BFH Beschluss v. - IX B 27/04 BStBl 2004 II S. 895

Beteiligung des Beigeladenen des Klageverfahrens am Verfahren über die NZB

Leitsatz

Wer im Klageverfahren beigeladen war, ist Beteiligter des nachfolgenden Verfahrens wegen Nichtzulassung der Revision, auch wenn er selbst keine Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt hat (Fortentwicklung des , BFH/NV 1993, 369).

Gesetze: GG Art. 103 Abs. 1FGO § 96 Abs. 2FGO § 116 Abs. 6 und 7FGO § 122 Abs. 1ZPO § 303

Instanzenzug:

Gründe

I.

Die Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) sind zur Einkommensteuer zusammenveranlagte Eheleute. Sie erhoben Klage vor dem Finanzgericht (FG) mit dem Ziel, die Schuldübernahme des Klägers für ein Grundstück, das seine Schwester im Rahmen einer Erbauseinandersetzung erhielt, bei der Ermittlung seiner Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung als Werbungskosten abzuziehen. Das FG lud die Schwester des Klägers zum Verfahren bei. Die Beigeladene beantragte ebenso wie der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt —FA—), die Klage abzuweisen. Gegen das klageabweisende Urteil des FG wenden sich die Kläger mit der Nichtzulassungsbeschwerde.

Die Beigeladene des Klageverfahrens beantragt, am Verfahren über die Nichtzulassungsbeschwerde beteiligt zu werden, insbesondere die gewechselten Schriftsätze der Kläger und des FA zur Stellungnahme zu erhalten.

Die Kläger und das FA vertreten die Auffassung, die Beigeladene des Klageverfahrens sei nicht Beteiligte des Verfahrens über die Nichtzulassungsbeschwerde, weil sie nicht selbst Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt habe.

II.

Durch Zwischenentscheidung (§ 155 der FinanzgerichtsordnungFGO— i.V.m. § 303 der Zivilprozessordnung) ist festzustellen, dass die Beigeladene des Klageverfahrens auch Beteiligte des Verfahrens wegen Nichtzulassung der Revision ist.

Dies folgt aus der entsprechenden Anwendung des § 122 Abs. 1 FGO. Nach dieser Vorschrift ist Beteiligter des Revisionsverfahrens, wer am Klageverfahren beteiligt war. Mithin wird der im Klageverfahren Beigeladene auch dann Beteiligter des Revisionsverfahrens, wenn er nicht selbst Revision eingelegt hat. Diese Regelung ist, nachdem § 116 FGO ab durch das Zweite Gesetz zur Änderung der Finanzgerichtsordnung und anderer Gesetze vom (BGBl I, 1757) neu gefasst worden ist, im Verfahren über die Nichtzulassungsbeschwerde entsprechend anzuwenden.

Allerdings war § 122 Abs. 1 FGO nach der bis einschließlich 2000 geltenden Fassung der FGO nicht im Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde anwendbar. Dies hat der (BFH/NV 1993, 369), nach dem auch alle anderen Senate des BFH verfahren sind und dem das Schrifttum gefolgt ist (Offerhaus in Hübschmann/Hepp/Spitaler, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, § 122 FGO Rz. 10; Seer in Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, § 122 FGO Tz. 3; Dürr in Schwarz, Finanzgerichtsordnung, § 122 Rz. 3; Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 5. Aufl. 2002, § 122 Rz. 3 a.E.) wie folgt begründet: Das Verfahren über die Nichtzulassungsbeschwerde sei ein selbständiges Verfahren, das mit der Zulassung (oder Nichtzulassung) ende. Es habe zum Ziel, die gesetzliche Revisionssperre im Einzelfall aufzuheben. Erst wenn die Sperre durch die Zulassung aufgehoben und Revision eingelegt werde, hätten die Kläger und Beigeladenen des Klageverfahrens auch im Revisionsverfahren die Stellung von Beteiligten. Mit der Entscheidung über die Beschwerde werde nicht über die Richtigkeit oder Unrichtigkeit der FG-Entscheidung, sondern ausschließlich über das Bestehen eines Zulassungsgrundes befunden.

Diese Argumentation trifft nach der ab 2001 geltenden Neufassung des § 116 FGO nicht mehr zu. Nunmehr ist das Verfahren über die Nichtzulassungsbeschwerde kein selbständiges Verfahren mehr. Es endet nicht mehr mit der Zulassung, sondern wird nach der Zulassung als Revisionsverfahren fortgesetzt (§ 116 Abs. 7 Satz 1 FGO).

Es trifft auch nicht mehr zu, dass im Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde nicht über die Richtigkeit des angefochtenen finanzgerichtlichen Urteils entschieden würde. Vielmehr kann der BFH nunmehr in diesem Verfahren die Vorentscheidung aufgrund eines Verfahrensfehlers aufheben und die Sache an das FG zurückverweisen (§ 116 Abs. 6 FGO); damit ersetzt die Nichtzulassungsbeschwerde insoweit die frühere Verfahrensrevision.

Nach der Neufassung des § 116 FGO ist eine Beteiligung des im Klageverfahren Beigeladenen am Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde —in entsprechender Anwendung des § 122 Abs. 1 FGO— insbesondere deshalb erforderlich, weil andernfalls sein rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 des Grundgesetzes; § 96 Abs. 2 FGO) verletzt würde. Der Beigeladene des Klageverfahrens, der ein Interesse am Bestand des finanzgerichtlichen Urteils hat und deshalb selbst keine Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt hatte, würde von der durch einen anderen Beteiligten eingelegten Nichtzulassungsbeschwerde nichts erfahren. Ein zu Gunsten des Beigeladenen wirkendes finanzgerichtliches Urteil könnte gemäß § 116 Abs. 6 FGO aufgehoben werden, ohne dass er sich zuvor hätte äußern und die aus seiner Sicht für den Bestand des Urteils sprechenden Argumente vortragen können.

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:




Fundstelle(n):
BStBl 2004 II Seite 895
BB 2004 S. 2003 Nr. 37
BFH/NV 2004 S. 1480
BFH/NV 2004 S. 1480 Nr. 10
BStBl II 2004 S. 895 Nr. 20
DB 2004 S. 2086 Nr. 39
DB 2004 S. 2142 Nr. 40
DStRE 2004 S. 1249 Nr. 20
INF 2004 S. 729 Nr. 19
NWB-Eilnachricht Nr. 42/2005 S. 4452
StB 2004 S. 368 Nr. 10
VAAAB-25973