Glaubhaftmachung des Zugangs eines mit der Post übermittelten Schriftstücks
Gesetze: AO § 122 Abs. 2 Nr. 1
Instanzenzug:
Gründe
I. Weil die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) trotz mehrfacher Aufforderungen für die Jahre 1996 bis 1999 keine Steuererklärungen abgegeben hatte, setzte der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt —FA—) die Umsatzsteuer für 1999 in dem Bescheid vom aufgrund geschätzter Besteuerungsgrundlagen fest und hob den beigefügten Vorbehalt der Nachprüfung durch den Bescheid vom auf. Dagegen legte die Klägerin am Einspruch ein und reichte am eine Umsatzsteuererklärung für 1999 ein, in der sie einen Vorsteuerüberschuss von 2 086,78 DM anmeldete. Weil die Klägerin trotz mehrfacher Aufforderung durch das FA keine Gewinn- und Verlustrechnung vorgelegt hatte, wies die Finanzbehörde den Einspruch der Klägerin mit der Einspruchsentscheidung vom zurück.
Die dagegen am erhobene Klage wies das Finanzgericht (FG) als unzulässig ab, weil die Klagefrist von einem Monat nicht gewahrt worden sei. Das FG führte u.a. zur Begründung aus, die Einspruchsentscheidung sei unstreitig am (Freitag) zur Post gegeben worden. Das ergebe sich durch den Absendevermerk, den das FA in der mündlichen Verhandlung vor dem FG nachvollziehbar erläutert habe. Die Monatsfrist für die Klageerhebung sei daher am (Montag) abgelaufen. Das FG folgte dem Vortrag der Klägerin nicht, ihrem Prozessbevollmächtigten sei die Einspruchsentscheidung erst am zugegangen, weil bei ihm montags regelmäßig nur ein Teil der Post eingeworfen werde, die er erwarte. Mit diesen allgemeinen Ausführungen sei nicht substantiiert dargelegt, dass ihm die Einspruchsentscheidung nicht innerhalb der Dreitagesfrist nach § 122 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO 1977) vor dem zugegangen sei. Hinzu komme, dass der Prozessbevollmächtigte der Klägerin kein Fristenkontrollbuch geführt habe, aus dem sich der Posteingang ergebe. Er habe in seinem Kalender nur den Ablauf der Frist vermerkt.
Mit der Beschwerde begehrt die Klägerin sinngemäß die Zulassung der Revision wegen Verfahrensmängeln (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 der Finanzgerichtsordnung —FGO—). Dabei habe der Bundesfinanzhof (BFH) die Rechtzeitigkeit der Klageerhebung als Sachurteilsvoraussetzung selbst aufzuklären und eigenständig zu würdigen.
Die Einspruchsentscheidung sei dem Prozessbevollmächtigten erst am zugegangen. Das FA habe nicht substantiiert dargelegt, dass die Einspruchsentscheidung am Tag ihrer Zeichnung auch abgesandt worden sei. In einem nach Ablauf der Beschwerdebegründungsfrist eingegangenen Schriftsatz trägt die Klägerin ergänzend vor, sie sei von der —vorher nicht erörterten— Verspätung der Klageerhebung völlig überrascht worden und habe dazu noch ergänzende Ausführungen vor dem FG machen wollen.
Das FA ist der Beschwerde entgegengetreten.
II. 1. Die Beschwerde ist unzulässig.
Die Klägerin hat keine Gründe dargelegt (§ 116 Abs. 3 Satz 3 FGO), die eine Zulassung der Revision rechtfertigen.
a) Eine abstrakte Rechtsfrage, die zur Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO) verpflichtet, hat die Klägerin nicht hervorgehoben. Ihre Ausführungen zu den Voraussetzungen einer zulässigen Klageerhebung als von Amts wegen zu prüfende Sachurteilsvoraussetzungen sind für das Verfahren über eine Nichtzulassungsbeschwerde ohne Bedeutung. Im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren ist nur zu prüfen, ob einer der in § 115 Abs. 2 Nr. 1 bis 3 FGO abschließend aufgezählten Gründe vorliegt, die Revision zuzulassen.
b) Soweit die Klägerin Verfahrensmängel (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO) rügt, ist ihre Beschwerde unzulässig. Sofern sie die unzureichende Aufklärung des Sachverhalts (§ 76 Abs. 1 Satz 1 FGO) hat rügen wollen, hat sie nicht bezeichnet, welche Tatsachen das FG aus seiner maßgebenden Sicht von der Rechtzeitigkeit der Klageerhebung nicht aufgeklärt hat. Dies wäre aber nach § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO für eine zulässige Nichtzulassungsbeschwerde notwendig gewesen.
Soweit dies ihrem Vorbringen zu entnehmen ist, wendet sich die Klägerin gegen die Schlussfolgerungen des FG, nach denen das FA nachgewiesen hat, dass die Einspruchsentscheidung am mit der Post abgesandt worden ist, und sie, die Klägerin, nicht glaubhaft gemacht hat, dass ihr Prozessbevollmächtigter diesen Bescheid erst nach Ablauf der Dreitagefrist des § 122 Abs. 2 AO 1977 erhalten hat. Dabei handelt es sich um die Beweiswürdigung des FG und nicht um Verfahrensmängel. Mit der Rüge der Fehlerhaftigkeit der rechtlichen Würdigung durch das FG wird kein Revisionszulassungsgrund i.S. von § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO geltend gemacht (ständige Rechtsprechung, z.B. , BFH/NV 2004, 499, m.w.N.).
Dazu ist anzumerken, dass nach ständiger Rechtsprechung des BFH für die Glaubhaftmachung des Zugangs eines behördlichen mit der Post übermittelten Schriftstücks nicht allein die anwaltliche Versicherung ausreicht, vielmehr auch zusätzlich ein geeignetes objektives Beweismittel, z.B. ein Fristenkontrollbuch hinzutreten muss, in das der Eingang des Schriftstücks eingetragen wird (vgl. dazu , BFH/NV 2004, 524, m.w.N.).
Hinzu kommt, dass das FG den Sachverhalt, der die Absendung der Einspruchsentscheidung und den Zugang bei dem Vertreter des Einspruchsführers betrifft, unter Berücksichtigung des Vorbringens der Beteiligten aufzuklären und die festgestellten oder unstreitigen Umstände im Wege freier Beweiswürdigung nach § 96 Abs. 1 FGO gegeneinander abwägen muss (vgl. dazu , BFH/NV 2003, 586).
Wenn dabei der Steuerpflichtige nicht den Zugang des Schriftstücks überhaupt bestreitet, sondern lediglich behauptet, sein Prozessbevollmächtigter habe es nicht innerhalb des Dreitageszeitraums des § 122 Abs. 2 Nr. 1 AO 1977 erhalten, so hat er sein Vorbringen im Rahmen des Möglichen zu substantiieren, um Zweifel an der Dreitagesvermutung zu begründen. Er muss Tatsachen vortragen, die den Schluss zulassen, dass ein anderer Geschehensablauf als der typische Zugang binnen dreier Tage nach Aufgabe zur Post ernstlich in Betracht zu ziehen ist. Es genügt nicht schon einfaches Bestreiten oder die von der Klägerin herangezogene Lebenserfahrung, nach der an einem Freitag außergewöhnliche Verhältnisse herrschen und dass am Montag nur ein Teil der Postsendungen ausgegeben wird.
Die Zulässigkeit einer Nichtzulassungsbeschwerde, insbesondere hinsichtlich der Anforderungen an ihre Begründung, ist nach § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO nur nach den innerhalb der gesetzlichen Begründungsfrist (§ 116 Abs. 3 Sätze 1 und 4 FGO) vorgebrachten Ausführungen zu beurteilen; spätere Darlegungen sind —abgesehen von bloßen Erläuterungen und Ergänzungen— nicht zu berücksichtigen (ständige Rechtsprechung des BFH, z.B. Beschluss vom X B 112/01, BFH/NV 2002, 346).
2. Einer weiteren Begründung bedarf die Entscheidung nach § 116 Abs. 5 Satz 2 FGO nicht.
Fundstelle(n):
KAAAB-23168