Vermietung eines häuslichen Büroraums an den Arbeitgeber
Gesetze: EStG § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b, §§ 9, 21, 19
Instanzenzug: (Verfahrensverlauf),
Gründe
I. Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger), der mit seiner Ehefrau (der Klägerin) zusammen zur Einkommensteuer veranlagt wird, war in den Streitjahren (1996 bis 1999) Geschäftsführer und zu einem Drittel Mitgesellschafter einer Wirtschaftsprüfungsgesellschaft in der Rechtsform einer GmbH. Die Kläger vermieteten den im Keller ihres Zweifamilienhauses gelegenen Büroraum von 35 qm an die GmbH zu einem Mietzins von monatlich 400 DM zuzüglich Mehrwertsteuer. Die GmbH stattete den Büroraum mit Bürotechnik (Telefon, Telefax, Computer) und Fachliteratur aus. Die Kläger machten bei der Ermittlung ihrer Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung für die Vermietung des Büroraums Werbungskostenüberschüsse geltend. Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt —FA—) vertrat im Anschluss an eine bei der GmbH durchgeführte Lohnsteueraußenprüfung die Auffassung, die Mietzahlungen seien, soweit sie auf den Kläger entfielen, als Arbeitslohn (§ 21 Abs. 3, § 19 des Einkommensteuergesetzes —EStG—) zu erfassen; hinsichtlich des Anteils der Klägerin bleibe es bei Einkünften aus Vermietung und Verpachtung. Das FA ließ dementsprechend mit nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 der Abgabenordnung (AO 1977) geänderten Bescheiden für 1996 und 1997 sowie mit Erstbescheiden für 1998 und 1999 den hälftigen Anteil des Klägers an den Werbungskostenüberschüssen unberücksichtigt und rechnete ihm die Hälfte der Mieteinnahmen zuzüglich Mehrwertsteuer als Arbeitslohn zu.
Die dagegen nach erfolglosen Einsprüchen erhobene Klage hatte Erfolg (Entscheidungen der Finanzgerichte —EFG— 2002, 173). Das Finanzgericht (FG) verneinte die Voraussetzungen eines Missbrauchs von Gestaltungsmöglichkeiten i.S. von § 42 AO 1977. Zwar ergebe sich durch die Vermietung des Büroraumes für den Kläger ein steuerlicher Vorteil, weil er andernfalls die Raumkosten gemäß § 9 Abs. 5, § 4 Abs. 5 Nr. 6b EStG nicht abziehen könne. Dies sei aber unschädlich, denn die Gestaltung habe zugleich einen vernünftigen wirtschaftlichen Zweck. Die Möglichkeit der Erledigung von Büroarbeiten auch am Wohnsitz des Klägers statt ausschließlich am Sitz der GmbH sei aus Sicht sowohl der GmbH als auch des Klägers wirtschaftlich sinnvoll. Der Kläger habe mit der Vermietung des Büroraums Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung (§ 21 Abs. 1 Nr. 1 EStG) erzielt. Die Vorschrift des § 21 Abs. 3 EStG ordne den Nachrang dieser Einkunftsart nur für den Fall an, dass zwei Einkunftsarten einschlägig seien. Die Zuordnung der Mietzahlungen zu den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit scheide hier jedoch aus. Es handele sich um einen fremdüblichen Mietvertrag, der für beide Vertragspartner wirtschaftlich sinnvoll gewesen sei und keine ungewöhnlichen Bestimmungen aufweise. Ob die Vermietung im überwiegend eigenbetrieblichen Interesse der GmbH liegt, könne dahinstehen.
Mit der Revision rügt das FA die Verletzung von § 21 Abs. 3, § 19 EStG. Das FA beantragt, das Urteil des FG aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Kläger haben keinen Revisionsantrag gestellt; sie treten der Revision entgegen und machen sich die Gründe der Vorentscheidung zu Eigen. Die Subsidiaritätsregelung des § 21 Abs. 3 EStG sei im Streitfall nicht heranzuziehen, weil ein überwiegendes eigenbetriebliches Interesse der GmbH an der Anmietung des Büroraums bestanden habe. Während des Revisionsverfahrens hat das FA für das Streitjahr 1999 mit Änderungsbescheid vom die als Arbeitslohn des Klägers erfassten Mieteinnahmen von bisher 2 784 DM um die Mieteinnahmen der Klägerin auf insgesamt 4 800 DM erhöht.
II. Die Revision ist begründet. Gemäß § 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) ist die Vorentscheidung aufzuheben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückzuverweisen. Die Feststellungen des FG reichen nicht aus, um zu entscheiden, ob die Kläger aus der Vermietung des Büroraums Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung gemäß § 21 Abs. 1 Nr. 1 EStG erzielt haben, oder ob die Mietzahlungen gemäß § 21 Abs. 3, § 19 EStG zu den Einkünften des Klägers aus nichtselbständiger Arbeit gehören.
1. Zu den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung gemäß § 21 Abs. 1 Nr. 1 EStG gehören auch Einkünfte aus der Vermietung von Gebäudeteilen. Darunter fallen alle Zahlungen, die ihrem wirtschaftlichen Gehalt nach Gegenleistung für die Überlassung des Gebrauchs oder der Nutzung sind. Gehören die betreffenden Einkünfte hingegen zu einer anderen Einkunftsart, so sind sie gemäß § 21 Abs. 3 EStG dieser zuzurechnen.
Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit sind nach § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG Gehälter, Löhne, Gratifikationen, Tantiemen und andere Bezüge und Vorteile, die für eine Beschäftigung im öffentlichen oder privaten Dienst gewährt werden. Ein Vorteil wird dann „für” eine Beschäftigung gewährt, wenn er durch das individuelle Dienstverhältnis des Arbeitnehmers veranlasst ist. Hieran fehlt es, wenn der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer Vorteile aufgrund einer anderen, neben dem Dienstverhältnis gesondert bestehenden Rechtsbeziehung —etwa aufgrund eines Mietverhältnisses— zuwendet (, BFHE 197, 98, BStBl II 2002, 300; vom VI R 145/99, BFHE 199, 322, BStBl II 2002, 829; vom VI R 25/02, Deutsches Steuerrecht —DStR— 2005, 59).
Leistet der Arbeitgeber Zahlungen für ein im Haus oder in der Wohnung des Arbeitnehmers gelegenes Büro, das der Arbeitnehmer für die Erbringung seiner Arbeitsleistung nutzt, so ist die Unterscheidung zwischen Arbeitslohn und Einkünften aus Vermietung und Verpachtung danach vorzunehmen, in wessen vorrangigem Interesse die Nutzung des Büros erfolgt (, a.a.O.):
a) Dient die Nutzung in erster Linie den Interessen des Arbeitnehmers, so ist davon auszugehen, dass die Zahlungen des Arbeitgebers als Gegenleistung für das Zurverfügungstellen der Arbeitskraft des Arbeitnehmers erfolgt sind. Die Einnahmen sind dementsprechend als Arbeitslohn zu erfassen. So verhält es sich, wenn der Arbeitnehmer im Betrieb des Arbeitgebers über einen weiteren Arbeitsplatz verfügt und die Nutzung des häuslichen Arbeitszimmers vom Arbeitgeber lediglich gestattet oder geduldet wird.
b) Wird der betreffende Raum jedoch vor allem im betrieblichen Interesse des Arbeitgebers genutzt und geht dieses Interesse —objektiv nachvollziehbar— über die Entlohnung des Arbeitnehmers und über die Erbringung der jeweiligen Arbeitsleistung hinaus, so ist anzunehmen, dass die betreffenden Zahlungen auf einer neben dem Dienstverhältnis gesondert bestehenden Rechtsbeziehung beruhen.
c) Die Feststellungslast für den Nachweis eines betrieblichen Interesses an der Nutzung des betreffenden Raumes trägt der Steuerpflichtige (vgl. , a.a.O.).
2. Nach den vorstehenden Maßstäben, die erst jüngst in der Rechtsprechung des BFH entwickelt worden sind und die das FG deshalb seiner Entscheidung noch nicht zugrunde legen konnte, reichen die tatsächlichen Feststellungen des FG für eine abschließende Entscheidung nicht aus.
a) Die für das Büro im Hause der Kläger vereinnahmten Mietzahlungen sind nicht schon allein deshalb als Arbeitslohn zu beurteilen, weil der Kläger über einen eigenen Arbeitsplatz am Sitz der GmbH verfügte.
Einen solchen weiteren Arbeitsplatz im Betrieb des Arbeitgebers hat der VI. Senat des BFH zwar als Merkmal dafür angesehen, dass die Nutzung des im Haus des Arbeitnehmers angemieteten Büros in erster Linie den Interessen des Arbeitnehmers dient und die Mieteinnahmen deshalb als Arbeitslohn zu erfassen sind, jedoch mit der Einschränkung, dass „die Nutzung des häuslichen Arbeitszimmers vom Arbeitgeber lediglich gestattet bzw. geduldet wird” (, a.a.O., unter II. 1. c aa der Gründe).
Der erkennende Senat versteht dies so, dass ein zusätzlicher Arbeitsplatz im Betrieb des Arbeitgebers ein starkes Indiz für ein vorrangiges Interesse des Arbeitnehmers an der Nutzung des häuslichen Arbeitszimmers —und damit für den Arbeitslohncharakter der dafür erhaltenen Mietzahlungen— bildet, es aber nicht ausgeschlossen ist, auch in derartigen Fällen Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung anzunehmen, wenn ein vorrangiges Interesse des Arbeitgebers an dem zusätzlichen häuslichen Arbeitsplatz nachgewiesen wird, das über die Entlohnung des Arbeitnehmers und die Erbringung der jeweiligen Arbeitsleistung hinausgeht (vgl. , a.a.O., unter II. 1. c bb der Gründe).
b) Im Streitfall hat das FG festgestellt, es sei aus Sicht sowohl der GmbH als auch des Klägers wirtschaftlich sinnvoll, Büroarbeiten auch am Wohnsitz des Klägers statt ausschließlich am Sitz der GmbH zu erledigen, um die notwendige Mehrarbeit des Klägers zu ermöglichen und zu beschleunigen. Auch sei es für ortsansässige Mandanten angenehmer, Beratungsgespräche am Ort führen zu können. Dadurch werde auch die Attraktivität der —sonst nur am Ort ihres Sitzes vertretenen— GmbH gesteigert. Die Anmietung eines anderen Büroraums am Wohnort des Klägers wäre für die GmbH nicht preiswerter, sondern vermutlich deutlich teurer geworden.
Aus diesen Feststellungen des FG ergibt sich, dass die GmbH die Nutzung des häuslichen Arbeitszimmers durch den Kläger nicht nur gestattet oder geduldet hat, sondern dass diese auch im eigenbetrieblichen Interesse der GmbH lag. Ein solches in etwa gleichgewichtiges Interesse von Arbeitgeber und Arbeitnehmer reicht jedoch nicht aus, um die vereinnahmten Mietzahlungen den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung zuzuordnen. Entscheidend ist, in wessen vorrangigem Interesse die Nutzung des Büros erfolgt (, a.a.O., unter II. 1. c der Gründe). Die Mietzahlungen sind nur dann nicht als Arbeitslohn zu erfassen, wenn ein vorrangiges Interesse der GmbH an einem zusätzlichen häuslichen Arbeitsplatz des Klägers nachgewiesen wird, hinter welches das Interesse des Klägers zurücktritt. Ob die Anmietung des häuslichen Büros des Klägers im überwiegend eigenbetrieblichen Interesse der GmbH lag, hat das FG jedoch ausdrücklich dahinstehen lassen (S. 11 des Urteils), so dass eine abschließende Entscheidung nicht möglich ist.
c) Die Vorentscheidung ist danach aufzuheben. Das FG wird im zweiten Rechtsgang zu prüfen haben, ob die Anmietung des Büros im Hause der Kläger im vorrangigen Interesse der GmbH gelegen hat. Sollte das FG ein solches überwiegendes betriebliches Interesse feststellen, wären Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung gegeben, der Abzug von Werbungskosten wäre dann nicht nach § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b, § 9 Abs. 5 EStG ausgeschlossen (, a.a.O., unter II. 2. der Gründe). Kann hingegen kein vorrangiges Interesse an der Anmietung des häuslichen Büroraums festgestellt werden und sind die vereinnahmten Mieten deshalb einkommensteuerrechtlich als Arbeitslohn zu beurteilen, so hat das FG ferner zu prüfen, ob für den das Streitjahr 1999 betreffenden Änderungsbescheid vom die verfahrensrechtlichen Voraussetzungen einer Änderung gegeben waren, und —wenn dies zu bejahen ist— ob die Änderungen materiell rechtmäßig sind.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
BFH/NV 2005 S. 882
BFH/NV 2005 S. 882 Nr. 6
NWB-Eilnachricht Nr. 10/2006 S. 757
AAAAB-43962