Einreihung von Medaillenrohlingen
Gesetze: KN Pos. 7117, 8306
Instanzenzug: (Verfahrensverlauf),
Gründe
I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) vertreibt Einzelteile für Sport-Ehrenpreise. Sie führte Medaillenrohlinge aus unedlen Metallen (Zamak) aus Taiwan ein und meldete diese unter der Unterpos. 8306 21 00 der Kombinierten Nomenklatur —KN— (andere Ziergegenstände, versilbert, vergoldet oder platiniert) zur Überführung in den zollrechtlich freien Verkehr an. Die runden Medaillenrohlinge mit einem Durchmesser von etwa 70 mm bzw. 41 mm weisen auf der Vorderseite und am Rand erhabene Verzierungen sowie eine kreisförmige Aussparung auf, in die eine Einprägung erfolgen kann. Ferner sind die Rohlinge mit einer Aufhängevorrichtung in der Form einer Öse mit Ring versehen.
Das Hauptzollamt A beließ die Medaillenrohlinge im Hinblick auf die von der Klägerin angemeldete Unterposition zollfrei (Zollbeleg vom ). Noch im Verlaufe einer bei der Klägerin durchgeführten Außenprüfung forderte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Hauptzollamt —HZA—) mit Steueränderungsbescheid vom wegen anderer eingeführter Waren Zoll nach. Demgegenüber bestätigte das HZA die Einreihung der Medaillenrohlinge in die von der Klägerin angemeldete Unterposition. Gegen diesen Steueränderungsbescheid legte die Klägerin Einspruch ein.
Nach Vorlage von Einreihungsgutachten der Oberfinanzdirektion wies das HZA die Klägerin auf die Möglichkeit einer verbösernden Entscheidung hin. Alsdann forderte es mit Einspruchsentscheidung vom ... DM Zoll nach, weil die Medaillenrohlinge als Fantasieschmuck in die Unterpos. 7117 19 91 KN bzw. 7117 19 99 KN einzureihen seien.
Das Finanzgericht (FG) wies die von der Klägerin erhobene Klage aus den in der Zeitschrift für Zölle und Verbrauchsteuern 2003, 208 veröffentlichten Gründen ab.
Mit der Revision macht die Klägerin geltend, das FG habe die Tarifierungsauffassung des HZA zu Unrecht bestätigt. Die Medaillenrohlinge seien in die Unterpos. 8306 21 00 KN einzureihen, weil sie nicht als persönlicher Schmuck verwendet würden. Die Medaillen würden regelmäßig aus Anlass sportlicher Veranstaltungen verliehen, während dieser Verleihung getragen, später jedoch an geeigneter Stelle aufbewahrt. Der Empfänger einer Medaille betrachte diese als Zugabe zu einer in Form einer Urkunde dokumentierten Leistung. Die Bedeutung einer Medaille liege nicht in ihrem materiellen Wert, sondern in dem Anlass ihrer Vergabe. Im Gegensatz hierzu seien Schmuckstücke nicht für Dritte erkennbar einem bestimmten Ereignis zuzuordnen. Ferner achte der Träger eines Schmuckstücks darauf, dass es seinem persönlichen Geschmack entspreche.
Die Klägerin beantragt sinngemäß, die Vorentscheidung und die Einspruchsentscheidung vom aufzuheben.
Das HZA beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Das HZA trägt vor, die Medaillenrohlinge seien als Fantasieschmuck in die Pos. 7117 KN einzureihen. Da ein solcher Schmuck der Fantasie entspringe und deshalb der Gestaltungsfreiheit keine Grenzen gesetzt seien, sei es unschädlich, dass die Rohlinge später mit sportlichen Symbolen versehen würden. Die Medaillen dienten zumindest während der Verleihungszeremonie als Schmuck i.S. der Anm. 9 Buchst. a zu Kap. 71 KN. Der Empfänger einer Medaille werde nicht nur für seine sportlichen Verdienste ausgezeichnet, sondern dekoriert und damit optisch herausgehoben. Es komme nicht darauf an, dass die Medaillen dauerhaft als Schmuck dienten. Es sei zudem üblich, dass Sportler die ihnen verliehenen Medaillen auch noch später bei besonderen Anlässen trügen. Die Medaillen könnten nicht mit den in den Erläuterungen zum Harmonisierten System (ErlHS) zu Pos. 8306 Rz. 15.0 genannten Pokalen und Bechern gleichgesetzt werden, weil es sich hierbei um Gegenstände mit einem Raumvolumen handele.
II. Die Revision ist begründet. Die angefochtene Einspruchsentscheidung ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten. Sie ist daher aufzuheben (§ 100 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung —FGO—). Da das FG zur gegenteiligen Entscheidung gelangt ist, führt die Revision zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Stattgabe der Klage (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 FGO). Das FG hat die Einreihung der Medaillenrohlinge in die Pos. 7117 KN i.d.F. der Verordnung (EG) Nr. 1734/96 der Kommission vom (Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften —ABlEG— Nr. L 238/1) durch das HZA zu Unrecht bestätigt. Bei den Medaillenrohlingen handelt es sich um Waren aus unedlen Metallen i.S. des Kap. 83 KN. Nach den Feststellungen des FG bestehen die Rohlinge aus Zamak. Hierbei handelt es sich um eine Bezeichnung für Zinklegierungen mit geringen Zusätzen von Aluminium, Kupfer und Magnesium für die Druck-, Spritz- oder Formgussherstellung (Meyers Enzyklopädisches Lexikon, 9. Aufl.; Römpp, Chemielexikon, 5. Aufl.). Diese genannten Metalle sind nach Anm. 3 zu Abschn. XV KN unedle Metalle i.S. der KN. Die Rohlinge können zwar nicht sämtlich der Unterpos. 8306 21 00 KN zugewiesen werden, weil sie nach den Feststellungen des FG zum Teil weder versilbert noch vergoldet oder platiniert sind. Insoweit sind sie jedoch als andere Ziergegenstände aus unedlen Metallen in die Unterpos. 8306 29 90 KN einzureihen, so dass gleichfalls kein Zoll zu erheben ist.
Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) wie auch des erkennenden Senats (vgl. etwa —Turbon International—, EuGHE 2002, I-1389 Rdnr. 21; , BFH/NV 2000, 1266, 1267; vom VII R 11/02, BFHE 201, 352, 355) ist das entscheidende Kriterium für die zollrechtliche Tarifierung von Waren allgemein in deren objektiven Merkmalen und Eigenschaften zu suchen, wie sie im Wortlaut der Positionen und Unterpositionen und in den Anmerkungen zu den Abschnitten oder Kapiteln der KN festgelegt sind. Dazu gibt es auch Erläuterungen, die für das Harmonisierte System vom Rat für die Zusammenarbeit auf dem Gebiete des Zollwesens sowie für die KN von der Europäischen Kommission ausgearbeitet wurden und ein wichtiges, wenn auch nicht verbindliches Erkenntnismittel für die Auslegung der einzelnen Tarifpositionen darstellen (vgl. EuGH-Urteil in EuGHE 2002, I-1389 Rz. 22).
a) Von der Unterpos. 8306 29 90 KN werden unter anderem Ziergegenstände aus anderen unedlen Metallen als Kupfer erfasst. Nach den ErlHS zu Pos. 8306 Rz. 12.1 gehört hierzu eine Reihe sehr verschiedenartiger Waren, die im Wesentlichen dadurch gekennzeichnet sind, dass sie zum Ausschmücken u.a. von Wohnungen bestimmt sind (vgl. —Gmurzynska-Bscher—, EuGHE 1990, I-4003 Rdnr. 28). Die ErlHS zu Pos. 8306 Rz. 15.0 sehen vor, dass Trophäen wie beispielsweise Pokale oder Becher, die anlässlich von sportlichen oder künstlerischen Wettbewerben vergeben werden, ebenso der Pos. 8306 KN zuzuweisen sind wie Medaillen und Medaillons, wenn diese nicht als Schmuck dienen.
Das FG hat für den Senat bindend festgestellt (§ 118 Abs. 2 FGO), dass die Medaillen nach ihrer Verleihung regelmäßig zum Ausschmücken einer Wohnung verwendet werden können bzw. verwendet werden. Auf diesen Verwendungszweck kann im Streitfall abgestellt werden, weil in den ErlHS zu Pos. 8306 Rz. 12.1 ausdrücklich auf dieses Kriterium Bezug genommen wird (vgl. , BFH/NV 1999, 234, 235; vom VII R 61/98, BFH/NV 2000, 1508, 1509; Senatsbeschluss vom VII B 17/02, BFH/NV 2003, 216, 217). Da die Medaillenrohlinge auch zum Ausschmücken bestimmt sind und wie Trophäen anlässlich von sportlichen Wettbewerben vergeben werden, sind sie als Ziergegenstände i.S. der Pos. 8306 KN anzusehen. Einer Einreihung in diese Position steht nicht entgegen, dass es sich bei den Medaillenrohlingen nicht um Gegenstände mit einem Raumvolumen handelt, wie dies etwa bei Pokalen und Bechern der Fall ist. Denn auch Medaillen und Medaillons ohne Raumvolumen können nach den ErlHS zu Pos. 8306 Rz. 15.0 zolltariflich Ziergegenstände sein.
Nach der Allgemeinen Vorschrift für die Auslegung der Kombinierten Nomenklatur 2 Buchst. a Satz 1 ist es überdies unerheblich, dass die Waren in unfertigem Zustand eingeführt wurden. Die Medaillenrohlinge wiesen bei ihrer Einfuhr bereits die wesentlichen Beschaffenheitsmerkmale von fertigen Medaillen auf. Sie waren auf der Vorderseite und am Rand mit erhabenen Verzierungen sowie einer kreisförmigen Aussparung versehen, in die eine Einprägung erfolgen kann. Ferner war eine Aufhängevorrichtung in der Form einer Öse mit Ring vorhanden.
b) Entgegen der vom HZA vertretenen Auffassung dienen die Medaillenrohlinge nach ihrer Fertigstellung auch nicht nur vorübergehend als Schmuck. Sie können daher nicht als (unfertiger) Fantasieschmuck nach Anm. 11 i.V.m. Anm. 9 Buchst. a zu Kap. 71 KN in die Pos. 7117 KN eingereiht werden. Die Ausweisungsvorschrift der Anm. 1 Buchst. e zu Abschn. XV KN kommt im Streitfall mithin nicht zum Tragen.
Für die Annahme von Fantasieschmuck i.S. der Pos. 7117 KN reicht es nicht aus, dass die Ware dazu bestimmt ist, an der Person getragen zu werden. Denn nach Anm. 11 zu Kap. 71 KN muss es sich um eine Ware der in Anm. 9 Buchst. a zu Kap. 71 KN genannten Art handeln, ohne dass auch auf Anm. 9 Buchst. b zu Kap. 71 KN Bezug genommen wird (vgl. auch ErlHS zu Pos. 7117 Rz. 07.0 sowie zu Pos. 7113 Rz. 03.0). Bereits hierdurch wird der zolltarifliche Begriff des Fantasieschmucks eingegrenzt. Entscheidend ist nach Anm. 9 Buchst. a zu Kap. 71 KN, dass es sich um einen Gegenstand handelt, der als Schmuck dient. Der fragliche Gegenstand muss der Dekoration oder Verschönerung des menschlichen Körpers oder der von einem Menschen getragenen Kleidung dienen. Dieser eingeschränkte Verwendungszweck der von Anm. 9 Buchst. a zu Kap. 71 KN erfassten Gegenstände folgt auch aus der französischen („... les petits objets servant à la parure”) und insbesondere englischen („... small objects of personal adornment”) Fassung der Anm. 9 Buchst. a zu Kap. 71 KN, die zur Auslegung heranzuziehen sind, weil die Kombinierte Nomenklatur auf der Grundlage des Harmonisierten Systems erstellt wurde, dessen französischer und englischer Wortlaut allein verbindlich sind (vgl. —Knubben—, EuGHE 1997, I-7039 Rdnr. 15). Obgleich religiöse und andere Medaillen im Klammerzusatz der Anm. 9 Buchst. a zu Kap. 71 KN genannt werden, reicht es nicht aus, dass eine als Medaille zu bezeichnende Ware vorliegt. Diese muss vielmehr der Dekoration oder Verschönerung des menschlichen Körpers oder der vom Menschen getragenen Kleidung dienen.
Die von der Klägerin eingeführten Medaillenrohlinge werden nach ihrer Fertigstellung nicht zur Dekoration oder Verschönerung einer Person oder ihrer Kleidung getragen. Die Medaillen werden vielmehr als Auszeichnung für die vom Empfänger erbrachten sportlichen Leistungen vergeben. Anders als das HZA meint, kann eine Dekoration des Empfängers einer anlässlich eines sportlichen Wettbewerbs vergebenen Medaille auch nicht deswegen angenommen werden, weil dieser dadurch optisch herausgehoben wird. Denn diese Heraushebung des Empfängers einer Medaille erfolgt aus Anerkennung für die von ihm erbrachten sportlichen Leistungen und nicht zur Dekoration oder Verschönerung seiner Person oder seiner Kleidung. Ob es —wie das HZA behauptet— üblich ist, dass Sportler die ihnen verliehenen Medaillen auch noch später bei besonderen Anlässen tragen, kann dahinstehen. Auch unter diesen Umständen werden derartige Medaillen jedenfalls nicht zur Dekoration oder Verschönerung, sondern allenfalls getragen, um an die erzielten sportlichen Erfolge zu erinnern. Die Medaillen dienen auch dann nach ihrer objektiv feststellbaren Verwendungseignung nicht als Schmuck, sondern verkörpern Auszeichnungen für erbrachte sportliche Leistungen, die üblicherweise an einem besonderen Ort, zumeist in der Wohnung des Sportlers aufbewahrt werden und so dem Ausschmücken der Wohnung dienen, wie es das FG im Streitfall bindend festgestellt hat.
Der Senat hält die hiernach gebotene zolltarifliche Einreihung in die Unterpos. 8306 29 90 KN für eindeutig. Ein Anlass zur Einholung einer Vorabentscheidung des EuGH besteht demnach nicht (vgl. 283/81 —C.I.L.F.I.T.—, EuGHE 1982, 3415 Rdnr. 16).
Da die Einspruchsentscheidung vom bereits wegen der unzutreffenden Einreihung der Medaillenrohlinge durch das HZA aufzuheben ist, muss der Senat nicht mehr entscheiden, ob die Mitteilung des nachträglich buchmäßig erfassten Abgabenbetrags auch nach Art. 221 Abs. 3 Satz 1 der Verordnung (EWG) Nr. 2913/92 (Zollkodex) des Rates vom zur Festlegung des Zollkodex der Gemeinschaften (ABlEG Nr. L 302/1) i.d.F. vor In-Kraft-Treten der Verordnung (EG) Nr. 2700/2000 vom (ABlEG Nr. L 311/17) unzulässig war.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
BFH/NV 2004 S. 1309
EAAAB-24035