BFH Urteil v. - I R 32/03

Keine Aufteilung des AN-Pauschbetrags bei der Berechnung des Progressionsvorbehalts

Gesetze: EStG §§ 9a, 32a, 32b, 19

Instanzenzug: (Verfahrensverlauf),

Gründe

I. Die in Deutschland wohnende Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) war im Streitjahr 1999 im Januar arbeitslos und erhielt für diesen Zeitraum Arbeitslosengeld in Höhe von 1 477,07 DM. Vom 1. Februar bis zum war sie bei einem in Luxemburg ansässigen Arbeitgeber in Luxemburg beschäftigt und erzielte dort Einnahmen aus nichtselbständiger Arbeit von 7 566 DM, denen Werbungskosten von 2 919 DM gegenüberstanden. Vom 1. Mai bis zum erzielte sie Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit im Inland in Höhe von 27 499 DM. Im Zusammenhang mit dieser Tätigkeit machte sie Werbungskosten von 163 DM geltend.

Im Rahmen der Einkommensteuerveranlagung bezog der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt —FA—) bei der Bemessung des Steuersatzes gemäß § 32b Abs. 1 i.V.m. Abs. 2 Nr. 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG 1997) neben den Lohnersatzleistungen auch die ausländischen Einkünfte der Klägerin in Höhe von 7 566 DM ein, die er wie folgt ermittelte:


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Inland
Ausland
Einnahmen gemäß § 19 EStG 1997
     27 499 DM
      7 566 DM
abzüglich Werbungskosten (gesamt: 2 919 DM + 163 DM = 3 075 DM)
./. 2 000 DM (= Arbeitnehmer-Pauschbetrag gemäß § 9a Satz 1 Nr. 1 EStG 1997)
./. 1 075 DM  
Einkünfte
   25 499 DM
    6 491 DM

Dagegen wandte sich die Klägerin mit der Begründung, die in- und ausländischen Einkünfte seien bei der Ermittlung des Steuersatzes gemäß § 32b EStG 1997 getrennt zu ermitteln. Der Arbeitnehmer-Pauschbetrag nach § 9a Satz 1 Nr. 1 EStG 1997 sei dabei nicht aufzuteilen, und zwar unabhängig davon, dass er bei der Ermittlung der inländischen Einkünfte durch tatsächlich angefallene Werbungskosten nicht ausgeschöpft worden sei.

Das Finanzgericht (FG) Rheinland-Pfalz gab ihrer Klage durch Urteil vom 1 K 1254/01 statt.

Seine Revision stützt das FA auf Verletzung materiellen Rechts.

Es beantragt, das FG-Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.

II. Die Revision ist unbegründet. Das FG hat die von der Klägerin erzielten ausländischen Einkünfte bei der Ermittlung des besonderen Einkommensteuersatzes gemäß § 32b Abs. 1 Nr. 3 EStG 1997 zu Recht um die insoweit tatsächlich angefallenen Werbungskosten gekürzt. Der entgegenstehenden Auffassung der Finanzverwaltung (vgl. EUR, Recht der Internationalen Wirtschaft 2002, 808; ) ist nicht zu folgen.

1. Die —im Inland unbeschränkt steuerpflichtige (§ 1 Abs. 1 Satz 1 EStG 1997)— Klägerin hat im Inland nur in einem Teil des Streitjahres Einnahmen aus nichtselbständiger Arbeit (§ 19 EStG 1997) erzielt, im Übrigen jedoch entsprechende Einnahmen in Luxemburg. Diese in Luxemburg erzielten Einnahmen sind nach Art. 20 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. Art. 10 Abs. 1 des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Großherzogtum Luxemburg zur Vermeidung der Doppelbesteuerungen und über gegenseitige Amtshilfe auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen sowie der Gewerbesteuern und der Grundsteuern (DBA-Luxemburg) im Inland steuerbefreit. Die steuerbefreiten Einkünfte unterliegen jedoch dem Progressionsvorbehalt gemäß § 32b Abs. 1 Nr. 3 EStG 1997 i.V.m. Art. 20 Abs. 2 Satz 2 DBA-Luxemburg.

2. Der für den Progressionsvorbehalt zu berechnende besondere Einkommensteuersatz ist jener, der sich ergibt, wenn bei der Berechnung der Einkommensteuer das nach § 32a Abs. 1 EStG 1997 zu versteuernde Einkommen um die nach dem Doppelbesteuerungsabkommen steuerfreien ausländischen Einkünfte vermehrt wird (§ 32b Abs. 2 Nr. 2 EStG 1997). Das nach § 32a Abs. 1 EStG 1997 zu versteuernde Einkommen bestimmt sich nach Maßgabe der in § 2 Abs. 5 Satz 1 EStG 1997 gegebenen Definition unter Zugrundelegung der Abs. 1 bis 4 dieser Vorschrift, im Fall von Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit (§ 2 Abs. 1 Nr. 4, § 19 EStG 1997) also nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 EStG 1997 durch Überschuss der Einnahmen über die Werbungskosten und hierbei unter Gewährung des sog. Arbeitnehmer-Pauschbetrages gemäß § 9a Satz 1 Nr. 1 Buchst. a EStG 1997 in Höhe von 2 000 DM, sofern nicht höhere Werbungskosten nachgewiesen werden. Das zu versteuernde Einkommen ist um die steuerfreien ausländischen Einkünfte zu vermehren. Diese Einkünfte errechnen sich ihrerseits nach Maßgabe von § 2 Abs. 2 Nr. 2 EStG 1997 als Überschuss der Einnahmen über die Werbungskosten.

Unter den Gegebenheiten des Streitfalles bedeutet dies, dass bei der Berechnung des Einkommensteuersatzes gemäß § 32b Abs. 2 EStG 1997 für das inländische zu versteuernde Einkommen der Pauschbetrag gemäß § 9a Satz 1 Nr. 1 Buchst. a EStG 1997 zu gewähren ist, weil insoweit keine höheren Werbungskosten nachgewiesen wurden. Bei den dem zu versteuernden Einkommen hinzuzurechnenden ausländischen Einkünften sind hingegen die tatsächlich bei der Klägerin angefallenen und von ihr nachgewiesenen Werbungskosten anzusetzen. Für eine Aufteilung des im Rahmen des im Inland zu versteuernden Einkommens angesetzten Pauschbetrages und dessen anteilige Berücksichtigung bei den ausländischen Einkünften gibt der Regelungswortlaut des § 32b Abs. 2 Nr. 2 i.V.m. Abs. 1 Nr. 3 EStG 1997 demgegenüber keine Handhabe, ebenso wenig wie es nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 i.V.m. § 9a Satz 1 Nr. 1 EStG 1997 möglich ist, den Pauschbetrag bei der Berechnung der inländischen Einkünfte im Falle lediglich teilweiser Tätigkeit des Steuerpflichtigen im Inland nur anteilig zu gewähren (im Ergebnis ebenso , Entscheidungen der Finanzgerichte —EFG— 2000, 495; z.B. Wied in Blümich, Einkommensteuergesetz, Körperschaftsteuergesetz, Gewerbesteuergesetz, § 32b EStG Rz. 41; Lambrecht in Kirchhof, Einkommensteuergesetz, 3. Aufl., § 32b Rn. 20; Siegers, EFG-Beilage 10/2000, 77; anders Probst in Herrmann/Heuer/Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz, Kommentar, 21. Aufl., § 32b EStG Rz. 82).

Allerdings ist dem FA einzuräumen, dass der Steuerpflichtige mit in- und ausländischen Einkünften damit im Ergebnis besser gestellt sein kann als ein Steuerpflichtiger mit ausschließlich inländischen Einkünften. Letzterem würde der Pauschbetrag nicht gewährt, wenn die tatsächlichen Gesamt-Werbungskosten diesen übersteigen. Die unterschiedliche Behandlung widerspricht in gewisser Weise dem Leistungsfähigkeitsprinzip, das durch den Progressionsvorbehalt gerade gewährleistet werden soll. Der Gesetzgeber hat diesen Effekt aber ersichtlich in Kauf genommen, um eine vereinfachte Berechnung des besonderen Einkommensteuersatzes zu ermöglichen. Im Gegensatz zu der früheren Rechtslage nach Maßgabe des § 32b Abs. 2 EStG 1990 i.d.F. bis zu dessen Änderung durch das Jahressteuergesetz 1996 vom (BGBl I 1995, 1250, BStBl I 1995, 438) ist —worauf die Vorinstanz zutreffend hinweist (vgl. auch FG Berlin, Urteil in EFG 2000, 495, 496)— insbesondere keine sog. Schattenveranlagung mehr durchzuführen, die die nur einmalige Verrechnung der tatsächlich angefallenen Werbungskosten mit dem Pauschbetrag zur Folge hätte (vgl. dazu z.B. Senatsurteil vom I R 179/86, BFHE 161, 84, BStBl II 1990, 906). Stattdessen werden die selbständig ermittelten ausländischen Einkünfte dem im Inland zu versteuernden Einkommen bei der Steuersatzberechnung lediglich hinzugerechnet.

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:


Fundstelle(n):
BFH/NV 2004 S. 773 Nr. 6
MAAAB-20237