Höhe der verdeckten Gewinnausschüttung bei nicht anzuerkennendem Anstellungsvertrag zwischen einer GmbH und ihrem beherrschenden Gesellschafter
Gesetze: KStG § 8 Abs. 3 Satz 2
Instanzenzug: (Verfahrensverlauf),
Gründe
I. Die Beteiligten streiten über die steuerrechtliche Anerkennung von Geschäftsführervergütungen.
Die Klägerin, Revisionsklägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) ist eine 1995 gegründete GmbH. An ihrem Stammkapital waren in den Streitjahren (1996 und 1997) R und W zu je 45 v.H. sowie eine weitere Gesellschafterin (H) zu 10 v.H. beteiligt. R und W waren Geschäftsführer der Klägerin. Sie hatten nach den —undatierten— Geschäftsführer-Anstellungsverträgen Anspruch auf „ein festes Monatsgehalt, das jeweils am Monatsende zu zahlen ist und dessen Höhe noch von der Gesellschafterversammlung festgelegt wird”. Ferner existieren zwei als „Gesellschafterbeschluss” überschriebene privatschriftliche Urkunden vom , in denen es zur Vergütung jeweils heißt: „Das Gehalt…von Herrn (R und W) wird auf 20 800 DM pro Monat festgesetzt. Dieses Gehalt soll in Anbetracht des Liquiditätsbedarfs der Gesellschaft zumindestens in den nächsten 12 Monaten nicht ausgezahlt werden. Für eine Auszahlung des Gehalts bedarf es eines neuen Gesellschafterbeschlusses.”
Die Klägerin führte für R und W Verrechnungskonten, auf denen sie in den Streitjahren in unregelmäßigen Abständen geleistete und auch der Höhe nach unterschiedliche Auszahlungen („Entnahmen”) erfasste. Am schrieb sie diesen Konten mit Wertstellung zum Geschäftsführergehälter in Höhe von jeweils 250 000 DM zu; am erfolgten entsprechende Gutschriften für das Jahr 1997. Lohnsteuer wurde im Zusammenhang mit den Gehaltszahlungen erstmals im Zuge einer Lohnsteuer-Außenprüfung im Jahr 1999 einbehalten und abgeführt.
Der Beklagte, Revisionsbeklagte und Revisionskläger (das Finanzamt —FA—) erließ gegenüber der Klägerin zunächst Steuerbescheide für die Streitjahre, in denen er die Gehaltszahlungen gewinnmindernd berücksichtigte. Im Anschluss an die Lohnsteuer-Außenprüfung änderte er diese Bescheide in der Weise, dass er nunmehr von verdeckten Gewinnausschüttungen (vGA) in Höhe von jeweils 250 000 DM ausging. Die dagegen gerichtete Klage hatte zum Teil Erfolg. Das Finanzgericht (FG) entschied, dass die Gehaltsvereinbarungen zwischen der Klägerin und ihren Geschäftsführern zwar steuerlich nicht anzuerkennen seien, da sie nicht vereinbarungsgemäß durchgeführt worden seien. Jedoch hätten R und W gemäß § 612 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) Ansprüche auf eine übliche Vergütung zugestanden, die sich im Jahr 1996 auf 7 000 DM und im Jahr 1997 auf 7 500 DM monatlich belaufen hätten. In dieser Höhe seien deshalb die geleisteten Zahlungen gewinnmindernd zu berücksichtigen.
Die Klägerin rügt mit ihrer vom FG zugelassenen Revision eine Verletzung des § 8 Abs. 3 Satz 2 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG). Sie beantragt, das Urteil des FG sowie die angefochtenen Steuerbescheide aufzuheben.
Das FA beantragt, die Revision der Klägerin zurückzuweisen. Es hat zudem ebenfalls Revision eingelegt und beantragt insoweit sinngemäß, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage in vollem Umfang abzuweisen.
Die Klägerin beantragt, die Revision des FA zurückzuweisen.
II. Die Revision der Klägerin ist teilweise, diejenige des FA in vollem Umfang begründet. Das erstinstanzliche Urteil ist aufzuheben, die Klage teilweise abzuweisen und im Übrigen die Sache gemäß § 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) an das FG zurückzuverweisen.
1. Das FA ist zu Recht davon ausgegangen, dass die Gehaltsvereinbarungen zwischen der Klägerin und ihren Gesellschafter-Geschäftsführern aus steuerrechtlicher Sicht zu vGA führen, die nach § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG den Gewinn der Klägerin nicht mindern dürfen.
a) Nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats ist eine vGA i.S. des § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG eine Vermögensminderung oder verhinderte Vermögensmehrung, die sich auf den Unterschiedsbetrag i.S. des § 4 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) auswirkt, durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst oder mitveranlasst ist und in keinem Zusammenhang mit einer offenen Ausschüttung steht. Eine Veranlassung durch das Gesellschaftsverhältnis ist in der Regel gegeben, wenn eine Kapitalgesellschaft ihrem Gesellschafter einen Vorteil gewährt, den ein ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter unter vergleichbaren Umständen einem Nichtgesellschafter nicht gewährt hätte (Senatsurteil vom I R 38/02, BFHE 202, 500, BStBl II 2004, 139, m.w.N.). Bei Leistungen einer Kapitalgesellschaft an ihren beherrschenden Gesellschafter ist eine vGA auch dann anzunehmen, wenn diese nicht auf einer im Voraus getroffenen, klaren und eindeutigen sowie tatsächlich durchgeführten Vereinbarung beruhen (Senatsurteil vom I R 36/03, BFHE 204, 106, BStBl II 2004, 307, m.w.N.). Schließlich ist bei der Beurteilung des Veranlassungszusammenhangs nicht nur auf die Sicht der Gesellschaft, sondern auch auf die Position des Leistungsempfängers abzustellen; eine vGA kann deshalb auch dann vorliegen, wenn eine Vereinbarung zwar für die Gesellschaft günstig ist, ein gesellschaftsfremder Vertragspartner sich aber im eigenen Interesse nicht auf sie eingelassen hätte (Senatsurteil vom I R 147/93, BFHE 178, 203, BStBl II 1996, 204).
b) Im Streitfall waren R und W bei Abschluss der Anstellungsverträge mit der Klägerin deren beherrschende Gesellschafter. Zwar hielt jeder von ihnen nur einen Anteil von 45 v.H. des Stammkapitals, so dass keiner von beiden in der Gesellschafterversammlung die Stimmenmehrheit besaß. Jedoch wurden mit beiden Gesellschafter-Geschäftsführern zeit- und inhaltsgleiche Vereinbarungen getroffen, was darauf hinweist, dass R und S insoweit gleich gerichtete Interessen verfolgten. Sie bildeten daher im Zusammenhang mit dem Vertragsschluss eine beherrschende Personengruppe, weshalb die Anstellungsverträge nach den für Beherrschungsverhältnisse geltenden Regeln zu würdigen sind (, BFHE 134, 315, BStBl II 1982, 139; vom I R 54/91, BFHE 170, 119, BStBl II 1993, 311). Den hiernach zu stellenden Anforderungen genügen sie schon deshalb nicht, weil sie zur Höhe der Gehälter lediglich bestimmen, dass diese durch einen Gesellschafterbeschluss festzusetzen seien. Damit enthalten sie zu diesem Punkt keine klare und eindeutige Regelung.
c) Nach den Feststellungen des FG ist zwar die Höhe der an R und W zu zahlenden Gehälter in Gesellschafterbeschlüssen der Klägerin festgelegt worden. Diese halten jedoch ebenfalls dem steuerrechtlich maßgeblichen Fremdvergleich nicht stand. Sie bestimmen nämlich u.a., dass die festgelegten Gehälter zunächst („zumindestens in den nächsten 12 Monaten”) nicht ausgezahlt werden sollten und dass die Auszahlung von einem weiteren Gesellschafterbeschluss abhängig sei. Es kann dahingestellt bleiben, ob diese Bestimmung schon deshalb schädlich ist, weil in den Anstellungsverträgen ausdrücklich eine monatliche Gehaltszahlung vereinbart worden war. Jedenfalls lief die nunmehr getroffene Regelung in der Sache darauf hinaus, dass die Auszahlung der Gehälter in die freie Entscheidung der Gesellschafterversammlung der Klägerin gestellt wurde. Auf eine solche Vereinbarung hätte sich ein gesellschaftsfremder Geschäftsführer nicht eingelassen; sie ist deshalb im Verhältnis zwischen einer Kapitalgesellschaft und ihrem Gesellschafter-Geschäftsführer ebenso wenig anzuerkennen wie ein Vertrag, der die Auszahlung des Geschäftsführergehalts in vollem Umfang von der wirtschaftlichen Situation der Gesellschaft abhängig macht (vgl. hierzu Senatsurteil vom I R 99/87, BFHE 159, 338, BStBl II 1990, 454). Angesichts dessen ist auch unter Berücksichtigung der genannten Gesellschafterbeschlüsse die Annahme des FG berechtigt, dass die hier zu beurteilenden Gehaltsvereinbarungen durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst sind. Die auf dieser Basis bei der Klägerin eingetretenen Vermögensminderungen stellen daher steuerlich vGA dar.
d) Das FG hat angenommen, dass die streitigen Beträge gleichwohl nicht in vollem Umfang, sondern nur zum Teil als vGA zu qualifizieren seien. Der Geschäftsführer einer Kapitalgesellschaft könne nämlich bei Fehlen einer vertraglichen Gehaltsabrede nach § 612 Abs. 2 BGB eine angemessene Vergütung beanspruchen, und der sich hieraus ergebende Vergütungsbetrag könne nicht Gegenstand einer vGA sein. Dem ist nicht zu folgen.
Denn der vom FG herangezogene § 612 Abs. 2 BGB ist im Streitfall nicht einschlägig. Die Vorschrift greift nur dann ein, wenn bei einem Dienstverhältnis die Höhe der Vergütung nicht bestimmt ist. Eine solche Bestimmung ist jedoch im Verhältnis zwischen der Klägerin und ihren Geschäftsführern getroffen worden. Sie ist zwar durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst. Hierdurch wird aber ihre zivilrechtliche Wirksamkeit nicht berührt. Angesichts dessen hatten R und W gegenüber der Klägerin keine gesetzlichen Vergütungsansprüche; diese wurden vielmehr durch die Regelungen in den Anstellungsverträgen in Verbindung mit den Gesellschafterbeschlüssen ausgeschlossen. Schon deshalb verbietet es sich, im Zusammenhang mit der Bemessung der vGA auf § 612 Abs. 2 BGB zurückzugreifen. Abgesehen davon schließt das Bestehen einer gesetzlichen Vergütungsregelung nicht aus, dass ein Gesellschafter-Geschäftsführer nicht auf schuldrechtlicher, sondern auf gesellschaftsrechtlicher Grundlage tätig wird; auch unter diesem Gesichtspunkt kann, wenn dem Leistungsverhältnis keine steuerlich anzuerkennende Vereinbarung zu Grunde liegt, der Hinweis auf gesetzliche Ansprüche die Annahme einer vGA nicht hindern (Senatsurteil vom I R 63/82, BFHE 152, 515, BStBl II 1988, 590, m.w.N.).
2. Im Ergebnis stellen mithin die streitigen Beträge in vollem Umfang vGA i.S. des § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG dar. Dies führt jedoch nicht unmittelbar zur vollständigen Abweisung der Klage. Eine solche ist nur insoweit geboten, als es um die Körperschaftsteuer 1997, den Gewerbesteuermessbetrag und die Gewerbesteuer 1997 sowie um die Verlustfeststellung zur Körperschaftsteuer und die Feststellungen des vertragsfähigen Gewerbeverlustes zum und zum geht. Hinsichtlich der übrigen Streitgegenstände muss die Sache an das FG zurückverwiesen werden.
a) Gegenstand des Rechtsstreits sind u.a. die Körperschaftsteuerbescheide 1996 und 1997. Die Rechtmäßigkeit dieser Bescheide hängt nach dem für die Streitjahre geltenden Recht (KStG 1996) u.a. davon ab, ob und mit welcher Auswirkung gemäß § 27 Abs. 1 KStG 1996 die Ausschüttungsbelastung hergestellt werden muss. Die Beantwortung dieser Frage wirkt sich zugleich auf die Feststellung des verwendbaren Eigenkapitals (§ 47 Abs. 1 KStG 1996) aus, die ebenfalls Gegenstand des vorliegenden Verfahrens ist. Hierzu hat das FG jedoch keine ausreichenden Feststellungen getroffen.
aa) Ausweislich der angefochtenen Körperschaftsteuerbescheide, auf die das FG Bezug genommen hat und deren Inhalt deshalb als von ihm festgestellt gilt (Senatsurteil vom I R 17/01, BFHE 200, 521, BStBl II 2003, 631), hat das FA für beide Streitjahre die Ausschüttungsbelastung hergestellt. Daraus ergab sich für 1996 eine Erhöhung und für 1997 eine Minderung der Körperschaftsteuer. Diese Sachbehandlung wäre nur dann zutreffend, wenn die verdeckt ausgeschütteten Beträge in dem jeweiligen Jahr aus dem Vermögen der Klägerin abgeflossen wären (, BFHE 151, 560, BStBl II 1988, 460; vom I R 142-143/85, BFHE 156, 484, BStBl II 1989, 636, m.w.N.). Ein solcher Sachverhalt ergibt sich aus dem angefochtenen Urteil nicht. Vielmehr hat das FG zu diesem Punkt bislang nur festgestellt, dass die Klägerin die für 1996 geschuldeten Beträge im Jahr 1997 den Verrechnungskonten ihrer Gesellschafter gutgeschrieben und im Jahr 1998 Gehaltsgutschriften für 1997 verbucht hat; auf der Basis dieser Feststellungen müsste der Abfluss der ausgeschütteten Beträge ggf. dem jeweiligen Jahr der Verbuchung zugeordnet werden.
bb) Andererseits ist die Frage des Abflusszeitpunkts in dem angefochtenen Urteil nicht behandelt, was die Annahme nahe legt, dass das FG sie im erstinstanzlichen Verfahren nicht aufgegriffen hat. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass bei einem entsprechenden Hinweis seitens des FG die Beteiligten Umstände vorgetragen hätten, die für einen Abfluss schon vor der vom FG festgestellten Verbuchung oder erst zu einem späteren Zeitpunkt sprechen könnten (vgl. hierzu auch Senatsbeschluss vom I B 31/00, BFH/NV 2001, 1149, 1150, m.w.N.). Die weitere Aufklärung dieses Punktes kann nicht im Revisionsverfahren erfolgen, da sie tatsächliche Feststellungen erfordert, die dem Revisionsgericht gemäß § 118 Abs. 2 FGO verwehrt sind.
b) Angesichts dessen kann der Senat nur insoweit durcherkennen, als es um Bescheide geht, für deren Rechtmäßigkeit die Frage der Ausschüttungsbelastung keine Rolle spielt. Das sind die Bescheide wegen des Gewerbesteuermessbetrags und der Gewerbesteuer sowie die angefochtenen Verlustfeststellungsbescheide. Auch im Hinblick auf den Körperschaftsteuerbescheid 1997 ist eine Zurückverweisung nicht erforderlich, da die für dieses Jahr eingetretene Minderung der Körperschaftsteuer die Klägerin nicht beschwert. Die gegen die vorgenannten Bescheide gerichtete Klage ist mithin abzuweisen. Hinsichtlich der übrigen Streitgegenstände muss die Sache hingegen an das FG zurückverwiesen werden.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
BFH/NV 2005 S. 723
BFH/NV 2005 S. 723 Nr. 5
RAAAB-44185