BFH Urteil v. - X R 72/01

Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung nicht als vorweggenommene WK abziehbar

Gesetze: EStG § 10 Abs. 2, 3, §§ 9, 22

Instanzenzug: (Verfahrensverlauf), ,

Verfahrensstand: Diese Entscheidung ist rechtskräftig

Gründe

I. Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) sind verheiratet und wurden in den Streitjahren 1990 und 1991 zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Der Kläger erzielte Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit sowie aus freiberuflicher Tätigkeit; die Klägerin war nichtselbständig tätig. Der Sohn der Kläger ist im Jahre 1974 geboren. In ihrer Einkommensteuererklärung für 1990 und 1991 machten die Kläger folgende Vorsorgeaufwendungen geltend (Werte in DM):


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1990
1991
Arbeitnehmeranteil am Gesamtsozialversicherungsbeitrag
 
 
     des Klägers      der Klägerin
1 626 2 871
2 408 4 265
Krankenversicherungsbeiträge
3 104
3 335
Beiträge zur Unfallversicherung
185
185
Beiträge zur Lebensversicherung
5 236
12 237
Beiträge zur Haftpflichtversicherung
616
616

Von diesen Versicherungsbeiträgen erkannte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt —FA—) in den Einkommensteuerbescheiden für 1990 und 1991 jeweils Beträge in Höhe der Vorsorgepauschale von 7 020 DM als Sonderausgaben an. Das FA berücksichtigte ferner einen Kinderfreibetrag in Höhe vor Einführung des § 53 des Einkommensteuergesetzes (EStG). Die Bescheide ergingen gemäß § 165 Abs. 1 der Abgabenordnung (AO 1977) teilweise vorläufig im Hinblick auf anhängige Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht (BVerfG) zu den Kinderfreibeträgen bzw. zusätzlich betreffend weiterer Verfahren, u.a. wegen der nur beschränkt abzugsfähigen Vorsorgeaufwendungen (§ 10 Abs. 3 EStG). Die eingelegten Einsprüche hatten keinen Erfolg.

Mit der Klage begehrten die Kläger u.a. die Abziehbarkeit der Rentenversicherungsbeiträge als Werbungskosten bei den Einkünften aus § 19 EStG sowie auf der Rechtsgrundlage des § 33c EStG die Berücksichtigung geschätzter Kinderbetreuungskosten in Höhe von 3 024 DM. Die Entscheidung des u.a. (BVerfGE 99, 216, BStBl II 1999, 182) verstoße gegen Art. 1, 3, 6, 19 Abs. 4 und 20 des Grundgesetzes (GG). Das BVerfG habe durch die Anordnung der weiteren Anwendung der verfassungswidrigen Norm des § 33c EStG unter Verstoß gegen § 79 Abs. 2 des Gesetzes über das Bundesverfassungsgericht (BVerfGG) die Rückwirkung der festgestellten Verfassungswidrigkeit des § 33c EStG für Fälle wie den vorliegenden verhindert. Dieser von ihnen so bezeichnete „Verfassungsbruch des BVerfG” führe dazu, dass der Teil des Beschlusses des BVerfG, der die Weitergeltung betreffe, nicht gemäß § 31 BVerfGG Gesetzeskraft entfalte. Die Klage hatte keinen Erfolg.

Die Revision der Kläger richtet sich hinsichtlich der Kinderbetreuungskosten „gegen die vom BVerfG angeordnete zukünftige Gesetzesregelung”. Sie selbst hätten sich rechtzeitig und fristwahrend gegen die Entscheidungen der Finanzverwaltung gewehrt. Sie rügen insbesondere „die Verletzung des § 33c EStG (Kinderbetreuungskosten) i.V.m. § 79 BVerfGG (gebotene Rückwirkung bei Verfassungswidrigkeit einer Gesetzesnorm) i.V.m. Art. 3 GG (Gleichheitsgebot), Art. 6 GG (Schutz und Förderung der Familie), Art. 19 GG (Rechtsstaatlichkeit), Art. 14 GG (Eigentumsgarantie), Art. 20 GG (Sozialstaatsgarantie), Art. 2 GG (Menschenwürde) bei gleichzeitigem Verstoß gegen die EMRK (Art. 6, Art. 8, Art. 14)”. Ferner rügen sie den betragsmäßig eingeschränkten Abzug der Vorsorgeaufwendungen.

Die Kläger beantragen sinngemäß,

die Einkommensteuerbescheide 1990 und 1991 in der zuletzt gültigen Fassung, die Einspruchsentscheidung vom sowie das angefochtene Urteil aufzuheben und die Einkommensteuer neu festzusetzen unter Berücksichtigung einer Abzugsfähigkeit von Kinderbetreuungskosten, die zumindest der neuen Gesetzesregelung durch das Familienförderungsgesetz i.d.F. ab entspricht, und der höheren Berücksichtigung von Vorsorgeaufwendungen im Rahmen des § 10 EStG und alternativ den vollen Abzug der Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung als Werbungskosten bei den Einkünften nach § 22 EStG.

Das FA beantragt,

die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

II. Die Revision ist unbegründet.

1. Die Kläger haben keinen Anspruch auf Zuerkennung eines Abzugsbetrages zur Berücksichtigung des Aufwandes für Kinderbetreuung.

Das BVerfG hat mit Urteil in BVerfGE 99, 216, BStBl II 1999, 182 entschieden, dass die Leistungsfähigkeit von Eltern, über den existentiellen Sachbedarf und den erwerbsbedingten Betreuungsbedarf des Kindes hinaus, generell durch den Betreuungsbedarf gemindert wird. Der Betreuungsbedarf muss als notwendiger Bestandteil des familiären Existenzminimums einkommensteuerlich unbelastet bleiben, ohne dass danach unterschieden werden dürfte, in welcher Weise dieser Bedarf gedeckt wird. Die Entscheidungsformel zu 5. lautet wie folgt:

„Der Gesetzgeber ist verpflichtet, spätestens mit Wirkung zum eine Neuregelung hinsichtlich der unter 1. und spätestens mit Wirkung zum hinsichtlich der unter 2. für verfassungswidrig erklärten Vorschriften zu treffen. Bis zu diesem Zeitpunkt bleiben die bisherigen Regelungen weiter anwendbar.”

Unter D. I. 1. der Entscheidungsgründe führt das BVerfG aus:

„Die für verfassungswidrig erkannten Regelungen des § 33c EStG sind bis zum weiterhin anzuwenden. Bis zu diesem Zeitpunkt hat der Gesetzgeber in einem ersten Reformschritt die Besteuerung der Familie in der Weise neu zu regeln, dass der Betreuungsbedarf jedes Kindes als verminderte Leistungsfähigkeit seiner Eltern berücksichtigt wird. ...”

Diese Anordnung der Weitergeltung hat Gesetzeskraft (§ 31 Abs. 2 BVerfGG; vgl. , BFHE 191, 240, BStBl II 2000, 378). Sie bedeutet vorliegend, dass die steuerliche Nichtberücksichtigung von Kinderbetreuungskosten für Zeiträume vor 2000 geltendes Recht geblieben ist (vgl. , BStBl II 1998, 422; BFH-Beschlüsse vom II B 157/99, BFH/NV 2001, 498, juris STRE200051313; vom VII R 20/94, BFHE 175, 519, BStBl II 1995, 42).

2. Die Argumentation der Kläger, die im BGBl veröffentlichte Entscheidungsformel sei nicht mit Gesetzeskraft versehen, geht fehl. Zutreffend hat das Finanzgericht (FG) entschieden, dass das BVerfG die Weitergeltung einer für verfassungswidrig erkannten Norm angeordnet habe, so dass im Ergebnis eine Änderung der Steuerfestsetzungen für zurückliegende Veranlagungszeiträume —also auch die Streitjahre— nicht in Betracht komme (vgl. , BFH/NV 1999, 1192, und vom X R 68/98, BFH/NV 1999, 1193). Es bedürfe keiner —erneuten— Prüfung der Verfassungsmäßigkeit durch das BVerfG. Dem stimmt der erkennende Senat nach Maßgabe der folgenden Erwägungen zu.

Formell ordnungsgemäß zustande gekommene Gesetze sind solange und soweit für Bürger, Behörden und Gerichte uneingeschränkt verbindlich, als sie nicht vom BVerfG aufgrund dessen Kassationsmonopols (Art. 100 Abs. 1 GG) wegen eines Verfassungsverstoßes aufgehoben worden sind. Gebietet das Gemeinwohl einen schonenden Übergang von der verfassungswidrigen zur verfassungsgemäßen Rechtslage, so kann sich das BVerfG auf eine Unvereinbarkeitserklärung beschränken und gleichzeitig die vorübergehende Weitergeltung der Norm gemäß § 35 BVerfGG anordnen (, BVerfGE 91, 186, BGBl I 1995, 93, unter C. III. 1. der Entscheidungsgründe). Ordnet das BVerfG in dieser Weise die befristete weitere Anwendung eines von ihm für materiell verfassungswidrig erachteten Gesetzes an, wirkt sich die Unvereinbarkeitserklärung nur für die Zukunft aus. Das BVerfG hat die Fortgeltung der verfassungswidrigen Norm für eine Übergangszeit toleriert, um dem Gesetzgeber ausreichend Zeit für eine Neuregelung zu lassen, die sowohl dem Ziel vollständiger Berücksichtigung und gleicher Belastung als auch den haushaltsrechtlichen Auswirkungen der Neuregelung im Rahmen der mittelfristigen Finanzplanung Rechnung tragen kann. Der Steuerpflichtige hat dies für die besagte Übergangszeit hinzunehmen (vgl. z.B. , Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung —HFR— 1993, 266, Steuerrechtsprechung in Karteiform, Einkommensteuergesetz, 1975, § 32a, Rechtsspruch 5 a).

3. Eine erneute Befassung des BVerfG durch eine entsprechende Vorlage des Senats kommt nicht in Betracht.

a) Eine Verfassungsbeschwerde gegen ein Urteil des BVerfG ist nicht zulässig. Sie ist in gleicher Weise nicht zulässig gegen ein Gesetz, das durch ein Urteil des BVerfG für gültig erklärt worden ist (, BVerfGE 1, 89). Darüber hinaus kann eine mit Gesetzeskraft versehene Entscheidung des BVerfG nicht ihrerseits Gegenstand eines Normenkontrollverfahrens nach Art. 100 GG sein (Bethge in Maunz/Schmidt-Bleibtreu/Klein/Bethge, Bundesverfassungsgerichtsgesetz, Kommentar, § 31 Rdnr. 160, m.w.N.).

b) Eine Vorlage nach Art. 100 Abs. 1 GG ist auch deshalb unzulässig, weil das BVerfG über die Unvereinbarkeit der vorgelegten Norm mit höherrangigem Recht bereits entschieden hat. Das vorlegende Gericht ist gemäß § 31 Abs. 1 BVerfGG an die Entscheidungen des BVerfG gebunden, die darüber hinaus gemäß § 31 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG Gesetzeskraft entfalten (, BStBl II 1999, 509, Unzulässigkeit einer erneuten Richtervorlage zur Gewerbesteuer).

Zwar bezieht sich die Rechtskraft einer gerichtlichen Entscheidung stets auf den Zeitpunkt, in dem sie ergeht. Unberührt bleiben damit solche Veränderungen, die erst später eintreten. Eine erneute Befassung des BVerfG aufgrund einer Richtervorlage nach Art. 100 GG ist lediglich dann nicht ausgeschlossen, wenn tatsächliche oder rechtliche Veränderungen eingetreten sind, die die Grundlage der früheren Entscheidung berühren und deren Überprüfung nahe legen. Jedoch sind an die Begründung einer —weiteren— Vorlage gesteigerte Anforderungen zu stellen. Sie muss von der Entscheidung des BVerfG ausgehen und darlegen, inwiefern sich die für die verfassungsrechtliche Beurteilung maßgebliche Lage verändert haben soll (ständige Rechtsprechung des BVerfG, z.B. Beschluss vom 1 BvL 31/88 u.a., BVerfGE 87, 341, 346).

c) Allerdings geht es den Klägern hierum nicht. Da eine Sachentscheidung des BVerfG bereits zur Erklärung der Unvereinbarkeit des geltenden Rechts mit der Verfassung geführt hatte, begehren sie vom erkennenden Senat, dass dieser das BVerfG zu einem Überdenken seiner Entscheidung zur Weitergeltung veranlasst. Hierfür gibt es indes keine verfahrensrechtliche Handhabe. Vor allem ist es dem Fachgericht materiell-rechtlich nicht möglich, hinsichtlich einer vom BVerfG als Verfassungsorgan getroffenen Abwägung —hier: Bestimmung eines das Gemeinwohl schonenden Übergangs von der verfassungswidrigen zu einer verfassungsgemäßen Rechtslage— eine „übergeordnete Rechtsnorm” (§ 80 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG) als Prüfungsmaßstab zu finden. Die Kläger unterstellen, dass das Dogma der Nichtigkeit verfassungswidriger Gesetze uneingeschränkt und ausnahmslos gilt. Letzteres ist indes insofern nicht der Fall, als das BVerfG in seine die Rechtsfolgen der Nichtigkeit bestimmende Ermessensentscheidung unter dem systematischen Gesichtspunkt der Einheit der Verfassung abwägungsfähige Rechtsgüter einbezieht (vgl. Wernsmann, Das gleichheitswidrige Steuergesetz - Rechtsfolgen und Rechtsschutz, 2000, S. 62 ff., 67 ff., 221 ff.). Dies wird auch von den Klägern —für Ausnahmefälle— nicht in Frage gestellt. Diese Ermessensentscheidung ist kompetenzrechtlich dem BVerfG als Verfassungsorgan vorbehalten und einer justizförmigen Erörterung und Prüfung durch die Fachgerichte entzogen.

Den Klägern ist zuzugeben, dass die Spruchpraxis des BVerfG auch unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten —insbesondere: Verletzung von Grundrechten, Gesetzesvorbehalt, Gewährung effektiven Rechtsschutzes— problematisiert werden kann (vgl. Battis, Der Verfassungsverstoß und seine Rechtsfolgen, in Isensee/Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts, Bd. VII, 1992, § 165 Rdnr. 29 ff., 40 f., m.w.N.; Wernsmann, a.a.O., S. 221 ff.; Drüen, Haushaltsvorbehalt bei der Verwerfung verfassungswidriger Gesetze?, Finanz-Rundschau —FR— 1999, 289; zuletzt Habscheidt, Der Anspruch des Bürgers auf Erstattung verfassungswidriger Steuern, 2003, S. 29 ff., 71 ff.). Seit jeher ist dem BVerfG im Schrifttum die Kompetenz bestritten worden, die Rechtsfolgen der Verfassungswidrigkeit nach seinem Ermessen festzulegen (vgl. Battis, a.a.O., Rdnr. 40). Es wird insbesondere bemängelt, dass ein Verfassungsverstoß des Gesetzgebers für einen bestimmten Zeitraum endgültig sanktionslos bleibt (vgl. Wernsmann, a.a.O., S. 221: „Perpetuierung von Unrecht”). Der in diesem Sinne auch von den Klägern beanstandete Rechtszustand ist indes hinzunehmen, weil die Weitergeltungsanordnung materiell-rechtlich nicht überprüfbar ist und in verfahrensrechtlicher Hinsicht an der materiellen Rechtskraft der Entscheidungen des BVerfG teilhat.

d) Bei ihrem Hinweis auf die Spruchpraxis des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften (EuGH), der seinen Urteilen uneingeschränkte Rückwirkung beilegt, übersehen die Kläger, dass der EuGH nach Art. 231 Abs. 2 des Vertrages zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft (Amsterdamer Fassung) bei Nichtigerklärung einer Verordnung infolge Unvereinbarkeit mit höherrangigem Recht bestimmte Wirkungen der Verordnung „als fortgeltend” bezeichnen kann, und zwar auch mit Wirkung für die Übergangszeit bis zu einer Neuregelung. Als Gründe hierfür kommen in Betracht etwa Erwägungen der Rechtssicherheit, des Vertrauensschutzes oder die Wahrung überragender öffentlicher Interessen (vgl. 112/83 - Société des produits de maïs, EuGHE 1985, 732). Es liegt in der Kompetenz des EuGH, diese Gesichtspunkte mit dem Prinzip der Rechtmäßigkeit abzuwägen. Hierbei nimmt er einen weiten Beurteilungsspielraum in Anspruch (vgl. Gaitanides in von der Groeben/Schwarze, Vertrag über die Europäische Union und die Gründung der Europäischen Gemeinschaft, 2004, § 231 Rdnr. 7 ff.).

4. Das FG hat zutreffend entschieden, dass der von den Klägern für das o.g. Verfahren des BVerfG behauptete Verstoß gegen Art. 19 Abs. 4 GG wegen überlanger Verfahrensdauer die vom BVerfG angeordnete Weitergeltung der bisherigen steuerlichen Rechtslage nicht tangiert. Es hat hierzu ausgeführt, dass ein derartiger Verstoß gegen Art. 6 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) —wenn er denn vorläge— zur Verurteilung der Bundesrepublik Deutschland durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte führen würde, für ihr Verfassungsgericht einzustehen und den erfolglos gebliebenen Klägern die Verfahrenskosten zu ersetzen. Dem ist zu folgen; es kommt mithin nicht darauf an, ob, was nach Auffassung des erkennenden Senats fraglich ist, Art. 6 Abs. 1 Satz 1 EMRK vorliegend wegen des öffentlich-rechtlichen Charakters der Besteuerung nicht zur Anwendung kommt.

5. Die von den Klägern unstreitig geleisteten Beträge zur gesetzlichen Rentenversicherung sind nicht als vorweggenomme Werbungskosten bei ihren Einkünften aus § 22 EStG abzugsfähig. Die unmittelbaren Aufwendungen (Einmalprämie oder laufende Beiträge) für den Erwerb von Rentenrechten können auch insoweit, als deren Erträge (ganz oder teilweise) der Besteuerung nach § 22 Nr. 1 Satz 1 oder Satz 3 Buchst. a EStG unterliegen, weder als sofort abziehbare (vorweggenommene) Werbungskosten noch als Absetzungen für Abnutzung Berücksichtigung finden (, BFHE 197, 114, BFH/NV 2002, 268). In Übereinstimmung hiermit hat der BFH in ständiger Rechtsprechung entschieden, Beiträge zu den gesetzlichen Rentenversicherungen seien dem Abzug als Sonderausgaben zugeordnet und nicht als Werbungskosten abziehbar (, BFHE 134, 124, BStBl II 1982, 41; vom IX R 206/84, BFHE 147, 176, BStBl II 1986, 747; vom X R 204/87, BFH/NV 1990, 762; , BFH/NV 1999, 163). Ungeachtet dessen folgt die Rechtsnatur der Beiträge als „private” Aufwendungen aus der ausdrücklichen gesetzlichen Zuweisung zu den Vorsorgeaufwendungen des § 10 Abs. 2 und 3 EStG. Das BVerfG hat dies aus verfassungsrechtlicher Sicht nicht beanstandet (, HFR 1998, 397, 398).

6. Der erkennende Senat lässt dahingestellt, ob er dem XI. Senat (Urteil vom XI R 41/99, BFHE 200, 529, BStBl II 2003, 179) darin folgen könnte, dass die Begrenzung des Abzugs von Vorsorgeaufwendungen gemäß § 10 Abs. 3 EStG nicht verfassungswidrig ist (s. auch von Eichborn, HFR 2003, 345, und Deutsches Steuerrecht 2003, 1515). Er geht davon aus, dass eine Neuregelung zur Effektuierung des subjektiven Nettoprinzips, nach welchem indisponible Aufwendungen des Steuerpflichtigen die Steuerbemessungsgrundlage mindern müssen, von dem Regelungsauftrag und der Weitergeltungsanordnung im (BVerfGE 105, 73, BStBl II 2002, 618) umfasst ist. Das BVerfG hatte mit Beschlüssen vom 1 BvR 1300/89 (HFR 1997, 937) und in HFR 1998, 397 die ständige Rechtsprechung des BFH (z.B. Entscheidungen vom IV R 4/84, BFHE 181, 31; in BFH/NV 1999, 163) bestätigt, dass Vorsorgeaufwendungen nur im Rahmen der Höchstbeträge des § 10 Abs. 3 EStG abziehbar sind. Es hat u.a. ausgeführt: Die Frage, in welchem Umfang Vorsorgeaufwendungen zur gesetzlichen Sozialversicherung zum Abzug von der Bemessungsgrundlage zuzulassen sind,

„betrifft den Regelungsbereich, der vom Auftrag des BVerfG an den Gesetzgeber zur Neuordnung der Besteuerung von Alterseinkünften umfaßt wird. Das BVerfG hat in seiner Entscheidung vom 1 BvR 121, 122/76 (BVerfGE 54, 11) den Gesetzgeber angewiesen, eine Neuregelung der Besteuerung von Beamtenpensionen und Sozialversicherungsrenten zu schaffen; dies schließt auch die Neuregelung der steuerlichen Behandlung des Abzugs von Vorsorgeaufwendungen —soweit sie der Alterssicherung dienen— als einen wesentlichen Bestandteil des Rentenbesteuerungsrechtes ein.”

Das BVerfG hat in seinem Urteil in BVerfGE 105, 73, BStBl II 2002, 618 den Gesetzgeber zum Tätigwerden bis zum verpflichtet. Diese Entscheidung spricht in ihrem 3. Leitsatz von der „gebotenen Neuregelung der Besteuerung von Vorsorgeaufwendungen für die Alterssicherung” und ihrer Abstimmung auf die Besteuerung von Bezügen aus dem Ergebnis der Vorsorgeaufwendungen. Unter D. II. der Entscheidungsgründe schließt es das BVerfG aus, dass der Gesetzgeber verfassungsrechtlich verpflichtet ist, „die Rechtslage rückwirkend, bezogen auf das Veranlagungsjahr 1996, zu bereinigen”. Ein rückwirkender Abbau der Vergünstigungen bei der Besteuerung von Sozialversicherungsrenten komme aus Verfassungsgründen von vornherein nicht in Betracht.

Hieraus ist zu folgern, dass der Gesetzgeber für Veranlagungszeiträume vor 2005 zu einer „Nachbesserung” des die Altersvorsorge betreffenden Sonderausgabenabzugs nicht verpflichtet ist.

7. Dies gilt ungeachtet des Umstandes, dass, wie die Kläger unter Bezugnahme auf J. Hey (Deutsche Rentenversicherung —DRV— 2004, S. 1 ff.; s. ferner Brall/Bruno-Latocha/Lohmann, DRV 2003, 673) vortragen, aufgrund des Gesetzes zur Neuordnung der einkommensteuerrechtlichen Behandlung von Altersvorsorgeaufwendungen und Altersbezügen —Alterseinkünftegesetz— vom (BGBl I 2004, 1427) —unter Nichtbeachtung des vom BVerfG in BVerfGE 105, 73, BStBl II 2002, 618 ausgesprochenen „Verbots der Doppelbesteuerung"— für bestimmte Gruppen von Rentenbeziehern „in Zukunft eine Übermaßbesteuerung eintreten” sollte. Solches als zutreffend unterstellt, wäre indes die von den Klägern beanspruchte „Heilung” nicht in der Weise möglich, dass „die Beiträge zur Rentenversicherung bereits im Vorwege als Werbungskosten berücksichtigt werden”. Aus der vorstehend dargestellten Zeitkomponente des Regelungsauftrags an den Gesetzgeber folgt, dass das bisherige Recht der Vorsorgeaufwendungen fortgilt und eine Prüfung der Frage, ob der Gesetzgeber eine korrespondierende Besteuerung des Lebenseinkommens verfassungsgemäß angeordnet hat, künftigen Verfahren betreffend die Besteuerung ab dem Jahre 2005 zufließender Alterseinkünfte vorbehalten bleibt.

Fundstelle(n):
BFH/NV 2005 S. 513
BFH/NV 2005 S. 513 Nr. 4
DStRE 2005 S. 574 Nr. 10
KÖSDI 2005 S. 14660 Nr. 6
VAAAB-40507