Anerkennung eines Mietvertrags unter Angehörigen
Gesetze: EStG §§ 21, 9; AO § 42
Instanzenzug: (Verfahrensverlauf),
Gründe
I. Die Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) sind Eheleute und wurden im Streitjahr 1994 zur Einkommensteuer zusammen veranlagt. Der Kläger ist Alleineigentümer eines 1953 errichteten Zweifamilienhauses, das seine Eltern im Jahre 1959 zu je 1/2 erworben hatten. Im März 1963 schenkte der Vater seine Grundstückshälfte dem Kläger und seinem Bruder; das daran zu Gunsten der Mutter bestehende Nießbrauchsrecht —das der Vater des Klägers seiner Ehefrau im Jahr zuvor anlässlich der Trennung der Eltern eingeräumt hatte— wurde von ihm und seinem Bruder übernommen.
Im Oktober 1985 trafen der Kläger, sein Bruder und ihre Mutter folgende Vereinbarungen:
Das der Mutter an den Grundstücksanteilen der Söhne zustehende Nießbrauchsrecht wurde aufgehoben. Der Kläger erwarb den Grundstücksanteil seines Bruders zum Kaufpreis von 60 000 DM und übernahm damit auch dessen Anteil an der zu Gunsten der Mutter vereinbarten dauernden Last. Die Mutter übergab ihre Grundstückshälfte schenkweise (im Wege der vorweggenommenen Erbfolge) an den Kläger; dieser hatte an den Bruder eine Zahlung von 40 000 DM zu leisten. Schließlich hatte er an seine Mutter eine monatliche Zahlung in Höhe von 250 DM als dauernde Last zu zahlen.
Der Kläger vermietete seiner Mutter die Wohnung im Erdgeschoss des Hauses (drei Zimmer, Küche und Bad mit insgesamt 50 qm) zu einem Mietzins von monatlich 250 DM zuzüglich einer Nebenkostenpauschale von 100 DM; die Stromkosten sollte die Mutter unmittelbar an das Stromversorgungsunternehmen zahlen.
Bei den Veranlagungen bis einschließlich 1993 berücksichtigte der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt —FA—) die von den Klägern geltend gemachten Werbungskostenüberschüsse aus Vermietung und Verpachtung. Bei der Einkommensteuerveranlagung für das Streitjahr ließ das FA den geltend gemachten Werbungskostenüberschuss wegen Annahme eines Gestaltungsmissbrauchs i.S. des § 42 der Abgabenordnung (AO 1977) unberücksichtigt. Der dagegen nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhobenen Klage gab das Finanzgericht (FG) statt. Sein Urteil ist in Deutsches Steuerrecht/Entscheidungsdienst (DStRE) 2002, 955 veröffentlicht.
Mit der Revision rügt das FA Verletzung des § 42 AO 1977.
Das FA beantragt, das FG-Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Kläger beantragen, die Revision zurückzuweisen.
II. Die Revision ist unbegründet.
Zu Recht hat das FG den Werbungskostenüberschuss bei den Einkünften der Kläger aus Vermietung und Verpachtung des ihnen übertragenen Hauses bei der Einkommensteuerveranlagung für das Streitjahr berücksichtigt.
1. Dem streitigen Mietverhältnis ist entgegen der Auffassung des FA nicht die steuerrechtliche Anerkennung zu versagen.
a) Ein Gestaltungsmissbrauch i.S. des § 42 AO 1977 ist gegeben, wenn eine rechtliche Gestaltung gewählt wird, die, gemessen an dem erstrebten Ziel, unangemessen ist, der Steuerminderung dienen soll und durch wirtschaftliche oder sonst beachtliche nichtsteuerliche Gründe nicht zu rechtfertigen ist (ständige Rechtsprechung: , BFHE 179, 400, BStBl II 1996, 214; vom IX R 5/00, BFHE 201, 246, BStBl II 2003, 509, m.w.N.). Das Motiv, Steuern zu sparen, macht eine steuerliche Gestaltung noch nicht unangemessen (Beschluss des Großen Senats des , BFHE 137, 433, 444, BStBl II 1983, 272; , BFHE 190, 173, BStBl II 2000, 224). Auch Angehörigen steht es danach frei, ihre Rechtsverhältnisse untereinander steuerlich möglichst günstig zu gestalten. Eine rechtliche Gestaltung ist erst dann unangemessen, wenn der Steuerpflichtige die vom Gesetzgeber vorausgesetzte Gestaltung zum Erreichen eines bestimmten wirtschaftlichen Ziels nicht gebraucht, sondern dafür einen ungewöhnlichen Weg wählt, auf dem nach den Wertungen des Gesetzgebers das Ziel nicht erreichbar sein soll (BFH in BFHE 179, 400, BStBl II 1996, 214).
b) Danach liegt ein Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten des Rechts bei Abschluss eines Mietvertrages unter Angehörigen nicht schon deshalb vor, weil das Objekt vor der Vermietung vom jetzigen Mieter auf den Vermieter übertragen wurde.
Insoweit nimmt der Senat zur Begründung auf das Urteil des Senats vom IX R 12/01 Bezug.
c) Auch ein Nebeneinander von Wohnungsrecht und Mietvertrag ist zivilrechtlich zulässig und steuerrechtlich grundsätzlich nicht zu beanstanden. Über dieselbe Wohnung kann ein Mietvertrag und gleichzeitig oder auch nachträglich ein dingliches Nutzungsrecht bestellt werden (Entscheidungen des Bundesgerichtshofs —BGH— vom V ZR 68/72, Der Deutsche Rechtspfleger —Rpfleger— 1974, 187; vom V ZR 221/64, Betriebs-Berater —BB— 1968, 767; vom V ZR 29/98, Zeitschrift für Wirtschaftsrecht —ZIP— 1999, 404; Schön, Der Nießbrauch an Sachen, S. 372 f.; Rothe in Das Bürgerliche Gesetzbuch, Kommentar, herausgegeben von Mitgliedern des Bundesgerichtshofs, § 1093 Rn. 5). Dementsprechend steht ein Nebeneinander von Mietvertrag und Wohnungsrecht grundsätzlich auch der steuerrechtlichen Berücksichtigung des Mietvertrags nicht entgegen (, BFHE 190, 125, BStBl II 1999, 826).
d) Gleiches gilt dann, wenn ein bestehendes Wohnungsrecht oder —wie im Streitfall— ein Nießbrauchsrecht aufgegeben und zwischen Wohnungsrechtsinhaber und Eigentümer ein —fremdüblicher— Mietvertrag abgeschlossen und tatsächlich durchgeführt wird (vgl. , BFHE 185, 379, BStBl II 1998, 539; , BFH/NV 2001, 309). Einen Gestaltungsmissbrauch hat der BFH indes für den —hier nicht gegebenen— Fall bejaht, dass der Vermieter den Mieter bei Abschluss des Mietvertrages durch ein Entgelt für die Aufgabe des schuldrechtlichen Anspruchs auf eine unentgeltliche Wohnungsüberlassung im Ergebnis so stellt, als ob dieser unverändert sein Nutzungsrecht unentgeltlich ausüben würde (Urteil des Senats vom heutigen Tage IX R 56/03, von dem ein neutralisierter Abdruck beigefügt ist).
e) Im Übrigen ist der zwischen den Vertragsparteien geschlossene Mietvertrag steuerrechtlich anzuerkennen, wenn er zum einen bürgerlich-rechtlich wirksam geschlossen ist und darüber hinaus (im Rahmen des sog. Fremdvergleichs) sowohl die Gestaltung als auch die Durchführung des Vereinbarten dem zwischen Fremden Üblichen entspricht; dabei schließt nicht jede Abweichung vom Üblichen notwendigerweise die steuerrechtliche Anerkennung des Vertragsverhältnisses aus (, BFHE 184, 463, BStBl II 1998, 106; vom IX R 69/94, BFHE 180, 377, BStBl II 1997, 196).
2. Nach diesen Grundsätzen ist das streitige Mietverhältnis der Besteuerung zugrunde zu legen.
Der Wirksamkeit des im Streitfall abgeschlossenen Mietvertrags steht das zuvor bestehende Nießbrauchsrecht der Mutter des Klägers nicht entgegen, da es im Streitjahr wirksam aufgehoben war. Im Übrigen hält das Mietverhältnis nach dem Inhalt des geänderten Mietvertrages dem sog. Fremdvergleich stand; dies hat das FG —insoweit vom FA nicht angefochten und damit nach § 118 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) bindend für den Senat— festgestellt. Dem Einwand des FA, der Gestaltungsmissbrauch liege im Streitfall schon in der gleichzeitigen Vereinbarung von dauernder Last und Mietzahlungen, ist aus den dargestellten Gründen (II. 1. b) nicht zu folgen.
3. Die Sache ist nicht spruchreif.
Nach den bisherigen tatsächlichen Feststellungen des FG kann nicht abschließend beurteilt werden, ob die im Zusammenhang mit der Nießbrauchsaufgabe vereinbarten wiederkehrenden Leistungen nach dem Beschluss des Großen Senats des (BFHE 202, 464, BStBl II 2004, 95) gemäß § 10 Abs. 1 Nr. 1a des Einkommensteuergesetzes als Sonderausgabe abgezogen werden können; denn es fehlen Feststellungen dazu, ob sie aus den erzielbaren laufenden Nettoerträgen des übernommenen Vermögens gezahlt werden können.
Hierzu ist nach Maßgabe des vorgenannten Beschlusses eine ggf. vom FG vorzunehmende Nettoertragsprognose nach den maßgeblichen Verhältnissen bei Vertragsschluss zu erstellen.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
BFH/NV 2004 S. 1276
BFH/NV 2004 S. 1276 Nr. 9
UAAAB-23785