Zugehörigkeit zum sog. Generationennachfolge-Verbund als Voraussetzung für den Sonderausgaben-Abzug nach § 10 Abs. 1 Nr. 1a EStG bei Vermögensübergabe gegen Versorgungsleistungen
Gesetze: EStG § 10 Abs. 1 Nr. 1a, § 12
Instanzenzug: (Verfahrensverlauf),
Gründe
I. Der am verstorbene Inhaber der Firma M, Herr M, hatte Frau S erbvertraglich zur Alleinerbin seines Vermögens eingesetzt. Im Erbvertragsnachtrag vom beschwerte Herr M Frau S mit dem Vermächtnis, seine im Handelsregister eingetragene Firma mit sämtlichen zum Todeszeitpunkt vorhandenen Aktiven und Passiven auf den Kläger und Revisionskläger (Kläger) zu übertragen. Der Kläger seinerseits wurde mit dem Untervermächtnis beschwert, Frau S eine monatliche Rente in Höhe von 2 000 DM zu zahlen. Zudem bestimmte Herr M, dass der Kläger die Firma nur mit Zustimmung der Frau S liquidieren oder veräußern könne. Frau S sollte in diesem Fall wegen des Erlöschens der Rentenzahlungsverpflichtung ein Drittel des Veräußerungserlöses zustehen.
Der Kläger und Frau S haben die Vermächtnisse angenommen. Mit notariellem Vertrag vom übertrug Frau S die Firma M mit Wirkung zum auf den Kläger. In Erfüllung des Untervermächtnisses zahlte der Kläger an Frau S ab eine monatliche Rente in Höhe von 2 000 DM und ab eine monatliche Rente von 2 025 DM. Die durch eine Reallast abgesicherte Zahlung auf Lebenszeit der Begünstigten sollte der Sicherung des Lebensunterhalts dienen. Eine Wertsicherungsklausel war vereinbart.
Im Streitjahr 1992 wurde der Gewinn des Klägers aus Gewerbebetrieb vom zuständigen Betriebsstättenfinanzamt in Höhe von 192 168 DM gesondert festgestellt.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt —FA—) berücksichtigte im Einkommensteuerbescheid für das Streitjahr 1992 vom und im nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 der Abgabenordnung (AO 1977) geänderten Steuerbescheid vom die Zahlungen des Klägers an Frau S in Höhe von 26 304 DM nicht als Sonderausgaben.
Einspruch und Klage blieben ohne Erfolg. Das Finanzgericht (FG) führte in dem in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2001, 562 veröffentlichten Urteil im Wesentlichen aus, Frau S habe dem Kläger den Gewerbebetrieb nicht im Rahmen einer „Vermögensübertragung im Wege vorweggenommener Erbfolge gegen Versorgungsleistungen„ überlassen. Sie habe vielmehr ein Vermächtnis erfüllt, mit dem sie als Alleinerbin aufgrund des Erbvertrags beschwert gewesen sei. Auch wenn der Kläger aufgrund des Vermächtnisses nur einen obligatorischen Anspruch gegen Frau S gehabt habe, sei er als Vermächtnisnehmer mit dem Erbfall berufen worden. Sein Vermächtnisanspruch sei mit dem Erbfall entstanden. In der notariellen Urkunde vom habe Frau S dem Kläger nicht ererbtes Vermögen unentgeltlich zugewendet, sondern vielmehr seinen Anspruch als Vermächtnisnehmer erfüllt. Gleiches gelte für die vom Kläger in der Urkunde eingegangene Verpflichtung, Zahlungen an Frau S zu leisten. Der Kläger als Vermächtnisnehmer sei mit dem Untervermächtnis nicht wirtschaftlich belastet, da die ihm auferlegten Aufwendungen den Wert des Vermächtnisses nicht überstiegen. Das Sonderrecht der „Vermögensübertragung gegen Versorgungsleistungen„ sei in seiner Anwendung begrenzt auf Zahlungen an Angehörige des Generationennachfolge-Verbundes und Frau S gehöre als mit dem Erblasser nicht verwandte Person nicht zum Kreis der Versorgungsberechtigten, bei denen die Zahlung einer dauernden Last bejaht werden könne.
Mit seiner Revision rügt der Kläger Verletzung materiellen Rechts.
Er beantragt, das FG-Urteil aufzuheben und unter Änderung des Einkommensteuerbescheides 1992 und der Einspruchsentscheidung vom die geltend gemachten Rentenzahlungen an Frau S in Höhe von 26 304 DM als Sonderausgaben im Rahmen der Veranlagung zur Einkommensteuer 1992 zu berücksichtigen und die Einkommensteuer 1992 entsprechend herabzusetzen.
Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.
II. Die Revision ist unbegründet. Zu Recht hat das FG entschieden, dass die Zahlungen des Klägers an Frau S nicht als Sonderausgaben nach § 10 Abs. 1 Nr. 1 a des Einkommensteuergesetzes (EStG) abziehbar sind.
1. Ob die Zahlungen des Klägers an Frau S zu den Anschaffungskosten des Gewerbebetriebs des Klägers rechnen oder als Betriebsausgaben bei seinen gewerblichen Einkünften Berücksichtigung finden können, ist im Streitfall, in dem über die Rechtmäßigkeit des Einkommensteuerbescheids zu befinden ist, nicht zu entscheiden. Denn die gewerblichen Einkünfte des Klägers aus dem ihm übertragenen Gewerbebetrieb werden gesondert in einem Grundlagenbescheid festgestellt.
2. a) Nach § 10 Abs. 1 Nr. 1 a EStG können auf besonderen Verpflichtungsgründen beruhende Renten und dauernde Lasten als Sonderausgaben abgezogen werden, wenn sie nicht mit Einkünften in wirtschaftlichem Zusammenhang stehen, die bei der Veranlagung außer Betracht bleiben, und wenn sie weder Werbungskosten noch Betriebsausgaben sind. Dauernde Lasten sind in vollem Umfang abziehbar, Leibrenten hingegen nur mit dem Ertragsanteil, der sich aus der Tabelle des § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a EStG ergibt. Demgegenüber dürfen die in § 12 EStG in der für das Streitjahr maßgeblichen Fassung genannten Ausgaben weder bei den einzelnen Einkunftsarten noch vom Gesamtbetrag der Einkünfte abgezogen werden, „soweit in den §§ 10 Abs. 1 Nrn. 1, 2 bis 9, 10b und 33 bis 33c nichts anderes bestimmt ist„. Von diesem Abzugsverbot erfasst werden u.a. freiwillige Zuwendungen und Zuwendungen auf Grund einer freiwillig begründeten Rechtspflicht (§ 12 Nr. 2 EStG). Dies gilt auch für die im Einleitungssatz des § 12 EStG nicht erwähnten Renten und dauernden Lasten (§ 10 Abs. 1 Nr. 1 a EStG), soweit diese —außerhalb der für die Vermögensübergabe gegen Versorgungsleistungen geltenden Sonderregelung— Unterhaltsleistungen oder Leistungen aufgrund freiwillig begründeter Rechtspflicht darstellen (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. , BFHE 167, 381, BStBl II 1992, 612, unter 1., und vom X R 106/98, BFH/NV 2001, 1242).
b) Versorgungsleistungen unterscheiden sich von Unterhaltsleistungen i.S. von § 12 Nr. 1 EStG „durch ihre Charakterisierung als vorbehaltene Vermögenserträge; sie enthalten deshalb auch keine Zuwendungen des Vermögensübernehmers aufgrund freiwillig begründeter Rechtspflicht i.S. von § 12 Nr. 2 EStG„. Diese Aussage im Beschluss des Großen Senats des (BFHE 161, 317, BStBl II 1990, 847) wird u.a. wie folgt erläutert: „Denn die steuerrechtliche Zurechnung der Versorgungsleistungen zu den wiederkehrenden Bezügen und Sonderausgaben beruht auf dem Umstand, dass sich der Vermögensübergeber in Gestalt der Versorgungsleistungen typischerweise Erträge seines Vermögens vorbehält, die nunmehr allerdings vom Vermögensübernehmer erwirtschaftet werden müssen.„ Dem Beschluss liegt mithin die entscheidungsleitende Vorstellung zugrunde, dass der Übergeber das Vermögen ähnlich wie beim Nießbrauchsvorbehalt ohne die vorbehaltenen Erträge, die ihm nunmehr ganz oder teilweise als Versorgungsleistungen zufließen, übertragen hat.
Dies hat der Große Senat des BFH in seinem Beschluss vom GrS 1/00 (BFHE 202, 464, BFH/NV 2003, 1480) bekräftigt: „Maßgebendes Kriterium für die Frage, ob ein Wirtschaftsgut Gegenstand einer unentgeltlichen Vermögensübergabe gegen Versorgungsleistungen sein kann, ist die Vergleichbarkeit mit dem Vorbehaltsnießbrauch. Die Vermögensübergabe muss sich so darstellen, dass die vom Übernehmer zugesagten Leistungen —obwohl sie von ihm erwirtschaftet werden müssen— als zuvor vom Übergeber vorbehaltene —abgespaltene— Nettoerträge vorstellbar sind.„
c) Hiernach kommt außerhalb der „Vermögensübertragung gegen Versorgungsleistungen„ bei wiederkehrenden Leistungen (Renten und dauernden Lasten) ein Abzug als Sonderausgaben nach § 10 Abs. 1 Nr. 1 a EStG grundsätzlich nicht in Betracht. Stehen die wiederkehrenden Leistungen —wie bei einem dem Erben auferlegten Vermächtnis— in sachlichem Zusammenhang mit einer erhaltenen Gegenleistung, scheitert die Abziehbarkeit daran, dass im Hinblick auf den erhaltenen Vermögenswert wirtschaftlich keine als Sonderausgabe abziehbare „Last„ vorliegt (, BFHE 157, 88, BStBl II 1989, 779; in BFHE 167, 381, BStBl II 1992, 612; in BFH/NV 2001, 1242).
3. Die Anwendung der vorstehenden Grundsätze auf den Streitfall ergibt, dass § 12 EStG nicht spezialgesetzlich ausgeschlossen ist. Die Empfängerin der Rentenzahlungen gehört nicht dem Personenkreis an, innerhalb dessen Vermögen privilegiert übertragen werden kann.
a) Nach den Entscheidungen des Großen Senats des BFH sind Leistungen, die anlässlich einer Betriebs- oder Vermögensübergabe im Wege der vorweggenommenen Erbfolge vorbehalten worden sind, wie etwa Altenteils- und ihnen gleichstehende Versorgungsleistungen, als Sonderausgaben nach § 10 Abs. 1 Nr. 1 a EStG abziehbar (Beschlüsse in BFHE 161, 317, BStBl II 1990, 847, und vom GrS 1/90, BFHE 165, 225, BStBl II 1992, 78).
b) Der BFH hat der vorweggenommenen Erbfolge den Fall gleichgestellt, dass Versorgungsleistungen ihren Entstehungsgrund in einer letztwilligen Verfügung (z.B. in einem Vermächtnis) haben, sofern „z.B. der überlebende Ehegatte oder ein erbberechtigter Abkömmling„ des Testators statt seines gesetzlichen Erbteils aus übergeordneten Gründen der Erhaltung des Familienvermögens lediglich Versorgungsleistungen aus dem ihm an sich zustehenden Vermögen erhält und es sich bei den Zahlungen nicht um eine Verrentung des Erbteils handelt (Senatsurteil vom X R 54/92, BFHE 173, 360, BStBl II 1994, 633, unter 1.; vgl. ferner Senatsurteile in BFHE 167, 381, BStBl II 1992, 612, unter 4. b, bb, und in BFH/NV 2001, 1242, unter II. 1.).
c) Danach kann sich der Vermögensübergeber nach ständiger Rechtsprechung des BFH namentlich in dem hier zu beurteilenden Fall einer Vermögensübergabe von Todes wegen Versorgungsleistungen i.S. von § 10 Abs. 1 Nr. 1 a EStG auch für bestimmte dritte Personen vorbehalten. Ein solcher Vorbehalt zugunsten dritter Personen setzt allerdings nach den von der bisherigen Rechtsprechung des BFH entwickelten Grundsätzen voraus, dass diese Personen dem sog. Generationennachfolge-Verbund angehören.
d) Im Urteil vom X R 11/01 (BFHE 204, 192) hat der erkennende Senat seine bisherige Rechtsprechung zu der Frage, wer neben dem Vermögensübergeber Bezieher von Versorgungsleistungen i.S. von § 10 Abs. 1 Nr. 1 a EStG sein kann, konkretisiert. Zum Generationennachfolge-Verbund zählen danach grundsätzlich nur solche Personen, die gegenüber dem Erben bzw. den sonstigen letztwillig bedachten Vermögensübernehmern Pflichtteils- oder ähnliche Ansprüche (Zugewinnausgleich, §§ 1363 ff. des Bürgerlichen Gesetzbuchs —BGB—) hätten geltend machen können und sich stattdessen mit den ihnen (vermächtnisweise) ausgesetzten Versorgungsleistungen bescheiden. Nur diese übertragen —vergleichbar dem Vermögensübergeber in Fällen vorweggenommener Erbfolge— einen eigenen Vermögenswert.
aa) Das FG ging bei seiner Entscheidung zutreffend davon aus, dass Frau S dem Kläger den Gewerbebetrieb nicht im Rahmen einer Vermögensübertragung im Wege vorweggenommener Erbfolge gegen Versorgungsleistungen überlassen hat. Der notarielle Vertrag vom beinhaltet keine unentgeltliche Zuwendung ererbten Vermögens an den Kläger; vielmehr erfüllte Frau S hierdurch nur den Anspruch des Klägers als Vermächtnisnehmer.
bb) Zwar können Versorgungsleistungen ihren Entstehungsgrund auch in einer letztwilligen Verfügung haben. Im Streitfall kommt ein Abzug der Zahlungen als Sonderausgaben aber dennoch nicht in Betracht, selbst wenn Frau S —wie im Verfahren über die Zulassung der Revision erstmals vorgetragen— langjährige Lebensgefährtin des Erblassers war. Auch in diesem Fall hat Frau S nicht über eigene, ihr auch vom Erblasser nicht entziehbare (erb- und/oder familienrechtliche) Ansprüche verfügt und konnte folglich nicht über derartige Ansprüche in dem Sinne disponieren, dass sie auf deren Geltendmachung im Interesse der Erhaltung des Nachlassvermögens gegen die ihr zugedachten Versorgungsleistungen verzichtete. Die ihr vom Erblasser ausgesetzten Versorgungsleistungen erfüllen nicht die Voraussetzungen des § 10 Abs. 1 Nr. 1 a EStG. Die Zuwendung war „freiwillig„ und wird nicht vom Sonderrecht der Vermögensübergabe gegen Versorgungsleistungen erfasst.
Dieses Ergebnis wird zudem durch die Überlegung bestätigt, dass auch der Erblasser wegen § 12 Nr. 2 EStG zu Lebzeiten keine Unterhaltszahlungen an seine Lebensgefährtin als Sonderausgaben vom Gesamtbetrag der Einkünfte abziehen konnte.
e) Entgegen der Auffassung des Klägers lässt sich auch nicht aus der BFH-Entscheidung vom IX R 11/94 (BFHE 185, 208, BStBl II 1998, 718) ableiten, dass es nicht auf die erbrechtliche Stellung der Beteiligten ankommen könne (vgl. auch Senatsurteile in BFH/NV 2001, 1242, 1243, mittlere Spalte; vom X R 11/01, unter II. 6). Zwar kann —auch nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats (vgl. Urteil vom X R 53/99, BFH/NV 2001, 1388, unter II. 2. c)— ein „Dritter„, d.h. nicht zum Generationennachfolge-Verbund Gehörender, Vermögensübernehmer sein. Auf einem Vermächtnis beruhende Versorgungsaufwendungen (Rente oder dauernde Last) dürfen aber nur dann als Sonderausgaben abgezogen werden, wenn sie als vom Erblasser vorbehaltene Erträge des übergebenen Vermögens zugunsten des Ehegatten oder anderer neben dem Übernehmer erbberechtigter Abkömmlinge des Erblassers zu beurteilen sind. In allen anderen Fällen sind sie mit dem Wert des übertragenen Nachlassvermögens zu verrechnen (Senatsurteil in BFHE 167, 381, BStBl II 1992, 612, unter 4. b), da der Erbe mit der Erfüllung des Vermächtnisses aus dem erhaltenen Nachlass wirtschaftlich nicht belastet ist (Senatsurteil in BFHE 167, 381, BStBl II 1992, 612, unter 4. c).
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
BFH/NV 2004 S. 1086
BFH/NV 2004 S. 1086 Nr. 8
WAAAB-22072