Auch bei eingetragener Lebenspartnerschaft oder nach ausländischem Recht zulässiger Ehe zwischen gleichgeschlechtlichen Partnern kein Anspruch auf Kindergeld für Kind der gleichgeschlechtlichen Lebenspartnerin
Gesetze: EStG § 63
Instanzenzug: (Verfahrensverlauf),
Gründe
I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist niederländische Staatsbürgerin und hat ihren Wohnsitz in den Niederlanden. Sie arbeitet in der Bundesrepublik Deutschland.
Sie lebt mit Frau L zusammen. Am ließen sich die beiden Frauen an ihrem Wohnsitzort in ein Partnerschaftsregister eintragen. Am schlossen sie die Ehe nach niederländischem Recht, die gleichgeschlechtlichen Paaren dieselben Rechte und Pflichten wie verschiedengeschlechtlichen Ehepaaren gewährt.
Frau L ist die Mutter von im Juli 1997 geborenen Zwillingen sowie eines im September 1999 geborenen Sohnes.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (Beklagter) wies den Antrag der Klägerin auf Kindergeld für die Zwillinge ab. Die nach erfolglosem Einspruch erhobene Klage wies das als unbegründet ab.
Einen Antrag der Klägerin auf Kindergeld für den im Jahre 1999 geborenen Sohn wies der Beklagte mit Bescheid vom ab. Den Einspruch wies er mit Entscheidung vom als unbegründet zurück.
Nach In-Kraft-Treten des Gesetzes zur Beseitigung der Diskriminierung gleichgeschlechtlicher Gemeinschaften: Lebenspartnerschaften vom (BGBl I 2001, 266) gewährte der Beklagte der Klägerin mit Bescheid vom Kindergeld ab August 2001 in Höhe der Differenz zwischen dem deutschen und niederländischen Kindergeld. Mit Bescheid vom hob er die Festsetzung des Kindergeldes gegenüber der Klägerin gemäß § 70 Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG) mit Wirkung ab März 2002 auf.
Mit der Klage begehrte die Klägerin die Festsetzung von Kindergeld für die drei Kinder ab März 2002 und für den Sohn außerdem für die Zeit von März 2000 bis Februar 2002. Sie war der Auffassung, § 63 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG sei aus verfassungsrechtlichen Gründen dahin auszulegen, dass auch die Kinder des gleichgeschlechtlichen Lebenspartners erfasst würden.
Das FG wies die Klage als unbegründet ab. Es führte aus, die Lebenspartnerin der Klägerin sei nicht als Ehegatte i.S. des § 63 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG anzusehen, da unter dem Begriff Ehe nur die rechtlich verbindliche Lebensgemeinschaft zwischen Mann und Frau zu verstehen sei. Diese Gesetzesauslegung sei auch verfassungskonform. Eine analoge Anwendung des § 63 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG auf gleichgeschlechtliche Lebenspartnerschaften scheide aus, da es an einer planwidrigen Gesetzeslücke fehle. Dass die Klägerin im Ausland eine gleichgeschlechtliche Ehe geschlossen habe, sei unerheblich. Denn nach Art. 17b Abs. 4 des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuch (EGBGB) gingen die Wirkungen einer im Ausland eingetragenen Lebenspartnerschaft nicht weiter als nach den Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) und des Gesetzes über die Eingetragene Lebenspartnerschaft (Lebenspartnerschaftsgesetz —LPartG—) vom (BGBl I 2001, 266).
Die Klägerin rügt mit der Revision sinngemäß eine Verletzung des § 63 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG. Sie ist der Auffassung, diese Vorschrift sei aus verfassungsrechtlichen Gründen und aus Gründen des europäischen Gemeinschaftsrechts dahin auszulegen, dass Kinder des „Ehegatten” auch die Kinder der gleichgeschlechtlichen Lebenspartnerin seien. Die von ihr mit ihrer Lebenspartnerin geschlossene niederländische Ehe begründe die gleichen Rechte und Pflichten wie eine deutsche Ehe.
Die Klägerin beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und dem erstinstanzlichen Klagebegehren stattzugeben.
Der Beklagte beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
II. Die Revision der Klägerin ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung —FGO—). Das FG hat zu Recht entschieden, dass der Klägerin kein Anspruch auf Kindergeld für die Kinder ihrer Lebenspartnerin zusteht.
1. Es ist unstreitig, dass die Klägerin gemäß § 62 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b EStG Anspruch auf Kindergeld für Kinder i.S. des § 63 EStG hat, weil sie nach § 1 Abs. 3 EStG als unbeschränkt steuerpflichtig behandelt wird. Entgegen der Auffassung der Klägerin sind die Kinder ihrer Lebenspartnerin jedoch keine Kinder i.S. des § 63 EStG.
2. Nach § 63 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG werden Kinder i.S. des § 32 Abs. 1 EStG berücksichtigt. Die letztgenannte Vorschrift bezieht sich auf Kinder, die im ersten Grad mit dem Steuerpflichtigen verwandt sind (Nr. 1) und auf Pflegekinder (Nr. 2).
a) Die Voraussetzungen des § 32 Abs. 1 Nr. 1 EStG sind bei den Kindern eines gleichgeschlechtlichen Lebenspartners nicht erfüllt, weil sie mit dem gleichgeschlechtlichen Lebenspartner ihrer Mutter oder ihres Vaters nicht verwandt sind und auch nicht als verwandt gelten. Nach § 1589 Satz 1 BGB sind Personen, deren eine von der anderen abstammt, in gerader Linie verwandt. Dies trifft für die Kinder der gleichgeschlechtlichen Lebenspartnerin nicht zu. Auch gelten die Verwandten und damit die Kinder eines Lebenspartners mit dem anderen Lebenspartner nicht als verwandt, sondern nach § 11 Abs. 2 LPartG nur als verschwägert.
b) Die Kinder der gleichgeschlechtlichen Lebenspartnerin sind bei einer bestehenden Lebensgemeinschaft auch keine Pflegekinder i.S. des § 32 Abs. 1 Nr. 2 EStG. Der Pflegekindbegriff im Sinne dieser Vorschrift setzt u.a. voraus, dass das Obhuts- und Pflegeverhältnis zu den Eltern nicht mehr besteht. Das Obhuts- und Pflegeverhältnis zwischen der Lebenspartnerin und ihrem leiblichen Kind besteht jedoch fort.
3. Die Kinder der Lebenspartnerin der Klägerin sind ihr auch nicht nach § 63 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG zuzurechnen. Danach werden die „vom Berechtigten in seinen Haushalt aufgenommenen Kinder seines Ehegatten” als Kinder berücksichtigt.
a) Wie der Senat bereits durch Urteil vom VIII R 88/00 (BFH/NV 2004, 1103, unter II.2.c der Gründe) entschieden hat, können die Partner einer gleichgeschlechtlichen Lebensgemeinschaft nicht als „Ehegatten” angesehen werden. Vielmehr ist unter dem Begriff des „Ehegatten” nur ein Partner des anderen Geschlechts zu verstehen, weil die Geschlechtsverschiedenheit zu den prägenden Merkmalen der Ehe gehört. Das zitierte Senatsurteil betrifft zwar eine Lebenspartnerschaft, die im streitigen Zeitraum noch nicht eingetragen war. Für eine nach dem LPartG eingetragene Lebenspartnerschaft gilt aber nichts anderes. Denn auch diese ist keine Ehe i.S. von Art. 6 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG), weil sie sich von dieser durch die Gleichgeschlechtlichkeit der Partner unterscheidet und an einen anderen Adressatenkreis richtet (vgl. , 1 BvF 2/01, BVerfGE 105, 313, 345 f.).
b) Nach zutreffender Auffassung der Vorinstanz ist § 63 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG auf die Kinder einer gleichgeschlechtlichen Lebenspartnerin auch nicht analog anzuwenden. Es fehlt an der für eine analoge Gesetzesanwendung erforderlichen Regelungslücke. Denn der Gesetzgeber des LPartG hat bewusst von einer einkommensteuerlichen Gleichstellung von Ehegatten und Partnern einer gleichgeschlechtlichen Lebensgemeinschaft abgesehen. Der ursprünglich einheitliche Entwurf eines Gesetzes zur Beendigung der Diskrimierung gleichgeschlechtlicher Gemeinschaften: Lebenspartnerschaften (LPartG, BTDrucks 14/3751) wurde während des Gesetzgebungsverfahrens in zwei Gesetze aufgegliedert: Zum einen in das LPartG mit den Regelungen zur eingetragenen Lebensgemeinschaft und zu den wesentlichen damit verbundenen Rechtsfolgen, zum anderen in das Gesetz zur Ergänzung des Lebenspartnerschaftsgesetzes und anderer Gesetze (Lebenspartnerschaftsgesetzergänzungsgesetz), das in Art. 2 § 55 auch Änderungen des Einkommensteuergesetzes vorsah (BTDrucks 14/4545, S. 69 und 80). Das Lebenspartnerschaftsgesetzergänzungsgesetz ist wegen fehlender Zustimmung des Bundesrats nicht zum Gesetz geworden (vgl. zur Entstehungsgeschichte ausführlich BVerfG-Urteil in BVerfGE 105, 313, 315 ff.).
Damit beruht die unterschiedliche einkommensteuerliche Behandlung von Ehegatten einerseits und den Partnern einer eingetragenen Lebensgemeinschaft andererseits nicht auf einer unbewussten Regelungslücke, sondern ist bewusst in Kauf genommen worden.
c) Zu einer Behandlung der Partner einer gleichgeschlechtlichen Lebensgemeinschaft als „Ehegatten” führt auch nicht der Umstand, dass nach den tatsächlichen Feststellungen des FG die Klägerin und ihre Lebenspartnerin am eine Ehe nach niederländischem Recht geschlossen haben, die gleichgeschlechtlichen Paaren dieselben Rechte und Pflichten wie verschiedengeschlechtlichen Ehepaaren gewährt. Denn nach Art. 17b Abs. 4 EGBGB gehen die Wirkungen einer im Ausland eingetragenen Lebenspartnerschaft nicht weiter als nach den Vorschriften des BGB und des LPartG vorgesehen. Durch diese Vorschrift werden die Wirkungen einer im Ausland eingetragenen Lebenspartnerschaft auf das nach deutschem Sachrecht vorgesehene Maß beschränkt; es gilt der Grundsatz des schwächeren Rechts (BTDrucks 14/3751, S. 61). Es wird eine über das LPartG hinausgehende Gleichstellung mit den Wirkungen der Ehe ausgeschlossen (vgl. Palandt/Heldrich, Bürgerliches Gesetzbuch, 63. Aufl., Art. 17b EGBGB, Rn. 4).
4. Die unterschiedliche gesetzliche Behandlung von Kindern des Ehegatten einerseits und Kindern der gleichgeschlechtlichen Partnerin einer eingetragenen Lebenspartnerschaft andererseits ist auch nicht verfassungswidrig. Sie verstößt nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG. Denn Art. 6 Abs. 1 GG stellt die Ehe unter den besonderen Schutz des Staates. Wie der Senat bereits in seinem Urteil in BFH/NV 2004, 1103 (unter II.5. der Gründe, m.w.N.) ausgeführt hat, ermöglicht dies es dem Gesetzgeber, ohne Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG Regelungen zu treffen, die zwischen Ehegatten und Nichtehegatten differenzieren und erstere begünstigen (vgl. auch das die eingetragene Lebensgemeinschaft nach dem LPartG betreffende BVerfG-Urteil in BVerfGE 105, 313, 348).
5. Entgegen der Rüge der Klägerin verstößt die Auffassung, der Gesetzgeber sei bei der Gewährung von Kindergeld berechtigt, für die Kinder eines Ehegatten günstigere Regelungen zu treffen als für die Kinder einer gleichgeschlechtlichen Lebenspartnerin, auch nicht gegen das europäische Gemeinschaftsrecht.
a) Das europäische Gemeinschaftsrecht räumt den einzelnen Mitgliedstaaten das Recht ein, den Kreis der Familienangehörigen, die bei den in den Betracht kommenden Sozialleistungen berücksichtigt werden, selbst zu bestimmen. Nach Art. 1 Buchst. f, Unterbuchst. i der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 des Rates über die Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und Selbständige sowie deren Familienangehörige, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern, i.d.F. der Verordnung (EG) Nr. 118/97 vom (Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften —ABlEG— 1997 Nr. L 28/1) bestimmt sich die Frage, wer als „Familienangehöriger” anzuerkennen ist, nach den Rechtsvorschriften des Staates, der die Leistungen gewährt. Das bedeutet, dass der deutsche Gesetzgeber berechtigt ist, selbst zu bestimmen, für wessen Kinder er wem Kindergeld gewährt.
b) Dem entspricht auch die Regelung, die für Lebenspartner in der Richtlinie (EWG) 2004/83/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom getroffen worden ist (ABlEG 2004 Nr. L 158/77). In Kapitel I, Art. 2 Nr. 2 Buchst. b ist bestimmt, dass der Ausdruck „Familienangehöriger” auch den Lebenspartner bezeichnet, mit dem der Unionsbürger auf der Grundlage der Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats eine eingetragene Partnerschaft eingegangen ist, sofern nach den Rechtsvorschriften des Aufnahmemitgliedstaats die eingetragene Partnerschaft der Ehe gleichgestellt ist und die in den einschlägigen Rechtsvorschriften des Aufnahmemitgliedstaats vorgesehenen Bedingungen erfüllt sind.
Da in Deutschland als dem Aufnahmemitgliedstaat die eingetragene Lebenspartnerschaft der Ehe nicht gleichgestellt ist, verlangt auch das europäische Gemeinschaftsrecht nicht, dass Personen, die in den Niederlanden eine der Ehe gleichgestellte gleichgeschlechtliche Partnerschaft eingangen sind, in Deutschland wie Ehegatten behandelt werden.
c) Auch die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs gibt keinen Anlass, gleichgeschlechtliche Lebenspartner abweichend vom Wortlaut des § 63 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG den Ehegatten gleichzustellen. Nach dem Urteil vom C-122/99 P und C-125/99 P (EuGHE 2001 I 4319, 4342, Rn. 37 und 48 ff.) sind Vorschriften des Gemeinschaftsrechts nicht so auszulegen, dass rechtliche Fallgestaltungen, die sich von der Ehe unterscheiden, ihr gleichgestellt werden, wenn kein Zweifel besteht, dass der Gemeinschaftsgesetzgeber einen Vorteil nur Ehepaaren zukommen lassen wollte. Die unterschiedliche Behandlung von Ehegatten und gleichgeschlechtlichen Lebenspartnern verstoße nicht gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz, weil in den Mitgliedstaaten der Gemeinschaft eine allgemeine Gleichstellung der Ehe mit den übrigen Formen gesetzlicher Lebenspartnerschaften fehle.
Danach kann nicht zweifelhaft sein, dass die wortlautgemäße Auslegung des § 63 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG durch den Senat entgegen der Auffassung der Klägerin auch mit dem europäischen Gemeinschaftsrecht im Einklang steht.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
BFH/NV 2005 S. 695
BFH/NV 2005 S. 695 Nr. 5
MAAAB-43689