OFD Hannover - S 7100 - 441 - StO 171

Umsatzsteuer beim Verzehr an Ort und Stelle (Restaurationsumsätze)

Mit Wirkung vom sind die Regelungen zur Lieferung von Speisen und Getränken zum Verzehr an Ort und Stelle in § 12 Abs. 2 Nr. 1 UStG aufgehoben worden. Gleichzeitig wird durch die in § 3 Abs. 9 UStG neu eingefügten Sätze 4 und 5 bestimmt, dass die Abgabe von Speisen und Getränken zum Verzehr an Ort und Stelle eine sonstige Leistung darstellt (siehe BStBl 1998 I S. 1148 = USt-Kartei – BMF – § 7100 Karte 40 zu § 1 UStG).

Speisen und Getränke werden zum Verzehr an Ort und Stelle abgegeben, wenn sie nach den Umständen der Abgabe dazu bestimmt sind, an einem Ort verzehrt zu werden, der mit dem Abgabeort in einem räumlichen Zusammenhang steht, und besondere Vorrichtungen für den Verzehr an Ort und Stelle bereitgehalten werden. Die Definition entspricht inhaltlich der Regelung in § 12 Abs. 2 Nr. 1 Sätze 2 und 3 UStG 1993; Auslegungsfragen zu § 3 Abs. 9 Sätze 4 und 5 UStG n. F. können deshalb anhand der Rechtsprechung und Literaturhinweise zu § 12 Abs. 2 Nr. 1 UStG 1993 beurteilt werden.

Durch seine Urteile vom , V R 52/97 (BStBl 1998 II S. 417), , V R 15/98 (BStBl 1999 II S. 37) und , V R 20/98 (BStBl 1999 II S. 326) hat der BFH den Dienstleistungscharakter von Restaurationsleistungen hervorgehoben. Nach diesen Urteilen ist eine als sonstige Leistung zu beurteilende Abgabe von Speisen und Getränken zum Verzehr an Ort und Stelle, die dem allgemeinen Steuersatz unterliegt (Restaurationsleistung), insbesondere dann gegeben, wenn der Unternehmer neben der Lieferung von Nahrungsmitteln noch Dienstleistungen im sog. Darreichungsbereich ausführt. Gegenüber der alten Rechtslage ist nicht mehr darauf abzustellen, durch wen oder in wessen Interesse die besonderen Vorrichtungen bereitgehalten werden. Dieser neue Grundsatz ist auf alle Umsätze, die ab dem ausgeführt werden, anzuwenden ( BStBl 1999 I S. 1039 = USt-Kartei – BMF – § 7100 Karte 41 zu § 1 UStG).

1. Begriff der „besonderen Vorrichtungen”

Besondere Vorrichtungen i. S. des § 3 Abs. 9 Satz 5 UStG sind nur solche Gegenstände, die nach ihrer Art und Beschaffenheit ausschließlich dem Verzehr zu dienen bestimmt sind, also Tische (auch Stehtische), reine Verzehrtheken. Wandbretter und ähnliche Ablagevorrichtungen Anders als Verkaufstheken und -tresen stehen sie in keinem Zusammenhang mit der Warenübergabe (vgl. , rkr., UR 1974 S. 43). Der Verzehr an Ort und Stelle setzt voraus, dass der Ort des Verzehrs in einem räumlichen Zusammenhang zum Abgabeort steht (A 25a Abs. 2 UStR 2000). Auf das Vorhandensein von Sitzgelegenheiten kommt es nicht an Unerheblich ist, ob die besonderen Vorrichtungen sich in geschlossenen Räumen, Zelten oder im Freien befinden.

Es kommt grundsätzlich nicht darauf an, wer die besonderen Vorrichtungen bereithält. Werden die Vorrichtungen vom leistenden Unternehmer bereitgehalten, liegt unter den weiteren Voraussetzungen des § 3 Abs. 9 Satz 5 UStG in jedem Falle ein Verzehr an Ort und Stelle und damit eine nicht begünstigte sonstige Leistung vor. Stellt ein anderer, auch der Leistungsempfänger, die Vorrichtungen zur Verfügung, ist von einem Restaurationsumsatz auszugehen, sofern der leistende Unternehmer ersichtlich Dienstleistungen im sog. Darreichungsbereich ausführt.

2. Speiselieferungen zum ermäßigten Steuersatz

Eine zum ermäßigten Steuersatz ausgeführte Lieferung von Nahrungsmitteln ist nur anzunehmen, wenn der Unternehmer sich auf das bloße Liefern der Speisen beschränkt, die Speisen also in Mitnahmeverpackungen „außer Haus” abgibt oder bei der Lieferung von Speisen, die zum Verzehr an Ort und Stelle geeignet sind, weder über eigene Verzehrvorrichtungen verfügt, noch am Ort des Verzehrs Serviceleistungen erbringt.

Für jeden Liefergegenstand ist zu beurteilen, ob die Anwendung des ermäßigten Steuersatzes überhaupt in Frage kommt. Die Lieferungen von zubereitetem Tee oder Kaffee, Mineralwasser, Cola o. Ä. unterliegt immer dem allgemeinen Steuersatz.

Speiselieferungen zum ermäßigten Steuersatz sind in folgenden Fällen anzunehmen:

2.1 Ein Unternehmer (Partyservice oder Catering-Unternehmen) liefert zubereitete Speisen auf Servierplatten oder in Warmhaltekübeln, welche später wieder abgeholt werden, ohne weitere Serviceleistungen im Darreichungsbereich (z. B. die Gestellung von Geschirr) zu erbringen.

2.2 Ein Unternehmer verkauft zubereitete Speisen in Mitnahmeverpackungen. Die Steuerermäßigung greift in diesem Fall auch dann, wenn der Unternehmer über Verzehrvorrichtungen verfügt, die aber beim Verkauf in Mitnahmeverpackungen vom Kunden nicht genutzt werden.

2.3 Ein Imbissstand ohne Verzehrvorrichtungen verkauft z. B. Würstchen auf Papptellern.

3. Restaurationsleistungen zum allgemeinen Steuersatz

Werden Speisen nach den Umständen der Abgabe zum sofortigen Verzehr geliefert, liegt stets eine zum allgemeinen Steuersatz ausgeführte Restaurationsleistung vor, wenn der Unternehmer Verzehrvorrichtungen bereithält bzw. dem Kunden zur Verfügung stellt (siehe Abschnitt 1) oder weitere Dienstleistungen im sog. Darreichungsbereich erbringt. Hierzu zählen z. B. die Ausgabe oder das Servieren von Speisen, Reinigen der Tische, Stühle oder des Geschirrs sowie die Gestellung von Geschirr (s. auch UR 2000, S. 219).

4. Einzelfälle

4.1 Selbstbedienungs- oder Automatenrestaurants

Werden Speisen und Getränke ohne Bedienungspersonal, d. h. aus Automaten oder über das Buffet, abgegeben, so liegt dann Verzehr an Ort und Stelle vor, wenn die Speisen nicht zum Mitnehmen geeignet sind und im Übrigen ein räumlicher Zusammenhang zwischen dem Abgabeort und dem Ort des Verzehrs vorhanden ist (vgl. hierzu Abschnitt 1).

Zur Lieferung von Heißgetränken aus Automaten siehe auch USt-Kartei – OFD Hannover – S 7222 Karte 2 zu § 12 Abs. 2 Nr. 1 UStG. Die dort genannten Umsätze von Kakao und Suppe unterliegen nur dann dem ermäßigten Steuersatz nach § 12 Abs. 2 Nr. 1 UStG, soweit nicht nach den Grundsätzen dieser Karteikarte Verzehr an Ort und Stelle vorliegt.

4.2 Theater, Kinos, Multiplexkinos

Speisen und Getränke werden in Kinos und Theatern dann zum Verzehr an Ort und Stelle abgegeben, wenn besondere Verzehrvorrichtungen vorhanden sind. Das sind z. B. Stehtische in Theatern und integrierte Abstellborde und -plätze an einer Kinobestuhlung (, UR 1997 S. 102).

Bei einem Multiplexkino sind bereits die Sitzplätze als Verzehrvorrichtungen anzusehen. Ein Multiplexkino ist ein Kinozentrum mit mehreren Vorführsälen, hohem technischem Standard und großem Foyerbereich mit Sitzgelegenheiten und Gastronomie. Das Gesamterlebenis lässt die Filmvorführung gegenüber der Filmvorführung in einem Programmkino zurücktreten. An die Verzehrvorrichtungen sind deshalb geringe Anforderungen zu stellen. Sofern die Abgabe von Speisen und Getränken in Multiplexkinos nicht bereits in der Vergangenheit wegen integrierter Abstellborde und -plätze als Verzehr an Ort und Stelle beurteilt worden sind, ist ab allein wegen der Sitzplätze ein Verzehr an Ort und Stelle anzunehmen.

Die Abgabe von Speisen und Getränken in Theatern und Cabarets ist nicht als steuerbefreite Nebenleistung zur Theateraufführung anzusehen (, BStBl 1999 II S. 145).

4.3 Catering-Unternehmen

Sog. Catering-Unternehmen sind Dienstleistungsbetriebe, die Verpflegungsleistungen erbringen.

Erbringt der Catering-Unternehmer die Verpflegungsleistung im eigenen Namen und für eigene Rechnung direkt an den einzelnen Endabnehmer, sind die Regelungen unter 2. und 3. zu beachten.

Erbringt der Caterer seine Leistung innerhalb einer Leistungskette, innerhalb derer der Caterer an einen Großabnehmer (z. B. Krankenhaus, Altenheim oder Schule) und dieser wiederum an die Endabnehmer leistet, ergeben sich folgende umsatzsteuerliche Leistungen:

4.3.1 Lieferung des ersten Unternehmers (Catering-Unternehmer)

Auf die Lieferung des ersten Unternehmers in der Kette an den Großabnehmer ist nur dann unter den Voraussetzungen des § 12 Abs. 2 Nr. 1 UStG der ermäßigte Steuersatz anzuwenden, wenn sich die Leistung des Catering-Unternehmens auf die reine Anlieferung der Verpflegung beschränkt (siehe unter Abschnitt 2).

4.3.2 Leistung des zweiten Unternehmers (Großabnehmer)

Soweit nicht ein Steuerbefreiungstatbestand erfüllt ist (z. B. § 4 Nr. 16 UStG bei einem Altenheim, § 4 Nr. 23 bei einer Schule), unterliegt die Abgabe der Verpflegung durch den zweiten Unternehmer als sonstige Leistung i. S. des § 3 Abs. 9 Sätze 4 und 5 UStG dem allgemeinen Steuersatz, weil i. d. R. Verzehrvorrichtungen (z. B. in einem Speisesaal) durch diesen Unternehmer bereitgehalten werden.

4.4 Personalbeköstigung

Sowohl bei kostenloser als auch bei verbilligter Abgabe von Mahlzeiten an Arbeitnehmer sind Umsätze zum Verzehr an Ort und Stelle gegeben, wenn der Arbeitgeber besondere Vorrichtungen bereithält. Es kommt nicht darauf an, ob sich diese in besonders hergerichteten Räumen (z. B. Betriebskantinen), in den Betriebsräumen oder in den Privaträumen des Unternehmers befinden. Bei der Beköstigung im Gaststättengewerbe und Handwerk (Metzgereien, Bäckereien, usw.) wird deshalb regelmäßig Verzehr an Ort und Stelle vorliegen (, BStBl 1989 II S. 210).

Häufig werden Speisen in der Zentralküche eines Unternehmens zubereitet und im warmen, verzehrfertigen Zustand, jedoch unportioniert in Essenskübel abgefüllt. Die Behälter werden zu anderen Betriebsteilen des Unternehmens transportiert, wo die Speisen portioniert und in Aufenthaltsräumen ausgegeben werden, in denen Tische und Stühle sowie Geschirr und Besteck bereitgehalten werden. In derartigen Fällen unterliegt die Abgabe der Speisen zum Verzehr an Ort und Stelle dem allgemeinen Steuersatz. Der in § 3 Abs. 9 UStG geforderte räumliche Zusammenhang zwischen dem Abgabeort und dem Ort des Verzehrs ist gegeben. Auf den Ort der Zubereitung der Speisen kommt es nicht an.

4.5 Lunchpakete in Pensionsbetrieben

Stellen Beherbergungsunternehmen statt der vereinbarten Verpflegung an Ort und Stelle, deren Abgabe dem allgemeinen Steuersatz unterliegt, ihren Gästen sog. Lunchpakete zum Verzehr außer Haus zur Verfügung, so unterliegen diese Lieferungen dem ermäßigten Steuersatz. Für diesen Fall muss der Steuerpflichtige die begünstigten Entgelte einzeln ermitteln und gemäß § 22 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 UStG gesondert aufzeichnen; eine pauschale Ermittlung der begünstigten Entgelte kommt nicht in Betracht.

4.6 Restaurationsumsätze an Bord von Seeschiffen

Nach § 4 Nr. 6 Buchst. e UStG ist die Abgabe von Speisen und Getränken zum Verzehr an Ort und Stelle im Verkehr mit Wasserfahrzeugen für die Seeschifffahrt zwischen einem inländischen und ausländischen Seehafen und zwischen zwei ausländischen Seehäfen steuerfrei. Inländische Seehäfen sind auch die Freihäfen und Häfen auf der Insel Helgoland. Die Steuerbefreiung bezieht sich in erster Linie auf den Fährverkehr zwischen deutschen und ausländischen Seehäfen. Sie umfasst die entgeltliche und unentgeltliche Abgabe von Speisen und Getränken zum Verzehr an Ort und Stelle an Passagiere und an Arbeitnehmer sowie den Leistungseigenverbrauch von Speisen und Getränken an Bord des Seeschiffes, sofern die Abgabe eine selbständige Leistung ist.

5. Leistungsort

Auf Restaurationsumsätze i. S. des § 3 Abs. 9 Satz 4 und 5 UStG ist die allgemein für sonstige Leistungen geltende Ortsregelung des § 3a Abs. 1 UStG anzuwenden. Nach dem Sitzortprinzip des § 3a Abs. 1 Satz 1 UStG unterliegen daher bei einem inländischen Unternehmer auch solche Umsätze der deutschen Umsatzsteuer, die nicht im Inland ausgeführt werden. Dies gilt vorbehaltlich der Steuerbefreiung des § 4 Nr. 6 Buchst. e UStG auch für Restaurationsumsätze auf Passagierschiffen im Verkehr zwischen dem In- und Ausland § 3a Abs. 1 Satz 2 UStG ist in diesen Fällen nicht anwendbar, da Vorrichtungen auf Schiffen, die der Abgabe von Speisen und Getränken zum Verzehr an Ort und Stelle dienen, keine Betriebsstätten sind Daher werden z. B. Restaurationsumsätze auf Bodenseeschiffen nicht auf dem Bodensee, sondern am Sitz des Unternehmens ausgeführt ( BStBl 1998 II S. 278).

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