BFH Beschluss v. - VI B 150/03

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Gesetze: EStG § 19

Instanzenzug:

Gründe

Die Beschwerde ist nicht begründet. Eine Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH) ist weder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung noch zur Fortbildung des Rechts erforderlich (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 der FinanzgerichtsordnungFGO—).

1. Eine höchstrichterliche Entscheidung ist zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung insbesondere dann erforderlich, wenn das Finanzgericht (FG) von einer höherrangigen Entscheidung, u.a. des BFH, abweicht. Das ist der Fall, wenn das FG dieselbe Rechtsfrage anders beantwortet als die Vergleichsentscheidung, also einen Rechtssatz aufstellt, der sich mit dem in der Vergleichsentscheidung aufgestellten Rechtssatz nicht vereinbaren lässt. Daran fehlt es.

Wie der Senat im Beschluss vom VI B 53/03 (BFH/NV 2004, 42) ausgeführt hat, entspricht es der ständigen Rechtsprechung des BFH, dass der Arbeitnehmerbegriff sich nicht durch Aufzählung feststehender Merkmale abschließend bestimmen lässt. Es handelt sich nicht um einen tatbestandlich scharf umrissenen Begriff, sondern um einen offenen Typus, der nur durch eine größere und unbestimmte Zahl von Merkmalen beschrieben werden kann (vgl. Schmidt/Drenseck, Einkommensteuergesetz, 23. Aufl. 2004, § 19 Rz. 8, m.w.N.). Nach ständiger Rechtsprechung des BFH ist deshalb die Frage, ob jemand eine Tätigkeit selbständig oder nichtselbständig ausübt, anhand einer Vielzahl in Betracht kommender Kriterien nach dem Gesamtbild der Verhältnisse zu beurteilen. Hierzu hat der BFH Kriterien beispielhaft aufgeführt, die für die Abgrenzung Bedeutung haben können (Urteil vom VI R 150-152/82, BFHE 144, 225, BStBl II 1985, 661; vgl. auch H 67 Arbeitnehmer, Amtliches Lohnsteuer-Handbuch 2004, und Herrmann in Frotscher, Einkommensteuergesetz, § 19 Rz. 23 a ff., m.w.N.). Diese Merkmale sind im konkreten Einzelfall jeweils zu gewichten und gegeneinander abzuwägen (vgl. , BFHE 170, 48, BStBl II 1993, 303, und vom VI R 12/96, VI R 99/96, BFH/NV 1997, 656). Diese Aufgabe obliegt nach ständiger Rechtsprechung in erster Linie den Finanzgerichten als Tatsacheninstanz. Die im Wesentlichen auf tatrichterlichem Gebiet liegende Beurteilung ist revisionsrechtlich nur begrenzt überprüfbar (BFH in BFH/NV 2004, 42, unter Hinweis auf Schmidt/Drenseck, a.a.O., § 19 Rz. 8 a.E.).

Die sozial- und arbeitsrechtliche Einordnung einer Tätigkeit als selbständig oder unselbständig ist nach ständiger Rechtsprechung des BFH für die steuerrechtliche Beurteilung nicht bindend; sie kann allenfalls als Indiz gewertet werden (vgl. , BFHE 188, 101, BStBl II 1999, 534, m.w.N.; vgl. Schmidt/Drenseck, a.a.O., § 19 Rz. 4).

Von diesen Rechtsgrundsätzen ist das FG unter ausdrücklicher Bezugnahme auf die höchstrichterliche Rechtsprechung ausgegangen. Es hat die für und gegen ein Arbeitsverhältnis sprechenden Merkmale dargelegt, nach ihrer Bedeutung im Streitfall gewichtet und gegeneinander abgewogen. Diese Verfahrensweise entspricht der BFH-Rechtsprechung und kann daher keine Zulassung wegen Divergenz begründen. Das gilt hinsichtlich der von der Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) angenommenen Abweichung des FG-Urteils von der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts bereits deshalb, weil die steuerrechtliche Beurteilung —wie vom FG unter Bezugnahme auf höchstrichterliche Rechtsprechung zutreffend dargelegt— nicht an die arbeits- und sozialrechtliche Beurteilung gebunden ist. Auch soweit sich das FG mit einzelnen Merkmalen des Typus-Begriffs „Arbeitnehmer” auseinander gesetzt hat, ist es von der höchstrichterlichen Rechtsprechung ausgegangen. Wenn es diese aufgrund der konkreten Verhältnisse des Streitfalles im Rahmen seiner Würdigung bejaht oder verneint hat, liegt darin —entgegen der Auffassung der Klägerin— eine auf tatrichterlichem Gebiet liegende Beurteilung, die das Vorliegen einer Divergenz nicht begründen kann. Aus dem Zusammenhang der Entscheidung lässt sich entnehmen, dass das FG nicht die von der Klägerin gebildeten Rechtssätze zu den Fragen der Indizwirkung der Beschäftigung von Hilfskräften und des Unternehmerrisikos aufgestellt, sondern lediglich die von der Rechtsprechung entwickelten Kriterien für das Vorliegen des entscheidungserheblichen Arbeitnehmerbegrifffs auf die Feststellungen des Streitfalls angewandt hat.

2. Eine Entscheidung des BFH zur Fortbildung des Rechts (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 1. Alternative FGO) ist erforderlich, wenn über bisher ungeklärte Rechtsfragen zu entscheiden ist, so beispielsweise, wenn der Einzelfall Veranlassung gibt, Grundsätze für die Auslegung von Gesetzesbestimmungen aufzustellen oder Gesetzeslücken rechtsschöpferisch auszufüllen (vgl. u.a. , BFH/NV 2004, 1220).

Diese Voraussetzungen sind vorliegend nicht erfüllt. Denn es entspricht —wie dargelegt— ständiger Rechtsprechung des BFH, dass der Arbeitnehmerbegriff sich nicht durch Aufzählung feststehender Merkmale abschließend bestimmen lässt. Die in Betracht kommenden Merkmale sind vielmehr im konkreten Einzelfall jeweils zu gewichten und gegeneinander abzuwägen, wie der Senat bereits mit Urteil vom VI R 29/68 (BFHE 94, 189, BStBl II 1969, 103) entschieden hat, das einen ähnlich gelagerten Sachverhalt betraf, und seither —wie dargelegt— in ständiger Rechtsprechung bestätigt hat. Vor diesem Hintergrund ist die Klärung der von der Klägerin angegebenen Fragen nach dem Erfordernis der persönlichen Dienstverpflichtung und dem Vorliegen von Unternehmerinitiative und Unternehmerrisiko nicht klärungsbedürftig, weil sie einen unmittelbaren Rückschluss auf das Vorliegen der entscheidungserheblichen Frage nach der Arbeitnehmereigenschaft der Zusteller nicht erlauben, sondern lediglich einzelne aus einer größeren, unbestimmten Zahl von dafür bedeutsamen Merkmalen betreffen.

Fundstelle(n):
BFH/NV 2005 S. 347
BFH/NV 2005 S. 347 Nr. 3
PAAAB-41196