhe auf einer offensichtlich falschen Rechtsanwendung. Sie enthält —wie bereits ausgeführt— keinerlei Bezugnahme auf die maßgeblichen gesetzlichen Vorschriften. Entgegen der Ansicht der Klägerin hat das FG ihr nicht den Vorsteuerabzug versagt, weil es der Ansicht war, „bei den entsprechenden Lieferungen handele es sich um bewegte Lieferungen”, sondern deshalb, weil es der Ansicht war, die streitigen Lieferungen an die Klägerin erfüllten den Tatbestand des § 3 Abs. 7 UStG in der in den Streitjahren geltenden Fassung. Aus der Beschwerdebegründung ergibt sich nicht, warum dieser Tatbestand nicht einschlägig oder nicht erfüllt sein könnte. Die Begriffe „bewegte und ruhende Lieferungen” sind Hilfsbegriffe zur Behandlung der einzelnen Lieferungen bei einem sog. (grenzüberschreitenden) Reihengeschäft gemäß § 3 Abs. 6 Satz 5 UStG in der ab 1997 geltenden Fassung (vgl. Abschn. 31a der Umsatzsteuer-Richtlinien). Für derartige Reihengeschäfte galten in den Streitjahren ganz andere gesetzliche Regelungen (vgl. § 3 Abs. 3, Abs. 8 und Abs. 8 a UStG 1993) als heute. Das Begriffpaar „bewegte und ruhende Lieferung” spielte in den Streitjahren keine Rolle; jedenfalls ergibt sich aus der Beschwerdebegründung nicht schlüssig, welche Bedeutung ihm in den Streitjahren zukommen soll.

Von einer weiteren Begründung seiner Entscheidung sieht der Senat gemäß § 116 Abs. 5 Satz 2 FGO ab.

IV. Mit der Zurückweisung der Beschwerden wegen Nichtzulassung der Revision sind die Umsatzsteuerbescheide für die Streitjahre 1995 und 1996 unanfechtbar geworden. Eine Aussetzung oder Aufhebung der Vollziehung nach § 69 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 Satz 2 FGO kommt deshalb nicht mehr in Betracht (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. , BFH/NV 2000, 329).

Fundstelle(n):
BFH/NV 2005 S. 926
BFH/NV 2005 S. 926 Nr. 6
RAAAB-44561