Unterschiedliche Bedeutung des Einstimmigkeitserfordernisses in der Betriebs-GmbH und in der Besitzgesellschaft
Gesetze: EStG § 15 Abs. 2
Instanzenzug:
Gründe
Streitig ist, ob von einer personellen Verflechtung zwischen Besitz- und Betriebsgesellschaft auszugehen ist, wenn an der Betriebs-GmbH ein Gesellschafter, der nicht der Besitzgesellschaft angehört, mit einem Anteil von 1 v.H. beteiligt ist, und der Abschluss von Dauerverträgen sowie Geschäfte, die über den Rahmen des gewöhnlichen Geschäftsbetriebes der GmbH hinausgehen, abweichend von § 47 Abs. 1 des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung (GmbHG) eines einstimmigen Gesellschafterbeschlusses bedürfen. Das Finanzgericht (FG) hat dies nach erfolglosem Einspruch verneint. Die Entscheidung des FG ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2003, 455 veröffentlicht.
Die Revision gegen sein Urteil ließ das FG nicht zu. Hiergegen richtet sich die vorliegende Beschwerde, die ausschließlich auf das Erfordernis der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 115 Abs. 2 Nr. 2, 2. Alternative der Finanzgerichtsordnung —FGO—) gerichtet ist.
Die Beschwerde kann keinen Erfolg haben. Sie ist —ungeachtet von Zweifeln an ihrer Zulässigkeit— jedenfalls unbegründet.
Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) hat —wie in § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO gefordert— kaum schlüssig dargelegt, dass die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH) erfordert (§ 115 Abs. 2 Nr. 2, 2. Alternative FGO).
1. Bereits der allgemeine Rechtssatz, auf den nach Ansicht der Klägerin das Urteil des FG gestützt sein soll, lässt sich der Vorentscheidung nicht entnehmen. Das FG-Urteil enthält nicht die Aussage, dass ein abweichend von § 47 Abs. 1 GmbHG vereinbartes Einstimmigkeitsprinzip bei einer Betriebsgesellschaft gleichwohl zu einer personellen Verflechtung zwischen der Betriebsgesellschaft und der Besitzgesellschaft führe, selbst wenn an der Betriebsgesellschaft ein Gesellschafter beteiligt ist, der nicht Gesellschafter der Besitzgesellschaft ist.
Vielmehr leitet das FG die personelle Verflechtung aus der nach seiner Auffassung bestehenden Beherrschungsidentität her. Sein Urteil enthält dazu folgenden nahezu wörtlich aus dem Senatsurteil vom IV R 13/91 (BFHE 169, 231, BStBl II 1993, 134) übernommenen Satz:
„Beherrschungsidentität liegt dann vor, wenn die Gesellschafter, die die Betriebsgesellschaft beherrschen, bei dem als Gesellschaft bürgerlichen Rechts organisierten Besitzunternehmen ebenfalls über die Mehrheit der Stimmen verfügen, sofern kraft Gesetzes (.) oder Vertrags (.) wenigstens für die Geschäfte des täglichen Lebens das Mehrheitsprinzip maßgeblich ist.” Das FG-Urteil enthält somit nicht, wie die Klägerin geltend macht, die Aussage, die Vereinbarung des Einstimmigkeitsprinzips sei in jedem Fall unerheblich. Das wird vollends deutlich, wenn es in der Vorentscheidung unter Bezugnahme auf das Senatsurteil vom IV R 96/96 (BFHE 187, 570, BStBl II 2002, 771) weiter heißt: „Ist dagegen an der einen Gesellschaft neben der mehrheitlich bei der anderen Gesellschaft beteiligten Person oder Personengruppe mindestens ein weiterer Gesellschafter beteiligt und müssen Beschlüsse der Gesellschafterversammlung generell einstimmig gefasst werden, so kann die beherrschende Person oder Personengruppe rechtlich ihren Willen nicht in beiden Unternehmen durchsetzen, wenn das Einstimmigkeitsprinzip auch die laufende Verwaltung der vermieteten Wirtschaftsgüter, die sog. Geschäfte des täglichen Lebens, einschließt.”
2. Somit weicht die Vorentscheidung nicht vom (BFH/NV 1992, 551) ab. Diese Entscheidung beruht auf dem Rechtssatz, dass keine personelle Verflechtung im Sinne der Betriebsaufspaltung vorliege, wenn die das Betriebsunternehmen beherrschende Person oder Personengruppe an einer Besitz-GbR zwar mehrheitlich beteiligt ist, aber nach dem Gesellschaftsvertrag die Gesellschafterbeschlüsse einstimmig gefasst werden müssen; denn in einem solchen Fall reiche die Stimmrechtsmacht der an beiden Unternehmen beteiligten Person oder Personengruppe nicht aus, um im Besitzunternehmen ihren einheitlichen geschäftlichen Betätigungswillen durchsetzen zu können.
Das FG enthält keine diesem Rechtssatz widersprechende Aussage. Zum einen bezieht sich der von der Vorentscheidung angewandte Rechtssatz lediglich auf Fälle, in denen —anders als bei der Besitzgesellschaft in dem der angeblichen Divergenzentscheidung zugrunde liegenden Fall— das Einstimmigkeitsprinzip nicht die „Geschäfte des täglichen Lebens” betrifft. Insbesondere hat das FG darauf abgestellt, dass die lediglich an der Betriebs-GmbH beteiligte Gesellschafterin keine Möglichkeit hatte, auf das bereits bestehende Mietverhältnis Einfluss zu nehmen. Hiergegen kann die Klägerin nicht mit Erfolg einwenden, die alle vier Jahre anstehende Verlängerung des Mietvertrages stehe wirtschaftlich einem —einstimmig zu beschließenden— Neuabschluss gleich. Die Klägerin übersieht hierbei, dass die Verlängerung „automatisch” eintrat. Der Mietvertrag konnte demnach nur durch Kündigung beendet werden. Gleichgültig ob der Beschluss über die Kündigung einstimmig oder mit Stimmenmehrheit zu fassen war, konnte die Minderheitsgesellschafterin mithin eine Verlängerung des Mietverhältnisses nicht verhindern.
Zum anderen enthält das angebliche Divergenzurteil tragende Aussagen nur zum Einstimmigkeitsprinzip in der Besitzgesellschaft, nicht zu dem —im Streitfall gegebenen— Einstimmigkeitserfordernis in der Betriebsgesellschaft. Ausführungen, die die Entscheidung nicht tragen, können nicht zu einer Abweichung i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 2, 2. Alternative FGO führen (, BFHE 163, 204, BStBl II 1991, 309). Es liegt auch keineswegs auf der Hand, dass Einstimmigkeitsvereinbarungen in der Besitzgesellschaft einerseits und in der Betriebsgesellschaft andererseits die gleiche Bedeutung haben. So kann der lediglich an der Betriebs-GmbH beteiligte Gesellschafter keinen Einfluss auf die Nutzung oder Verwertung der an die Betriebsgesellschaft vermieteten Wirtschaftsgüter nehmen.
3. Auch vom Senatsurteil in BFHE 187, 570, BStBl II 2002, 771 weicht die Vorentscheidung nicht ab. Vielmehr bezieht sich das FG-Urteil ausdrücklich in Form eines wörtlichen Zitats auf diese Entscheidung. Wenn die Klägerin gleichwohl der Meinung ist, es liege eine „verdeckte” Abweichung vor, so liegt das an ihrer Auffassung, nicht nur Gesellschafterbeschlüsse über Dauerschuldverhältnisse und Geschäfte, die über den Rahmen des gewöhnlichen Geschäftsbetriebes hinausgehen, seien einstimmig zu fassen gewesen. Für die Richtigkeit dieser vom Wortlaut des Gesellschaftsvertrags nicht gedeckten Auffassung gibt es jedoch keinen Anhaltspunkt.
4. Von den BFH-Urteilen vom XI R 25/88 (BFH/NV 1991, 454) und vom III R 174/80 (BFH/NV 1985, 49) weicht die Vorentscheidung schon deshalb nicht ab, weil es in jenen Urteilen um Fälle ging, in denen die jeweiligen Alleineigentümer des Grundstücks —anders als im Streitfall— in der Betriebs-GmbH nicht über die Mehrheit der Stimmen verfügten.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
BFH/NV 2005 S. 545
BFH/NV 2005 S. 545 Nr. 4
SAAAB-42757