BFH Beschluss v. - I B 137/04

Beschwerde gegen Beiladungsbeschluss

Gesetze: AO § 174 Abs. 5

Instanzenzug:

Gründe

I. Im Hauptsacheverfahren ist die steuerliche Erfassung von Buchmacher(Wett-)Umsätzen bei der Klägerin oder der Beigeladenen und Beschwerdeführerin (Beigeladene —Frau M—) streitig, die bei der Klägerin als (konzessionierte) Buchmacherin angestellt war. Aufgrund der Feststellungen einer Steuerfahndungsprüfung rechnete der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt —FA—) derartige vor dem erzielte Umsätze der Klägerin zu und erließ auf dieser Grundlage Bescheide laut Rubrum. Die Klägerin ist der Auffassung, diese Umsätze seien der Beigeladenen zuzurechnen, demgemäß hat sie beim Finanzgericht (FG) Klage erhoben.

Im Verlaufe des Klageverfahrens teilte das FG unter Hinweis auf das Urteil eines weiteren Senats des —betreffend Rennwettsteuer—, in dem eine Steuerfestsetzung gegen die Klägerin wegen der Wettumsätze für den Zeitraum bis aufgehoben wurde, den Beteiligten mit, es sei zweifelhaft, ob diese Umsätze der Klägerin bei der Festsetzung der Körperschaftsteuer zugerechnet werden könnten und gab Gelegenheit zur Stellungnahme. Mit Schreiben vom hielt das FA seine bisherige Auffassung aufrecht, regte aber die Beiladung von Frau M als Beteiligte zum Verfahren an. Die Klägerin hielt die Beiladung nicht für erforderlich.

Mit dem nunmehr angefochtenen Beschluss lud das FG Frau M unter Berufung auf § 174 Abs. 4 Satz 1 und 2, § 174 Abs. 5 der Abgabenordnung (AO 1977) als Beteiligte des Hauptsacheverfahrens bei. Die Beiladung sei zulässig, da die angefochtenen Bescheide möglicherweise wegen irriger Beurteilung eines Sachverhalts aufzuheben oder zu ändern seien. Ob die streitigen Umsätze tatsächlich der Klägerin oder der Beigeladenen zuzurechnen seien, sei allerdings erst im Hauptsacheverfahren zu entscheiden.

Gegen diesen Beschluss legte die Beigeladene Beschwerde ein. Eine Beiladung sei nur zulässig, wenn das beklagte FA dies beantrage oder sonst darauf hinwirke; diese Voraussetzung sei den zur Verfügung gestellten Akten nicht zu entnehmen. Unzulässig sei die Beiladung aber auch, weil die Beigeladene naturgemäß ein anderes materiell-rechtliches Ziel verfolge als die Klägerin, nämlich dass diese mit den streitigen Umsätzen steuerpflichtig sei. Das FG hat der Beschwerde nicht abgeholfen.

II. Die Beschwerde ist unbegründet und war daher zurückzuweisen. Das FG hat die Voraussetzungen einer Beiladung nach § 174 Abs. 5 Satz 2 AO 1977 zu Recht mit der Folge angenommen, dass Frau M die Rechtsstellung einer notwendig Beigeladenen i.S. von § 60 Abs. 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zukommt.

1. § 174 Abs. 5 Satz 2 AO 1977 enthält einen selbständigen Beiladungsgrund; danach ist eine Beiladung unabhängig davon zulässig, ob auch die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 60 FGO erfüllt sind (vgl. etwa Rüsken in Klein, Abgabenordnung, 8. Aufl., § 174 AO 1977, Rn. 73, 77, m.w.N.). Für eine Beiladung nach § 174 Abs. 5 Satz 2 AO 1977 ist lediglich erforderlich, dass ein Steuerbescheid wegen irriger Beurteilung eines bestimmten Sachverhalts möglicherweise aufzuheben oder zu ändern ist und hieraus rechtliche Folgerungen bei einem Dritten zu ziehen sind (Beschlüsse des Bundesfinanzhofs —BFH— vom IV B 84/93, BFH/NV 1995, 87, m.w.N.; vom XI B 16/00, BFH/NV 2002, 308). Denn die Möglichkeit zur Korrektur von Steuerbescheiden wegen irriger Beurteilung von bestimmten Sachverhalten besteht nicht nur gegenüber dem Steuerpflichtigen, aufgrund dessen Antrag der ursprünglich ergangene Steuerbescheid aufgehoben oder geändert wird, sondern gemäß § 174 Abs. 5 Satz 1 AO 1977 auch gegenüber Dritten. Um diese Korrekturmöglichkeit zu gewährleisten, kann das FA die Beiladung des Dritten in dem gegen den ursprünglich ergangenen Bescheid angestrengten Klageverfahren beantragen. Für diese Beiladung genügt es, dass die Möglichkeit einer Folgeänderung besteht (BFH-Beschlüsse vom IV B 126/85, BFH/NV 1988, 69; in BFH/NV 1995, 87; in BFH/NV 2002, 308). Sie kann nur unterbleiben, wenn die Interessen Dritter durch den Ausgang des anhängigen Rechtsstreits eindeutig nicht berührt sein können.

2. Im Streitfall besteht —insbesondere im Hinblick auf das die Möglichkeit, dass die Klägerin mit ihrer Auffassung durchdringt, die streitigen Wettumsätze seien nicht ihr, sondern der Beigeladenen zuzurechnen. Bei dieser Sachlage musste das FG dem Beiladungsbegehren des FA folgen. Die Beiladung kann nicht unzulässig sein, weil die Beigeladene im materiell-rechtlichen Sinne andere Ziele als die Klägerin verfolgt. Die Beiladung nach § 174 Abs. 5 Satz 2 AO 1977 dient der frühzeitigen Beteiligung aller möglicherweise Betroffenen und damit dem vorrangigen Ziel der zutreffenden Besteuerung (BFH-Beschlüsse in BFH/NV 1995, 87; in BFH/NV 1988, 69). Interessengegensätze sind ihr regelmäßig immanent. Die Rüge der Beigeladenen, das FA habe vorliegend die Beiladung weder beantragt noch darauf hingewirkt, geht sowohl nach Aktenlage als auch den Gründen des angefochtenen Beschlusses fehl.

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:

Fundstelle(n):
BFH/NV 2005 S. 835
BFH/NV 2005 S. 835 Nr. 6
SAAAB-44552