OFD Koblenz - S 0338 A - St 35 2

Vorläufige Steuerfestsetzung im Hinblick auf anhängige Musterverfahren (§ 165 Abs. 1 AO);

Anwendung des Mindeststeuersatzes gemäß § 50 Abs. 3 Satz 2 EStG, Verfassungsmäßigkeit der Besteuerung der Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften

Bezug:

A.

Mit  IV A 7 – S 0338 – 22/04 hat dieses u.a. Stellung genommen zu der Frage der Anwendung des Mindeststeuersatzes bei beschränkt Steuerpflichtigen nach § 50 Abs. 3 Nr. 2 EStG im Hinblick auf das (BStBl 2004 II S. 773). Ebenfalls enthält das o.a. BMF-Schreiben Ausführungen bezüglich der Vorschrift über die Besteuerung der Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften (§ 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchstabe b EStG) für Veranlagungszeiträume vor 1997.

Das BMF-Schreiben lautet wie folgt:

„Der (BStBl 2004 II S. 773) entschieden, dass der Mindeststeuersatz gemäß § 50 Abs. 3 Satz 2 EStG nicht gegen Europäisches Gemeinschaftsrecht verstößt, sofern er nicht höher ist als der Steuersatz, der sich für den betroffenen Steuerpflichtigen tatsächlich aus der Anwendung des progressiven Steuertarifs auf die Nettoeinkünfte zuzüglich eines Betrages in Höhe des Grundfreibetrages ergeben würde. Zur Anwendung dieses BFH-Urteils ist das (BStBl 2004 I S. 860) ergangen.

Unter Bezugnahme auf das Ergebnis der Erörterung mit den obersten Finanzbehörden der Länder gilt daher Folgendes:

Nummer 5 – Anwendung des Mindeststeuersatzes bei beschränkt Steuerpflichtigen (§ 50 Abs. 3 Satz 2 EStG) – der Anlage zum (BStBl 2003 I S. 338), zuletzt neu gefasst durch (BStBl 2004 I S. 610), wird mit sofortiger Wirkung gestrichen. Ein Ruhen lassen außergerichtlicher Rechtsbehelfsverfahren (§ 363 Abs. 2 AO) wegen der behaupteten Unvereinbarkeit des § 50 Abs. 3 Satz 2 EStG mit Europäischem Gemeinschaftsrecht kommt nicht mehr in Betracht. Die hinsichtlich der Anwendung des Mindeststeuersatzes bisher vorläufig durchgeführten Steuerfestsetzungen sind nach § 165 Abs. 2 Satz 2 AO zu ändern, soweit nach Maßgabe des (a.a.O.) die Einkommensteuer herabzusetzen ist. Kommt keine Steuerherabsetzung in Betracht und ist die Festsetzung der Einkommensteuer auch aus anderen Gründen nicht aufzuheben oder zu ändern, ist die Steuerfestsetzung insoweit nur auf Antrag des Steuerpflichtigen für endgültig zu erklären (§ 165 Abs. 2 Satz 3 AO). Die zweijährige Frist im Sinne des § 171 Abs. 8 Satz 2 AO wurde am (einen Monat nach dem Datum des Bundessteuerblatts, in dem das veröffentlicht wurde) in Lauf gesetzt. Ist gegen die Einkommensteuerfestsetzung ein zulässiger Rechtsbehelf (Einspruch, Klage, Nichtzulassungsbeschwerde, Revision) anhängig und ist nach Maßgabe des (a.a.O.) die Einkommensteuer herabzusetzen, ist der Steuerbescheid nach § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchstabe a AO entsprechend zu ändern. Bei einem Rechtsbehelf gegen einen Bescheid, der einen unanfechtbaren und hinsichtlich der Anwendung des Mindeststeuersatzes nicht vorläufigen Bescheid geändert hat, ist die Anfechtungsbeschränkung nach § 351 Abs. 1 AO (ggf. in Verbindung mit § 42 FGO) zu beachten. Wird der Änderungsbescheid während eines gerichtlichen Verfahrens erlassen, ist dem Gericht eine Abschrift des neuen Verwaltungsaktes zu übersenden (§ 68 Satz 3 FGO).

Die Anlage zum (BStBl 2003 I S. 338), zuletzt neu gefasst durch (BStBl 2004 I S. 610), wird mit sofortiger Wirkung wie folgt gefasst:

„Festsetzungen der Einkommensteuer sind hinsichtlich folgender Punkte vorläufig vorzunehmen:

  1. Beschränkte Abziehbarkeit von Vorsorgeaufwendungen (§ 10 Abs. 3 EStG)

  2. Anwendung des § 32 Abs. 7 EStG (Haushaltsfreibetrag) für die Veranlagungszeiträume 2002 und 2003

  3. Anwendung des § 32c EStG für die Veranlagungszeiträume 1994 bis 2000

  4. Höhe des Behinderten-Pauschbetrags (§ 33b Abs. 3 EStG)

Der Vorläufigkeitsvermerk gemäß Nummer 2 ist sämtlichen Einkommensteuerfestsetzungen mit einer Günstigerprüfung nach § 31 EStG beizufügen. Er umfasst sowohl die Frage, ob die Abschmelzung des Haushaltsfreibetrags (§ 32 Abs. 7 EStG) verfassungswidrig ist, als auch die Frage, ob § 32 Abs. 7 EStG Ehegatten in verfassungswidriger Weise benachteiligt.

Der Vorläufigkeitsvermerk gemäß Nummer 3 ist auch Bescheiden über die gesonderte (und ggf. einheitliche) Feststellung von Einkünften beizufügen. Abweichend von Abschnitt IV ist auf Antrag des Steuerpflichtigen Aussetzung der Vollziehung zu gewähren, soweit in dem angefochtenen Bescheid die einem Organträger zugerechneten Einkommen oder Einkommensteile der Organgesellschaft nicht in die Tarifbegrenzung nach § 32c EStG einbezogen worden sind (BFH-Beschlüsse vom , BStBl 1998 II S. 608, und vom , BStBl 2003 II S. 661).

Soweit in den vorgenannten Fällen eine Aussetzung der Vollziehung in Betracht kommt, sind abweichend von Abschnitt II Nr. 2 einschlägige Einsprüche nicht zurückzuweisen, sondern ruhen zu lassen, falls nicht der Steuerpflichtige ausdrücklich eine Einspruchsentscheidung begehrt.”

Ferner wird zu den Ausführungen im (BStBl 2004 I S. 361) ergänzend darauf hingewiesen, dass die Vorschrift über die Besteuerung der Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften (§ 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchstabe b EStG) für Veranlagungszeiträume vor 1997 weiterhin anzuwenden ist. Aussetzung der Vollziehung ist insoweit nicht zu gewähren.”

B. Zusatz der OFD

1. Anwendung des (a.a.O) bezüglich des Mindeststeuersatzes nach § 50 Abs. 3 Satz 2 EStG

U.a. sind bisher hinsichtlich der Anwendung des Mindeststeuersatzes nach § 50 Abs. 3 Satz 2 EStG vorläufig ergangene Einkommensteuerbescheide nach § 165 Abs. 2 Satz 2 AO zu Gunsten des Steuerpflichtigen zu ändern, wenn der Mindeststeuersatz höher ist als der Steuersatz, der sich für den betroffenen Steuerpflichtigen tatsächlich aus der Anwendung des progressiven Steuertarifs auf die Nettoeinkünfte zuzüglich eines Betrages in Höhe des Grundfreibetrages ergeben würde (siehe auch a.a.O.).

Die Änderung des ESt-Rechenprogramms zur Umsetzung des BMF-Schreibens erfolgt mit Einsatz der Einkommensteuerprogramme für 2004 am .

Nach diesem Termin sind die hinsichtlich der Anwendung des Mindeststeuersatzes nach § 50 Abs. 3 Satz 2 EStG vorläufig ergangenen Fälle über die Datei VLI unter Verwendung folgender Abfrage
Eing: ESTAV(§ 503), S: STNRJA
zu ermitteln.

Für die Fälle der Veranlagungszeiträume ab 1996 (99,8 % aller in Frage kommender Fälle) ist eine Prüfberechnung durchzuführen, bei der für die Veranlagungszeiträume 1996 bis 2002 eine „1” zu Kennziffer 018014, für den Veranlagungszeitraum 2003 eine „1” zu Kennziffer 018114 zu setzen ist. Ergibt die Prüfberechnung, dass die Anwendung des (a.a.O.) zu einem für den Steuerpflichtigen günstigeren Ergebnis führt, ist ein geänderter Bescheid bekannt zu geben. Ergeben sich keine Änderungen der festzusetzenden Steuer, ist der Fall in der ESt-Datei auf „V” zu setzen.

Fälle der Veranlagungszeiträume vor 1996 sind mangels maschineller Lösung personell zu berechnen (landesweit 7 Fälle). Das Einkommen laut Steuerbescheid ist zu diesem Zwecke um den jeweils maßgeblichen Grundfreibetrag zu erhöhen. Die Auswirkungen auf die tarifliche Steuer können über die Internetseite des BMF http://egov.bundesfinanzministerium.de/Steuerrechner/startber.do?ber=08 ermittelt werden. Einkommensteuerbescheide sind personell zu erstellen.

Diese Vergleichsberechnung ist ebenfalls durchzuführen, wenn ein Einspruchsverfahren bisher wegen der behaupteten Unvereinbarkeit des § 50 Abs. 3 Satz 2 EStG mit Europäischem Gemeinschaftsrecht nach § 363 Abs. 2 AO geruht hat.

Über das o.a. BMF-Schreiben hinaus ist bei der Änderung einschlägiger Einkommensteuerbescheide aus anderem Grund, welche nicht (maschinell oder personell) vorläufig hinsichtlich § 50 Abs. 3 EStG ergangen sind oder verfahrensrechtlich vollumfänglich änderbar sind, ggf. die Kompensationsmöglichkeit nach § 177 AO zu beachten   O 2252 A – ZD 12 33/S 0355 A – St 35 1 ).

Die Rundverfügungen der – St 34 1 und vom  – S 2301 A – St 34 3 sind damit überholt.

2. Besteuerung der Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften (§ 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchstabe b EStG)

Bezüglich der Bearbeitung der einschlägigen Fälle ergeht in Kürze eine weitere Verfügung.

OFD Koblenz v. - S 0338 A - St 35 2

Fundstelle(n):
IAAAB-43566