EW-Feststellung für Mietwohngrundstücke im Beitrittsgebiet mit nur zum Teil steuerbefreiten Wohnungen
Leitsatz
Nach § 132 Abs. 2 BewG unterbleibt die gesonderte Feststellung eines Einheitswerts 1935 für Grundstücke im Beitrittsgebiet auch in den Fällen, in denen Mietwohngrundstücke i.S. des § 32 Abs. 1 Nr. 1 RBewDV (entspricht § 75 Abs. 2 BewG) neben steuerbefreiten Wohnungen (§ 43 GrStG) nicht Wohnzwecken dienende Räume aufweisen.
Gesetze: BewG § 19 Abs. 4BewG § 132 Abs. 1 und 2GrStG § 42 Abs. 1GrStG § 43 Abs. 2 Nr. 2GrStG § 44
Instanzenzug: (EFG 2000, 1110) (Verfahrensverlauf),
Gründe
I.
Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist Eigentümerin eines im Beitrittsgebiet gelegenen, bebauten Grundstücks. Das 1982 errichtete Gebäude enthält 106 Wohneinheiten (Nutzfläche 7 336 qm), von denen seit dem eine Einheit (73 qm) zu gewerblichen Zwecken als Versicherungsbüro vermietet wurde.
Nach Ablauf des zehnjährigen Befreiungszeitraums nach § 43 des Grundsteuergesetzes (GrStG) meldete die Klägerin die Grundsteuer erstmals für 1993 unter Berechnung der Steuer nach der Ersatzbemessungsgrundlage (§ 42 GrStG) beim Beklagten und Revisionsbeklagten (Finanzamt —FA—) gemäß § 44 GrStG an.
1995 erhielt das FA Kenntnis davon, dass die eine Einheit (73 qm) ab 1990 zu gewerblichen Zwecken vermietet und damit nicht steuerbefreit war. Er stellte deshalb für diesen nicht steuerbefreiten Teil der wirtschaftlichen Einheit (Versicherungsbüro) durch Bescheid vom im Wege der Nachfeststellung auf den die Grundstücksart „Geschäftsgrundstück” und den Einheitswert mit 11 800 DM fest. Mit Bescheid vom selben Tage stellte er im Hinblick auf den Wegfall der Steuerbefreiung für die Wohnungen im Wege der Art- und Wertfortschreibung auf den den Einheitswert auf 988 800 DM sowie die Grundstücksart „Mietwohngrundstück” fest.
Einspruch und Klage, mit denen die Klägerin geltend machte, die Feststellung der Einheitswerte auf den und 1993 widerspreche § 132 des Bewertungsgesetzes (BewG) und unterlaufe die Spezialvorschrift des § 42 GrStG, blieben ohne Erfolg.
Das Finanzgericht (FG) führt in seinem klageabweisenden Urteil aus, nach § 132 Abs. 1 BewG sei für den gewerblich genutzten Gebäudeteil ein Einheitswert auf den festzustellen gewesen. Hierbei handele es sich gemäß § 75 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 3 BewG um ein Geschäftsgrundstück, das bislang nicht bewertet und erstmals zum grundsteuerpflichtig geworden sei. Der Ausnahmetatbestand des § 132 Abs. 2 BewG gelte nur für Mietwohngrundstücke, nicht jedoch für Geschäftsgrundstücke. Die Art- und Wertfortschreibung auf den sei durch § 132 Abs. 4 BewG i.V.m. § 22 Abs. 1 Nr. 1, § 22 Abs. 2 und 4 BewG gedeckt. Der Wegfall der Grundsteuerbefreiung sei als Änderung der tatsächlichen Verhältnisse anzusehen und habe auch zu einer Änderung der Grundstücksart geführt und sich deswegen nicht nur auf den Wert des Grundstücks ausgewirkt.
Mit der Revision verfolgt die Klägerin ihr Klagebegehren, die Feststellungsbescheide aufzuheben und die Grundsteuer nach der Ersatzbemessungsgrundlage zu erheben, weiter.
Sie beantragt, das sowie die Einheitswertbescheide auf den und jeweils vom und die Einspruchsentscheidungen vom aufzuheben.
Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
II.
Die Revision ist begründet; sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung sowie der angefochtenen Verwaltungsentscheidungen (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung —FGO—).
1. Das FG ist zu Unrecht davon ausgegangen, für die streitige wirtschaftliche Einheit der Klägerin sei nach § 132 Abs. 1 BewG ein Einheitswert 1935 auf den festzustellen gewesen. Der Auffassung des FG, der Feststellung des Einheitswerts stehe § 132 Abs. 2 BewG nicht entgegen, weil es sich bei dem bebauten Grundstück der Klägerin nicht um ein Mietwohngrundstück, sondern um ein Geschäftsgrundstück gehandelt habe, vermag der Senat nicht zu folgen.
Nach § 132 Abs. 2 BewG unterbleibt u.a. für am bestehende wirtschaftliche Einheiten „Mietwohngrundstücke” eine Feststellung des Einheitswerts 1935 auf den , wenn am keine wirksame Feststellung des Einheitswerts für die wirtschaftliche Einheit vorliegt und der Einheitswert nur für die Festsetzung der Grundsteuer erforderlich wäre. Diese Regelung korrespondiert unmittelbar mit den grundsteuerrechtlichen Regeln der §§ 42 ff. GrStG, wie sich aus der Bezugnahme in § 42 Abs. 1 GrStG auf § 132 BewG ergibt. Nach § 132 Abs. 2 BewG soll danach erkennbar die Feststellung von Einheitswerten in all den Fällen unterbleiben, in denen —wie im Streitfall— die grundsteuerrechtliche Regelung in den §§ 42 ff. GrStG die Maßgeblichkeit der Ersatzbemessungsgrundlage anordnet. Soweit diese Regelungen reichen, stehen sie der Feststellung von Einheitswerten 1935 für Grundstücke im Beitrittsgebiet entgegen. Diese Schlussfolgerung ergibt sich im Übrigen auch aus dem allgemeinen Grundsatz des § 19 Abs. 4 BewG, wonach Feststellungen u.a. der Einheitswerte für inländischen Grundbesitz nur erfolgen dürfen, wenn und soweit sie für die Besteuerung von Bedeutung sind. Sieht das Einzelsteuergesetz (hier das allein in Betracht kommende Grundsteuergesetz) Regelungen vor, die die Steuerfestsetzung ohne gesonderte Feststellung ermöglichen und damit eine gesonderte Feststellung entbehrlich machen, schließt dies die Zulässigkeit einer gesonderten Feststellung aus (s. hierzu: , BFHE 172, 530, BStBl II 1994, 150).
Im Streitfall ist nach den grundsteuerrechtlichen Spezialregelungen der §§ 42 ff. GrStG die Grundsteuerfestsetzung für das Grundstück der Klägerin auch ohne gesonderte Feststellung eines Einheitswerts mittels der Ersatzbemessungsgrundlage möglich. § 43 Abs. 2 Nr. 2 GrStG enthält nämlich eine Spezialvorschrift für die Grundsteuererhebung solcher Grundstücke im Beitrittsgebiet, bei denen sich —wie im Streitfall— auf einem Grundstück nur zum Teil steuerfreie Wohnungen i.S. von § 43 Abs. 1 GrStG befinden. In diesen Fällen bleibt —soweit nach § 42 GrStG die Ersatzbemessungsgrundlage Wohn- oder Nutzfläche maßgebend ist— während des Befreiungszeitraums die Wohnfläche der befreiten Wohnungen bei Anwendung des § 42 GrStG außer Ansatz.
Entgegen der Auffassung des FG liegen hier auch die Voraussetzungen des § 42 Abs. 1 GrStG für die Anwendung der Ersatzbemessungsgrundlage vor. Insbesondere handelt es sich bei dem Grundstück der Klägerin um ein Mietwohngrundstück; denn nach den hier anzuwendenden Vorschriften des § 132 BewG i.V.m. § 32 der Durchführungsverordnung zum Reichsbewertungsgesetz (RBewDV) gelten als Mietwohngrundstücke solche Grundstücke, die zu mehr als 80 v.H. Wohnzwecken dienen, mit Ausnahme der Einfamilienhäuser. Diese Voraussetzungen liegen hier vor. Nach den Feststellungen des FG betrug am Stichtag die Gesamtnutzfläche des Gebäudes 7 336 qm, von denen lediglich 73 qm nicht (mehr) Wohnzwecken dienten, sodass hier ohne weiteres davon ausgegangen werden kann, dass nach dem maßgeblichen Verhältnis der Jahresrohhmiete (vgl. § 32 Abs. 2 RBewDV) für die steuerbefreiten Wohnungen die 80 v.H.-Grenze erreicht wurde.
Der Annahme der Grundstücksart „Mietwohngrundstück” steht nicht entgegen, dass das Objekt der Klägerin am Stichtag nur teilweise nach § 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 GrStG grundsteuerfrei war. Es trifft zwar zu, dass regelmäßig in solchen Fällen ein Einheitswert (nur) für den der Besteuerung unterliegenden (nicht steuerbefreiten) Teil des Grundstücks (hier: Grundstücksart: „Geschäftsgrundstück”) festzustellen ist (vgl. , BFHE 131, 524, BStBl II 1981, 208). Dies gilt jedoch nicht in den Sonderfällen des § 43 Abs. 2 GrStG. Für diese ordnet das Gesetz im Gegensatz zu den allgemeinen Bewertungsregeln die Berechnung und Erhebung der Grundsteuer für das gesamte (Mietwohn-)Grundstück und nicht nur für den der Besteuerung unterliegenden Teil an und berücksichtigt die Steuerbefreiung nur in Form eines entsprechenden Abzugs von der für die Ermittlung der Ersatzbemessungsgrundlage maßgebenden Wohn- bzw. Nutzfläche. Bei dieser Steuerberechnungs- und Erhebungsmethode bedarf es keiner zusätzlichen Art- und Wertfeststellung hinsichtlich des nicht steuerbefreiten Teils des Mietwohngrundstücks. Die gegenteilige Auffassung des FG widerspricht dem Gesetzeszweck, die (erst im Aufbau befindliche) Finanzverwaltung in den neuen Bundesländern weitgehend von der Feststellung von Einheitswerten 1935 für am bereits bestehende Mietwohngrundstücke zu entlasten. Denn sie würde zu einer sachlich nicht zu begründenden, dem Entlastungszweck zuwiderlaufenden Beschneidung des Anwendungsbereichs der §§ 42, 43 Abs. 2 Nr. 2 GrStG führen, und zwar in den Fällen, in denen Mietwohngrundstücke neben steuerbefreiten Wohnungen nicht Wohnzwecken dienende Räume aufweisen.
2. Auch die Art- und Wertfortschreibung auf den ist rechtswidrig. Diese verstößt —wie die Nachfeststellung auf den — aus den unter 1. dargestellten Gründen gegen § 132 Abs. 2, § 19 Abs. 4 BewG. Danach unterbleibt u.a. für alle am bereits bestehenden wirtschaftlichen Einheiten „Mietwohngrundstücke” eine Feststellung des Einheitswerts 1935, wenn keine ab wirksame Feststellung des Einheitswerts für die wirtschaftliche Einheit vorliegt und der Einheitswert nur für die Festsetzung der Grundsteuer erforderlich wäre. Mit der Aufhebung der Nachfeststellung auf den liegt kein im Veranlagungszeitpunkt für die Grundsteuer maßgebender Einheitswert 1935 vor, der einer Art- oder Wertfortschreibung zugänglich wäre.
3. Die Sache ist spruchreif.
Die angefochtenen Feststellungen auf den und sind aus den unter 1. und 2. genannten Gründen rechtswidrig und deshalb einschließlich der hierzu ergangenen Einspruchsentscheidungen aufzuheben.
Einer gesonderten Aufhebung der Steuermessbescheide bedarf es nicht, da das FA gesetzlich verpflichtet ist, diese (Folgebescheide) nach der Aufhebung der Einheitswertbescheide (Grundlagenbescheide) gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 1 GrStG aufzuheben.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
BStBl 2004 II Seite 701
BFH/NV 2004 S. 1328
BFH/NV 2004 S. 1328 Nr. 9
BStBl II 2004 S. 701 Nr. 16
DB 2004 S. 2299 Nr. 43
DStRE 2004 S. 1037 Nr. 17
INF 2004 S. 690 Nr. 18
StB 2004 S. 325 Nr. 9
OAAAB-25021