BFH Beschluss v. - VII B 4/04

Unzulässigkeit einer Feststellungsklage bei Möglichkeit eines Abrechnungsbescheids

Gesetze: FGO § 115 Abs. 2; AO § 218

Instanzenzug:

Gründe

Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) wird vom Beklagten und Beschwerdegegner (Finanzamt —FA—) auf Zahlung von Verspätungszuschlägen zur Umsatzsteuer und Säumniszuschlägen in Anspruch genommen. Der vom FA mit der Vollstreckung beauftragte Vollziehungsbeamte traf den Kläger in dessen Wohnung nicht an und hinterließ eine Zahlungsaufforderung mit dem Hinweis, dass das FA erforderlichenfalls eine richterliche Durchsuchungsanordnung beantragen werde. Durch Postzustellungsurkunde wurde dann dem Kläger eine Terminfestsetzung für den erneuten Besuch des Vollziehungsbeamten mit dem Hinweis zugestellt, dass selbst wenn sich die Erteilung einer richterlichen Durchsuchungsanordnung als notwendig erweisen sollte, keine erneute Anhörung erfolgen würde. Zu dem angekündigten Termin wurde der Kläger abermals nicht angetroffen. Der vom Kläger gegen die Terminfestsetzung eingelegte Einspruch wurde vom FA als unbegründet zurückgewiesen. In der Begründung wies das FA darauf hin, dass beim Amtsgericht (AG) ein Antrag auf Erlass einer Durchsuchungsermächtigung gestellt werden könne; in diesem Fall werde sich das AG zwecks Gewährung rechtlichen Gehörs mit dem Kläger in Verbindung setzen. Nahezu drei Monate später beantragte das FA beim AG die angekündigte Durchsuchungsermächtigung. Von den vorgedruckten Gründen war u.a. im Antrag angekreuzt: „Der Schuldner hatte gegenüber dem Finanzamt bei der versuchten Zwangsvollstreckung rechtliches Gehör.” Aufgrund des vom AG erlassenen Durchsuchungsbeschlusses fand sodann eine Wohnungsdurchsuchung statt. Mangels pfändbaren Sachvermögens blieb der Pfändungsversuch ohne Erfolg.

Nach erfolglosem Einspruch erhob der Kläger Klage und beantragte, die Rechtswidrigkeit der Öffnung und Durchsuchung seiner Räume und des Durchsuchungsbeschlusses des AG sowie das Nichtbestehen der vom FA geltend gemachten Zahlungsansprüche festzustellen. Das Finanzgericht (FG) urteilte, dass die Klage hinsichtlich der begehrten Feststellung der Rechtswidrigkeit des Durchsuchungsbeschlusses mangels Rechtsschutzinteresses unzulässig sei. Dies gelte auch hinsichtlich des Feststellungsbegehrens in Bezug auf das Nichtbestehen der der Vollstreckung zugrunde liegenden Zahlungsansprüche. Da das FA inzwischen einen Abrechnungsbescheid erlassen habe, sei dem Kläger eine vorrangige Rechtsschutzmöglichkeit eröffnet worden. Soweit sich der Kläger mit seinem Rechtsschutzbegehren gegen die durchgeführten Vollstreckungsmaßnahmen wende, sei die Fortsetzungsfeststellungsklage unbegründet, denn eine richterliche Durchsuchungsanordnung könne ergehen, ohne dass der Vollstreckungsschuldner gehört werde. Einen Grund, der der Durchsuchungsanordnung entgegengestanden hätte, habe der Kläger nicht vorgetragen. Nach wie vor bestreite er lediglich das Bestehen der Zahlungsansprüche. Im Übrigen habe das FA gegenüber dem AG keine wahrheitswidrigen Angaben gemacht. Darüber hinaus begegneten auch die vorgenommenen Vollstreckungsmaßnahmen keinen rechtlichen Bedenken.

Gegen die Nichtzulassung der Revision durch das FG wendet sich der Kläger mit seiner Beschwerde, mit der er zwei Rechtsfragen aufwirft, denen seiner Ansicht nach eine grundsätzliche Bedeutung zukommen soll. Von grundsätzlicher Bedeutung sei die Frage, ob Rechtsbehelfsverfahren zur Feststellung der Rechtswidrigkeit eines vom FA unter der unzutreffenden Angabe, dem Vollstreckungsschuldner rechtliches Gehör gewährt zu haben, erwirkten Durchsuchungsbeschlusses zulässig seien, wenn die Vollstreckungsmaßnahme keinen Erfolg gehabt habe und dem Vollstreckungsschuldner weder vom FA noch vom AG rechtliches Gehör gewährt worden sei. Da die Vollstreckungsabteilungen der FÄ Durchsuchungsbeschlüsse formularmäßig beantragten, sei diese Rechtsfrage für eine Vielzahl gleichgelagerter Fälle von Bedeutung; auch hätten die Privatinsolvenzen stark zugenommen. Eine isolierte Anfechtung eines Durchsuchungsbeschlusses müsse immer möglich sein, wenn dem AG vom antragstellenden FA ein teilweise unzutreffender Sachverhalt unterbreitet werde. Auch habe das FG das Bestehen eines Fortsetzungsfeststellungsinteresses verkannt. Darüber hinaus werfe der Rechtsstreit die Frage auf, ob eine Klage auf Feststellung der Rechtswidrigkeit einer Durchsuchungsanordnung auch noch dann als unzulässig behandelt werden könne, wenn zugleich das Nichtbestehen der vollstreckten Forderung eingewandt werde und das FA inzwischen einen Abrechnungsbescheid erlassen habe, der zu den Gerichtsakten gelangt sei. Die vor der Durchsuchungsanordnung unterbliebene Anhörung des Vollstreckungsschuldners könne mit einer isolierten Feststellungsklage nachgeholt werden. Eine rechtzeitige Information hätte im Streitfall durch Zahlung oder durch ein Eilverfahren nach § 47 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zur Abwendung des Erlasses des Durchsuchungsbeschlusses führen können.

Das FA tritt der Beschwerde entgegen. Es macht geltend, dass die Beschwerde unzulässig sei, weil der Kläger seiner Darlegungspflicht aus § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO nicht hinreichend nachgekommen sei.

Die Beschwerde hat keinen Erfolg, weil in der Beschwerdeschrift ein Grund, der zur Zulassung der Revision nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 FGO führen könnte, nicht schlüssig dargelegt ist, wie dies § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO erfordert. Auch Verfahrensmängel (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO) sind nicht ordnungsgemäß gerügt worden oder liegen nicht vor.

1. Für die nach § 116 Abs. 3 Satz 1 und 3 FGO zu fordernde Darlegung der Zulassungsgründe der grundsätzlichen Bedeutung einer Rechtssache (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO) und der Fortbildung des Rechts (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO) muss der Beschwerdeführer konkret auf eine Rechtsfrage und ihre Bedeutung für die Allgemeinheit eingehen. Er muss zunächst eine bestimmte für die Entscheidung des Streitfalles erhebliche abstrakte Rechtsfrage herausstellen, der grundsätzliche Bedeutung zukommen soll. Erforderlich ist darüber hinaus ein konkreter und substantiierter Vortrag, aus dem ersichtlich wird, warum im Einzelnen die Klärung der aufgeworfenen Rechtsfrage durch die angestrebte Revisionsentscheidung aus Gründen der Rechtssicherheit, der Rechtseinheitlichkeit und/oder der Rechtsentwicklung im allgemeinen Interesse liegt. Dabei muss es sich um eine für die einheitliche Rechtsanwendung wichtige Frage handeln, die klärungsbedürftig und im konkreten Streitfall auch klärungsfähig ist (vgl. Senatsbeschlüsse vom VII B 196/03, BFH/NV 2004, 232, und vom VII B 203/02, BFH/NV 2003, 527, m.w.N.).

a) Diesen Anforderungen wird das Vorbringen des Klägers nicht gerecht. Hinsichtlich der Frage der Zulässigkeit von Rechtsbehelfsverfahren zur Feststellung der Rechtswidrigkeit eines vom FA unter der unzutreffenden Angabe erwirkten Durchsuchungsbeschlusses, es habe dem Vollstreckungsschuldner rechtliches Gehör gewährt, ist eine Klärungsfähigkeit nicht gegeben. Denn das FG hat in seiner Urteilsbegründung festgestellt, dass dem Kläger vor dem Erlass der Durchsuchungsanordnung rechtliches Gehör ausreichend gewährt worden sei. Auch sei aus den vorliegenden Unterlagen nicht ersichtlich, dass das FA gegenüber dem AG bewusst wahrheitswidrige Angaben gemacht habe. Gegen diese Würdigung des FG hat der Kläger keine substantiierten Verfahrensrügen erhoben. Die vom Kläger unter der Prämisse der Gehörsverweigerung und der unwahren Tatsachenbehauptung gegenüber dem AG formulierte Frage könnte daher selbst bei Zulassung der Revision nicht geklärt werden. Darüber hinaus ist dem Vorbringen des Klägers eine Bedeutung der Frage für die Allgemeinheit nicht zu entnehmen. Durch den pauschalen Hinweis auf die formularmäßige Beantragung von Durchsuchungsbeschlüssen und die starke Zunahme der Privatinsolvenzen wird nicht hinreichend dargelegt, warum die Klärung der aufgeworfenen Rechtsfrage im allgemeinen Interesse liegt.

b) Auch der zweiten vom Kläger als grundsätzlich bedeutsam erachteten Rechtsfrage kommt eine Klärungsbedürftigkeit nicht zu. Sie betrifft eine besondere Fallkonstellation, in der das FA im Laufe einer Klage, mit der der Kläger die Feststellung der Rechtswidrigkeit einer Durchsuchungsanordnung begehrt und sich zugleich auf das Nichtbestehen der vollstreckbaren Forderung beruft, einen Abrechnungsbescheid erlässt, der dann zu den Gerichtsakten gelangt. Eine allgemeine Bedeutung dieser Rechtsfrage für eine Vielzahl von gleichgelagerten Fällen ist nicht erkennbar und auch nicht ansatzweise dargelegt worden. Im Übrigen geht der Kläger auch bei dieser Fragestellung davon aus, dass sich die Zulässigkeit der Feststellungsklage aufgrund der vermeintlich unterbliebenen Gewährung rechtlichen Gehörs ergibt. Wie bereits ausgeführt ist das FG zu einer davon abweichenden rechtlichen Beurteilung gelangt.

2. Da der Kläger keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung herausgestellt hat, die in einem Revisionsverfahren einer Klärung zugeführt werden könnte, und eine solche für den Senat auch nicht offenkundig ist, bedarf es keiner Entscheidung zu den in § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO aufgeführten Zulassungsgründen (vgl. , BFH/NV 2002, 652).

3. Soweit sich der Kläger darauf beruft, dass das FG das Feststellungsinteresse verkannt habe, und damit das Vorliegen eines Verfahrensmangels (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO) geltend macht (vgl. Senatsurteil vom VII R 80/74, BFHE 116, 315, BStBl II 1975, 860), ist die Rüge hinsichtlich der begehrten Feststellung der Rechtswidrigkeit des Durchsuchungsbeschlusses nicht schlüssig erhoben. Denn aus dem Vortrag muss sich ergeben, inwiefern das angefochtene Urteil auf dem Verfahrensmangel beruht, es also ohne den Verfahrensmangel möglicherweise anders ausgefallen wäre (vgl. Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 5. Aufl., § 116 Rdnr. 49). Zwar hat das FG die Feststellungsklage als unzulässig abgewiesen; zur Rechtmäßigkeit der Durchsuchungsanordnung hat es aber dennoch im Rahmen der Überprüfung der Vollstreckungshandlungen Stellung genommen und ausgeführt, dass eine Durchsuchungsanordnung auch ohne vorherige Anhörung des Vollstreckungsschuldners ergehen könne und die Anordnung im Streitfall keinen rechtlichen Bedenken begegne. Das FG wäre folglich auch bei Annahme der Zulässigkeit des Feststellungsbegehrens zu keinem anderen Ergebnis gekommen.

4. Soweit sich der Kläger dagegen wendet, dass das FG seine Klage auf Feststellung des Nichtbestehens der vom FA mit der Vollstreckung verfolgten Zahlungsansprüche durch Prozessurteil als unzulässig abgewiesen hat, liegt der behauptete Verfahrensmangel nicht vor. Denn das FG hat ein Feststellungsinteresse zu Recht verneint. Nach der Rechtsprechung des Senats ist die Frage, ob eine gegenüber dem FA bestehende Zahlungsverpflichtung erloschen ist, durch einen Abrechnungsbescheid (§ 218 Abs. 2 Satz 1 der AbgabenordnungAO 1977—) zu klären, der entweder auf Antrag des Steuerpflichtigen oder gegebenenfalls von Amts wegen zu erlassen ist (Senatsbeschluss vom VII B 137/97, BFH/NV 1998, 686, m.w.N.). Gegen den Abrechnungsbescheid stehen dem Steuerpflichtigen Einspruch und Anfechtungsklage und somit vorrangige Rechtsschutzmöglichkeiten zu. Für die Frage, ob eine Steuerschuld noch besteht oder bereits erloschen ist, ist daher die Zulässigkeit einer dahin gehenden Feststellungsklage ausgeschlossen (, BFHE 121, 284, BStBl II 1977, 396, sowie Alber in Hübschmann/Hepp/Spitaler, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, § 218 AO 1977 Rdnr. 131).

Fundstelle(n):
BFH/NV 2005 S. 657
BFH/NV 2005 S. 657 Nr. 5
UAAAB-43682