Verfassungsmäßigkeit steuerrechtlicher Vorschriften;
Verfahrensrechtliche Regelungen
1 Vorläufigkeit hinsichtlich einzelner Besteuerungsgrundlagen
Der Vorläufigkeitsvermerk nach Abschn. I der vorstehenden Karteikarte wird grundsätzlich programmgesteuert gesetzt.
1.1 Besteuerung der Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften i. S. d. § 23 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 2 und 4 EStG
Der Zweite Senat des – entschieden, dass § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchstabe b EStG in der für die Veranlagungszeiträume 1997 und 1998 geltenden Fassung mit Artikel 3 Abs. 1 GG unvereinbar und nichtig ist, soweit die Vorschrift Veräußerungsgeschäfte bei Wertpapieren betrifft. Das Gericht hat aber auch festgestellt, dass der Befund eines strukturellen Vollzugsdefizits sich nicht ohne weiteres auf die Folgejahre übertragen lässt, weil sich die einfachgesetzliche Lage mit Wirkung ab dem Veranlagungszeitraum 1999 deutlich gewandelt hat.
Unter Bezugnahme auf das Ergebnis der Erörterung mit den obersten Finanzbehörden der Länder gilt daher Folgendes:
Einkommensteuerfestsetzungen für die Veranlagungszeiträume 1997 und 1998
In anhängigen außergerichtlichen und gerichtlichen Rechtsbehelfsverfahren ist – bei Zulässigkeit des Rechtsbehelfs – ein Änderungsbescheid zu erlassen und eine Besteuerung der Einkünfte aus privaten Wertpapierveräußerungsgeschäften rückgängig zu machen. Entsprechendes gilt, falls die Einkommensteuerfestsetzung einen Vorläufigkeitsvermerk hinsichtlich der Besteuerung der Einkünfte aus privaten Wertpapierveräußerungsgeschäften enthält. Bestandskräftige Einkommensteuerbescheide können aufgrund des nicht geändert werden (§ 79 Abs. 2 BVerfGG); der gesetzliche Ausschluss der Änderungsmöglichkeit verbietet die Annahme einer sachlichen Unbilligkeit i. S. d. §§ 163, 227 AO. Es besteht aber ein Vollstreckungsverbot hinsichtlich der auf die Einkünfte aus privaten Wertpapierveräußerungsgeschäften entfallenden Steuer (§ 251 Abs. 2 AO i. V. m. § 79 Abs. 2 BVerfGG).
Einkommensteuerfestsetzungen für die Veranlagungszeiträume ab 1999
Einkommensteuerfestsetzungen sind nicht mehr hinsichtlich der Besteuerung der Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften i. S. d. § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG sowie hinsichtlich der Besteuerung der Einkünfte aus Termingeschäften i. S. d. § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 EStG vorläufig durchzuführen.
Abweichend vom BStBl 2004 I S. 361, sind jedoch bisher vorläufig ergangene Steuerfestsetzungen nicht für endgültig zu erklären; anhängige Einspruchsverfahren können zunächst weiter ruhen (vgl. BStBl 2004 I S. 610). Eine Aussetzung der Vollziehung kommt insoweit nicht mehr in Betracht. Bisher bewilligte Vollziehungsaussetzungen sind zu widerrufen; in Fällen, in denen die Finanzgerichte oder der BFH nach § 69 Abs. 3 FGO Aussetzung der Vollziehung gewährt haben, ist nach § 69 Abs. 6 Satz 2 FGO die Aufhebung des Vollziehungsaussetzungsbeschlusses zu beantragen. Ferner sind nach Maßgabe des § 237 AO Aussetzungszinsen festzusetzen.
Wegen der Frage der Verfassungsmäßigkeit des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG Hinweis auf AO-Kartei OFD Magdeburg § 363 Karte 6.
1.2 Verfassungsmäßigkeit der beschränkten Abziehbarkeit von Vorsorgeaufwendungen
Von der Vorläufigkeitserklärung nicht erfasst ist die Frage, ob bei zusammen veranlagten Ehegatten die Kürzung des Vorwegabzugs selbst dann vom zusammengerechneten vollen Arbeitslohn beider Ehegatten vorzunehmen ist, wenn nur für einen Ehegatten steuerfreie Zukunftssicherungsleistungen erbracht worden sind oder nur ein Ehegatte zum Personenkreis des § 10c Abs. 3 Nr. 1 oder 2 EStG gehört (R 106 Satz 3 EStR 2001), denn hierbei handelt es sich nicht um eine Frage der Vereinbarkeit der Vorschrift mit dem Grundgesetz, sondern lediglich um die „einfachgesetzliche” Auslegung des § 10 Abs. 3 EStG.
Zur Umsetzung der hierzu ergangenen Entscheidung des BFH/NV 2004 S. 701) siehe . Der Betrieb 2004, S. 1859. Zur Umsetzung des BStBl 2004 II S. 546, zur Kürzung des Vorwegabzugs bei einem Alleingesellschafter-Geschäftsführer einer GmbH mit vertraglichem Ruhegehaltsanspruch siehe BStBl 2004 I S. 582.
Änderungen bestandskräftiger Steuerfestsetzungen können in diesen Fällen nicht auf § 165 Abs. 2 AO gestützt werden (vgl. BFH/NV 2004 S. 1064). Etwas anderes würde nur gelten, wenn das Finanzamt beim Steuerpflichtigen den unzutreffenden Eindruck erweckt hat, die Steuerfestsetzungen könnten auch wegen dieser Fragen später nach § 165 Abs. 2 AO geändert werden und der Steuerpflichtige deshalb keinen Rechtsbehelf gegen die Steuerfestsetzung eingelegt hat.
1.3 Abzug von Kinderbetreuungskosten/Neuregelung der Kinderfreibeträge
Nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung [1] ist bei der Berücksichtigung von Kinderbetreuungskosten (bis VZ 1996) eine Kürzung um die zumutbare Belastung nicht vorzunehmen. Die Grundsätze dieser Rechtsprechung sind über die entschiedenen Einzelfälle hinaus anzuwenden. Für die Kürzung der Kinderbetreuungskosten um die zumutbare Belastung gemäß § 33c EStG in der Fassung des JStG 1997 wird auf die AO-Kartei OFD Magdeburg § 363 Karte 4 verwiesen.
Die Beschlüsse des [2] sind durch das Gesetz zur Familienförderung vom [3] umgesetzt worden. Danach ist es rückwirkend nur zu einer Berücksichtigung höherer Kinderfreibeträge für die Jahre 1983 bis 1995 gekommen (§ 53 EStG i. d. F. des Gesetzes zur Familienförderung vom ).
Zur Abwicklung anhängiger Einspruchsverfahren siehe – 1 – St 252 – zur DA-AVB/DA-ANB Teil 2 „Kinderleistungsausgleich”.
Zur Frage der Verfassungsmäßigkeit der Kinderfreibeträge ab 1996 wird auf die – 1 – St 252 – zur DA-AVB/DA-ANB Teil 2 „Kinderleistungsausgleich” verwiesen.
Einspruchsverfahren, in denen geltend gemacht wird, Kinderbetreuungskosten bei beiderseits berufstätigen Ehegatten seien als Werbungskosten abziehbar, ruhen im Hinblick auf das Revisionsverfahren VI R 42/03 kraft Gesetzes, wenn sich der Einspruchsführer auf dieses Verfahren beruft.
OFD Magdeburg v. - S 0338 - 8 - St 252
Fundstelle(n):
KAAAB-36190