Verlustverwertung im Rahmen des § 15a EStG bei Wechsel der Rechtsstellung vom Kommanditisten zum Komplementär
Gesetze: EStG § 15a; HGB §§ 107, 143, 160, 162
Instanzenzug: (Verfahrensverlauf),
Gründe
Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) war bis zum Streitjahr (1999) eine Kommanditgesellschaft. Kommanditist der Klägerin war Herr A. Komplementärin der Klägerin war die am Gesellschaftsvermögen nicht beteiligte A-GmbH. Wirtschaftsjahr war das Kalenderjahr.
Durch Gesellschafterbeschluss vom wurde die Klägerin in eine OHG umgewandelt. Der bisherige Kommanditist wechselte in die Stellung eines unbeschränkt persönlich haftenden Gesellschafters. Mit notarieller Urkunde vom wurden die Änderung der Gesellschaftsverhältnisse und die Umfirmierung dem Registergericht angezeigt. Am wurde das Handelsregister entsprechend geändert.
In ihrer Erklärung zur gesonderten und einheitlichen Feststellung von Grundlagen für die Einkommensbesteuerung 1999 (Streitjahr) erklärte die Klägerin in der Anlage ESt 1, 2, 3 B (V) zur Feststellung von Besteuerungsgrundlagen in den Fällen des § 15a des Einkommensteuergesetzes (EStG) für ihren Gesellschafter A einen ausgleichsfähigen Verlust in Höhe von 67 262 DM sowie eine Minderung des im Vorjahr festgestellten verrechenbaren Verlustes um 673 365 DM. Entsprechend erklärte sie in der Anlage ESt 1, 2, 3 B einen zurechenbaren laufenden Verlust in Höhe von 67 262 DM sowie einen Korrekturbetrag nach § 15a Abs. 1, 2 oder 3 EStG in Höhe von ./. 673 365 DM. Laut Erklärung ergab sich für den Gesellschafter A unter Berücksichtigung von Sonderbetriebseinnahmen und -ausgaben somit insgesamt ein ausgleichsfähiger Verlust in Höhe von 535 201 DM.
Im Bescheid über die einheitliche und gesonderte Feststellung von Grundlagen für die Einkommensbesteuerung für das Jahr 1999 vom wich der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt —FA—) von der Erklärung der Klägerin ab. In der Anlage ESt 1, 2, 3 B (V) zur Feststellung von Besteuerungsgrundlagen in den Fällen des § 15a EStG sah das FA den Verlust des Gesellschafters A für das Jahr 1999 in Höhe von 67 262 DM als nicht ausgleichsfähig an. Der am Ende des vorangegangenen Kalenderjahrs festgestellte verrechenbare Verlust in Höhe von 637 365 DM wurde auf 740 627 DM erhöht. Dementsprechend stellte das FA in der Anlage ESt 1, 2, 3 B zur gesonderten und einheitlichen Feststellung von Grundlagen für die Einkommensbesteuerung für den Gesellschafter A einen bei der Veranlagung anzusetzenden Gewinn in Höhe von 205 426 DM fest.
Den hiergegen eingelegten Einspruch wies das FA als unbegründet zurück. Mit der Klage verfolgte die Klägerin ihr Begehren weiter. Das Finanzgericht (FG) lud A zum Verfahren bei (§ 60 Abs. 3 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung —FGO—) und gab der Klage statt. Die Entscheidung vom 14 K 3366/01 ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2002, 818 veröffentlicht.
Hiergegen richtet sich die Revision des FA, die auf die Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützt wird.
Das FA beantragt,
das finanzgerichtliche Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und der Einspruchsentscheidung vom , zur Änderung der angefochtenen Bescheide sowie zur Abweisung der weiter gehenden Klage.
Das FG hat zutreffend entschieden, dass der Verlust des Streitjahres ausgleichsfähig ist. Demgegenüber kann der aus Vorjahresergebnissen resultierende verrechenbare Verlust auf den in Höhe von 673 365 DM entgegen der vom FG vertretenen Auffassung nicht in einen ausgleichsfähigen Verlust umqualifiziert werden.
1. Verlust des Streitjahres
Nach § 15a Abs. 1 Satz 1 EStG darf der einem Kommanditisten zuzurechnende Anteil am Verlust der KG weder mit anderen Einkünften aus Gewerbebetrieb noch mit Einkünften aus anderen Einkunftsarten ausgeglichen werden, soweit ein negatives Kapitalkonto des Kommanditisten entsteht oder sich erhöht.
a) Die Vorschrift enthält keine ausdrückliche Aussage dazu, auf welchen Zeitpunkt die Tatbestandsmerkmale des Entstehens oder der Erhöhung eines negativen Kapitalkontos des Kommanditisten durch die ihm zuzurechnenden Anteile am Verlust der KG zu prüfen sind. Wie der Bundesfinanzhof (BFH) aber mit Urteil vom VIII R 81/02 (BFH/NV 2004, 264) entschieden hat, ergibt sich aus dem Zusammenhang mit den weiteren Bestimmungen des § 15a EStG, dass die Vorschrift mit Rücksicht auf die Voraussetzung der Kommanditistenstellung an die Verhältnisse am Ende des Wirtschaftsjahrs der Verlustentstehung anknüpft. Für einen Gesellschafter, der am Bilanzstichtag nicht die Stellung eines Kommanditisten oder eines mit einem Kommanditisten i.S. des § 15a Abs. 5 EStG vergleichbaren Gesellschafters hat, greift deshalb die Verlustausgleichsbeschränkung nach § 15a Abs. 1 EStG für das betreffende Jahr nicht ein. Der auf ihn entfallende Verlustanteil des gesamten Wirtschaftsjahrs ist nach den allgemeinen Regeln des EStG ausgleichsfähig.
b) Daraus hat der BFH für den Wechsel der Gesellschafterstellung im Urteil vom VIII R 81/02 gefolgert: Wer von der Stellung als persönlich haftender Gesellschafter in die Stellung eines Kommanditisten wechselt, unterliegt ungeachtet seiner handelsrechtlichen Nachhaftung gemäß § 160 Abs. 3 des Handelsgesetzbuchs (HGB) mit dem gesamten Verlustanteil für das Wirtschaftsjahr des Wechsels der Verlustausgleichsbeschränkung nach § 15a Abs. 1 EStG. Umgekehrt sind für den Gesellschafter, der von der Stellung als Kommanditist in die Stellung als persönlich haftender Gesellschafter wechselt, sämtliche Anteile am Verlust des Wirtschaftsjahrs, in dem der Beteiligungswechsel stattgefunden hat, ausgleichsfähig. Das ist auch die Auffassung der Finanzverwaltung (R 138d Abs. 1 Satz 2 der Einkommensteuer-Richtlinien).
c) Nach diesen Grundsätzen ist der Verlustanteil des Beigeladenen für das Streitjahr nicht der Ausgleichsbeschränkung des § 15a EStG unterworfen, weil er infolge des Gesellschafterbeschlusses vom vor dem Bilanzstichtag des Streitjahres in die Stellung als persönlich haftender Gesellschafter gewechselt ist und die KG dadurch von Gesetzes wegen in eine OHG umgewandelt worden ist.
Dem FA ist nicht darin beizupflichten, dass ein Wechsel in die Stellung als persönlich haftender Gesellschafter mit steuerrechtlicher Wirksamkeit deswegen nicht stattgefunden hat, weil der Wechsel nicht vor dem Bilanzstichtag () nach außen erkennbar gemacht worden ist. Eine spezielle steuerrechtliche Wirksamkeitsvoraussetzung für den Beteiligungswechsel gibt es nicht.
d) Das FG ist zutreffend davon ausgegangen, dass handelsrechtlich der Beteiligungswechsel bereits mit dem Gesellschafterbeschluss wirksam wird. Die nach §§ 107, 143, 162 HGB erforderliche Eintragung in das Handelsregister ist keine Wirksamkeitsvoraussetzung für den Beteiligungswechsel (Hüffer in Staub, Handelsgesetzbuch, 4. Aufl. 1995, § 8 Rn. 79; Ulmer in Großkommentar zum Handelsgesetzbuch, § 105 Rn. 313; Schlegelberger/ Martens, Handelsgesetzbuch, 5. Aufl. 1986, § 162 Anm. 25; Baumbach/Hopt, Handelsgesetzbuch, § 143 Rn. 5).
e) § 15a Abs. 1 EStG knüpft an die handelsrechtliche Stellung als Kommanditist an. Deshalb ist die nach den Grundsätzen des Gesellschaftsrechts wirksame Begründung einer Stellung als persönlich haftender Gesellschafter auch für den Anwendungsbereich des § 15a Abs. 1 Satz 1 EStG maßgeblich. Das gilt ebenso beim Wechsel von der Stellung eines Kommanditisten zum persönlich haftenden Gesellschafter (gl.A. Wacker, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung 2004, 114).
f) Eine besondere Anforderung an die Publizität des Wechsels ergibt sich weder aus dem EStG noch aus anderen Gesetzen. Insbesondere kann nicht aus § 15a Abs. 1 Satz 2 EStG entnommen werden, der Wechsel vom Kommanditisten zum persönlich haftenden Gesellschafter bedürfe einer besonderen öffentlichen Bemerkbarkeit (a.A. Braun, EFG 2003, 302). Zweck des § 15a EStG ist es, dem Kommanditisten einen steuerlichen Verlustausgleich nur insoweit zu gewähren, als er wirtschaftlich durch die Verluste belastet wird. Die Belastung kann insoweit nicht über den Betrag hinausgehen, mit dem der Kommanditist im Innenverhältnis für Schulden der Gesellschaft haftet. § 15a Abs. 1 Satz 2 und 3 EStG erweitert das Potenzial für ausgleichsfähige Verluste eines Kommanditisten allerdings über den Betrag seiner im Innenverhältnis bestehenden Haftung für Gesellschaftsschulden hinaus, soweit der Kommanditist im Außenverhältnis persönlich haftet, weil er seine Hafteinlage noch nicht vollständig erbracht hat. Die Hafteinlage wird durch die Eintragung im Handelsregister bestimmt (§§ 171 Abs. 1, 172 Abs. 1 HGB). Insoweit ist die Publizität mithin handelsrechtliche Wirksamkeitsvoraussetzung, an die § 15a EStG anknüpft, nicht aber eine eigenständige steuerrechtliche Wirksamkeitsvoraussetzung.
g) Im Streitfall besteht infolge des notariell beglaubigten Antrags auf Eintragung der Änderung der Gesellschaftsverhältnisse in das Handelsregister vom kein Zweifel, dass der entsprechende Gesellschafterbeschluss tatsächlich im Jahr 1999 gefasst worden ist.
h) Der vom FA im Bescheid zur gesonderten und einheitlichen Feststellung von Grundlagen für die Einkommensbesteuerung 1999 vom ausgewiesene Gewinn für A vermindert sich danach um 67 262 DM (von 205 426 DM) auf 138 164 DM.
2. Vor dem Streitjahr entstandene verrechenbare Verluste
Die Umwandlung der Rechtsstellung eines Kommanditisten in diejenige eines unbeschränkt haftenden Gesellschafters hat nicht zur Folge, dass der für ihn bisher festgestellte verrechenbare Verlust (hier in Höhe von 673 365 DM) in einen ausgleichsfähigen Verlust umzuqualifizieren ist. Der erkennende Senat schließt sich der vom VIII. Senat des (BFHE 203, 477) vertretenen Auffassung an und verweist zur Begründung auf dessen Ausführungen. Die gegen das Urteil des VIII. Senats vorgebrachte Kritik (D. Carlé, Beratersicht zur Steuerrechtsprechung —BeSt— 2004, 4) greift nicht durch. Das Urteil in BFHE 203, 477 füllt die von ihm festgestellte Regelungslücke in Anlehnung an die Erwägungen, die —ausweislich der Gesetzesbegründung— der Regelung des § 15a Abs. 1 Satz 2 EStG zugrunde liegen. In gleicher Weise hat der erkennende Senat in seinem Urteil vom IV R 106/94 (BFHE 179, 368, BStBl II 1996, 226 unter III. 6. b) auf den gesetzgeberischen Plan hingewiesen, der darin bestand, die Ausgleichsfähigkeit von Verlusten beschränkt haftender Unternehmer, insbesondere Mitunternehmer von Personengesellschaften, auf den am jeweiligen Bilanzstichtag des Jahres der Verlustentstehung gegebenen Haftungsumfang zu begrenzen, sei es also auf den Betrag der bis zum Bilanzstichtag geleisteten Einlage (s. insoweit , BFH/NV 1987, 640, und , BFHE 165, 27, BStBl II 1992, 232), sei es auf den am Bilanzstichtag gegebenen Betrag der Außenhaftung aufgrund einer entsprechenden Eintragung in das Handelsregister (, BFHE 164, 526, BStBl II 1992, 164). Diese Rechtsprechung hat der VIII. Senat mit seiner Entscheidung in BFHE 203, 477 konsequent fortgeführt. Deshalb kommt es letztlich nicht darauf an, ob —wie im Urteil des VIII. Senats des BFH angenommen und von D. Carlé (BeSt 2004, 4) in Zweifel gezogen— eine andere Behandlung nicht nur dem Gesetzeszweck widersprechen, sondern zudem gegen Art. 3 des Grundgesetzes verstoßen würde.
3. Der Senat hält es nicht für geboten, die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen für erstattungsfähig zu erklären (§ 139 Abs. 4 FGO), weil er nicht zur Förderung des Verfahrens beigetragen hat. Im Revisionsverfahren war er nicht vertreten. Soweit er in der mündlichen Verhandlung vor dem FG durch den Prozessbevollmächtigten der Klägerin vertreten war, dürften keine zusätzlichen Kosten entstanden sein.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
BFH/NV 2004 S. 1228
BFH/NV 2004 S. 1228 Nr. 9
DStRE 2004 S. 937 Nr. 16
KÖSDI 2004 S. 14316 Nr. 9
StBp. 2010 S. 177 Nr. 6
CAAAB-23162