BFH Beschluss v. - II B 144/03

Verpflichtung des FG, sich mit dem Vorbringen der Beteiligten auseinanderzusetzen

Gesetze: FGO § 96 Abs. 2

Instanzenzug:

Gründe

I. Durch privatschriftlichen Übertragungsvertrag vom 25. September/ übertrugen sämtliche Gesellschafter der X-GbR (Klägerin und Beschwerdeführerin —Klägerin—) ihre Gesellschaftsanteile für ... DM an A und B, und zwar mit der Maßgabe, dass A die Anteile zu 92,5 v.H. und B die Anteile zu 7,5 v.H. übernahm. Mit Vertrag vom vereinbarten A und B eine Neufassung des Gesellschaftsvertrages der Klägerin, die seit der Übernahme der Gesellschaftsanteile durch A und B als Y-GdbR auftrat.

Zum Vermögen der Klägerin gehörte Grundbesitz. Mit notarieller Urkunde vom erklärten die Alt- und Neugesellschafter der Klägerin unter Bezugnahme auf den Übertragungsvertrag vom September/Oktober 1984 die Auflassung, um die Eintragung des Gesellschafterwechsels zu erreichen. Durch die Anzeige dieser Auflassung, der der Übertragungsvertrag anlag, erfuhr der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt —FA—) erstmals von dem Gesellschafterwechsel. In der Folgezeit kam es bezüglich des Gesellschaftsanteils des A mehrfach zu einem neuerlichen Gesellschafterwechsel.

Am setzte das FA gegenüber der Klägerin wegen des vollständigen Gesellschafterwechsels bei einer lediglich Grundbesitz verwaltenden Personengesellschaft Grunderwerbsteuer in Höhe von ... DM fest. Einspruch und Klage, mit denen die Klägerin eine fehlerhafte Bekanntgabe und den Eintritt der Festsetzungsverjährung geltend gemacht sowie Einwendungen gegen die Annahme eines steuerbaren Erwerbsvorgangs überhaupt vorgebracht hatte, blieben erfolglos. Das Finanzgericht (FG) folgte dem FA darin, dass die Anteilsübertragung gemäß § 42 der Abgabenordnung (AO 1977) wie ein Erwerbsvorgang nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 des Grunderwerbsteuergesetzes in der 1984 geltenden Fassung (GrEStG) zu besteuern und der Bescheid ordnungsgemäß bekannt gegeben worden sei. Auf den Einwand der Festsetzungsverjährung ging es nicht ausdrücklich ein.

Mit der Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision rügt die Klägerin, das FG habe ihr Recht auf Gehör verletzt; außerdem sei die Vorentscheidung insofern nicht mit Gründen versehen, als nicht auf den Verjährungseinwand eingegangen worden sei. Hätte das FG Letzteres getan und sich mit den Steuerakten des FA „auseinander gesetzt”, hätte es festgestellt, dass der Übertragungsvertrag dem FA bereits am angezeigt worden sei. Der Beschwerdebegründung lag die Durchschrift eines Schreibens des A an das zunächst zuständige Finanzamt Z vom an, in dem darum gebeten wurde, zu prüfen, ob für die Übertragung der Gesellschaftsanteile „Verkehrsteuern” anfielen.

Das FA ist der Beschwerde entgegengetreten und weist darauf hin, dass das Anschreiben vom in den Grunderwerbsteuerakten nicht enthalten sei.

II. Die Beschwerde ist unbegründet. Die nach § 115 Abs. 2 Nr. 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) gerügten Verfahrensfehler liegen nicht vor. Das Recht der Klägerin auf Gehör (§ 96 Abs. 2 FGO, Art. 103 Abs. 1 des GrundgesetzesGG—) ist nicht verletzt.

1. Das Recht der Beteiligten auf Gehör verpflichtet zwar das FG nicht nur dazu, das Vorbringen der Beteiligten zur Kenntnis zu nehmen —dieser Verpflichtung ist das FG hinsichtlich des Einwands der Festsetzungsverjährung ausweislich des Tatbestandes seiner Entscheidung nachgekommen—, sondern auch dazu, es in Erwägung zu ziehen und sich mit dessen Kern auseinander zu setzen (vgl. , BFHE 177, 451, BStBl II 1995, 532, m.w.N.); maßgeblich ist dabei aber nur das Vorbringen, das bereits dem FG unterbreitet worden war, nicht jedoch auch dasjenige, welches erst im Verfahren über die Nichtzulassungsbeschwerde eingeführt wird. Infolgedessen ist das Schreiben des A an das Finanzamt Z vom unbeachtlich, da es im Klageverfahren nicht erwähnt worden war und auch in den Grunderwerbsteuerakten nicht enthalten ist. Im Klageverfahren hat die Klägerin auf den Hinweis des FA, der Beginn der Festsetzungsfrist sei mangels einer Anzeige gemäß § 170 Abs. 2 Nr. 1 AO 1977 hinausgeschoben gewesen, lediglich eine Anzeigepflicht für derartige Erwerbsvorgänge bestritten. Nur dies stellt im Streitfall das maßgebliche Klagevorbringen dar. Mit diesem Inhalt läuft die Rüge der Verletzung des Rechts auf Gehör auf den Vorwurf hinaus, das FG habe sich mit einer Rechtsauffassung der Klägerin nicht auseinander gesetzt. Das FG musste sich aber nicht mit jeder Rechtsauffassung ausdrücklich auseinander setzen. Auf unsubstantiiertes Vorbringen brauchte es nicht ausdrücklich einzugehen (vgl. , BVerfGE 70, 288, 294).

2. Die Äußerung der Rechtsansicht, dass eine Anzeigepflicht nicht bestanden habe, war unsubstantiiert. Die Klage ist im Jahr 1997 erhoben worden. Seit 1992 lag das (BFHE 167, 448, BStBl II 1992, 680) vor, wonach auch ein der Grunderwerbsteuer nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG i.V.m. § 42 AO 1977 unterliegender Erwerbsvorgang unter die Anzeigepflicht nach § 19 Abs. 1 Satz 2 GrEStG fällt. Dies wurde damit begründet, dass nach § 42 Abs. 1 Satz 2 AO 1977 bei einem Missbrauch rechtlicher Gestaltungsmöglichkeiten der Steueranspruch so entstehe, wie er bei einer dem wirtschaftlichen Vorgang angemessenen rechtlichen Gestaltung entstanden wäre. Rechtlich angemessen aber wäre in diesen Fällen eine anzeigepflichtige Grundstücksübertragung gewesen. Vor dem Hintergrund dieser Rechtsprechung war das bloße Bestreiten der Anzeigepflicht unsubstantiiert. Dasselbe gilt für den Vortrag, durch die Einführung des § 1 Abs. 2 a GrEStG durch das Jahressteuergesetz 1997 vom (BGBl I 1996, 2049) seien die bis dahin von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze zum vollständigen Gesellschafterwechsel bei lediglich Grundbesitz verwaltenden Personengesellschaften auch auf Altfälle nicht mehr anwendbar. Das ließ sich ernsthaft nicht vertreten. Unter diesen Umständen brauchte das FG auf den Gesichtspunkt der Verjährung, der nicht den Kern des Streitfalls ausmachte, nicht ausdrücklich einzugehen, sondern konnte sich damit begnügen, erkennbar von der Rechtzeitigkeit des Steuerbescheides auszugehen.

3. Daraus folgt weiter, dass die Vorentscheidung nicht unter dem Mangel leidet, insoweit ohne Gründe ergangen zu sein. Bei der Pflicht des Gerichts zu einer Begründung seiner Entscheidung handelt es sich um eine Ergänzung seiner Verpflichtung, das Vorbringen der Beteiligten auch zur Kenntnis zu nehmen (vgl. Ruban in Gräber, Finanzgerichtsordnung, 5. Aufl. 2002, § 119 Anm. 10 a). Brauchte das FG aber auf ein bestimmtes Vorbringen nicht einzugehen, kann seine Entscheidung insoweit nicht unter dem Mangel einer fehlenden Begründung leiden.

Fundstelle(n):
RAAAB-42189