Begrenzung der Grundförderung gemäß § 10e EStG für nachträgliche Herstellungskosten erworbener Altbauten auf Höchstbemessungsgrundlage
Gesetze: EStG § 10e
Instanzenzug: (Verfahrensverlauf),
Gründe
I. Die Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) sind Eheleute und wurden für das Streitjahr (1995) zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Sie erwarben im Dezember 1994 ein im Jahre 1948 erbautes 1 1/2-geschossiges Wohngebäude zum Kaufpreis von 343 000 DM zuzüglich Anschaffungsnebenkosten von 23 255 DM. Im Jahre 1995 bauten sie in Eigenleistung das Dachgeschoss aus; außerdem erweiterten sie das Erdgeschoss. Der Materialaufwand betrug insgesamt 140 450 DM. Seit November 1995 bewohnen die Kläger das Haus selbst.
In ihrer Einkommensteuererklärung für 1995 machten die Kläger einen Abzugsbetrag nach § 10e Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) in Höhe von 19 800 DM geltend, den sie wie folgt berechneten:
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Anschaffungskosten des Grund und Bodens x 0,5 | 112 800 DM |
Anschaffungskosten Gebäude alt | 140 655 DM |
Herstellungskosten Dachgeschossausbau | 109 923 DM |
Höchstbetrag | 330 000 DM |
6 v.H. x 330 000 | = 19 800 DM |
Im Einkommensteuerbescheid für 1995 berücksichtigte der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt —FA—) den Sonderausgabenabzug nach § 10e EStG nur in Höhe von 9 000 DM. Er ging von zwei begünstigten Objekten i.S. von § 10e EStG aus, zum einen der 1994 angeschafften Wohnung i.S. von § 10e Abs. 1 EStG, deren Anschaffungskosten nur bis zum Betrag von 150 000 DM begünstigt seien, zum anderen dem Ausbau des Dachgeschosses im Jahre 1995 als Objekt i.S. des § 10e Abs. 2 EStG mit Herstellungskosten von 109 923 DM.
Der Einspruch der Kläger hatte keinen Erfolg.
Im Klageverfahren verlangten die Kläger, dass die Baumaßnahmen mindestens auch als nachträgliche Herstellungskosten nach § 10e Abs. 3 EStG zu berücksichtigen seien.
Das Finanzgericht (FG) gab der Klage mit dem in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2003, 1616 veröffentlichten Urteil insoweit statt, als es einen Abzugsbetrag von 17 400 DM anerkannte, nämlich 6 % der Bemessungsgrundlage für die Anschaffung von höchstens 150 000 DM zuzüglich 6 % der nachträglichen Herstellungskosten von 140 000 DM. Es war der Auffassung, es könne wegen der nachträglichen Herstellungskosten eine Höchstbemessungsgrundlage von 330 000 DM berücksichtigt werden. Trotz der ab 1994 geltenden Beschränkung der Förderung für angeschaffte Altbauten (Bemessungsgrundlage max. 150 000 DM) gelte die Förderung von Herstellungsmaßnahmen bis zu 330 000 DM nach § 10e Abs. 1 EStG fort. Hierdurch werde der Wille des Gesetzgebers umgesetzt, die Herstellung neuen Wohnraums weiterhin unvermindert zu fördern. Auch das FA sei davon ausgegangen, dass Herstellungskosten für Ausbau und Erweiterung, die als selbständiges Objekt (§ 10e Abs. 2 EStG) behandelt würden, bis 330 000 DM (entsprechend § 10e Abs. 1 EStG) begünstigt seien. Für nachträgliche Herstellungskosten gelte das Gleiche (§ 10e Abs. 1 EStG).
Mit der Revision rügt das FA die Verletzung des § 10e EStG. Es beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Kläger beantragen, die Revision zurückzuweisen.
II. Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Abweisung der Klage (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung —FGO—). Das FG hat den Klägern zu Unrecht einen über 9 000 DM hinausgehenden Abzugsbetrag nach § 10e Abs. 1 EStG zuerkannt.
1. Nach § 10e Abs. 1 Satz 1 EStG 1995 kann ein Steuerpflichtiger von den Herstellungskosten einer eigengenutzten Wohnung im eigenen Haus —unter weiteren hier nicht streitigen Voraussetzungen— im Jahr der Fertigstellung und in den drei folgenden Jahren höchstens 19 800 DM wie Sonderausgaben abziehen.
In Anschaffungsfällen treten nach § 10e Abs. 1 Satz 4 EStG die Anschaffungskosten an die Stelle der Herstellungskosten. Hat der Steuerpflichtige die Wohnung jedoch nicht bis zum Ende des zweiten auf das Jahr der Fertigstellung folgenden Jahres angeschafft, so kann er nach § 10e Abs. 1 Satz 4 Halbsatz 2 EStG von der Bemessungsgrundlage im Jahr der Anschaffung und in den drei folgenden Jahren höchstens jeweils 9 000 DM und in den vier darauf folgenden Jahren höchstens jeweils 7 500 DM abziehen.
Diese Beschränkung der Bemessungsgrundlage für „Altbauten” auf 150 000 DM gilt erstmals für Anschaffungen aufgrund von nach dem rechtswirksam abgeschlossenen Verträgen und damit auch für die Kläger, die das Wohngebäude mit notariellem Vertrag vom und somit einen „Altbau” erwarben.
2. Zutreffend hat das FG die Baumaßnahmen der Kläger nach Anschaffung des Wohngebäudes nicht als Herstellung einer neuen Wohnung beurteilt. Eine selbständige Förderung der Herstellungskosten nach § 10e Abs. l Satz 1 EStG scheidet somit aus. Dies ist zwischen den Beteiligten nicht streitig.
3. Die Baumaßnahmen der Kläger haben vielmehr zu einem Ausbau und einer Erweiterung der vorhandenen Wohnung geführt. Innerhalb des für das ursprüngliche Objekt geltenden Abzugszeitraums getätigte Aufwendungen für einen Ausbau/eine Erweiterung einer Wohnung geben dem Steuerpflichtigen die Möglichkeit, die Aufwendungen nach § 10e Abs. 3 Satz 2 EStG als nachträgliche Herstellungskosten in die laufende Förderung einzubeziehen, oder —unter der Voraussetzung des § 10e Abs. 4 Satz 2 EStG— eine selbständige Förderung der Baumaßnahmen als eigenes Objekt i.S. des § 10e Abs. 2 EStG zu beantragen.
a) Die Behandlung der von den Klägern für den Dachgeschossausbau und für die Erweiterung der Wohnfläche im Erdgeschoss getätigten Aufwendungen als selbständiges Förderobjekt nach § 10e Abs. 2 EStG kommt wegen des in § 10e Abs. 4 Satz 2 EStG angeordneten Verbots der gleichzeitigen Förderung für zwei in räumlichem Zusammenhang zueinander belegene Objekte jedoch nicht in Frage.
b) Entgegen der Auffassung des FG ist allerdings ebenso die Förderung der Aufwendungen als nachträgliche Herstellungskosten ausgeschlossen.
Im Gegensatz zu § 10e Abs. 2 EStG enthält § 10e Abs. 3 Satz 2 EStG keinen selbständigen Begünstigungstatbestand (Senatsurteil vom X R 149/94, BFHE 184, 412, BStBl II 1998, 247; Boeker in Lademann, Kommentar zum Einkommensteuergesetz, § 10e Anm. 89). Nachträgliche Anschaffungs- oder Herstellungskosten teilen das Schicksal der betroffenen Wohnung (B. Meyer in Herrmann/Heuer/Raupach —HHR—, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz, Kommentar, § 10e EStG Anm. 139 d) und erhöhen lediglich die Bemessungsgrundlage für eine dem Steuerpflichtigen zustehende Grundförderung nach § 10e Abs. 1 oder Abs. 2 EStG, soweit durch die bisherigen Anschaffungs- oder Herstellungskosten die Höchstbemessungsgrundlage noch nicht erreicht ist (Boeker in Lademann, a.a.O., § 10e Anm. 89). Ist die Wohnung nach dem angeschafft worden, so sind die nachträglichen Herstellungskosten nur eingeschränkt steuerbegünstigt. Das hat das FG verkannt, indem es zur Ermittlung der im Streitfall möglichen Bemessungsgrundlage außer der für Altbauten auf 150 000 DM begrenzten Bemessungsgrundlage eine zusätzliche Bemessungsgrundlage für nachträgliche Herstellungskosten in Höhe von 330 000 DM berücksichtigte, darin für den Streitfall die Höchstbemessungsgrundlage erkannte und ausdrücklich die nachträglichen Herstellungs- oder Anschaffungskosten den Aufwendungen für einen Ausbau oder einer Erweiterung als einem selbständig förderfähigen Objekt gleichstellte. Für diese Gleichsetzung findet sich im Gesetz ebenso wenig eine Grundlage wie für die vom FG im Ergebnis vorgenommene Gleichsetzung der Herstellung neuen Wohnraums mit der Anschaffung eines Altbaus. Die sich daraus ergebende Mischförderung ist in § 10e EStG nicht vorgesehen.
Mit der durch das Gesetz zur Umsetzung des Föderalen Konsolidierungsprogramms (FKPG) vom (BGBl I 1993, 944) in § 10e Abs. 1 Satz 4 EStG eingefügten Begrenzung des Abzugsbetrags im Falle der Anschaffung eines Altbaus ist die Unterscheidung zwischen der Anschaffung und der Herstellung einer Wohnung zwingend erforderlich geworden (vgl. B. Meyer in HHR, a.a.O., § 10e EStG Anm. 93, 128, 139 c). Entgegen der Argumentation des FG ist das den Veranlagungszeitraum 1991 betreffende Senatsurteil vom X R 2/96 (BFH/NV 1999, 1083) nicht auf den Streitfall übertragbar. Dies trägt dem veränderten Gesetzeszweck Rechnung, der sich mit dem FKPG von der allgemeinen Förderung des privaten Wohneigentums zur schwerpunktmäßigen Förderung des privaten Wohnungsbaus verlagert hat.
Daran scheitert die Anerkennung eines über die Höchstbemessungsgrundlage von 150 000 DM hinausgehenden Abzugsbetrags von mehr als 9 000 DM, soweit ein solcher Abzugsbetrag —wie im angefochtenen Urteil— auf nachträgliche Herstellungskosten i.S. des § 10e Abs. 3 Satz 2 EStG gestützt wird und nicht auf das nach § 10e Abs. 2 EStG selbständige Förderobjekt Ausbau/Erweiterung.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
BFH/NV 2005 S. 886
BFH/NV 2005 S. 886 Nr. 6
HFR 2005 S. 414
DAAAB-44544