Keine Berufsausbildung, wenn volljähriges Kind Studium abbricht und einer Vollzeiterwerbstätigkeit nachgeht
Gesetze: EStG § 32 Abs. 4, § 63
Instanzenzug: (Verfahrensverlauf),
Gründe
I. Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) ist der Vater der 1977 geborenen Tochter J. J absolvierte nach Abschluss ihrer Schulausbildung zunächst eine Ausbildung als Werbekauffrau; vom Wintersemester 2000/2001 bis zum Wintersemester 2002/2003 war sie als Studentin an der Universität H immatrikuliert. In der Zeit von Januar bis September 2001 ging J außerdem einer Teilzeitbeschäftigung nach und erzielte einen Brutto-Arbeitslohn in Höhe von 8 406,75 DM. Ab Oktober 2001 war sie vollzeiterwerbstätig. In der Zeit von Oktober bis Dezember 2001 bezog sie Arbeitslohn in Höhe von 15 800 DM.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (Beklagter) leistete bis einschließlich Januar 2002 laufend Kindergeldzahlungen für J. Mit Bescheiden vom hob er unter Berufung auf § 70 Abs. 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) die Kindergeld-Festsetzungen für das Jahr 2001 sowie für Januar 2002 auf, weil die Einkünfte und Bezüge der J den jeweils maßgeblichen Jahresgrenzbetrag überschritten, und forderte das danach zu Unrecht gezahlte Kindergeld in Höhe von insgesamt 1 810,60 € zurück.
Die nach erfolglosem Einspruch erhobene Klage wies das Finanzgericht (FG) ab. Es begründete seine Entscheidung damit, dass J sich während des ganzen Jahres 2001 in einer Ausbildung befunden habe. Da sie ihr Studium weder abgebrochen noch abgeschlossen habe, stelle die Aufnahme einer Vollzeiterwerbstätigkeit keine Beendigung des Studiums dar. Allein die Nichtteilnahme oder beschränkte Teilnahme an Lehrveranstaltungen stelle nicht das Ende einer Studienausbildung dar; die Beendigung müsse vielmehr durch eine Handlung der Universität gegenüber dokumentiert werden. Der zu entscheidende Fall unterscheide sich von dem der Entscheidung des (BFHE 197, 383, BStBl II 2002, 484) zugrunde liegenden Sachverhalt dadurch, dass J —im Unterschied zu der Tochter des Klägers im bereits entschiedenen Fall— schon mit dem Studium begonnen gehabt habe.
Mit seiner Revision rügt der Kläger die Verletzung der §§ 63 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a und Satz 2 EStG. Er vertritt die Auffassung, dass seine Tochter durch die Aufnahme einer Vollzeiterwerbstätigkeit im Oktober 2001 ihre Ausbildung beendet habe.
Der Kläger beantragt sinngemäß, das erstinstanzliche Urteil aufzuheben sowie die Bescheide vom in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom dahin gehend zu ändern, dass das Kindergeld nur für die Monate Oktober 2001 bis Januar 2002 zurückgefordert wird.
Der Beklagte beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
II. Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung sowie zur Aufhebung des Bescheides des Beklagten betreffend das Jahr 2001 insoweit, als die Festsetzung des Kindergeldes für die Monate Januar bis September 2001 aufgehoben und das für diesen Zeitraum gezahlte Kindergeld zurückgefordert wird (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung —FGO—).
Dem Kläger steht Kindergeld für seine Tochter J für die Zeit von Januar bis September 2001 zu. J befand sich —nur— in diesen Monaten in einer Berufsausbildung; ihre Einkünfte und Bezüge überstiegen in diesem Zeitraum unstreitig nicht den maßgeblichen anteiligen Jahresgrenzbetrag gemäß § 32 Abs. 4 Sätze 2 und 5 EStG (in der im Streitjahr geltenden Fassung) in Höhe von 10 530 DM (9/12 von 14 040 DM).
a) In der Zeit von Januar bis September 2001 war J an der Universität H immatrikuliert und ging neben einer Teilzeitbeschäftigung ihrem Studium nach. Ihre Einnahmen während dieser Zeit betrugen lediglich 8 406,75 DM. Dieser Betrag ist um den anteiligen Arbeitnehmer-Pauschbetrag gemäß § 9a Satz 1 Nr. 1 EStG zu kürzen (zur Aufteilung des Arbeitnehmer-Pauschbetrages vgl. , BFHE 202, 540, BStBl II 2003, 759), so dass der anteilige Jahresgrenzbetrag in Höhe von 10 530 DM deutlich unterschritten ist.
b) In der Zeit ab Oktober 2001 wurde J entgegen der Auffassung der Vorinstanz nicht mehr für einen Beruf ausgebildet. Nach der ständigen Rechtsprechung des BFH befindet sich in Berufsausbildung, wer auf den Erwerb von Kenntnissen, Fähigkeiten und Erfahrungen gerichtete Maßnahmen ergreift, die als Grundlage für die Ausübung des angestrebten Berufs geeignet sind (, BFHE 198, 192, BStBl II 2002, 469, m.w.N.; vom VIII R 47/02, BFHE 203, 106, BStBl II 2003, 848). Ein Studium gehört zwar unstreitig zur Berufsausbildung; J setzte ihr Studium ab Oktober 2001 jedoch gerade nicht mehr fort, sondern ging einer Vollzeiterwerbstätigkeit nach. Damit hatte sie ihre Ausbildung abgebrochen. Unerheblich ist insoweit, dass J weiterhin als Studentin immatrikuliert war. Der BFH hat bereits entschieden, dass sich ein Kind, das schon immatrikuliert ist, sein Studium aber tatsächlich noch nicht aufgenommen hat, sondern zunächst weiterhin einer Vollzeiterwerbstätigkeit nachgeht, nicht in einer Berufsausbildung befindet (BFH-Urteil in BFHE 197, 383, BStBl II 2002, 484). Ein Kind, das noch immatrikuliert ist, aber das Studium tatsächlich bereits aufgegeben hat und statt dessen erwerbstätig ist, befindet sich in einer vergleichbaren Situation: Formal scheint die Voraussetzung der Berufsausbildung in Form eines Studiums gegeben zu sein, tatsächlich findet eine Ausbildung jedoch nicht statt. Einer —über die Aufnahme der Vollzeitbeschäftigung hinausgehenden— nach außen erkennbaren Manifestation der Beendigung der Ausbildung bedarf es in diesem Fall entgegen der Auffassung der Vorinstanz nicht.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
BFH/NV 2005 S. 693
BFH/NV 2005 S. 693 Nr. 5
IAAAB-43501