Zurückweisung der verspäteten Benennung eines ausländischen Zeugen als Ermessensentsch. des FG
Gesetze: FGO § 79b Abs. 2, 3
Instanzenzug:
Gründe
Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) war in den Streitjahren (1988 und 1990) als Rechtsanwalt selbständig tätig. Nach einer Außenprüfung nahm der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt —FA—) erhebliche Erhöhungen der erklärten Gewinne vor und erließ entsprechend geänderte Bescheide über die gesonderte Feststellung der Einkünfte aus selbständiger Arbeit.
U.a. wurde der Gewinn des Jahres 1988 um einen Betrag von 70 175 DM (80 000 DM abzüglich Umsatzsteuer) erhöht. Dem lag zu Grunde, dass der Kläger im Herbst 1988 von einem Mandanten L 80 000 DM erhalten und dann bar an eine T-AG mit Sitz in der Schweiz weitergeleitet hatte. An der T-AG war der Kläger beteiligt, nach seinen Angaben allerdings nur treuhänderisch für einen nicht genannten Dritten. Den Erhalt des Betrages hatte der Verwaltungsrat S quittiert. Der Kläger hatte weder Zahlungseingang noch -ausgang in seiner Gewinnermittlung erfasst.
Nach erfolglosem Einspruch wandte sich der Kläger im Klageverfahren bezüglich mehrerer Punkte gegen die vorgenommenen Gewinnerhöhungen. Im Lauf des Verfahrens einigten sich die Beteiligten über einen Großteil der Beanstandungen. Das FA erließ unter dem berichtigte Bescheide und erklärte sich später zu weiteren Änderungen bereit. In Bezug auf die Zahlung an die T-AG kam es nicht zu einer Einigung.
Mit der Klageschrift hatte sich der Kläger zum Beweis dafür, dass es sich bei dem Betrag von 80 000 DM um fremdes und an die T-AG weiterzuleitendes Geld gehandelt habe, auf das Zeugnis des L berufen. Das Finanzgericht (FG) erließ dementsprechend am einen Beweisbeschluss, wonach u.a. der Zeuge L vernommen werden sollte. Zu einem ersten Termin zur Beweisaufnahme erschien L entschuldigt nicht, teilte aber schriftlich mit, sich an den Vorgang „T-AG” nicht zu erinnern. Am wurde L für den erneut zur Vernehmung geladen.
Ebenfalls am verfügte der Berichterstatter, dem Kläger werde vorsorglich aufgegeben, Beweis für die Behauptung anzutreten, die Zahlung von 80 000 DM am an die T-AG sei nicht auf eigene Rechnung, sondern für einen Dritten (L) erfolgt, sowie den Empfänger der Zahlung (§ 160 der Abgabenordnung —AO 1977—) zu benennen. Hierfür wurde dem Kläger gemäß § 79b Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) eine Frist bis zum gesetzt; auf die Folgen einer Fristversäumnis nach § 79b Abs. 3 FGO wurde hingewiesen. Das Schreiben ging den Prozessbevollmächtigten per Telefax gegen Empfangsbestätigung am zu.
Mit Schriftsatz vom trug der Kläger bezugnehmend auf die Verfügung vor: Die Zahlung sei für L erfolgt. Mitarbeiter der T-AG hätten über diese der Firma L Immobilienobjekte zur Bebauung vermittelt. Es handele sich also um Vermittlungsprovisionen. Die Verbindung zwischen der T-AG und L habe der Kläger hergestellt. Aus diesem Grund sei wohl auch versehentlich das Geld über ihn geflossen. Zum Beweis dafür berufe sich der Kläger auf das Zeugnis einer Frau K und des L; Letzterer müsse sich bei entsprechendem Vorhalt erinnern.
Mit Schriftsatz vom , eingegangen am , berichtigte der Kläger sein Vorbringen dahin, dass die Zahlung der 80 000 DM durch die Firma P erfolgt sei, deren Geschäftsführer L gewesen sei. Die Zahlung sei in der Weise erfolgt, dass sich der Geschäftsführer der T-AG, S, das Geld in der Kanzlei des Klägers abgeholt habe (Beweis: Zeugnis K). Da die Empfangnahme des Geldes beim Kläger erfolgt sei, habe S keinen Kopfbogen der T-AG parat gehabt und den Betrag nur mit seinem Namen quittiert.
Bei seiner Vernehmung durch den Berichterstatter am erklärte L, er kenne die T-AG nicht. Die Firma P habe Standorte für Filialisten in der Schweiz gesucht. Der Kläger sei Repräsentant für Andere gewesen, die bei der Suche geholfen hätten. Er habe dazu eine Firma in der Schweiz eingeschaltet, möglicherweise die T-AG. Es könne dann sein, dass der Kläger die Provisionen für andere Personen aus der Schweiz in Empfang genommen habe. Barzahlung sei üblich gewesen. Standorte seien telefonisch und schriftlich mitgeteilt worden, von wem, wisse er nicht mehr. Unterlagen seien nicht mehr vorhanden.
K gab bei ihrer Vernehmung an, die Buchung Fremdgeldeinnahme und Fremdgeldausgabe habe sie vorgenommen, weil der Kläger erklärt habe, es handele sich um wieder herausgehende Provisionen. An S könne sie sich wie alle im Büro wegen seines Dialekts erinnern. Bei der Geldzahlung sei sie nicht zugegen gewesen.
In der mündlichen Verhandlung am wurden die Protokolle über die Vernehmungen von L und K verlesen. Nachdem K erneut zu anderen Streitpunkten vernommen worden war, beantragte der Kläger die Vernehmung des S zur Auszahlung von 80 000 DM an S als Weiterleitung des Honorars von P an die T-AG.
Das FG gab der Klage teilweise statt. In Bezug auf die Gewinnerhöhung um 70 175 DM hielt es die Klage aber für unbegründet. L habe die Botentätigkeit des Klägers nicht bestätigen können. Mit seiner Bekundung habe er einen anderen, nicht im Streit befindlichen Vorgang angesprochen. Am habe die T-AG der P für Akquisition und Beratung 75 000 sfr in Rechnung gestellt, die Anfang 1989 gezahlt worden seien. K sei bei der Zahlung nicht zugegen gewesen. Außerdem habe sie entgegen ihrer Bekundung die Zahlung nicht, auch nicht als durchlaufenden Posten, verbucht.
Der Nachteil der Nichterweislichkeit der Botentätigkeit gehe zu Lasten des Klägers. Er hätte Beweisvorsorge treffen können, zumal er Präsident des Verwaltungsrats der T-AG sei. Zur Beweisvorsorge sei der Kläger überdies besonders gehalten, weil an den Nachweis wegen § 90 Abs. 2 AO 1977 besondere Anforderungen zu stellen seien. Nach dem Klagevorbringen sollten Provisionen eines Ausländers für eine Tätigkeit im Ausland abgegolten worden sein. Zudem habe die Übergabe des Geldes in Zürich stattgefunden, wie sich aus der Quittung ergebe.
Eine Vertagung sei nicht erforderlich, auch wenn der Kläger den S in einer weiteren mündlichen Verhandlung als Zeugen stellen würde. Der Beweisantrag werde gemäß § 79b Abs. 3 FGO als verspätet zurückgewiesen. Der Kläger habe innerhalb der bis zum gesetzten Frist keinen Antrag gestellt, obwohl im Hinblick auf das Schreiben des L hierzu Anlass bestanden hätte. Die beantragte Vernehmung hätte wegen der erforderlichen Vertagung zu einer weiteren Verzögerung der Erledigung des Rechtsstreits geführt. Der Kläger habe seine Verspätung nicht entschuldigt. Er sei auf die Folgen der Fristversäumnis hingewiesen worden.
Das FA habe zu Lasten des Klägers davon ausgehen können, dass die Zahlung von L eine Honorareinnahme darstelle. Die Weiterleitung an S könne nicht als Betriebsausgabe abgezogen werden, weil der Rechtsgrund der Zahlung nicht feststehe.
Überdies fehle es an einer Empfängerbenennung gemäß § 160 AO 1977, wozu der Kläger aufgefordert worden sei. Die T-AG sei eine reine Domizilgesellschaft gewesen, so dass die Anteilseigner hätten benannt werden müssen. Möglicherweise sei der Kläger selbst und nicht nur treuhänderisch an der T-AG beteiligt gewesen. Dann habe es sich um eine Einlage gehandelt.
Das FG hat die Revision nicht zugelassen.
Mit der Nichtzulassungsbeschwerde rügt der Kläger einen Verfahrensmangel i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO. Das FG habe seine Sachaufklärungspflicht verletzt, indem es den Zeugenbeweisantrag abgelehnt habe. Zu Unrecht berufe sich das FG auf § 79b Abs. 3 FGO. S hätte vom FG nicht mit bindender Wirkung geladen, sondern allenfalls vom Kläger sistiert werden können. Insofern hätte die Benennung des Zeugen aufgrund der richterlichen Verfügung nicht zu einem beschleunigten Verfahrensablauf geführt. Die zeit- und kostenaufwändige Sistierung habe der Kläger im Hinblick auf die fristgerechten Beweisantritte unterlassen können. Der Hinweis des FG auf das Schreiben des L besage noch nichts über den seinerzeit zu erwartenden Ausgang der Beweisaufnahme, insbesondere den Gehalt der Aussage von K. Im Übrigen sei eine angebliche Fristversäumnis im Hinblick auf den Zeit- und Kostenaufwand der Sistierung entschuldigt.
Die Zurückweisung des Beweisantrags leide auch an dem Mangel der Ermessensunterschreitung. § 79b Abs. 3 FGO enthalte eine Ermessensvorschrift. Den Urteilsgründen sei nicht zu entnehmen, ob sich das Gericht seines Ermessensspielraums bewusst gewesen sei. Es entstehe eher der Eindruck, dass das Gericht von einer bindenden Vorschrift ausgegangen sei. Habe das Gericht sein Ermessen jedoch ausgeübt, sei ihm ein Ermessensfehler unterlaufen. Das Gericht hätte ins Kalkül ziehen müssen, dass es selbst die Beteiligten 6 1/2 Jahre habe warten lassen.
Das Urteil leide an einem Verfahrensmangel i.S. des § 119 Nr. 3 FGO, denn mit der Zurückweisung des Beweisantrags sei das rechtliche Gehör des Klägers verletzt worden. Im Übrigen beruhe das Urteil auch auf dem Verfahrensfehler, denn es sei zu erwarten gewesen, dass die Aussage des S den Klägervortrag über die Botentätigkeit bestätigt hätte.
Der Kläger beantragt, die Revision zuzulassen.
Das FA beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.
In der Sache hat es sich zu der Beschwerde nicht geäußert.
Die Beschwerde ist nicht begründet und war deshalb zurückzuweisen.
Nach § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO ist die Revision zuzulassen, wenn ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann. Der vom Kläger gerügte Verstoß gegen § 79b Abs. 3 FGO liegt nicht vor. Das FG hat den Beweisantrag des Klägers zu Recht abgelehnt.
a) Nach § 79b Abs. 3 FGO können Erklärungen und Beweismittel, die erst nach Ablauf einer nach § 79b Abs. 2 FGO gesetzten Frist vorgebracht werden, dann als verspätet zurückgewiesen werden, wenn ihre Zulassung die Erledigung des Rechtsstreits verzögern würde und der über die Folgen der Fristversäumung belehrte Beteiligte die Verspätung nicht genügend entschuldigt. Bei dieser Ermessensentscheidung kann sich das FG von seiner freien Überzeugung leiten lassen. Es ist an starre Regeln nicht gebunden. Ob das FG insoweit fehlerhaft gehandelt hat, kann der Bundesfinanzhof (BFH) prüfen (s. z.B. , BFH/NV 1997, 118).
b) Die Verfügung des Berichterstatters vom enthielt die Aufforderung, Beweis für die Behauptung anzutreten, die Zahlung von 80 000 DM am an die T-AG sei nicht auf eigene Rechnung, sondern für einen Dritten (L) erfolgt, sowie den Empfänger der Zahlung (§ 160 AO 1977) zu benennen. Damit genügte die Verfügung den Anforderungen, die an eine die Ausschlussfrist des § 79b Abs. 3 FGO auslösende Aufklärungsanordnung des Gerichts zu stellen sind. Das Gericht muss nämlich die Vorgänge sowie die Tatsachen und Beweismittel oder die vorzulegenden Sachen in der Verfügung über die Fristsetzung möglichst genau bezeichnen, um es dem Beteiligten zu ermöglichen, die Anordnung ohne weiteres zu befolgen und so eine Präklusion zu vermeiden (, BFH/NV 2003, 1198, und vom IX R 6/94, BFHE 177, 233, BStBl II 1995, 545). Für den Kläger wurde mit der Verfügung des Berichterstatters deutlich, dass das Gericht die Benennung der vorhandenen Beweismittel für die angebliche Botentätigkeit erwartete, insbesondere also die Benennung der betreffenden Zeugen.
c) Die Ausschlussfrist wurde ordnungsgemäß gesetzt. Das Gericht hat die Frist ausreichend bemessen und die Verfügung mit einer Belehrung über die Folgen der Fristversäumnis (§ 79b Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 FGO) versehen.
d) Die Benennung des Zeugen S erfolgte nach Ablauf der Ausschlussfrist und war nicht genügend entschuldigt. Der Kläger kann sich zur Entschuldigung nicht auf den beträchtlichen Zeit- und Kostenaufwand für die erforderliche Stellung des ausländischen Zeugen berufen. Denn die Benennung des Zeugen innerhalb der Frist hätte noch keinerlei Aufwand ausgelöst. Sie hätte das Gericht aber in die Lage versetzt, die ggf. erforderlich werdende Vernehmung des Zeugen bei seiner Terminplanung zu berücksichtigen und dem Kläger rechtzeitig die Stellung des Zeugen in der mündlichen Verhandlung aufzugeben.
e) Die erst in der mündlichen Verhandlung beantragte Vernehmung des Zeugen hätte die Erledigung des Rechtsstreits verzögert. Nach dem insoweit maßgeblichen absoluten Verzögerungsbegriff tritt eine Verzögerung dann ein, wenn der Rechtsstreit bei Zulassung der verspäteten Erklärungen oder Beweismittel länger als bei deren Zurückweisung dauern würde (vgl. , BFHE 189, 3, BStBl II 1999, 664, m.w.N.). Wäre das FG dem Beweisantrag gefolgt, hätte es über den Rechtsstreit in der mündlichen Verhandlung vom nicht abschließend entscheiden können. Es wäre eine weitere mündliche Verhandlung erforderlich gewesen.
f) Die Zurückweisung des Beweisantrags ist nicht wegen eines Ermessensfehlgebrauchs zu beanstanden. Es erscheint vielmehr ermessensgerecht, den Beweisantrag zurückzuweisen. Die lange Dauer des Verfahrens bis zur zielgerichteten Sachaufklärung des Gerichts kann nicht zu Gunsten des Klägers berücksichtigt werden. Denn die Ausschlussfrist wurde einerseits erst gesetzt, nachdem intensiv mit der Sachaufklärung begonnen worden und durch schriftliche Auskunft des Zeugen L deutlich geworden war, dass weitere Beweismittel erforderlich sein könnten, um die Behauptungen des Klägers zu verifizieren. Es ist in diesem Zusammenhang unerfindlich, weshalb die Benennung des Zeugen S nicht zumindest zugleich mit der Benennung der Zeugen L (erneut) und K in Beantwortung der Aufklärungsanordnung durch Schriftsatz vom erfolgt ist.
Andererseits war die Ausschlussfrist frühzeitig vor der mündlichen Verhandlung gesetzt worden. Es hätte auch nach Ablauf der Frist hinreichend Gelegenheit bestanden, weitere Beweismittel zu benennen und beizubringen, ohne die Erledigung des Rechtsstreits zu verzögern. Dazu hätte insbesondere Veranlassung bestanden, nachdem die Vernehmung der Zeugen L und K am in Bezug auf die Zahlung an die T-AG unergiebig geblieben war.
Fundstelle(n):
KAAAB-41189