Günstigerprüfung für unterhaltspflichtigen Elternteil S. 15
Leitsatz
Es wird eine Entscheidung des BVerfG darüber eingeholt, ob § 31 Satz 5 und § 36 Abs. 2 Satz 1 EStG in der für das Streitjahr 2001 maßgeblichen Fassung insoweit mit dem GG vereinbar sind, als danach bei Steuerpflichtigen, deren Einkommen gemäß § 31 Satz 4 EStG um die Freibeträge des § 32 Abs. 6 EStG gemindert wurde, die tarifliche Einkommensteuer auch in den Fällen um die Hälfte des gezahlten Kindergelds zu erhöhen ist, in denen eine Anrechnung des Kindergelds auf den Barunterhalt nach § 1612b Abs. 5 BGB i.d.F. des Gesetzes zur Ächtung der Gewalt in der Erziehung und zur Änderung des Kindesunterhaltsrechts vom (BGBl I 2000, 1479) mit der Folge ganz oder teilweise unterblieben ist, dass im wirtschaftlichen Ergebnis nicht einmal die tatsächlichen —die Freibeträge des § 32 Abs. 6 EStG unterschreitenden— Unterhaltszahlungen des Steuerpflichtigen in vollem Umfang von der Einkommensteuer freigestellt worden sind.
Instanzenzug:
Tatbestand
A. Gegenstand der Vorlage
I. Sachverhalt
Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) ist geschieden. Aus der geschiedenen Ehe sind die 1993 und 1997 geborenen Kinder L und S hervorgegangen, die im Haushalt der Mutter leben.
Der Kläger hatte sich in der notariell beurkundeten Scheidungsvereinbarung vom ... März 2000 verpflichtet, für die beiden Kinder vom ersten des auf die Rechtskraft der Scheidung folgenden Monats an Kindesunterhalt in Höhe von jeweils 128 v.H. des jeweiligen Regelsatzes der Düsseldorfer Tabelle (nach Einkommensgruppe 5) abzüglich 50 v.H. des gesetzlichen Kindergeldes zu zahlen. Bei der Ermittlung des zu zahlenden Unterhalts gingen die Vertragsparteien von einem durchschnittlichen monatlichen Nettoeinkommen des Klägers von 3 550 DM aus.
Dementsprechend zahlte der Kläger im Januar 2001 für seine beiden Kinder Unterhalt in Höhe von insgesamt 737 DM (für S nach Altergruppe 1 bis 5 Jahre: 455 DM ./. 135 DM Kindergeld = 320 DM und für L nach Altersgruppe 6 bis 11 Jahre: 552 DM ./. 135 DM Kindergeld = 417 DM).
Nach Aufforderung seiner geschiedenen Ehefrau, Kindesunterhalt künftig entsprechend der zum in Kraft getretenen Neuregelung des § 1612b Abs. 5 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) zu leisten, zahlte der Kläger ab Februar 2001 Kindesunterhalt in Höhe von monatlich 792 DM (für S: 455 DM ./. 110 DM Kindergeld = 345 DM, für L: 552 DM ./. 105 DM Kindergeld = 447 DM).
In der Einkommensteuererklärung für das Streitjahr 2001 gab der Kläger in der Anlage „Kinder” die Höhe des zivilrechtlichen Ausgleichsanspruchs wegen des an die Mutter der Kinder ausgezahlten Kindergeldes mit jeweils 1 317 DM (insgesamt 2 634 DM) an.
Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt —FA—) setzte mit Bescheid vom die Einkommensteuer 2001 nach einem zu versteuernden Einkommen von 64 553 DM (nach Abzug von zwei Kinderfreibeträgen und zwei Betreuungsfreibeträgen) unter Hinzurechnung der Hälfte des gesetzlichen Kindergeldes (insgesamt 3 240 DM) nach der Grundtabelle auf 17 880 DM fest.
Der Kläger hat nach erfolglosem Einspruchsverfahren Klage erhoben, mit der er geltend gemacht hat, nach der Neuregelung des § 1612b Abs. 5 BGB habe er auf den geschuldeten Unterhalt nicht mehr —wie bisher— das halbe Kindergeld, sondern für die Zeit ab Februar 2001 nur noch 110 DM für S und 105 DM für L anrechnen können. Seine geschiedene Ehefrau habe einen entsprechenden Anspruch auf Änderung der Scheidungsvereinbarung gehabt, so dass Einwendungen gegen die ab Februar 2001 erhobene Unterhaltsforderung keinen Erfolg versprochen hätten. Als „gezahltes Kindergeld” i.S. des § 36 Abs. 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) dürften daher nur die unter Berücksichtigung des § 1612b Abs. 5 BGB noch anrechenbaren Kindergeldbeträge in Höhe von insgesamt 2 635 DM angesetzt werden.
II. Entscheidung des Finanzgerichts(FG)
Das FG hat der Klage stattgegeben. Das Urteil ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2003, 1249 veröffentlicht.
Das FG führt zur Begründung seines Urteils im Wesentlichen aus, nach dem eindeutigen Wortlaut des § 31 Satz 5 EStG sei das Bestehen eines zivilrechtlichen Ausgleichsanspruchs in jedem Fall Voraussetzung für die Hinzurechnung des hälftigen Kindergeldes, wenn dieses —wie im Streitfall— nicht an den Steuerpflichtigen, sondern an den anderen Elternteil ausgezahlt worden sei. Dem Kläger habe im Streitfall nur ein zivilrechtlicher Ausgleichsanspruch in Höhe von insgesamt 2 635 DM zugestanden. Nach § 1612b Abs. 5 BGB i.d.F. des Gesetzes zur Ächtung der Gewalt in der Erziehung und zur Änderung des Kindesunterhaltsrechts vom (BGBl I 2000, 1479) unterbleibe eine Anrechnung des Kindergelds auf den Kindesunterhalt, soweit der Unterhaltspflichtige außerstande sei, 135 v.H. des Regelbetrages nach der Regelbetrag-Verordnung zu leisten. Der Kläger sei nur zur Zahlung von 128 v.H. des Regelbetrages verpflichtet. Seit der Aufforderung der geschiedenen Ehefrau, ab Unterhalt nach der ab geänderten Rechtslage zu zahlen, habe der Kläger keinen Anspruch mehr auf die bis dahin erfolgte Anrechnung des hälftigen Kindergeldes gehabt. Der Senat verkenne nicht, dass es bei seiner Entscheidung zu einer vom Gesetzgeber nicht beabsichtigten kumulativen Inanspruchnahme von Kindergeld und Freibeträgen des § 32 Abs. 6 EStG komme. Der Senat verkenne auch nicht, dass die vom Gesetzgeber mit der Regelung des § 1612b Abs. 5 BGB beabsichtigte finanzielle Besserstellung des das Kind betreuenden Elternteils in ihr Gegenteil verkehrt werden könne, wenn bei der Günstigerprüfung dieses Elternteils einerseits (wegen Fehlens einer zivilrechtlichen Ausgleichspflicht) mehr als die Hälfte des Kindergeldes anzusetzen, andererseits aber nur die hälftigen Freibeträge des § 32 Abs. 6 EStG zu berücksichtigen seien. Da nach dem Wortlaut des § 31 Satz 5 EStG („zustehen”) aber nur ein bestehender Ausgleichsanspruch dem Kindergeld gleichgestellt sei, habe die Hinzurechnung des Kindergeldes zwingend zu unterbleiben, soweit der Unterhaltsanspruch des Kindes nicht um das anteilige Kindergeld gekürzt werden dürfe.
III. Vortrag der Beteiligten im Revisionsverfahren
Mit seiner Revision rügt das FA die Verletzung materiellen Rechts.
Das angefochtene Urteil stehe nicht in Einklang mit den Regelungen der § 31 Satz 5, § 36 Abs. 2 EStG und § 1612b BGB n.F. Das FG habe zu Unrecht in einem sog. Mangelfall nicht das volle hälftige Kindergeld, sondern entsprechend der Regelung des § 1612b Abs. 5 BGB nur einen abgestuften Betrag verrechnet. Nach Auffassung der Finanzverwaltung bestimme sich die nach § 36 Abs. 2 EStG gebotene Hinzurechnung „im entsprechenden Umfang” ausschließlich danach, in welchem Umfang der Kinderfreibetrag zu gewähren sei. Da einem Elternteil, der seiner Unterhaltspflicht im Wesentlichen (d.h. zu mindestens 75 v.H.) nachkomme, ein hälftiger Kinderfreibetrag zustehe, sei auch das gezahlte Kindergeld in diesem Unfang hinzuzurechnen. Im Streitfall habe diese Rechtsauffassung zur Folge, dass der tariflichen Einkommensteuer des Klägers das hälftige Kindergeld hinzuzurechnen sei.
Entgegen der Ansicht des FG stehe § 1612b Abs. 5 BGB n.F. der Hinzurechnung des hälftigen Kindergeldes nicht entgegen. Nach dem Grundsatz des § 1612b Abs. 1 BGB sei das auf ein Kind entfallende Kindergeld zur Hälfte anzurechnen, wenn an den barunterhaltspflichtigen Elternteil Kindergeld nicht ausgezahlt werde, weil ein anderer vorrangig berechtigt sei. Nach § 1612b Abs. 5 BGB n.F. unterbleibe in den sog. Mangelfällen die Anrechnung des Kindergeldes, soweit der Unterhaltspflichtige außerstande sei, Unterhalt in Höhe von 135 v.H. des Regelbetrages nach der Regelbetrag-Verordnung zu leisten. Diese Vorschrift sei unglücklich formuliert und nur schwer verständlich. Sie diene dem Interesse des Kindes an seiner Versorgung und solle sicherstellen, dass das Kindergeld in erster Linie für den Kindesunterhalt verbraucht werde. Der Barunterhaltsverpflichtete solle nicht das (anteilige) Kindergeld für sich verwenden dürfen, solange das Existenzminimum des Kindes noch nicht abgedeckt sei. Er sei deshalb so lange verpflichtet, die ihm zustehende Hälfte des Kindergeldes für den Unterhalt des Kindes einzusetzen, bis dessen Barexistenzminimum gesichert sei (BTDrucks 14/3781, S. 7 f.). Es solle auch im Fall des § 1612b Abs. 5 BGB bei dem Anspruch des Barunterhaltsverpflichteten auf das hälftige Kindergeld bleiben, das wirtschaftlich als dessen Unterhaltsleistung anzusehen sei. Im Einklang damit habe der Gesetzgeber in der amtlichen Begründung zu § 1612b Abs. 5 BGB a.F. ausgeführt, bei der steuerrechtlichen Prüfung, ob die verfassungsrechtlich gebotene Freistellung des Einkommens in Höhe des Existenzminimums eines Kindes durch das im Wege des zivilrechtlichen Ausgleichs geleistete Kindergeld erreicht worden sei, müsse nach wie vor der hälftige Kindergeldanteil berücksichtigt werden. Denn der Ausgleichsberechtigte werde so gestellt, als habe er den hälftigen Anteil gemäß § 1612b Abs. 1 BGB zwar erhalten, aber ganz oder teilweise zur Erfüllung seiner Unterhaltsverpflichtung eingesetzt (BTDrucks 13/7338, S. 30 f.).
Die Versagung der Anrechnung des Kindergeldes in den Fällen des § 1612b Abs. 5 BGB führe bei der Besteuerung möglicherweise zu einer Verletzung des Gleichheitssatzes (Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes —GG—), weil die horizontale Steuergleichheit nicht gewährleistet sei. Verfassungsrechtliche Bedenken bestünden aber auch gegen die Entscheidung des FG, das gezahlte Kindergeld nur in dem Umfang der tariflichen Einkommensteuer hinzuzurechnen, in dem es auf den Kindesunterhalt angerechnet worden sei. Die Rechtsauffassung des FG sei unvereinbar mit Art. 6 Abs. 1 GG, weil sie geschiedene oder getrennt lebende Eltern im Verhältnis zu zusammenveranlagten Eltern begünstige.
Das FA beantragt sinngemäß, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Das FG habe zu Recht nur den Teil des Kindergeldes nach § 31 Satz 5, § 36 Abs. 2 Satz 1 EStG verrechnet, der nach § 1612b Abs. 5 BGB n.F. auf den Unterhaltsanspruch der Kinder angerechnet worden sei.
Der Gesetzgeber des § 1612b Abs. 5 BGB n.F. habe schon bei der Beschlussempfehlung vom (BTDrucks 14/3781, S. 3) auf die Diskrepanzen zwischen dem Unterhaltsrecht einerseits und dem flankierenden Sozial- und Steuerrecht hingewiesen. Ihm sei offenbar bewusst gewesen, dass § 1612b Abs. 5 BGB in Widerspruch zu den Regelungen des Einkommensteuerrechts (§§ 31, 36 Abs. 2 Satz 1 EStG) stehe.
Auf diese Problematik habe auch das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) in seiner Entscheidung vom 1 BvL 1/01, 1 BvR 1749/01 (Neue Juristische Wochenschrift —NJW— 2003, 2733, 2735, Finanz-Rundschau —FR— 2003, 1035) zur Verfassungsmäßigkeit des § 1612b Abs. 5 BGB hingewiesen.
Die Rechtsauffassung der Finanzverwaltung stehe auch nicht im Einklang mit der Rechtsprechung des BVerfG zur verfassungsrechtlich gebotenen Freistellung eines Einkommensbetrags in Höhe des Existenzminimums von Kindern. Auch Unterhaltspflichtige, die nicht in der Lage seien, Kindesunterhalt in Höhe von 135 v.H. des Regelbetrags nach der Regelbetrag-Verordnung zu leisten, hätten Anspruch auf eine steuerliche Freistellung ihres Einkommens in Höhe des Existenzminimums eines Kindes. Bei der sog. Günstigerprüfung nach § 31 Satz 4 EStG dürfe deshalb die steuerliche Auswirkung einer Berücksichtigung der hälftigen Freibeträge nur mit dem auf den Barunterhalt des Kindes angerechneten Kindergeld verglichen werden. § 1612b Abs. 5 BGB n.F. bewirke, dass Unterhaltspflichtige, die nur den Regelbetrag zahlen könnten, im Ergebnis (nämlich wegen der Versagung der vollen Anrechnung des Kindesgeldes) denselben Unterhalt zahlten wie Unterhaltspflichtige, die 135 v.H. des Regelbetrags leisteten. Ein Steuerpflichtiger mit einem unterhaltsrechtlich relevanten Einkommen von bis zu 1 300 € zahle deshalb gegenwärtig denselben Unterhaltsbetrag wie ein Steuerpflichtiger mit einem Einkommen von bis zu 2 300 €. Bei den unteren Einkommensgruppen sei das hälftige Kindergeld aber in der Regel höher als die steuerliche Entlastung durch die Freibeträge des § 32 Abs. 6 EStG; das habe zur Folge, dass ein Unterhaltspflichtiger, der nur den Regelbetrag (100 v.H.) leisten könne, seinen Anspruch auf das Kindergeld bis zur Auffüllung auf 135 v.H. des Regelbetrages für den Kindesunterhalt einsetzen müsse, also im Ergebnis keine steuerliche Entlastung erfahre, während ein Unterhaltspflichtiger der Einkommensgruppe 6, der schon aufgrund seines Einkommens Unterhalt in Höhe von 135 v.H. des Regelbetrages zahle, die Kürzung seiner Unterhaltsverpflichtung um das hälftige Kindergeld beanspruchen könne. Die steuerliche Gleichbehandlung aller Unterhaltsschuldner fordere, dass bei der Günstigerprüfung (und bei der Verrechnung des Kindergelds nach § 31 Satz 5 EStG) stets nur der Kindergeldanteil berücksichtigt werde, der tatsächlich zu einer Entlastung des Steuerpflichtigen geführt habe.
B. Entscheidungsgründe
Die Vorlage an das BVerfG ist gemäß Art. 100 Abs. 1 Satz 1 GG i.V.m. § 80 des Gesetzes über das Bundesverfassungsgericht (BVerfGG) geboten, weil der Senat § 31 Satz 5 und § 36 Abs. 2 Satz 1 EStG in der für das Streitjahr 2001 maßgebenden Fassung (im Folgenden: EStG) insoweit für verfassungswidrig hält, als nach diesen Vorschriften bei Steuerpflichtigen, deren Einkommen gemäß § 31 Satz 4 EStG um die Freibeträge nach § 32 Abs. 6 EStG gemindert wurde, die tarifliche Einkommensteuer auch in den Fällen um die Hälfte des gesetzlichen Kindergeldes zu erhöhen ist, in denen eine Anrechnung des Kindergelds auf den Barunterhalt nach § 1612b Abs. 5 BGB i.d.F. des Gesetzes zur Ächtung der Gewalt in der Erziehung und zur Änderung des Kindesunterhaltsrechts vom (BGBl I 2000, 1479) mit der Folge ganz oder teilweise unterblieben ist, dass im wirtschaftlichen Ergebnis nicht einmal die tatsächlichen —die Freibeträge des § 32 Abs. 6 EStG unterschreitenden— Unterhaltszahlungen des Steuerpflichtigen in vollem Umfang von der Einkommensteuer freigestellt worden sind.
I. Rechtsentwicklung der im Streitfall maßgeblichen Vorschriften
1. Einkommensteuerrechtliche Vorschriften
a) Die Rechtsentwicklung der im Streitfall zu beurteilenden einkommensteuerrechtlichen Vorschriften zur Entlastung von Familien mit Kindern stellt sich bis zum Streitjahr 2001 wie folgt dar:
aa) Vom bis zum erhielten Eltern zum Ausgleich der mit dem Unterhalt und der Betreuung von Kindern verbundenen Belastungen Kindergeld nach den Kindergeldgesetzen und Kinderfreibeträge nach dem EStG. Dabei wurde der Kinderfreibetrag von zunächst 432 DM (1983) auf 4 104 DM (1992) angehoben (zur Rechtsentwicklung des Kinderlastenausgleichs vgl. die ausführliche Darstellung bei Jachmann in Kirchhof/Söhn, Einkommensteuergesetz, § 31 Rdnr. A 20 ff.).
bb) Das Jahressteuergesetz 1996 (JStG 1996) vom (BGBl I 1995, 1250, BStBl I 1995, 438) ersetzte mit Wirkung vom den Familienlastenausgleich durch den Familienleistungsausgleich. Mit der Neuregelung wollte der Gesetzgeber zum einen der Rechtsprechung des BVerfG Rechnung tragen, nach der das GG fordert, existenznotwendigen Aufwand für Kinder in angemessener, realitätsgerechter Höhe von der Einkommensteuer freizustellen. Zugleich sollte eine deutlich verbesserte Förderung der Familien mit Kindern erreicht und die besondere Leistung der Familie für die Gesellschaft anerkannt werden (BTDrucks 13/1558, S. 139, 155).
Während bis zum Kindergeld und Kinderfreibetrag nebeneinander (kumulativ) beansprucht werden konnten (sog. dualer Familienlastenausgleich), ist dies ab 1996 nur noch alternativ möglich (§ 31 Satz 1 EStG; BTDrucks 13/1558, S. 139, 155). Die Freibeträge des § 32 Abs. 6 EStG sind bei der Einkommensteuerveranlagung abzuziehen, wenn die bei der Einkommensteuerveranlagung von Amts wegen durchzuführende Vergleichsrechnung (sog. Günstigerprüfung) ergibt, dass die gebotene steuerliche Freistellung des Existenzminimums des Kindes bei den Eltern nicht in vollem Umfang durch das während des Kalenderjahres als Steuervergütung gezahlte Kindergeld bewirkt wird (§ 31 Satz 4 EStG). In diesen Fällen sind das Kindergeld (oder vergleichbare Leistungen) nach § 36 Abs. 2 EStG zu verrechnen, auch soweit sie dem Steuerpflichtigen im Wege eines zivilrechtlichen Ausgleichs zustehen (§ 31 Satz 5 EStG). Zu verrechnen sind nach der im Streitjahr maßgeblichen Fassung des § 31 EStG nur das im Veranlagungszeitraum tatsächlich gezahlte Kindergeld und der darauf bezogene Ausgleichsanspruch. Das Kindergeld ist nach § 36 Abs. 2 Satz 1 EStG „im entsprechenden Umfang” zu verrechnen, d.h. die Höhe der Hinzurechnung richtet sich danach, ob das Einkommen um einen vollen oder einen halben Kinderfreibetrag für den jeweiligen Zahlungszeitraum vermindert wurde.
Ergibt die Vergleichsrechnung, dass das während des Kalenderjahres gezahlte Kindergeld höher ist als die Steuerminderung aufgrund des Abzugs der Freibeträge, bleibt es bei der Gewährung des Kindergelds; ein Abzug der Freibeträge des § 32 Abs. 6 EStG ist dann nicht möglich. Soweit das Kindergeld die steuerliche Entlastung durch die Freibeträge übersteigt, ist es für die Freistellung des Existenzminimums des Kindes nicht erforderlich; insoweit dient es der Förderung der Familie (§ 31 Satz 2 EStG).
cc) Die Gleichstellung des zivilrechtlichen Ausgleichsanspruchs mit dem Kindergeld ist bei der Günstigerprüfung nicht zusammenveranlagter Eltern von Bedeutung. Bei diesen erfüllt in der Regel der Elternteil, der mit dem minderjährigen Kind zusammenlebt, seine Unterhaltspflicht durch die Pflege und Erziehung des Kindes (§ 1606 Abs. 3 Satz 2 BGB), während der andere Elternteil zum Barunterhalt verpflichtet ist. Der das Kind betreuende Elternteil ist in der Regel der Empfänger des staatlichen Kindergelds (§ 64 EStG). Bei der Günstigerprüfung des Barunterhaltspflichtigen ist das an den anderen Elternteil ausgezahlte Kindergeld in Höhe des dem Barunterhaltspflichtigen zustehenden hälftigen Anteils so zu berücksichtigen, als hätte es der barunterhaltspflichtige Elternteil erhalten (BTDrucks 13/7338, S. 29). In gleicher Weise ist bei der Veranlagung des anderen Elternteils zu verfahren. Auch wenn das Kindergeld in voller Höhe an diesen Elternteil ausgezahlt wird, kann bei seiner Günstigerprüfung nur der ihm zustehende hälftige Anteil angesetzt werden. Durch diese Regelung wird der für den steuerlichen Familienleistungsausgleich maßgebliche Halbteilungsgrundsatz verwirklicht, der besagt, dass die steuerlichen Entlastungen durch das Kindergeld oder —alternativ— die Freibeträge des § 32 Abs. 6 EStG grundsätzlich beiden Eltern gleichermaßen zugute kommen müssen (vgl. , BVerfGE 45, 104, 132, 140). Die Freibeträge für Kinder stehen beiden Elternteilen in gleicher Höhe zu (§ 32 Abs. 6 Satz 1 EStG). Bei zusammenveranlagten Eltern verdoppeln sie sich. Der Kinderfreibetrag wurde in 1996 auf 3 132 DM bzw. 6 264 DM für zusammenveranlagte Eltern angehoben; im Streitjahr 2001 beträgt er 3 456 DM bzw. 6 912 DM.
Das Kindergeld wird —auf Antrag (§ 67 EStG)— unabhängig von der Höhe des Einkommens des Kindergeldberechtigten im laufenden Jahr monatlich gezahlt. Damit wird zunächst nur sichergestellt, dass bereits im Rahmen der vorläufigen Steuererhebung (Lohnsteuer, Einkommensteuervorauszahlungen) auch die subjektive Leistungsfähigkeit des Steuerpflichtigen näherungsweise berücksichtigt wird. Das Kindergeld wird für jedes Kind nur an einen Anspruchsberechtigten ausgezahlt, und zwar in der Regel an denjenigen, der das Kind in seinen Haushalt aufgenommen hat (§ 64 Abs. 1 und 2 EStG). Im Streitjahr betrug das Kindergeld für das erste und zweite Kind jeweils 270 DM (§ 66 Abs. 1 EStG).
Nach dem Halbteilungsgrundsatz muss das Kindergeld —ebenso wie die Freibeträge des § 32 Abs. 6 EStG— grundsätzlich beiden Eltern zugute kommen, unabhängig davon, wer von ihnen Empfänger des Kindergeldes ist. Dem Barunterhaltspflichtigen steht deshalb in der Regel ein Ausgleichsanspruch gegen den anderen Elternteil in Höhe der Hälfte des gesetzlichen Kindergeldes zu (vgl. dazu unten I.2.).
dd) Durch das am in Kraft getretene Gesetz zur Familienförderung vom (BGBl I 1999, 2552, BStBl I 2000, 4) wurde der Familienleistungsausgleich in einer ersten Stufe neu geregelt; der Gesetzgeber hat damit —entsprechend dem (BVerfGE 99, 216, BStBl II 1999, 182)— berücksichtigt, dass das Existenzminimum eines Kindes nicht nur den sächlichen Bedarf, der durch den Kinderfreibetrag abgedeckt wird, sondern auch einen Betreuungs- und Erziehungsbedarf umfasst. Zusätzlich zum Kinderfreibetrag wird deshalb seit dem Veranlagungszeitraum 2000 für jedes Kind bis zur Vollendung des 16. Lebensjahrs ein jährlicher Betreuungsfreibetrag in Höhe von 1 512 DM bzw. 3 024 DM bei zusammenveranlagten Eltern (§ 32 Abs. 6 Satz 1 EStG) gewährt. Die Einführung des Betreuungsfreibetrags hat auf die Systematik des Familienleistungsausgleichs keine Auswirkung. Der Betreuungsfreibetrag wird —ebenso wie der Kinderfreibetrag— nur dann vom Einkommen des Steuerpflichtigen abgezogen, wenn die steuerliche Freistellung des Einkommens in Höhe des sächlichen Existenzminimums und des Betreuungsbedarfs nicht bereits durch das monatlich gezahlte Kindergeld bewirkt wird (§ 31 Satz 4 EStG).
ee) § 31 EStG hatte im Streitjahr folgende Fassung:
„Die steuerliche Freistellung eines Einkommensbetrags in Höhe des Existenzminimums eines Kindes einschließlich des Betreuungsbedarfs wird durch die Freibeträge nach § 32 Abs. 6 oder durch das Kindergeld nach dem X. Abschnitt bewirkt. Soweit das Kindergeld dafür nicht erforderlich ist, dient es der Förderung der Familie. Im laufenden Kalenderjahr wird Kindergeld als Steuervergütung monatlich gezahlt. Wird die gebotene steuerliche Freistellung durch das Kindergeld nicht in vollem Umfang bewirkt, sind bei der Veranlagung zur Einkommensteuer die Freibeträge nach § 32 Abs. 6 abzuziehen. In diesen Fällen sind das Kindergeld oder vergleichbare Leistungen nach § 36 Abs. 2 zu verrechnen, auch soweit sie dem Steuerpflichtigen im Wege eines zivilrechtlichen Ausgleichs zustehen...”
Soweit § 31 Satz 5 EStG den zivilrechtlichen Ausgleichsanspruch dem gezahlten Kindergeld gleichstellt, steht er in Zusammenhang mit § 64 EStG, der bestimmt, dass für jedes Kind nur an einen Berechtigten Kindergeld gezahlt wird. Durch den Ausgleichsanspruch erhält der zum Barunterhalt verpflichtete Elternteil im wirtschaftlichen Ergebnis seinen hälftigen Anteil am staatlichen Kindergeld.
§ 36 Abs. 2 Satz 1 EStG lautete im Streitjahr wie folgt:
„Wurde das Einkommen in den Fällen des § 31 um einen Kinderfreibetrag nach § 32 Abs. 6 vermindert, so wird im entsprechenden Umfang das gezahlte Kindergeld der Einkommensteuer hinzugerechnet; § 11 Abs. 1 findet insoweit keine Anwendung.”
Eine § 36 Abs. 2 Satz 1 EStG inhaltlich entsprechende Regelung findet sich in § 2 Abs. 6 Satz 2 EStG in der für das Streitjahr maßgeblichen Fassung.
Zweck der Hinzurechnung nach § 31 Satz 5, § 36 Abs. 2, § 2 Abs. 6 Satz 2 EStG ist es, eine Doppelbegünstigung des Steuerpflichtigen durch die Freibeträge und das Kindergeld zu vermeiden (BTDrucks 13/1558, S. 157).
b) Die weitere Rechtsentwicklung der maßgeblichen Vorschriften nach dem Streitjahr 2001 verlief wie folgt:
aa) Der im Jahr 2000 eingeführte Betreuungsfreibetrag wurde durch das Zweite Familienförderungsgesetz vom (BGBl I 2001, 2074, BStBl I 2001, 533) mit Wirkung vom durch einen einheitlichen Freibetrag für den Betreuungs-, Erziehungs- und Ausbildungsbedarf in Höhe von 1 080 € bzw. (bei Ehegatten) 2 160 € für jedes zu berücksichtigende Kind (ohne Altersgrenze) ersetzt.
bb) Durch das Zweite Gesetz zur Änderung steuerlicher Vorschriften (Steueränderungsgesetz 2003 —StÄndG 2003—) vom (BGBl I 2003, 2645, BStBl I 2004, 710) wurde § 31 Satz 4 EStG wie folgt gefasst:
„Ist der Abzug der Freibeträge für Kinder günstiger als der Anspruch auf Kindergeld, erhöht sich die unter Berücksichtigung des Abzugs der Freibeträge für Kinder ermittelte Einkommensteuer um den Anspruch auf Kindergeld; bei nicht zusammenveranlagten Eltern wird der Kindergeldanspruch im Umfang des Kinderfreibetrags angesetzt.”
§ 36 Abs. 2 Satz 1 EStG wurde durch Art. 1 Nr. 14 StÄndG 2003 aufgehoben.
Die Vergleichsrechnung des § 31 Satz 4 EStG wird —abweichend von der bisher geltenden Regelung— seit dem Veranlagungszeitraum 2004 nicht auf der Grundlage des tatsächlich gezahlten Kindergelds, sondern des Anspruchs auf Kindergeld durchgeführt. Die Änderung dient der Verwaltungsvereinfachung, weil —anders als nach früherem Recht— Änderungen der Steuerfestsetzung bei nachträglicher Zahlung von Kindergeld nicht mehr erforderlich sind (BTDrucks 15/1798, S. 2, 17). Ob ein Steuerpflichtiger Anspruch auf Kindergeld hat, richtet sich nach §§ 62 ff. EStG. Bei nicht zusammenveranlagten Eltern bestimmt sich der Umfang des anzurechnenden Kindergeldanspruchs nach der Verteilung des Freibetrags für das sächliche Existenzminimum. Nach dem Grundsatz der Halbteilung (§ 32 Abs. 6 EStG) wird der Kinderfreibetrag grundsätzlich jedem Elternteil zur Hälfte gewährt mit der Folge, dass jeder Elternteil Anspruch auf die Hälfte des gesetzlichen Kindergeldes hat. Eine Ausnahme gilt nur in den Fällen der Übertragung des Kinderfreibetrages; der Kinderfreibetrag eines Elternteils, der seiner Unterhaltspflicht im Wesentlichen nicht nachkommt, kann auf Antrag auf den anderen Elternteil übertragen werden (§ 32 Abs. 6 Satz 6 EStG 2004). Bei der Günstigerprüfung wird im Fall der Übertragung des Kinderfreibetrages den Freibeträgen des § 32 Abs. 6 EStG der volle gesetzliche Kindergeldanspruch gegenübergestellt. Auf das Bestehen eines zivilrechtlichen Ausgleichsanspruchs kommt es nach der Neufassung des § 31 Satz 4 EStG 2004 nicht mehr an.
2. Unterhaltsrechtliche Vorschriften
a) § 31 Satz 5 EStG in der bis zum geltenden Fassung stellt den zivilrechtlichen Ausgleichsanspruch des zum Barunterhalt verpflichteten Elternteils dem Anspruch auf Kindergeld gleich. Eine gesetzliche Vorschrift, die den Anspruch auf Ausgleich des Kindergelds zwischen den Eltern allgemein regelte, gab es bis zum In-Kraft-Treten des Gesetzes zur Vereinheitlichung des Unterhaltsrechts minderjähriger Kinder (Kindesunterhaltsgesetz —KindUG—) vom (BGBl I 1998, 666) nicht.
Bis zu diesem Zeitpunkt war der Ausgleich bezüglich des Kindergelds nur für den Unterhalt nichtehelicher Kinder in § 1615g BGB a.F. —eingeführt durch das Gesetz über die rechtliche Stellung der nichtehelichen Kinder vom (BGBl I 1969, 1243)— gesetzlich geregelt. Nach Abs. 1 Satz 1 dieser Vorschrift war das auf das Kind entfallende Kindergeld auf den Regelunterhalt zur Hälfte anzurechnen. Ausnahmen von diesem Grundsatz sah § 1615g BGB a.F. nicht vor.
b) In der Rechtspraxis wurde aber auch den zum Barunterhalt verpflichteten Vätern ehelicher Kinder ein Ausgleichsanspruch gegen den anderen Elternteil in Höhe des hälftigen Kindergelds zugebilligt. Denn das staatliche Kindergeld soll die Belastung von Eltern durch die Unterhaltsverpflichtung gegenüber Kindern erleichtern und ohne Rücksicht darauf, welcher Elternteil Empfänger des Kindergeldes ist, beiden Unterhaltspflichtigen zugute kommen. Dieser Anspruch wurde vom Bundesgerichtshof (BGH) aus dem allgemeinen familienrechtlichen Ausgleichsanspruch hergeleitet (, BGHZ 70, 151, und vom IVb ZR 533/80, Zeitschrift für das gesamte Familienrecht —FamRZ— 1981, 26). Dabei hat es die Rechtsprechung nicht beanstandet, dass der Ausgleichsanspruch auch von den Vätern ehelicher Kinder im Wege der Verrechnung mit dem Unterhaltsanspruch des Kindes realisiert wurde (BGH-Urteile in BGHZ 70, 151; in FamRZ 1981, 26, und vom IVb ZR 573/80, FamRZ 1981, 347).
c) Durch § 1612b Abs. 1 BGB i.d.F. des KindUG hat der Gesetzgeber den Grundsatz des § 1615g Abs. 1 BGB a.F. (Anrechnung der Hälfte des Kindergeldes auf den Unterhalt des nichtehelichen Kindes) einheitlich auf alle zum Barunterhalt verpflichteten Elternteile erstreckt, also auch auf geschiedene oder getrennt lebende Eltern.
§ 1612b BGB hatte bis zum auszugsweise folgenden Wortlaut:
„(1) Das auf das Kind entfallende Kindergeld ist zur Hälfte anzurechnen, wenn es an den barunterhaltspflichtigen Elternteil nicht ausgezahlt wird, weil ein anderer vorrangig berechtigt ist.
(2) bis (4) ...
(5) Eine Anrechnung des Kindergeldes unterbleibt, soweit der Unterhaltspflichtige außerstande ist, Unterhalt in Höhe des Regelbetrages nach der Regelbetrag-Verordnung zu leisten.”
Gesetzliche Grundlage für die Regelbetrag-Verordnung ist § 1612a Abs. 1 BGB n.F., nach dem ein minderjähriges Kind von einem Elternteil, mit dem es nicht in einem Haushalt lebt, den Unterhalt als Vomhundertsatz des jeweiligen Regelbetrages nach der Regelbetrag-Verordnung verlangen kann. Für das Streitjahr gelten die Regelbeträge i.d.F. der Zweiten Verordnung zur Änderung der Regelbetrag-Verordnung vom (BGBl I 2001, 842). Der Regelbetrag entspricht dem jeweiligen Richtsatz in der untersten Einkommensgruppe der Düsseldorfer Tabelle.
Abweichend von § 1615g BGB a.F. unterbleibt die Anrechnung der Hälfte des Kindergeldes auf den Barunterhalt, soweit der Unterhaltspflichtige außerstande ist, Barunterhalt in Höhe des Regelbetrags nach der Regelbetrag-Verordnung zu zahlen.
Durch diese Regelung wollte der Gesetzgeber sicherstellen, dass der das Kind betreuende Elternteil mindestens über den Regelbetrag und seinen eigenen Kindergeldanteil verfügen kann, um den Lebensunterhalt des Kindes zu sichern. Mit der Begründung, dass die Regelbeträge nach der Regelbetrag-Verordnung hinter dem Existenzminimum von Kindern zurückblieben, wurde darauf verzichtet, den Regelbetrag als im Regelfall bedarfsgerechten Unterhalt zu definieren (BTDrucks 13/9596, S. 31).
In der amtlichen Begründung des Gesetzesentwurfs (BTDrucks 13/7338, S. 30) heißt es zu den steuerlichen Folgerungen aus der Neuregelung des § 1612b Abs. 5 BGB:
„Bei der steuerrechtlichen Prüfung der Frage, ob durch das im Wege des zivilrechtlichen Ausgleichs geleistete Kindergeld die steuerrechtlich gebotene Freistellung erreicht wurde (§ 31 Satz 5 EStG), ist aber nach wie vor der hälftige Kindergeldanteil zu berücksichtigen. Denn der Ausgleichsberechtigte wird so gestellt, als habe er den hälftigen Anteil gemäß Abs. 1 zwar erhalten, aber -ganz oder teilweise- zur Erfüllung seiner Unterhaltsverpflichtungen eingesetzt.”
d) Mit Wirkung ab wurde § 1612b Abs. 5 BGB durch das Gesetz zur Ächtung der Gewalt in der Erziehung und zur Änderung des Kindesunterhaltsrechts vom (BGBl I 2000, 1479) dahin gehend abgeändert, dass eine Anrechnung des Kindergeldes unterbleibt, soweit der Unterhaltspflichtige außerstande ist, Unterhalt in Höhe von 135 v.H. des Regelbetrages nach der Regelbetrag-Verordnung zu leisten.
Die Anhebung der Bezugsgröße auf 135 v.H. des Regelbetrages durch § 1612b Abs. 5 BGB i.d.F. des Gesetzes zur Ächtung der Gewalt in der Erziehung und zur Änderung des Kindesunterhaltsrechts vom geht auf einen Antrag des Rechtsausschusses des Deutschen Bundestages zurück (BTDrucks 14/3781, S. 3, 4). Der Antrag wurde damit begründet, dass eine unterhaltsrechtliche Entlastung der Alleinerziehenden insofern geboten sei, als die bisher der Entlastung Alleinerziehender dienende Vorschrift des § 33c EStG als verfassungswidrig aufgehoben worden sei. Durch die Neuregelung solle sichergestellt werden, dass das Existenzminimum des Kindes Anknüpfungspunkt für die Verteilung und Verwendung des Kindergeldes werde. Dabei sei davon auszugehen, dass das Existenzminimum eines Kindes 135 v.H. des jeweiligen nach Altersgruppen gestaffelten Regelbetrages entspreche. Dementsprechend habe die Anrechnung des Kindergeldes zu unterbleiben, soweit der für den Unterhalt des Kindes zur Verfügung stehende Betrag, also der nach dem unterhaltsrechtlich relevanten Nettoeinkommen geschuldete Unterhalt, hinter dem Barexistenzminimum des Kindes zurückbleibe (sog. Mangelfall). Der hälftige Kindergeldanteil werde künftig nur angerechnet, soweit er zusammen mit dem tatsächlich geschuldeten Unterhalt das Barexistenzminimum des Kindes übersteige. Diese Regelung erscheine im Interesse des Kindes sachgerecht. Der neue Abs. 5 des § 1612b BGB führe auf diese Weise zu einer geänderten Verwendung des Kindergeldes unter Übernahme des Barexistenzminimums als maßgeblicher Grenze, ohne dass von der in § 1612b Abs. 1 BGB angeordneten Halbteilung des Kindergeldes abgewichen werde. Der Barunterhaltsverpflichtete werde jedoch so lange verpflichtet, die ihm zustehende Hälfte des Kindergeldes für den Unterhalt des Kindes zu verwenden, bis das Barexistenzminimum des Kindes gesichert sei.
Die vom Rechtsausschuss vorgeschlagene Neufassung des § 1612b Abs. 5 BGB wurde vom Bundestag am beschlossen und ist am in Kraft getreten. Zugleich nahm der Bundestag eine vom Rechtsausschuss empfohlene Entschließung an, durch die die Bundesregierung gebeten wurde, das geltende Unterhaltsrecht, insbesondere hinsichtlich der Abstimmung seiner Inhalte mit sozial- und steuerrechtlichen Parallelregelungen sowie der Auswirkungen des § 1612b Abs. 5 BGB in der Praxis, gründlich zu überprüfen und Vorschläge zu seiner Neuregelung einzubringen (BTDrucks 14/3781, S. 3; Verhandlungen des Deutschen Bundestags, 14. Wahlperiode, Stenographische Berichte, Bd. 202, Plenarprotokoll 14/114, S. 10899).
Das BVerfG hat durch Beschluss in NJW 2003, 2733, FR 2003, 1035 entschieden, § 1612b Abs. 5 BGB n.F. sei verfassungsgemäß; die Vorschrift verstoße insbesondere nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG (ebenso zuvor: , FamRZ 2003, 445).
Zwar bewirke § 1612b Abs. 5 BGB, dass gerade der Leistungsschwächere gegenüber dem Leistungsstärkeren durch das Kindergeld keine oder nur eine geringe Entlastung seiner eigenen Lebenssituation erfahre, dies aber nur deshalb, weil seine geringe Leistungsfähigkeit schon bei der Bemessung der Höhe der Unterhaltsverpflichtung berücksichtigt worden sei. § 1612b Abs. 5 BGB stelle lediglich sicher, dass bei einem Einkommen, das nicht ausreiche, neben dem Existenzminimum des Unterhaltspflichtigen auch das des Kindes zu sichern, das Kindergeld vorrangig darauf verwendet werde, die finanzielle Lücke bis zur Existenzsicherung auch des Kindes zu schließen. Selbst wenn man in der unterschiedlichen Heranziehung des Kindergeldes von Unterhaltspflichtigen eine Ungleichbehandlung sehen würde, sei diese durch den mit der Norm verfolgten Zweck, das Barexistenzminimum des unterhaltsberechtigten Kindes zu sichern, gerechtfertigt.
In den Gründen seines Beschlusses führt das BVerfG (unter B.I.2.b aa) zur steuerlichen Funktion des Kindergeldes aus:
„Diesem unterhaltsrechtlichen Zugriff steht nicht entgegen, dass das Kindergeld auch dazu dient, den Unterhaltspflichtigen von seinen Belastungen durch seine Leistungen gegenüber dem Kind steuerlich freizustellen. Das Kindergeld ist nach dem Willen des Gesetzgebers gemäß § 31 Satz 2 EStG steuerlicher Ausgleich und zugleich familienfördernde Sozialleistung. Dabei ist weder gesetzlich bestimmt noch nach festen Beträgen bestimmbar, welcher Anteil des Kindergeldes auf die steuerliche Entlastung entfällt und welcher staatliche Förderleistung ist. Allerdings dient gerade der Steuerausgleich der Freistellung des Betreuungs-, Erziehungs- und Ausbildungsbedarfs eines Kindes, also auch des Bedarfs, der die Existenz des Kindes sicherstellt. Soweit dieser Bedarf vom Unterhaltspflichtigen mit seinen Unterhaltszahlungen in Höhe des notwendigen Minimums nicht abgedeckt wird, kann das Kindergeld nicht die Funktion einer steuerlichen Entlastung haben: Eine Belastung, die insoweit nicht vorhanden ist, ist auch nicht steuerlich auszugleichen. Vielmehr ist das Kindergeld in diesem Umfang Sozialleistung zum Zweck der Sicherung des Existenzminimums des Kindes. Allein diesen Sozialleistungsanteil des Kindergeldes führt § 1612b Abs. 5 BGB der Zwecksetzung entsprechend dem Kindesunterhalt zu, wenn er bestimmt, dass das Kindergeld solange zur Aufbesserung der Unterhaltsleistung zu verwenden ist, bis der existenzsichernde notwendige Bedarf des Kindes, der mit 135 v.H. des Regelbetrages nach der Regelbetrag-Verordnung vorgegeben wird, erreicht ist.”
In den nachfolgenden Ausführungen weist das BVerfG darauf hin, dass die das Kindergeld betreffenden Normen in ihrer sozialrechtlichen, steuerrechtlichen und unterhaltsrechtlichen Verflechtung immer weniger dem Gebot der Normenklarheit und Vorhersehbarkeit der Ergebnisse der Rechtsanwendung genügten. So sei schon nicht erkennbar, inwieweit des Kindergeld in seiner Doppelfunktion als Sozial- und als steuerliche Ausgleichsleistung Steuergerechtigkeit herstellen solle und welcher Anteil hiervon staatliche Familienförderung sei. Bei nicht zusammenveranlagten Eltern fielen Freibetragsberechtigung und Kindergeldberechtigung auseinander, weil die Freibeträge hälftig aufgeteilt würden, das Kindergeld aber nur einem Elternteil insgesamt gewährt werde. Dem anderen Elterteil stehe lediglich ein zivilrechtlicher Ausgleichsanspruch zu, den § 1612b Abs. 1 BGB zunächst in einen Anspruch auf Anrechnung auf den Kindesunterhalt transformiere; dieser Anspruch werde dem Barunterhaltspflichtigen durch § 1612b Abs. 5 BGB aber ganz oder teilweise genommen, wenn er nicht in der Lage sei, Unterhalt in Höhe von 135 v.H. des Regelbetrags nach der Regelbetrag-Verordnung zu zahlen. Ferner bestimme § 31 EStG, dass das Kindergeld, wenn ein Anspruch auf die Freibeträge des § 32 Abs. 6 EStG bestehe, mit der Einkommensteuer auch insoweit zu verrechnen sei, als es dem Steuerpflichtigen im Wege des zivilrechtlichen Ausgleichs zustehe. Ob diese Vorschrift auch dann anzuwenden sei, wenn das Kindergeld gemäß § 1612b Abs. 5 BGB nicht auf den Kindesunterhalt angerechnet werde, dem Steuerpflichtigen also nicht zufließe, sei dem Gesetz nicht mit hinreichender Klarheit zu entnehmen.
II. Beurteilung des Streitfalls am Maßstab des einfachen Rechts
1. Im Streitfall ergibt die Günstigerprüfung nach § 31 Satz 4 EStG, dass der Steuervorteil des Klägers bei Abzug der Freibeträge des § 32 Abs. 6 EStG höher ist als der ihm zustehende Ausgleichsanspruch. Denn der Abzug der Freibeträge führt zu einer steuerlichen Entlastung von 1 906 DM (für L) und 1 837 DM (für S), ist also höher als das hälftige Kindergeld von je 1 620 DM.
Dieses Ergebnis ändert sich nicht, wenn bei der Vergleichsrechnung nur der tatsächlich auf die Unterhaltsverpflichtung des Klägers angerechnete Betrag berücksichtigt wird. Bei der Veranlagung des Klägers waren deshalb die Freibeträge des § 32 Abs. 6 EStG abzuziehen.
2. Gemäß § 31 Satz 5 i.V.m. § 36 Abs. 2 Satz 1 EStG war infolgedessen der dem Kläger zuzurechnende Kindergeldanteil, auch soweit er ihm im Wege eines zivilrechtlichen Ausgleichs zustand, der tariflichen Einkommensteuer hinzuzurechnen. Im Streitfall ist das Kindergeld nach § 64 EStG an die Mutter der Kinder ausgezahlt worden. Dem Kläger stand somit gemäß § 1612b Abs. 1 BGB ein Ausgleichsanspruch in Höhe der Hälfte des gesetzlichen Kindergeldes zu.
Einer Hinzurechnung der Hälfte des gesetzlichen Kindergeldes für L und S (zusammen 3 240 DM) steht nicht die Regelung des § 31 Satz 5 EStG entgegen, nach welcher das Kindergeld zu verrechnen ist, „soweit” es dem Steuerpflichtigen im Wege eines zivilrechtlichen Ausgleichs „zusteht”. Zwar kann der Kläger im Streitjahr nur einen Teil des ihm zuzurechnenden Kindergeldanteils —insgesamt nur 2 635 DM— auf den Unterhaltsanspruch seiner Kinder anrechnen, weil er nur 128 v.H. des Regelbetrags nach der Regelbetrag-Verordnung geleistet hat (§ 1612b Abs. 5 BGB n.F.). Das ändert jedoch nichts daran, dass ihm zivilrechtlich nach dem Grundsatz des § 1612b Abs. 1 BGB ein Ausgleichsanspruch in Höhe der Hälfte des gesetzlichen Kindergeldes zusteht (BVerfG-Beschluss in NJW 2003, 2733, FR 2003, 1035; BGH-Urteil in FamRZ 2003, 445; Greite in Korn, Einkommensteuergesetz, § 31 Rz. 29; Helmke/Bauer, Familienleistungsausgleich, Fach A, I. Kommentierung, § 31 EStG Rz. 33; Kanzler in Herrmann/Heuer/Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz, Kommentar, § 31 EStG Anm. 37; a.A. Jachmann in Kirchhof/Söhn, a.a.O., § 31 Rdnr. B 20; Glanegger in Schmidt, Einkommensteuergesetz, 23. Aufl., § 31 Rz. 35; Peetz, FR 2002, 510; Zimmermann in Lademann, Einkommensteuergesetz, § 36 Anm. 32). Denn der zum Barunterhalt Verpflichtete wird durch § 1612b Abs. 5 BGB so gestellt, als habe er den hälftigen Anteil nach Abs. 1 der Vorschrift zwar erhalten, ihn aber ganz oder teilweise zur Erfüllung seiner Unterhaltspflicht eingesetzt. Die Verpflichtung, das hälftige Kindergeld für den Unterhalt des Kindes zu verwenden, endet erst dann, wenn das Barexistenzminimum des Kindes, das einem Prozentsatz von 135 des Regelbetrages entspricht, gesichert ist (Beschluss des BVerfG in NJW 2003, 2733, FR 2003, 1035; BGH-Urteil in FamRZ 2003, 445; BTDrucks 14/3781, S. 7 f.; 13/7338, S. 30). Der Auffassung des FG, dem Kläger habe nur ein zivilrechtlicher Ausgleichsanspruch in Höhe des tatsächlich auf die Unterhaltsverpflichtung angerechneten Betrages zugestanden, kann deshalb nicht gefolgt werden.
3. Da bei der Veranlagung des Klägers die (hälftigen) Freibeträge des § 32 Abs. 6 EStG abzuziehen waren, musste das Kindergeld (hier: der zivilrechtliche Ausgleichsanspruch) „im entsprechenden Umfang” der Einkommensteuer hinzugerechnet werden (§ 36 Abs. 2 Satz 1 EStG). Diese Formulierung besagt nach allgemeiner Meinung, dass sich der Umfang der Hinzurechnung des Kindergeldes danach bestimmt, ob bei der Einkommensteuerveranlagung des Steuerpflichtigen ein voller (vgl. § 32 Abs. 6 Sätze 3, 4, 7 EStG) oder —wie im Regelfall bei nicht zusammenveranlagten Eltern— ein hälftiger Kinderfreibetrag berücksichtigt wurde (, BFHE 200, 206, BStBl II 2002, 867; vom VIII R 65/99, BFHE 201, 195, BStBl II 2003, 593; vom VIII R 88/98, BFHE 205, 465; 1595/97, EFG 1998, 1066; FG des Landes Sachsen-Anhalt, Urteil vom 2 K 592/98, EFG 2000, 325; , BStBl I 1998, 347, 350, Tz. 23; Brenner in Kirchhof/Söhn, a.a.O., § 36 Rdnr. C 1 a; Jachmann, ebenda, § 31 Rdnr. B 13; Glanegger in Schmidt, a.a.O., § 31 Rz. 31; Greite in Korn, a.a.O., § 31 Rz. 28; Helmke in Helmke/ Bauer, a.a.O., § 31 Rz. 31 ff.; Hillmoth, Die Information über Steuer und Wirtschaft —Inf— 1998, 417; Kanzler in Herrmann/ Heuer/Raupach, a.a.O., § 31 EStG Anm. 36; Seibel, ebenda, § 36 EStG Anm. 17; Pust in Littmann/Bitz/Pust, Das Einkommensteuerrecht, § 31 EStG Rz. 320; Stuhrmann in Blümich, Einkommensteuergesetz, Körperschaftsteuergesetz, Gewerbesteuergesetz, § 36 EStG Rz. 9; vgl. jetzt auch den eindeutigen Wortlaut des § 31 Satz 4 EStG 2004).
4. Eine einschränkende Auslegung oder teleologische Reduktion der §§ 31 Satz 5 und 36 Abs. 2 Satz 1 EStG dahin gehend, dass das Kindergeld nur in Höhe des tatsächlich auf den Kindesunterhalt angerechneten Betrages der tariflichen Einkommensteuer hinzuzurechnen ist, kommt nicht in Betracht.
a) Einer einschränkenden Auslegung des Tatbestandsmerkmals „Zustehen eines zivilrechtlichen Ausgleichsanspruchs” steht zunächst der eindeutige Wortlaut des § 36 Abs. 2 Satz 1 EStG entgegen, der bestimmt, dass sich der Umfang der Hinzurechnung des Kindergelds nach dem Umfang der Inanspruchnahme des Kinderfreibetrages durch den Steuerpflichtigen richten soll. Nach den einkommensteuerrechtlichen Vorschriften kann aber der Kinderfreibetrag nur entweder mit dem einfachen Betrag des § 32 Abs. 6 Satz 1 EStG (im Streitjahr: 3 456 DM) oder —in den Fällen des § 32 Abs. 6 Sätze 3, 4 und 7 EStG— mit dem doppelten Betrag abgezogen werden. Eine davon abweichende Aufteilung des Kinderfreibetrages zwischen den Eltern —etwa nach dem Verhältnis ihrer Beteiligung am Kindesunterhalt— kennt das EStG nicht.
b) Diese Zurechnungsregel entspricht auch der Systematik des Familienleistungsausgleichs. Ein Grundprinzip des steuerlichen Familienleistungsausgleichs ist der Halbteilungsgrundsatz, der besagt, dass sowohl die Freibeträge des § 32 Abs. 6 EStG als auch das Kindergeld beiden Elternteilen —auch wenn sie nicht zusammen zur Einkommensteuer veranlagt werden— gleichermaßen zugute kommen müssen. Das gilt steuerrechtlich nicht nur in den Fällen des § 1606 Abs. 3 Satz 2 BGB (Gleichstellung des Betreuungs- mit dem Barunterhalt bei minderjährigen Kindern), sondern grundsätzlich in allen Fällen, in denen beide Elternteile zum Unterhalt des Kindes beitragen. Eine Ausnahme sieht das Gesetz für den Kinderfreibetrag nur bei einer wesentlichen Verletzung der Unterhaltspflicht vor (vgl. § 32 Abs. 6 Satz 7 EStG); der Freibetrag kann in einem solchen Fall auf Antrag des anderen Elternteils auf diesen übertragen werden. Hat ein Elternteil die Übertragung des dem anderen Elternteil zustehenden Freibetrags auf sich erreicht, sind bei seiner Einkommensteuerveranlagung nach § 31 Satz 4 EStG die steuerlichen Auswirkungen des verdoppelten Freibetrags mit der Höhe des vollen Kindergelds zu vergleichen (BFH-Urteil in BFHE 205, 465). Solange der zum Barunterhalt Verpflichtete seiner Unterhaltspflicht im Wesentlichen (d.h. zumindestens 75 v.H.; vgl. , BFH/NV 2000, 1194) nachkommt, steht ihm der Kinderfreibetrag in der gesetzlichen Höhe zu. Das gilt auch, wenn er aufgrund seines niedrigen Einkommens nur einen sehr geringen Kindesunterhalt zahlen kann (, BFH/NV 2000, 553; , BFH/NV 2000, 950).
Bei einem Barunterhaltspflichtigen, der —wie der Kläger— seine Unterhaltspflicht in vollem Umfang erfüllt hat, ist deshalb auch der Kindergeldanspruch stets in der ihm nach § 1612b Abs. 1 BGB zustehenden Höhe —d.h. mit der Hälfte des gesetzlichen Kindergelds— bei der Günstigerprüfung (§ 31 Satz 4 EStG) und bei der Hinzurechnung nach § 36 Abs. 2 Satz 1 EStG zu berücksichtigen.
c) Auch der Zweck der in § 31 Satz 5, § 36 Abs. 2 Satz 1 EStG angeordneten Hinzurechnung kann eine einschränkende (verfassungskonforme) Auslegung, wie sie vom FG befürwortet wird, nicht rechtfertigen. Durch die Hinzurechnung soll eine kumulative Begünstigung durch das Kindergeld und die Freibeträge des § 32 Abs. 6 EStG ausgeschlossen werden (BTDrucks 13/1558, S. 155, 157; Greite in Korn, a.a.O., § 31 Rz. 26; Kanzler in Herrmann/Heuer/Raupach, a.a.O., § 31 EStG Anm. 36). Zwar kommt es nicht zu einer kumulativen steuerlichen Begünstigung des zum Barunterhalt verpflichteten Elternteils, wenn das Kindergeld seiner tariflichen Einkommensteuer nur in dem Umfang hinzugerechnet wird, in dem der ihm zustehende Ausgleichsanspruch seine Unterhaltsverpflichtung tatsächlich gemindert hat (vgl. dazu die Ausführungen unter III.).
Die mit § 31 Satz 5, § 36 Abs. 2 Satz 1 EStG beabsichtigte Vermeidung einer Doppelbegünstigung kann jedoch nicht isoliert —bezogen auf den einzelnen Steuerpflichtigen (hier: den barunterhaltspflichtigen Elternteil)— gesehen werden. Vielmehr soll —bezogen auf beide Elternteile— eine mehrfache Begünstigung für ein und dasselbe Kind durch die Freibeträge und das Kindergeld ausgeschlossen werden. Zu einer solchen Mehrfachbegünstigung bis zur Höhe der Hälfte des gesetzlichen Kindergelds kommt es jedoch —worauf das FG in seiner Entscheidung zu Recht hingewiesen hat— wenn der Umfang der Hinzurechnung des Kindergeldes nicht mit dem Umfang der Freibetragsberechtigung korrespondiert. Die Hinzurechnung des Kindergeldes beim Barunterhaltspflichtigen nur in der Höhe, in der es auf den Kindesunterhalt angerechnet werden kann, hätte in den Fällen des § 1612b Abs. 5 BGB zur Folge, dass bei nicht zusammenveranlagten Eltern im Ergebnis ein höheres Existenzminimum des Kindes von der Besteuerung freigestellt würde als bei zusammenveranlagten Eltern (Hessisches FG, Urteil in EFG 1998, 1686; Helmke/Bauer, a.a.O., § 31 EStG Rz. 35; Jachmann in Kirchhof/Söhn, a.a.O., § 31 Rdnr. B 20; BMF-Schreiben in BStBl I 1998, 347, Tz. 23).
Kann beispielsweise ein geschiedener Steuerpflichtiger für sein minderjähriges Kind nur Unterhalt in Höhe des Regelbetrages leisten, ist aber sein Einkommen i.S. von § 2 Abs. 6 EStG gleichwohl so hoch, dass die Inanspruchnahme der Freibeträge des § 32 Abs. 6 EStG zu einer höheren Entlastung führt als das hälftige Kindergeld, ist ihm nach § 1612b Abs. 5 BGB die Anrechnung des Kindergeldes auf seine Unterhaltsverpflichtung in vollem Umfang versagt. Nach Auffassung des FG dürfte in einem solchen Fall der hälftige Kindergeldanspruch nicht nach § 31 Satz 5 EStG verrechnet werden. Bei der Veranlagung der Mutter des Kindes kann aber —entgegen der Ansicht des FG— bei Freistellung des Existenzminimums des Kindes durch die Freibeträge des § 32 Abs. 6 EStG nur der ihr zustehende hälftige Kindergeldanteil verrechnet werden, da ihr auch nur der einfache Kinderfreibetrag zusteht. Im Ergebnis verbliebe somit im Beispielsfall die Hälfte des tatsächlich ausgezahlten Kindergeldes den nicht zusammenveranlagten Eltern verrechnungsfrei. Geschiedene oder getrennt lebende Eltern könnten damit für das sächliche Existenzminimum ihres Kindes insgesamt höhere steuerliche Vergünstigungen erhalten als zusammenveranlagte Eltern. Denn bei Letzteren wird bei Abzug der Freibeträge des § 32 Abs. 6 EStG das gezahlte Kindergeld stets in voller Höhe hinzugerechnet. Ein sachlich einleuchtender Grund dafür, geschiedene oder getrennt lebende Elternteile im Verhältnis zu zusammenveranlagten Eltern steuerlich zu bevorzugen, ist nicht erkennbar. Diese unterschiedliche Behandlung wäre deshalb wahrscheinlich verfassungswidrig (vgl. BVerfG-Beschluss in BVerfGE 99, 216, BStBl II 1999, 182). Zwar hat der Gesetzgeber des § 24b EStG i.d.F. des Haushaltsbegleitgesetzes 2004 vom (BGBl I 2003, 3076, BStBl I 2004, 120) einen Entlastungsbetrag für Alleinstehende eingeführt, die eine Haushaltsgemeinschaft mit mindestens einem ihnen zuzurechnenden minderjährigen Kind bilden. Der Senat kann offen lassen, ob diese Regelung verfassungsgemäß ist. Jedenfalls kann die Bevorzugung geschiedener oder getrennt lebender Eltern gegenüber zusammenveranlagten Eltern hinsichtlich der steuerlichen Berücksichtigung der Aufwendungen für das sächliche Existenzminimum von Kindern nicht mit der besonderen Situation Alleinerziehender gerechtfertigt werden. Die Entscheidung, in welcher Höhe das Kindergeld der Einkommensteuer hinzuzurechnen ist, kann nicht davon abhängen, ob und ggf. in welcher Rechtsform der Barunterhaltspflichtige oder der betreuende Elternteil mit einem neuen Partner zusammenlebt. Auf die steuerliche Leistungsfähigkeit hat dieser Umstand keinen Einfluss. Die vom FG vertretene einschränkende Auslegung des § 31 Satz 5 EStG i.V.m. § 36 Abs. 2 Satz 1 EStG ist folglich auch deshalb abzulehnen, weil sie zu einer nicht durch Sachgründe gerechtfertigten Benachteiligung zusammenveranlagter Eltern (Art. 3 Abs. 1 GG) führen würde.
d) Gegen eine den Wortlaut des § 31 Satz 5 EStG korrigierende einschränkende Auslegung spricht schließlich der erkennbare Wille des Gesetzgebers.
Im Bericht des Finanzausschusses des Deutschen Bundestages wird zur Begründung des Entwurfs von § 31 Satz 5 EStG ausgeführt: „Für Fälle eines zivilrechtlichen Ausgleichs wie insbesondere nach § 1615g BGB wird klargestellt, dass das Kindergeld oder die anderen vergleichbaren Leistungen jeweils zur Hälfte zu verrechnen sind” (BTDrucks 13/1558, S. 155). Entsprechend hat der Gesetzgeber in der Begründung zum Entwurf des § 1612b Abs. 5 BGB i.d.F. des KindUG ausgeführt, bei der Anwendung des § 31 Satz 5 EStG sei nach wie vor der hälftige Kindergeldanteil zu berücksichtigen, weil der Ausgleichsberechtigte durch § 1612b Abs. 5 BGB so gestellt werde, als habe er den hälftigen Anteil am Kindergeld zwar erhalten, ihn aber ganz oder teilweise zur Erfüllung seiner Unterhaltsverpflichtungen eingesetzt. Diese Auffassung liegt auch der durch das StÄndG 2003 geänderten Fassung des § 31 EStG 2004 zugrunde, obwohl dort der zivilrechtliche Ausgleichsanspruch nicht mehr erwähnt wird. Nach § 31 EStG 2004 ist für die Günstigerprüfung ebenso wie für die Hinzurechnung des Kindergeldes nach § 31 Satz 4 EStG 2004 nur noch das Bestehen eines (abstrakten) Kindergeldanspruchs maßgebend.
5. Nach der oben dargestellten Gesetzeslage müsste der Senat auf die Revision des FA das angefochtene Urteil aufheben und die Klage abweisen.
Dieses Ergebnis ist nach der Überzeugung des Senats nicht mit dem GG vereinbar (vgl. nachfolgend unter III.). Eine verfassungskonforme Auslegung des § 31 Satz 5 und des § 36 Abs. 2 Satz 1 EStG ist nicht möglich. Sie kommt nur dann in Betracht, wenn eine Norm mehrere Auslegungen zulässt, die teils zu einem verfassungswidrigen, teils zu einem verfassungsmäßigen Ergebnis führen (, 1 BvR 409/00, 1 BvR 674/00, NJW 2001, 2160, m.w.N.). Das Tatbestandsmerkmal „Zustehen eines zivilrechtlichen Ausgleichsanspruchs” in § 31 Satz 5 EStG kann —wie vorstehend unter 4. dargelegt— nicht einschränkend in der Weise ausgelegt werden, dass es nur insoweit erfüllt ist, als der Ausgleichsanspruch dem Steuerpflichtigen tatsächlich durch eine Minderung seiner Unterhaltsverpflichtung gegenüber dem Kind wirtschaftlich zugute gekommen ist. Einer verfassungskonformen Auslegung in diesem Sinn stehen nicht nur der Wortlaut der §§ 31 Satz 5, 36 Abs. 2 Satz 1 EStG, sondern auch ihr Zweck, der klar erkennbare Wille des Gesetzgebers und die Systematik des Familienleistungsausgleichs entgegen (vgl. BVerfG-Beschlüsse vom 1 BvL 16-25/62, BVerfGE 18, 97; vom 1 BvR 1299/89, 1 BvL 6/90, BVerfGE 90, 263). Die Achtung vor dem demokratisch legitimierten Gesetzgeber verbietet es den Gerichten, den normativen Gehalt einer Vorschrift grundlegend neu zu bestimmen (, BFHE 190, 408, BStBl II 2000, 186; Bethge in Maunz/Schmidt-Bleibtreu/Klein/Bethge, Bundesverfassungsgerichtsgesetz, § 31 Rdnr. 265 ff.). Der Senat sieht sich auch deshalb an einer einschränkenden Auslegung des Begriffs „Zustehen eines Ausgleichsanspruchs” in § 31 Satz 5 EStG gehindert, weil eine solche Auslegung aus den unter II.4.c dargelegten Gründen wegen eines möglichen Verstoßes gegen Art. 3 Abs. 1 und Art. 6 GG ihrerseits Zweifel an der Vereinbarkeit mit der Verfassung aufkommen lässt.
III. Rechtsauffassung des erkennenden Senats zur Verfassungsfrage
Mit dem unter II. dargestellten Inhalt verstößt § 31 Satz 5 i.V.m. § 36 Abs. 2 Satz 1 EStG nach der Überzeugung des Senats insoweit gegen das GG, als bei der Veranlagung eines Steuerpflichtigen, dessen Einkommen um die Freibeträge des § 32 Abs. 6 EStG zu mindern ist, der Ausgleichsanspruch in Höhe des hälftigen Kindergeldes (ab 2004: der Anspruch auf Kindergeld) auch dann der Einkommensteuer hinzuzurechnen ist, wenn der Steuerpflichtige seine Verpflichtung zur Zahlung von Kindesunterhalt nicht in vollem Umfang mit dem Ausgleichsanspruch (§ 1612b Abs. 1 BGB) verrechnen darf, weil er nicht in der Lage ist, Unterhalt in Höhe von 135 v.H. des Regelbetrags nach der Regelbetrag-Verordnung zu zahlen. Das gilt jedenfalls dann, wenn die Hinzurechnung des hälftigen Kindergelds zur tariflichen Einkommensteuer bewirkt, dass im wirtschaftlichen Ergebnis nicht einmal die tatsächlichen —die Freibeträge des § 32 Abs. 6 EStG unterschreitenden— Unterhaltszahlungen des Steuerpflichtigen von der Einkommensteuer freigestellt worden sind.
Der Senat geht hierbei von folgenden Erwägungen aus:
1. Nach der gefestigten Rechtsprechung des BVerfG (vgl. die zusammenfassende Darstellung im Beschluss vom 2 BvL 42/93, BVerfGE 99, 246, 259 f., BStBl II 1999, 174, m.w.N.) fordert das GG, dass existenznotwendiger Aufwand in angemessener, realitätsgerechter Höhe von der Einkommensteuer freigestellt wird. Verfassungsrechtlicher Prüfungsmaßstab ist der sich aus Art. 1 i.V.m. dem Sozialstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 1 GG ergebende Grundsatz, dass der Staat dem Steuerpflichtigen sein Einkommen insoweit steuerfrei belassen muss, als es zur Schaffung der Mindestvoraussetzungen für ein menschenwürdiges Dasein benötigt wird. Der existenznotwendige Bedarf bildet von Verfassungs wegen die Untergrenze für den Zugriff durch die Einkommensteuer, die über-, aber nicht unterschritten werden darf. Mindestens das, was der Gesetzgeber dem Bedürftigen zur Befriedigung seines existenznotwendigen Bedarfs aus öffentlichen Mitteln als Sozialhilfe zur Verfügung stellt, muss er auch dem Einkommensbezieher von dessen Erwerbseinkünften belassen (BVerfG-Beschlüsse vom 2 BvL 5, 8, 14/91, BVerfGE 87, 153, 171; vom 1 BvR 1022/88, BVerfGE 91, 93, 111; in BVerfGE 99, 246, 260).
Art. 6 Abs. 1 GG gebietet darüber hinaus, dass bei der Besteuerung einer Familie das Existenzminimum sämtlicher Familienmitglieder steuerfrei bleiben muss.
2. Der Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) begründet in seiner Ausprägung als „horizontale Steuergleichheit” weitere verfassungsrechtliche Anforderungen. Er gebietet, Steuerpflichtige bei gleicher Leistungsfähigkeit gleich hoch zu besteuern. Die für die einkommensteuerliche Lastengleichheit maßgebliche finanzielle Leistungsfähigkeit bemisst der Gesetzgeber nach dem objektiven und dem subjektiven Nettoprinzip. Für den Bereich des subjektiven Nettoprinzips ist das Verfassungsgebot der Verschonung des Existenzminimums des Steuerpflichtigen und seiner Familie zu beachten (BVerfG-Beschlüsse vom 2 BvR 400/98, 1735/00, BVerfGE 107, 27, 48; in BVerfGE 99, 216, 232 ff., BStBl II 1999, 182). Auch Bezieher höherer Einkommen müssen je nach Einkommen gleich hoch besteuert werden; eine verminderte Leistungsfähigkeit durch die Unterhaltsverpflichtung gegenüber einem Kind muss dementsprechend bei allen Steuerpflichtigen unabhängig von ihrem individuellen Grenzsteuersatz sachgerecht berücksichtigt werden (BVerfG-Beschluss in BVerfGE 99, 246, 260 ff.).
3. Das Gebot, bei allen Steuerpflichtigen unabhängig von ihrem individuellen Grenzsteuersatz die existenznotwendigen Mindestaufwendungen für den Kindesunterhalt in der Bemessungsgrundlage zu berücksichtigen, ergibt sich auch aus dem Grundsatz der Folgerichtigkeit (vgl. dazu , BVerfGE 84, 239, 271; BVerfG-Beschlüsse in BVerfGE 87, 153, 170; vom 2 BvL 37/91, BVerfGE 93, 121, 136; in BVerfGE 99, 246). Dem Gesetzgeber steht es zwar grundsätzlich frei, die kindesbedingte Minderung der Leistungsfähigkeit entweder im Steuerrecht zu berücksichtigen oder ihr stattdessen im Sozialrecht durch die Gewährung eines dafür ausreichenden Kindergeldes Rechnung zu tragen oder auch eine Entlastung im Steuerrecht und eine solche durch das Kindergeld miteinander zu kombinieren (vgl. BVerfG-Beschlüsse vom 1 BvL 20, 26/84 und 4/86, BVerfGE 82, 60, 84; in BVerfGE 99, 246, 265). Die jeweiligen Ergebnisse aus den verschiedenen Methoden müssen jedoch in ihren Auswirkungen gleichwertig sein. Dem widerspräche es, wenn im Fall der Kombination von Kinderfreibetrag und Kindergeld, wie sie der Gesetzgeber des JStG 1996 gewählt hat, die kindesbedingte Minderung der Leistungsfähigkeit nicht ebenso voll berücksichtigt würde, wie es der Fall wäre, wenn diese Minderung der Leistungsfähigkeit allein durch einen steuerlichen Freibetrag Berücksichtigung fände (BVerfG-Beschlüsse in BVerfGE 82, 60, 97; 99, 246; Mellinghoff in Grundrechtsschutz im Steuerrecht, 2001, S. 39, 56).
4. Das BVerfG hat die dargestellten Grundsätze über die verfassungsrechtlichen Anforderungen an die steuerliche Freistellung des Existenzminimums des Steuerpflichtigen und der ihm gegenüber unterhaltsberechtigten Familienmitglieder in Entscheidungen aufgestellt, die die Besteuerung zusammenveranlagter Eltern betrafen. Ob diese Grundsätze uneingeschränkt auf die Besteuerung von Elternteilen angewendet werden können, die —wie der Kläger— nicht mit dem anderen Elternteil und dem Kind in einem gemeinsamen Haushalt leben, kann der Rechtsprechung des BVerfG nicht mit Sicherheit entnommen werden. Bei einem Elternteil, dessen Unterhaltsleistungen gegenüber dem Kind sich in den gerichtlich oder vertraglich festgelegten laufenden Unterhaltszahlungen erschöpfen, wäre das subjektive Nettoprinzip nach Ansicht des Senats auch durch eine Regelung gewahrt, die eine Minderung der Bemessungsgrundlage nicht in Höhe der Freibeträge des § 32 Abs. 6 EStG, sondern nur in Höhe der (niedrigeren) tatsächlich geleisteten Unterhaltszahlungen vorsieht (so wohl auch der 1. Senat des BVerfG in seinem Beschluss in NJW 2003, 2733, FR 2003, 1035). Die Verfassung gebietet es nicht, einen Betrag in Höhe des Existenzminimums eines Kindes von der Einkommensteuer freizustellen, wenn feststeht, dass die tatsächliche Belastung des Steuerpflichtigen durch den Kindesunterhalt geringer ist. Da sich der Gesetzgeber aber entschieden hat, die Freibeträge des § 32 Abs. 6 EStG unterschiedslos allen Eltern zu gewähren, widerspricht es dem Gebot der Folgerichtigkeit, einem zum Barunterhalt verpflichteten Steuerpflichtigen, dem die Freibeträge des § 32 Abs. 6 EStG zustehen, die dadurch bewirkte steuerliche Entlastung seines Einkommens ganz oder teilweise wieder zu nehmen, indem seine tarifliche Einkommensteuer gemäß § 31 Satz 5 EStG um den Ausgleichsanspruch des § 1612b Abs. 1 EStG erhöht wird, obwohl ihm dieser Anspruch nicht oder nur teilweise zugute gekommen ist.
Aber selbst wenn die Ausführungen des BVerfG in seinem Beschluss in NJW 2003, 2733, FR 2003, 1035 dahin zu verstehen sein sollten, dass der Grundsatz der Folgerichtigkeit den Gesetzgeber nicht ausnahmslos verpflichtet, allen Elternteilen, die ihrer Unterhaltspflicht gegenüber dem Kind genügen und bei denen die Günstigerprüfung ergibt, dass das Existenzminimum des Kindes nicht schon durch das hälftige Kindergeld freigestellt worden ist, eine steuerliche Entlastung in Höhe der Freibeträge des § 32 Abs. 6 EStG zu gewähren, muss durch den einkommensteuerrechtlichen Familienleistungsausgleich sichergestellt sein, dass zumindest die tatsächlichen Aufwendungen des Steuerpflichtigen für den Unterhalt seines Kindes, auch wenn sie die Freibeträge des § 32 Abs. 6 EStG unterschreiten, im Ergebnis von der Einkommensteuer freigestellt sind.
5. Diesen verfassungsrechtlichen Anforderungen wird § 31 Satz 5 EStG seit In-Kraft-Treten des § 1612b Abs. 5 BGB n.F. bei einer erheblichen Anzahl von Steuerpflichtigen nicht mehr gerecht. Soweit durch § 31 Satz 5 EStG die Hinzurechnung des hälftigen Kindergelds auf die tarifliche Einkommensteuer auch in Mangelfällen angeordnet wird, verstößt die Regelung gegen Art. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 1, Art. 6 und Art. 3 Abs. 1 GG.
a) Nach Einführung des Betreuungsfreibetrages für Kinder bis zum Alter von 16 Jahren im Jahre 2000 hat sich der Anteil der Eltern, bei deren Veranlagung die Freibeträge abzuziehen sind, weil das Kindergeld zur Freistellung des Einkommens in Höhe des
Existenzminimums eines Kindes nicht ausreicht, von ca. 4 v.H. im Jahr 1999 auf ca. 16 v.H. im Jahr 2000 erhöht (Nolde, FR 2000, 187). Durch die Einführung eines einheitlichen Freibetrages für den Betreuungs-, Erziehungs- und Ausbildungsbedarf eines Kindes in Höhe von 1 080 € bzw. 2 160 € im Jahr 2004 dürfte dieser Anteil auf ca. 20 v.H. angestiegen sein. Bei Einkommensteuerpflichtigen mit einem Kind ist der Abzug der Freibeträge des § 32 Abs. 6 EStG im Streitjahr 2001 bereits bei einem Einkommen von 55 000 DM und einem Grenzsteuersatz von ca. 34 v.H. (Grundtabelle) günstiger als das Kindergeld. Es kann davon ausgegangen werden, dass innerhalb dieser Gruppe von Steuerpflichtigen ein erheblicher Anteil nicht in der Lage ist, Kindesunterhalt in Höhe von 135 v.H. des Regelbetrages zu zahlen. Aus der Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses des Bundesrats vom (BRDrucks 519/1/00, S. 2) geht hervor, dass mindestens 70 v.H. aller Unterhaltspflichtigen von der Regelung des § 1612b Abs. 5 BGB betroffen sind (vgl. auch Böttner in Neue Justiz 2001, 169; Scholz in FamRZ 2000, 1541). Wie der vorliegende Fall zeigt, sind nicht nur Steuerpflichtige mit einem niedrigen Einkommen außerstande, Kindesunterhalt in Höhe von 135 v.H. des Regelbetrags nach der Regelbetrag-Verordnung zu zahlen. Denn das der Einkommensteuer unterliegende Einkommen (vgl. § 2 Abs. 4, 5 EStG) ist in der Regel deutlich höher als das für die Bemessung des Unterhalts maßgebliche Nettoeinkommen; dieses ist nicht nur um die auf das Bruttoeinkommen entfallenden Steuern, sondern auch um Vorsorgeaufwendungen sowie Zinsen und Tilgungsleistungen auf bestimmte private Verbindlichkeiten zu vermindern (vgl. Wendl/Staudigl, Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis, 5. Aufl., § 2 Rdnr. 158 ff.; Tz. 10 der Unterhaltsrechtlichen Leitlinien des Oberlandesgerichts —OLG— Düsseldorf nach dem Stand vom , abgedruckt in Heiß/Born, Unterhaltsrecht, Ein Handbuch für die Praxis, Fünfter Teil, S. 53·55).
b) Die Regelung in § 31 Satz 5, § 36 Abs. 2 Satz 1 EStG ist unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten nicht zu beanstanden, soweit sie den zivilrechtlichen Ausgleichsanspruch eines zum Barunterhalt verpflichteten Elternteils gegen den anderen Elternteil grundsätzlich dem Anspruch auf das Kindergeld gleichstellt. Im wirtschaftlichen Ergebnis macht es keinen Unterschied, ob das Kindergeld dem Berechtigten durch Zahlung zufließt oder ihm durch hälftige Anrechnung auf seine Unterhaltsverpflichtung gegenüber dem Kind zugute kommt. Mit der Anrechnung des hälftigen Kindergeldes auf den Kindesunterhalt, die dem Barunterhaltspflichtigen grundsätzlich nach § 1612b Abs. 1 BGB zusteht, erhält er im Ergebnis seinen vollen Anteil am gesetzlichen Kindergeld (BVerfG-Beschluss in NJW 2003, 2733, FR 2003, 1035). Auch nach der bis zum In-Kraft-Treten des § 1612b BGB geltenden Rechtslage (vgl. § 1615g BGB a.F.) konnte ein Unterhaltspflichtiger grundsätzlich die volle Anrechnung des hälftigen Kindergelds auf seine Unterhaltsverpflichtung beanspruchen (vgl. aber zur abweichenden Praxis der Zivilgerichte im sog. Mangelfall die Leitlinien der Familiengerichte zum Unterhaltsrecht, z.B. OLG Hamm in FamRZ 1984, 963 und FamRZ 1996, 87 ff., Tz. 15; OLG Düsseldorf in NJW 1996, 1194, Tz. 15; OLG Hamburg in FamRZ 1996, 87, Tz. 6). Sofern bei seiner Einkommensteuerveranlagung die Freibeträge des § 32 Abs. 6 EStG abzuziehen waren, musste, um eine Doppelbegünstigung zu vermeiden, das hälftige Kindergeld der Einkommensteuer hinzugerechnet werden.
c) Dagegen wird das Einkommen des Unterhaltspflichtigen nicht mehr in der verfassungsrechtlich gebotenen Höhe entlastet, soweit ihm nach § 1612b Abs. 5 BGB n.F. die Anrechnung des Kindergeldes auf seine Unterhaltsverpflichtung versagt wird (im Ergebnis ebenso: Glanegger in Schmidt, a.a.O., § 31 Rz. 35; Greite, FR 2003, 1040 ff.; Schürmann in Forum Familien- und Erbrecht —FF— 2003, 210 ff.). Im Extremfall bewirkt § 1612b Abs. 5 BGB, dass dem Unterhaltspflichtigen sein Anspruch auf Anrechnung des hälftigen Kindergelds auf den Kindesunterhalt in voller Höhe genommen wird, nämlich dann, wenn sein unterhaltsrechtlich relevantes Einkommen nicht ausreicht, um nach Abzug seines notwendigen Selbstbehalts Unterhalt in Höhe des Regelbetrages nach der Regelbetrag-Verordnung zu zahlen.
Wie oben (III.3.) unter Hinweis auf die Rechtsprechung des BVerfG dargelegt wurde, müssen die Ergebnisse aus den verschiedenen Methoden zur einkommensteuerrechtlichen Freistellung des Existenzminimums eines Kindes in ihren Auswirkungen gleichwertig sein. Dabei bildet die Minderung der Einkommensteuer, die sich bei Abzug der Freibeträge des § 32 Abs. 6 EStG ergibt, den Vergleichsmaßstab dafür, ob das Einkommen des Steuerpflichtigen in der gebotenen Höhe entlastet worden ist (, unter C.II.2.b, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung —HFR— 2004, 1139; Heuermann, FR 2000, 248).
Im geltenden Einkommensteuerrecht wird keine mit dem Abzug der Freibeträge des § 32 Abs. 6 EStG vergleichbare steuerliche Entlastung erreicht, soweit der Gesetzgeber in § 31 Satz 5 EStG die Hinzurechnung der Hälfte des gezahlten Kindergelds zur tariflichen Einkommensteuer auch in den sog. Mangelfällen anordnet:
Werden bei der Veranlagung eines zum Barunterhalt Verpflichteten die Freibeträge des § 32 Abs. 6 EStG abgezogen, wird sein Einkommen als Bemessungsgrundlage der tariflichen Einkommensteuer (§ 2 Abs. 5 EStG) zunächst —entsprechend dem subjektiven Nettoprinzip— vermindert und damit das Existenzminimum des Kindes von der Einkommensteuer freigestellt. Die dadurch bewirkte steuerliche Entlastung wird dem Steuerpflichtigen aber in den Fällen des § 1612b Abs. 5 BGB durch die in § 31 Satz 5, § 36 Abs. 2 EStG angeordnete Erhöhung der tariflichen Einkommensteuer um das hälftige Kindergeld teilweise wieder genommen (so zutreffend BVerfG-Beschluss in NJW 2003, 2733, FR 2003, 1035; , unter II.3.c, BGHZ 150, 12, NJW 2002, 1269, und in FamRZ 2003, 445; Schumacher in FamRZ 1999, 699). Diese Korrektur ist sachlich nicht gerechtfertigt; sie wird der geänderten steuerlichen Funktion des Kindergeldes nach In-Kraft-Treten des JStG 1996 nicht gerecht. Eine Hinzurechnung des Kindergeldes ist nur dann geboten, wenn es anderenfalls zu einer kumulativen Begünstigung des Steuerpflichtigen durch den Abzug der Freibeträge und das Kindergeld käme. Eine solche Mehrfachbegünstigung tritt nicht ein, soweit das Unterhaltsrecht dem Barunterhaltspflichtigen die Verrechnung des hälftigen Kindergelds mit dem Kindesunterhalt versagt.
Die finanzielle Leistungsfähigkeit (das Vermögen) des Steuerpflichtigen wird insoweit nicht erhöht. Im Einkommensteuerrecht wird die finanzielle Leistungsfähigkeit nur durch das verfügbare Einkommen eines Steuerpflichtigen angezeigt (, 1335/78, 1104/79 und 363/80, BVerfGE 61, 319, und BVerfG-Beschluss in BVerfGE 87, 153). Der für den Lebensunterhalt des Steuerpflichtigen und den Unterhalt seiner Kinder benötigte Teil des Einkommens ist nicht disponibel und deshalb dem Zugriff der Einkommensteuer entzogen (Tipke/Lang, Steuerrecht, 17. Aufl., § 4 Rz. 113; § 9 Rz. 68 ff., m.w.N.). Diesem Gebot der steuerlichen Verschonung des für die Steuerzahlung nicht verfügbaren Einkommens trägt das Einkommensteuerrecht durch die Freibeträge des § 32 Abs. 6 EStG Rechnung. Auch das Kindergeld dient dazu, Eltern die Last der Unterhaltsverpflichtung gegenüber ihren Kindern zu erleichtern. Es erhöht zwar nicht das Einkommen der Steuerpflichtigen i.S. des § 2 EStG. Die Auszahlung des staatlichen Kindergeldes lässt jedoch den rechtfertigenden Grund für den vollen Abzug der Freibeträge des § 32 Abs. 6 EStG von der einkommensteuerlichen Bemessungsgrundlage entfallen. Soweit das Kindergeld dem Steuerpflichtigen im Wege der Zahlung oder durch Verminderung seiner Unterhaltsverpflichtung wirtschaftlich zugute gekommen ist, braucht er sein am Markt erwirtschaftetes Einkommen i.S. des § 2 Abs. 4 EStG nicht für den Kindesunterhalt einsetzen. Es unterliegt insoweit wieder dem Zugriff der Einkommensteuer. Gesetzestechnisch wird dieses Ergebnis im geltenden Einkommensteuerrecht durch die Vergleichsrechnung des § 31 Satz 4 EStG und durch die Hinzurechnung des anteiligen Kindergelds zur tariflichen Einkommensteuer nach § 31 Satz 5 EStG erreicht.
Eine Vermehrung der finanziellen Leistungsfähigkeit wird jedoch nicht schon durch die bloße zivilrechtliche Zurechnung des Ausgleichsanspruchs nach § 1612b Abs. 1 BGB bewirkt (a.A. BTDrucks 13/7338, S. 30; zweifelnd: Schumacher/Grün, FamRZ 1998, 778, 788, und Schumacher in FamRZ 1999, 699). Soweit § 1612b Abs. 5 BGB zwingend die Verwendung dieses Anspruchs zur Auffüllung des Kindesunterhalts anordnet, erhöht sich das Einkommen des Steuerpflichtigen nicht. Die zivilrechtliche Zurechnung eines Anspruchs, über den der Steuerpflichtige zu keinem Zeitpunkt wirtschaftlich verfügen kann, ist einem auf den Kindesunterhalt angerechneten Ausgleichsanspruch oder der Entlastung durch die Freibeträge des § 32 Abs. 6 EStG nicht gleichwertig (zur Voraussetzung der wirtschaftlichen Verfügungsmöglichkeit für die einkommensteuerrechtliche Zurechnung von Einnahmen vgl. auch Glenk in Blümich, a.a.O., § 8 EStG Rz. 20 und § 11 EStG Rz. 10, 16, und Wolff-Diepenbrock in Littmann/Bitz/Pust, a.a.O., § 11 EStG Rz. 102 ff., mit Nachweisen der Rechtsprechung).
Die vom Unterhaltsrecht erzwungene Verwendung des Ausgleichsanspruchs zur Auffüllung des Kindesunterhalts bis zur Höhe des Existenzminimums kann einer freiwilligen Verfügung des Steuerpflichtigen über seinen Ausgleichsanspruch im Rahmen einer Unterhaltsvereinbarung oder eines Verzichts nicht gleichgestellt werden (vgl. zum Verzicht auf den Ausgleichsanspruch die , BFH/NV 2004, 1243 und VIII R 86/98, BFHE 205, 461, BFH/NV 2004, 1152).
d) Die Hinzurechnung des hälftigen Kindergelds zur tariflichen Einkommensteuer nach § 31 Satz 5 EStG kann in Mangelfällen auch nicht mit der Erwägung gerechtfertigt werden, der Ausgleichsanspruch diene nur insoweit der steuerlichen Freistellung des Einkommens in Höhe des Existenzminimums des Kindes, als der Steuerpflichtige mit seinen laufenden Unterhaltszahlungen den vollen existentiellen Bedarf des Kindes abdecke; soweit dieser Bedarf in Höhe des notwendigen Minimums durch die Unterhaltszahlungen des Steuerpflichtigen nicht abgedeckt werde, sei das Kindergeld Sozialleistung (vgl. aber BVerfG-Beschluss in NJW 2003, 2733, FR 2003, 1035, unter B.I.2.b aa der Gründe; zur Kritik an dieser Entscheidung vgl. auch Greite in FR 2003, 1040, und Schürmann in FF 2003, 210).
Ob und in welcher Höhe das während des Kalenderjahres als Steuervergütung gezahlte Kindergeld (bzw. der Ausgleichsanspruch) der Freistellung des Einkommens in Höhe des Existenzminimums dient, ergibt sich allein aus der Höhe des Einkommens (vgl. § 2 Abs. 4 EStG) und dem Ergebnis der Günstigerprüfung. Ergibt die Vergleichsrechnung —wie im Streitfall—, dass die Steuerentlastung durch den Abzug der Freibeträge des § 32 Abs. 6 EStG höher ist als das dem Steuerpflichtigen zustehende Kindergeld (oder der Ausgleichsanspruch), so steht fest, dass das (anteilige) Kindergeld in vollem Umfang als Steuervergütung gezahlt wurde (, BFHE 189, 449, BStBl II 2000, 75). Das Kindergeld ist in diesen Fällen materiell ausschließlich dem Steuerrecht zuzuordnen (Jachmann in Kirchhof/Söhn, a.a.O., § 31 Rdnr. A 8). Nur soweit das gezahlte Kindergeld (ab 2004: der Anspruch auf Kindergeld) die Entlastung durch die Freibeträge nach § 32 Abs. 6 EStG übersteigt, dient es der Förderung der Familie. Auf das Kindergeld als soziale Maßnahme sind die Grundsätze der Rechtsprechung des BVerfG zur steuerlichen Verschonung des Existenzminimums nicht anzuwenden (, nicht veröffentlicht —n.v.—, Internetseite des BVerfG „www.bverfg.de” unter „Entscheidungen”). Der Einwand, ein Steuerpflichtiger bedürfe keiner steuerlichen Entlastung, soweit er den existenznotwendigen Bedarf des Kindes mit seinen Unterhaltszahlungen nicht abdecke (vgl. BVerfG-Beschluss in NJW 2003, 2733, FR 2003, 1035), greift nicht durch. Der Anspruch auf die Freibeträge des § 32 Abs. 6 EStG ist nicht von der Höhe der im konkreten Einzelfall geleisteten Unterhaltszahlungen abhängig. Nur bei einer wesentlichen Verletzung der Unterhaltspflicht besteht die Möglichkeit, den Kinderfreibetrag des Barunterhaltspflichtigen auf den anderen Elternteil zu übertragen (§ 32 Abs. 6 Satz 7 EStG). Dagegen behält der Steuerpflichtige den Anspruch auf den Kinderfreibetrag, wenn er —wie im Streitfall— seiner durch Gerichtsurteil, Vergleich oder auf sonstige Weise festgelegten Unterhaltspflicht —mag diese auch gering sein— in vollem Umfang nachkommt (, BFHE 184, 60, BStBl II 1998, 329). Im Übrigen ist zu bedenken, dass die finanziellen Aufwendungen eines zum Barunterhalt verpflichteten Elternteils sich im Allgemeinen nicht in den laufenden Unterhaltszahlungen erschöpfen. Vielmehr erwachsen diesem regelmäßig weitere kindbedingte Aufwendungen, z.B. durch die regelmäßige Ausübung des Umgangsrechts (§ 1684 BGB) oder durch die Betreuung des Kindes während der Schulferien. Auch mit Rücksicht auf derartige Aufwendungen ist das Einkommen von dem Zugriff der Einkommensteuer zu verschonen.
6. Die in § 31 Satz 5 EStG angeordnete Hinzurechnung des hälftigen Kindergelds auf die tarifliche Einkommensteuer bei steuerpflichtigen Eltern, die nicht in der Lage sind, 135 v.H. des Regelbetrags nach der Regelbetrag-Verordnung zu zahlen, verletzt auch den Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG). Barunterhaltspflichtige, bei denen der Abzug der Freibeträge des § 32 Abs. 6 EStG zu einer höheren Entlastung führt als das hälftige Kindergeld, die aber das Kindergeld gar nicht oder nur teilweise mit ihrer Unterhaltsschuld verrechnen können, werden ohne hinreichenden sachlichen Grund gegenüber solchen Steuerpflichtigen mit Kindern benachteiligt, bei denen ebenfalls die Freibeträge abzuziehen sind, die aber den Ausgleichsanspruch des § 1612b Abs. 1 BGB in vollem Umfang mit ihrer Unterhaltsverpflichtung verrechnen können, weil der von ihnen geschuldete Unterhalt (zuzüglich des Kindergeldanteils) 135 v.H. des Regelbetrages erreicht oder übersteigt.
a) Art. 3 Abs. 1 GG gebietet es, Gleiches gleich und Ungleiches seiner Eigenart entsprechend verschieden zu regeln (, BVerfGE 71, 255, 271). Es ist grundsätzlich Sache des Gesetzgebers zu entscheiden, welche Merkmale beim Vergleich von Lebenssachverhalten er als maßgebend ansieht, um sie im Recht gleich oder verschieden zu behandeln (, BVerfGE 50, 57, 77). Art. 3 Abs. 1 GG verbietet ihm aber einerseits, Sachverhalte ungleich zu behandeln, wenn sich die Differenzierung nicht auf einen vernünftigen Grund zurückführen lässt, und andererseits, Art und Ausmaß tatsächlicher Unterschiede sachwidrig außer Acht zu lassen (BVerfG-Beschluss in NJW 2003, 2733, FR 2003, 1035, m.w.N.). Die Frage, ob und in welchem Ausmaß der Gleichheitssatz bei der Regelung von Sachfragen Differenzierungen erlaubt, ist wesentlich nach der Eigenart des jeweiligen Sachbereichs —"bereichsspezifisch"— zu beurteilen (BVerfG-Beschluss in BVerfGE 93, 121, 134).
b) Mit der Hinzurechnung des hälftigen Kindergeldes (bzw. des Kindergeldanspruchs) zur tariflichen Einkommensteuer in den Fällen des § 31 Satz 5 EStG behandelt der Gesetzgeber alle zum Barunterhalt verpflichteten Steuerpflichtigen gleich, unabhängig davon, ob ihnen das hälftig zuzurechnende Kindergeld durch Zahlung, durch volle Anrechnung auf den Kindesunterhalt, oder —in den Mangelfällen des § 1612b Abs. 5 BGB n.F.— nur teilweise oder gar nicht zugute gekommen ist. Die Versagung der Anrechnung des Kindergeldes bei Unterhaltspflichtigen mit geringer (unterhaltsrechtlicher) Leistungsfähigkeit mag im Unterhaltsrecht sachgerecht sein (vgl. BVerfG-Beschluss in NJW 2003, 2733, FR 2003, 1035). Sie führt jedoch im Einkommensteuerrecht zu einer sachwidrigen Gleichbehandlung von ungleichen Sachverhalten.
Im Einkommensteuerrecht gebietet es der Gleichheitssatz in seiner Ausprägung als horizontale Steuergleichheit, Steuerpflichtige bei gleicher finanzieller Leistungsfähigkeit auch gleich hoch zu besteuern (BVerfG-Urteil in BVerfGE 61, 319, m.w.N., und BVerfG-Beschluss in BVerfGE 82, 60, 89). Eine ungleiche steuerliche Belastung bei gleicher wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit durchbricht eine vom EStG selbst statuierte Sachgesetzlichkeit.
Die nach § 31 Satz 5 EStG unterschiedslos gebotene Hinzurechnung des hälftigen Kindergeldes zur tariflichen Einkommensteuer führt bei Steuerpflichtigen, denen nach § 1612b Abs. 5 BGB n.F. die Anrechnung des Ausgleichsanspruchs auf den Kindesunterhalt ganz oder teilweise versagt ist, dazu, dass ihre durch die Unterhaltspflicht geminderte Leistungsfähigkeit bei der Besteuerung nicht ausreichend berücksichtigt wird. Sie werden steuerrechtlich mit solchen Barunterhaltspflichtigen gleichgestellt, bei denen das Kindergeld in voller Höhe auf den Kindesunterhalt angerechnet wurde, deren geminderte Leistungsfähigkeit somit zum einen bei der Einkommensteuerveranlagung durch den Abzug der Freibeträge des § 32 Abs. 6 EStG von der Bemessungsgrundlage, zum anderen durch die Kürzung ihrer Unterhaltsverpflichtung um das hälftige Kindergeld berücksichtigt wurde. Bei dieser Personengruppe ist es gerechtfertigt, das hälftige Kindergeld der Einkommensteuer hinzuzurechnen, da es anderenfalls zu einer mehrfachen Berücksichtigung der durch den Kindesunterhalt bedingten Minderung der Leistungsfähigkeit bei der Besteuerung käme. Dagegen hat die Hinzurechnung des hälftigen Kindergeldes bei Unterhaltspflichtigen, die den Ausgleichsanspruch kraft Gesetzes für den Kindesunterhalt einsetzen müssen, in vielen Fällen zur Folge, dass nicht einmal ihre tatsächlichen —die Freibeträge des § 32 Abs. 6 EStG unterschreitenden— Leistungen für den Kindesunterhalt in vollem Umfang von der Einkommensteuer freigestellt sind (s. vorstehend III.5.).
c) Diese Gleichbehandlung ungleicher Sachverhalte ist auch nicht unter dem Gesichtspunkt einer Verwaltungsvereinfachung und Typisierung zulässig. Zwar darf der Gesetzgeber bei der Ordnung von Massenverfahren, wie sie auch im Bereich des Steuerrechts auftreten, generalisierende, pauschalierende und typisierende Regelungen treffen. Dabei entstehende Härten und Ungerechtigkeiten müssen hingenommen werden, wenn die Benachteiligung nur eine kleine Zahl von Personen betrifft und der Verstoß gegen den Gleichheitssatz nicht sehr intensiv ist (BVerfG-Beschluss in BVerfGE 91, 93). Bei einem Sachverhalt, wie er hier zu beurteilen ist, darf dieser Grundsatz aber nicht dazu führen, dass der Gesetzgeber eine Regelung treffen kann, die in zahlreichen Fällen dazu führt, dass nicht einmal die tatsächlichen Unterhaltszahlungen des Steuerpflichtigen, auch wenn sie das Existenzminimum des Kindes nicht abdecken, in voller Höhe von der Einkommensteuer freigestellt werden. Eine solche Regelung ist unvereinbar mit dem subjektiven Nettoprinzip.
Die unterschiedslose Hinzurechnung des hälftigen Kindergeldes in den Fällen des § 31 Satz 5 EStG kann schließlich auch deshalb nicht mit dem Gesichtspunkt der Typisierung und Verwaltungsvereinfachung gerechtfertigt werden, weil die überwiegende Zahl der Barunterhaltspflichtigen das ihnen zustehende Kindergeld nicht in vollem Umfang mit dem Kindesunterhalt verrechnen kann (vgl. oben III.5.a).
C. Zulässigkeit der Vorlage
Der Senat hat das Verfahren auszusetzen und eine Entscheidung des BVerfG zu der Vorlagefrage einzuholen, da es für die Entscheidung des Streitfalles auf die Verfassungsmäßigkeit des § 31 Satz 5 i.V.m. § 36 Abs. 2 EStG ankommt (Art. 100 Abs. 1 GG; § 80 Abs. 1 BVerfGG).
I. Erweist sich die Vorschrift des § 31 Satz 5 i.V.m. § 36 Abs. 2 EStG als mit dem GG vereinbar, so wäre die Revision des FA begründet und die Klage abzuweisen. Hält das BVerfG hingegen die Hinzurechnung des hälftigen Kindergeldes zur tariflichen Einkommensteuer in den Fällen des § 31 Satz 5 EStG bei Steuerpflichtigen, die nach ihrem unterhaltsrechtlich relevanten Einkommen nicht in der Lage sind, für ihr Kind Barunterhalt in Höhe von 135 v.H. des Regelbetrags nach der Regelbetrag-Verordnung zu zahlen, für verfassungswidrig und erklärt es § 31 Satz 5 EStG insoweit für unvereinbar mit dem GG, so muss der Gesetzgeber eine Neuregelung treffen. Für den Kläger besteht dann die Chance, auch persönlich in den Genuss einer für ihn günstigen Regelung zu gelangen (BVerfG-Beschlüsse vom 1 BvL 39/80, BVerfGE 61, 138, 146, und vom 2 BvL 39, 40/93, BVerfGE 93, 386, 395; vgl. auch den , BFHE 171, 534, BStBl II 1993, 755).
Für die Zulässigkeit der Vorlage kommt es nicht darauf an, ob im Fall der Unwirksamkeit der zur Prüfung gestellten Norm zu erwarten ist, dass das BVerfG die weitere Anwendung der verfassungswidrigen Norm für einen Übergangszeitraum anordnen wird (BVerfG-Beschlüsse vom 1 BvL 12/85, BVerfGE 72, 51, 62; in BVerfGE 87, 153, 180; in BVerfGE 93, 121, 131).
II. Der Zulässigkeit der Vorlage steht nicht entgegen, dass sich die Verfassungswidrigkeit der zur Prüfung gestellten Normen erst aus der Einzelregelung eines anderen Rechtsgebiets (§ 1612b Abs. 5 BGB) ergibt. Eine für verfassungswidrig erachtete Rechtslage, die sich erst aus dem Zusammenwirken mehrerer Einzelregelungen ergibt und bei der sich deshalb der verfassungsrechtliche Mangel durch eine Änderung der einen oder der anderen Einzelregelung beheben ließe, kann grundsätzlich anhand jeder der betroffenen Normen zur Prüfung gestellt werden (BVerfG-Beschluss in BVerfGE 82, 60). Erforderlich ist in einem solchen Fall nur, dass die zur Prüfung gestellte Norm objektiv erkennbar einem Regelungsziel dient, das in verfassungswidriger Weise verfehlt worden ist. Das ist hier der Fall. Durch die Hinzurechnungsregelung des § 31 Satz 5 EStG und des § 36 Abs. 2 Satz 1 EStG soll —ebenso wie durch die Günstigerprüfung des § 31 Satz 4 EStG— sichergestellt werden, dass das Einkommen des Steuerpflichtigen in Höhe des Existenzminimums des Kindes von der Einkommensteuer freigestellt wird, ohne dass es zu einer doppelten Begünstigung durch die Freibeträge des § 32 Abs. 6 EStG und das gezahlte Kindergeld kommt. Dieses Ziel wird nicht erreicht, wenn Steuerpflichtige wegen § 1612b Abs. 5 BGB n.F. das Kindergeld nicht auf ihre Unterhaltsverpflichtung anrechnen dürfen.
III. Der Kläger ist durch die verfassungswidrige Hinzurechnung des hälftigen Kindergeldes auch persönlich beschwert.
Nach den Feststellungen des FG hat er im Streitjahr laufende Zahlungen für den Unterhalt seiner Kinder in Höhe von 9 449 DM geleistet. Demgegenüber sind von seinem Einkommen (74 489 DM) für das sächliche Existenzminimum der Kinder Freibeträge von insgesamt 6 912 DM und für den Betreuungsbedarf Freibeträge von 3 024 DM abgezogen worden. Die dadurch bedingte Steuerentlastung von 3 743 DM (18 383 DM ./. 14 640 DM) hat sich durch die Hinzurechnung des hälftigen Kindergelds (insgesamt 3 240 DM) auf 503 DM reduziert. Selbst bei Abzug nur der tatsächlich geleisteten Unterhaltszahlungen von 9 449 DM vom Einkommen (Steuerentlastung: 3 566 DM) und Hinzurechnung nur des tatsächlich auf die Unterhaltsverpflichtung angerechneten Kindergeldes von 2 634 DM zu der tariflichen Einkommensteuer (14 817 DM) wäre die Steuerentlastung mit 932 DM noch um 429 DM höher als nach der Steuerfestsetzung des FA.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
BStBl 2008 II Seite 795
BB 2005 S. 369 Nr. 7
BFH/NV 2005 S. 443
BFH/NV 2005 S. 443 Nr. 3
BStBl II 2008 S. 795 Nr. 18
DB 2005 S. 317 Nr. 6
DStRE 2005 S. 259 Nr. 5
FR 2005 S. 380 Nr. 7
HFR 2005 S. 546
INF 2005 S. 166 Nr. 5
KÖSDI 2005 S. 14542 Nr. 3
NWB-Eilnachricht Nr. 13/2006 S. 1039
StB 2005 S. 83 Nr. 3
LAAAB-42580