OFD Frankfurt am Main - S 2221 A - 46 - St II 2.08

Behandlung der Beiträge von Mitgliedern derjenigen Religionsgemeinschaften, die mindestens in einem Bundesland als Körperschaften des öffentlichen Rechts anerkannt sind, aber während des ganzen Kalenderjahres keine Kirchensteuer erheben, als Sonderausgaben im Sinne von § 10 Abs. 1 Nr. 4 EStG

Bezug:

Nach R 101 Abs. 1 EStR können unter den dort genannten Voraussetzungen Beiträge der Mitglieder von Religionsgemeinschaften, die mindestens in einem Bundesland als Körperschaften des öffentlichen Rechts anerkannt sind, aber während des ganzen Kalenderjahres keine Kirchensteuer erheben, wie Kirchensteuern abgezogen werden. Der höchstmögliche Abzug beträgt 9 v.H. der festgesetzten Einkommensteuer auf das um die Beiträge geminderte zu versteuernde Einkommen; § 51a Abs. 1 und 2 EStG ist anzuwenden ( BStBl 2002 II S. 201).

Bemessungsgrundlage für die Kirchensteuer ist der gem. § 51a Abs. 1 und 2 EStG abweichend von der Einkommensteuer unter Berücksichtigung folgender Besonderheiten zu ermittelnde Betrag:

  • Kinderfreibeträge werden immer abgezogen,

  • steuerfreie Halbeinkünfte (§§ 3 Nr. 40, 3c Abs. 2 EStG) werden hinzugerechnet bzw. abgezogen,

  • die Steuerermäßigung bei Einkünften aus Gewerbebetrieb i.S.v. § 35 EStG ist nicht anzuwenden.

Kirchenbeiträge, die nicht wie Kirchensteuer abgezogen werden, sind im Rahmen des. § 10b Abs. 1 EStG als Zuwendung (Spende) zur Förderung kirchlicher bzw. religiöser Zwecke abzugsfähig.

Bei der Berechnung des Abzugsbetrags ergibt sich insoweit ein rechnerisches Problem, als die berücksichtigungsfähigen Kirchenbeiträge das zu versteuernde Einkommen und damit die festzusetzende Einkommensteuer mindern, nach der sich der wie Kirchensteuern abzugsfähige Betrag bemisst. Der Abzugsbetrag ist daher durch eine Probeberechnung näherungsweise zu ermitteln.

Bei der Berechnung ist zweckmäßigerweise wie folgt vorzugehen (Beispiel vgl. unten):

I. Ermittlung des Spendenabzug

Zunächst ermittelt man den Teil der Kirchenbeiträge, der als Spende abgezogen werden kann. Das sind i.d.R. bis zu 5 v.H. des Gesamtbetrages der Einkünfte, wenn nicht der Höchstbetrag bereits durch andere Spenden ausgeschöpft wird.

Soweit die Kirchenbeiträge nicht als Spenden abgezogen werden können, ist der Abzug wie Kirchensteuer zu prüfen.

II. Ermittlung des wie Kirchensteuer abzugsfähigen Betrags
1. Ermittlung der Bemessungsgrundlage

(Einkommensteuer auf das z.v.E. ohne Abzug der Kirchenbeiträge wie KiSt, jedoch mit Spendenabzug unter Berücksichtigung von § 51a Abs. 2 EStG)

Ausgangsgröße für die Berechnung von Zuschlagssteuern ist das nach § 51a Abs. 2 EStG korrigierte zu versteuernde Einkommen. Es ist daher zunächst vom zuvor ermittelten z.v.E. (inklusive bereits abgezogener Spenden, vgl. Punkt I.) gegebenenfalls zu gewährende Kinderfreibeträge abzuziehen und Auswirkungen des Halbeinkünfteverfahrens (§§ 3 Nr. 40, 3c Abs. 2 EStG) zu neutralisieren. Desweiteren ist zu beachten, dass für die Ermittlung der Bemessungsgrundlage im Sinne von § 51a Abs. 2 EStG auch keine Steuerermäßigung bei Einkünften aus Gewerbebetrieb gem. § 35 EStG gewährt wird.

Die sich aus dem nach § 51a Abs. 1 und 2 EStG korrigierten z.v.E. ergebende tarifliche Einkommensteuer bildet die Bemessungsgrundlage für die Ermittlung der abziehbaren Kirchenbeiträge.

2. Ermittlung der vorläufig abzugsfähigen Kirchenbeiträge

Die vorläufig abzugsfähigen Kirchenbeiträge ergeben sich durch Multiplikation des in Hessen geltenden Kirchensteuersatzes von 9 v.H. mit der ermittelten Bemessungsgrundlage.

Bemessungsgrundlage × 9 v.H. = vorläufig abzugsfähige Kirchenbeiträge

Die vorläufig abzugsfähigen Kirchenbeiträge sind allerdings zu hoch, weil die Bemessungsgrundlage noch nicht um die wie KiSt berücksichtigungsfähigen Kirchenbeiträge gemindert wurde. Aus diesem Grund sind weitere Berechnungen notwendig.

3. Ermittlung der zweiten Bemessungsgrundlage

(Einkommensteuer auf das z.v.E. mit Abzug der vorläufig abzugsfähigen Kirchenbeiträge und mit Spendenabzug unter Berücksichtigung von § 51a Abs. 2 EStG)

Wie unter II.1 ist erneut eine Prüfberechnung durchzuführen. Dabei sind die im vorangegangenen Rechenschritt ermittelten vorläufig abzugsfähigen Kirchenbeiträge von dem nach § 51a Abs. 1 und 2 EStG korrigierten z.v.E. abzuziehen. Mit diesem Wert ist die zweite Bemessungsgrundlage durch Berechnung der tariflichen Einkommensteuer zu ermitteln.

4. Ermittlung der genäherten Kirchenbeiträge

Zweite Bemessungsgrundlage × 9 v.H. = genäherte Kirchenbeiträge

5. Berechnung der dritten Bemessungsgrundlage unter Berücksichtigung der genäherten Kirchenbeiträge

Wie unter II.1 und II.3 ist eine Prüfberechnung durchzuführen. Anstelle der vorläufig abzugsfähigen Kirchenbeiträge sind dabei die genäherten Kirchenbeiträge aus II.4 abzuziehen. Auch in diesem Schritt ist die Bemessungsgrundlage nach obigen Schema zu ermitteln. Sollte sich hierbei ein zu II.3 identischer Wert ergeben, ist die Berechnung beendet. Der genäherte Kirchenbeitrag entspricht dann dem berücksichtigungsfähigen Kirchenbeitrag.

Sollte eine gegenüber II.3 abweichende Bemessungsgrundlage das Ergebnis sein, ist die Berechnung nach obigen Schema zur Ermittlung einer dritten Bemessungsgrundlage ein weiteres Mal durchzuführen.

Dritte Bemessungsgrundlage × 9 v.H. = zweite Näherung der Kirchenbeiträge

Das Näherungsverfahren ist nach obigem Schema solange vorzunehmen, bis eine Übereinstimmung der letzten beiden Ergebnisse erreicht wird.

Beispiel:

A ist ein alleinstehendes Mitglied der Gemeinschaft der Siebenten-Tags-Adventisten. Im Jahr 2002 zahlte er 5.000 € an Kirchenbeiträgen. Weitere Beträge spendet er nicht. Der Gesamtbetrag der Einkünfte des A beträgt 50.000 €, das nach § 51a Abs. 2 EStG korrigierte zu versteuernde Einkommen 44.000 € (nach Abzug der als Spenden abzugsfähigen Kirchenbeiträge in Höhe von 2.500 €, weiteren Sonderausgaben von 3.000 € und außergewöhnlichen Belastungen von 500 €, aber vor Abzug des wie Kirchensteuer abzugsfähigen Teilbetrags).

Lösung:

  1. Spendenabzug:

    A kann die Kirchenbeiträge in Höhe von 5 v.H. von 50.000 € = 2.500 € als Spenden abziehen.

  2. Probeberechnung: Kirchensteuer-Abzugsbetrag

    Für die verbliebenen Kirchenbeiträge i.H.v. 2.500 € ist der Abzug auf den Betrag der fiktiven Kirchensteuer (9 v.H. der Einkommensteuer für das korrigierte zu versteuernde Einkommen) begrenzt.

    1. Ermittlung der Bemessungsgrundlage

      Die Bemessungsgrundlage beträgt bei einem z.v.E. von 44.000 € und einer tariflichen Einkommensteuer von 11.808 €, da vorliegend keine Korrekturen gem. § 51a Abs. 2 EStG vorzunehmen sind, 11.808 €.

    2. Ermittlung der vorläufig abzugsfähigen Kirchenbeiträge

      11.808 € × 9 v.H. = 1.062,72 €

    3. Ermittlung der zweiten Bemessungsgrundlage

      Tabelle in neuem Fenster öffnen
      44.000,00 €
      z.v.E. alt
      ./.   1.062,72 €
      vorläufig abzugsfähige Kirchenbeiträge
      = 42.937,28 €
      z.v.E. neu

      Die Bemessungsgrundlage beträgt bei einem z.v.E. von 42.937,28 € und einer tariflichen Einkommensteuer von 11.353 € mangels Korrekturen gem. § 51a Abs. 2 EStG ebenfalls 11.353 €.

    4. Ermittlung der genäherten Kirchenbeiträge

      11.353 € × 9 v.H. = 1.021,77 €

    5. Berechnung der dritten Bemessungsgrundlage

      Tabelle in neuem Fenster öffnen
      44.000,00 €
      z.v.E. alt
      ./.   1.021,77 €
      genäherte Kirchenbeiträge
      = 42.978,23 €
      z.v.E. neu

      Die Bemessungsgrundlage beträgt bei einem z.v.E. von 42.978,23 € und einer tariflichen Einkommensteuer von 11.368 € mangels Korrekturen gem. § 51a Abs. 2 EStG ebenfalls 11.368 €.

    6. Ermittlung der zweiten Näherung der Kirchenbeiträge

      11.368 € × 9 v.H. = 1.022,67 €

    7. Berechnung der vierten Bemessungsgrundlage

      Tabelle in neuem Fenster öffnen
      44.000,00 €
      z.v.E. alt
      ./.   1.022,67 €
      zweite Näherung der Kirchenbeiträge
      = 42.977,33 €
      z.v.E. neu

      Die Bemessungsgrundlage beträgt bei einem z.v.E. von 42.977,33 € und einer tariflichen Einkommensteuer von 11.368 € mangels Korrekturen gem. § 51a Abs. 2 EStG ebenfalls 11.368 €.

      Vorliegend ist die Bemessungsgrundlage mit der aus Schritt fünf identisch. Das Näherungsverfahren ist daher abgeschlossen. Die zweite Näherung der Kirchenbeiträge entspricht den berücksichtigungsfähigen Kirchenbeiträgen.

    Tabelle in neuem Fenster öffnen
    Ergebnis:
    11.368 € × 9 v.H. = 1.022,67 €
    als fiktive Kirchensteuer berücksichtigungsfähige Kirchenbeiträge

Die Voraussetzungen für den Abzug wie Kirchensteuer sind vom Steuerpflichtigen nachzuweisen oder glaubhaft zu machen. Dies gilt insbesondere für den Nachweis, dass eine Anerkennung als Körperschaft des öffentlichen Rechts vorliegt. Soweit ein Steuerpflichtiger den Abzug von freiwilligen Zahlungen an eine der in Hessen als Körperschaft des öffentlichen Rechts anerkannte Religions- bzw. Weltanschauungsgemeinschaft beantragt, gilt dieser Nachweis als erbracht. In Zweifelsfällen bittet die OFD um Bericht (ggf. telefonisch).

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Fundstelle(n):
GAAAB-40577