Klärungsbedürftigkeit einer Rechtsfrage, wenn sie anhand bereits vorliegender Rspr. des BFH beantwortet ist
Gesetze: FGO § 115 Abs. 2 Nr. 1
Instanzenzug:
Gründe
I. Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) ist Rechtsnachfolgerin der infolge Verschmelzung untergegangenen L-AG mit Sitz im Ausland. Letztere wurde mit ihren im Inland ausgeführten Umsätzen vom Beklagten und Beschwerdegegner (Finanzamt —FA—) zur Umsatzsteuer veranlagt.
Am reichte sie für das Streitjahr 1996 eine Umsatzsteuererklärung ein, aus der sich eine Umsatzsteuer in Höhe von ... DM ergab. Aufgrund einer Fehlbeurteilung hatte sie über steuerbare und steuerpflichtige Lieferungen in Höhe von insgesamt ... DM Rechnungen ohne Umsatzsteuerausweis erteilt und entsprechend auch nur diesen Betrag vereinnahmt.
Nachdem der Fehler bemerkt worden war, stellte die L-AG der Leistungsempfängerin mit Schreiben vom den Betrag nachträglich in Rechnung, der zusätzlich zu entrichten gewesen wäre, wenn die Lieferungen bereits im Streitjahr 1996 als umsatzsteuerpflichtig angesehen worden wären („Nettopreisabrede”). Am reichte sie eine berichtigte Umsatzsteuererklärung für das Streitjahr ein. Mit nach § 164 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO 1977) erlassenem Änderungsbescheid vom setzte das FA eine um ... DM höhere Umsatzsteuer für das Streitjahr zuzüglich Zinsen in Höhe von ... DM fest.
Mit dem gegen die Zinsfestsetzung eingelegten Einspruch machte die L-AG geltend, Zinsen seien nicht für 15, sondern lediglich für 11 Monate festzusetzen. Das FA setzte die Zinsen daraufhin auf ... DM herab. Der Zinsbescheid wurde bestandskräftig.
Mit Schreiben vom beantragte die L-AG den Erlass der nach § 233a AO 1977 festgesetzten Zinsen. Der nach Ablehnung des Antrags eingelegte Einspruch wurde mit Entscheidung vom als unbegründet zurückgewiesen. Die hiergegen erhobene Klage wies das Finanzgericht (FG) ab, weil die Ablehnung des Erlassantrags weder rechtsfehlerhaft noch unter dem Gesichtspunkt der fehlerhaften Ermessensausübung zu beanstanden sei. Zur Begründung führte es im Wesentlichen aus, der die Zinsfestsetzung und -erhebung rechtfertigende Liquiditätsvorteil bestehe im Streitfall darin, dass die L-AG die durch die Verwirklichung des Steuertatbestands in 1996 entstandene Steuer erst im Jahre 1999 entrichtet habe. Dem stehe auch der Gesichtspunkt der Nettopreisabrede nicht entgegen. Denn nach dem Prinzip der Sollbesteuerung komme es für die Begründung des Umsatzsteuertatbestands nicht darauf an, wann der Empfänger für eine Lieferung bezahle.
Mit der Beschwerde wendet sich die Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision. Sie macht geltend, eine Entscheidung im Streitfall sei zur Rechtsfortbildung erforderlich; jedenfalls sei die Rechtssache von grundsätzlicher Bedeutung.
II. Die Beschwerde hat keinen Erfolg.
1. Nach Ansicht der Klägerin muss höchstrichterlich geklärt werden, ob ein Liquiditätsvorteil i.S. des § 233a AO 1977 gegeben ist, wenn der Leistende die Umsatzsteuer (irrtümlich) verspätet angemeldet und bezahlt hat, jedoch eine Nettopreisvereinbarung vorliegt, so dass er dem Leistungsempfänger die Umsatzsteuer ebenfalls verspätet in Rechnung gestellt und vereinnahmt hat.
Eine Rechtsfrage hat grundsätzliche Bedeutung (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung —FGO—), wenn ihre Beantwortung durch den Bundesfinanzhof (BFH) aus Gründen der Rechtssicherheit, der Rechtseinheitlichkeit oder der Rechtsentwicklung im allgemeinen Interesse liegt. Es muss sich um eine klärungsbedürftige und klärbare Rechtsfrage handeln. Eine Rechtsfrage ist dann nicht mehr klärungsbedürftig, wenn sie anhand der bereits vorliegenden Rechtsprechung des BFH beantwortet werden kann und keine neuen rechtlichen Gesichtspunkte erkennbar sind, die eine erneute Prüfung und Entscheidung dieser Frage durch den BFH geboten erscheinen lassen (ständige Rechtsprechung, z.B. Rechtsprechungsnachweise Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 5. Aufl., § 115 Rdnr. 28, m.w.N.).
Durch die Rechtsprechung ist geklärt,
- dass die Verzinsung der nachträglich festgesetzten Umsatzsteuer nicht deshalb sachlich unbillig ist, weil der Leistende von einer sog. Null-Situation (keine Umsatzversteuerung durch den Leistenden, kein Vorsteuerabzug des Empfängers mangels Rechnung mit Steuerausweis) ausgegangen war (, BFH/NV 2002, 307). Ob die Nachforderung auf einer Außenprüfung oder —wie im Streitfall— darauf beruht, dass der Steuerpflichtige die aufgrund einer Fehlbeurteilung unzutreffende Umsatzsteuererklärung selbst berichtigt, ist ebenso unerheblich wie die Frage, ob die zutreffende Umsatzsteuer aus dem vereinbarten Entgelt „herauszurechnen” war oder dem Leistungsempfänger nachbelastet werden kann.
Geklärt ist weiter,
- dass die Zinsregelung des § 233a AO 1977 —im Falle der Steuernachforderung— darauf abzielt, einen Ausgleich dafür zu schaffen, dass die Steuern bei den einzelnen Steuerpflichtigen zu unterschiedlichen Zeitpunkten festgesetzt und fällig werden und die Festsetzung der Zinsen nach § 233a AO 1977 grundsätzlich rechtmäßig ist, wenn der Schuldner der Steuernachforderung deswegen Liquiditätsvorteile gehabt hat, weil er von der Zahlung der geschuldeten Steuer vorerst —wegen unzutreffender Steuerfestsetzung— „freigestellt” war (, BFH/NV 2003, 591; vom V R 72/00, BFH/NV 2002, 545), und
- dass grundsätzlich unbeachtlich ist, ob der Steuerpflichtige die möglichen Zinsvorteile tatsächlich gezogen hat (, BFHE 203, 410, BStBl II 2004, 39; vom IV R 69/97, BFHE 187, 198).
Daraus folgt, dass für eine Zulassung der Revision zur Rechtsfortbildung hinsichtlich der Verzinsung in Fällen der vorliegenden Art (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 1. Alternative FGO) kein Anlass besteht.
2. Von einer weiteren Begründung sieht der Senat gemäß § 116 Abs. 5 Satz 2 FGO ab.
Fundstelle(n):
OAAAB-23761