Darlegung der grds. Bedeutung; Auslegung eines FG-Urt.
Gesetze: FGO § 115 Abs. 2 Nr. 1, § 96
Instanzenzug:
Gründe
I. Die Beteiligten streiten über das Vorliegen von verdeckten Gewinnausschüttungen (vGA).
Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) ist eine GmbH, die u.a. eigene und angemietete Binnenschiffe betreibt. Ihr alleiniger Gesellschafter war in den Streitjahren (1993 und 1994) X und ihre Geschäftsführerin dessen Ehefrau. X war außerdem Alleingesellschafter der B-GmbH; Frau X betrieb ein Einzelunternehmen, das seine Frachtaufträge ausschließlich von der Klägerin erhielt.
Im Anschluss an eine Außenprüfung erließ der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt —FA—) gegenüber der Klägerin Steuerbescheide für die Streitjahre, in denen er verschiedene Vorgänge als vGA würdigte. Dabei ging es u.a. um folgende Sachverhalte:
- Die Klägerin gewährte in den Streitjahren der B-GmbH ein zinsloses Darlehen. Der durchschnittliche Darlehensbetrag belief sich auf ... DM (1993) bzw. ... DM (1994). Das FA leitete daraus vGA in Höhe von ... DM (1993) und ... DM (1994) ab.
- Die Klägerin hatte zwei regionale Tageszeitungen abonniert, während die Eheleute X keine Tageszeitungen bezogen. Das FA erfasste den Bezug einer der Zeitungen als vGA in Höhe von ... DM (1993) bzw. ... DM (1994).
- Die Klägerin führte für Frau X ein Verrechnungskonto, das im Durchschnitt Sollsalden von ... DM (1993) und ... DM (1994) aufwies. Diese resultierten aus Barabhebungen und Kreditkartenzahlungen, die sich nicht auf betriebliche Vorgänge bezogen. Prüfer und FA leiteten daraus vGA in Höhe von ... DM (1993) und ... DM (1994) ab.
Ferner hatte die Klägerin dem Einzelunternehmen der Frau X im Jahr 1991 eine als „Frachtvorschuss„ bezeichnete Zahlung gewährt und diese im Jahr 1992 zurückerhalten. Zinsen waren in diesem Zusammenhang nicht gezahlt worden. Das FA sah die zinslose Überlassung von Kapital ebenfalls als vGA an und berücksichtigte diese in Steuerbescheiden für 1992.
Die Klägerin focht die Bescheide für 1992 bis 1994 mit Einspruch und Klage an. Soweit die Klage Bescheide für das Jahr 1992 betraf, wurde das Verfahren durch Beschluss vom abgetrennt und unter einem neuen Aktenzeichen geführt. Die die Streitjahre betreffende Klage wies das Finanzgericht (FG) ab, ohne die Revision gegen sein Urteil zuzulassen. Dagegen wendet sich die Klägerin mit ihrer Nichtzulassungsbeschwerde, mit der sie geltend macht, dass die Revision nach § 115 Abs. 2 Nrn. 1, 2 und 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zuzulassen sei.
Das FA ist der Nichtzulassungsbeschwerde entgegengetreten.
II. Die Nichtzulassungsbeschwerde ist unbegründet. Die von der Klägerin geltend gemachten Gründe für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.
1. Dem FG sind nicht die von der Klägerin gerügten Verfahrensfehler unterlaufen. Eine Revisionszulassung nach § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO kommt deshalb nicht in Betracht.
a) Die Klägerin weist allerdings zu Recht darauf hin, dass die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils u.a. Ausführungen zu der als „Frachtvorschuss„ bezeichneten Zahlung der Klägerin an Frau X enthalten und dass dieser Vorgang im Zeitpunkt der Entscheidung des FG nicht mehr Gegenstand des Klageverfahrens war. Denn da der „Frachtvorschuss„ unstreitig im Jahr 1992 zurückgezahlt worden war, konnte er sich auf die Steuerfestsetzung für die Streitjahre nicht auswirken, und demgemäß hatte auch das FA in den Bescheiden für die Streitjahre aus ihm keine Folgerungen gezogen. Die insoweit vom FA angesetzte vGA bezog sich vielmehr ausschließlich auf den Veranlagungszeitraum 1992, und die diesen Zeitraum betreffende Klage hatte das von dem unter dem Aktenzeichen I 120/2000 fortgeführten Klageverfahren abgetrennt. Hieraus lässt sich jedoch entgegen der Ansicht der Klägerin nicht ableiten, dass das FG über einen nicht gestellten Antrag entschieden und dadurch gegen § 96 Abs. 1 Satz 2 FGO verstoßen habe:
Die Reichweite einer gerichtlichen Entscheidung ist im Zweifel durch Auslegung zu ermitteln (von Groll in Gräber, Finanzgerichtsordnung, 5. Aufl., § 110 Rz. 14, m.w.N.). Dabei ergibt sich im Streitfall, dass das FG nicht über Steuerbescheide für den Veranlagungszeitraum 1992, sondern nur über die für die Streitjahre erlassenen Bescheide entschieden hat. Das folgt vor allem aus dem Rubrum des angefochtenen Urteils, in dem der Verfahrensgegenstand mit „Körperschaftsteuer und Solidaritätszuschlag 1993 und 1994„ sowie mit den dort weiter benannten gesonderten Feststellungen zum und zum bezeichnet ist. Vor diesem Hintergrund kann die sich anschließende Urteilsformel, nach der „die Klage…abgewiesen„ wurde, nur im Sinne einer Entscheidung über den zuvor genannten Streitgegenstand verstanden werden. Diese Würdigung wird zusätzlich dadurch gestützt, dass der Urteilstatbestand einen Antrag der Klägerin wiedergibt, der sich ebenfalls nur auf die für die Streitjahre erlassenen Steuerbescheide bezieht. Angesichts dessen könnte nur dann angenommen werden, dass das FG über jene Anträge hinaus auch die Bescheide für 1992 in seine Entscheidung einbeziehen wollte, wenn dies im Urteil deutlich zum Ausdruck käme. Das ist nicht der Fall. Die in den Urteilsgründen enthaltenen Ausführungen zu dem „Frachtvorschuss„, auf die sich die Klägerin in diesem Zusammenhang beruft, dienen nach dem Gesamtbild des Entscheidungstextes nicht einer Erstreckung des Urteils auf die Bescheide für 1992; sie erwecken vielmehr den Eindruck, als seien sie aus einem früheren —möglicherweise vor der Abtrennung verfassten— Entscheidungsentwurf versehentlich nicht entfernt worden. Daher gehen sie zwar inhaltlich an dem erstinstanzlichen Streitstoff vorbei. Dass das FG seine durch § 96 Abs. 1 Satz 2 FGO abgesteckte Entscheidungskompetenz überschritten habe, kann aus ihnen aber nicht abgeleitet werden.
b) Ebenso hat das FG nicht, wie die Klägerin meint, eine feststehende Tatsache außer Acht gelassen und dadurch das Recht der Klägerin auf Gehör (§ 96 Abs. 2 FGO) verletzt. Das gilt namentlich im Hinblick auf die Vereinbarung zwischen der Klägerin und der B-GmbH über die Gewährung eines zinslosen Darlehens. Im Tatbestand des angefochtenen Urteils ist der Vortrag der Klägerin zu diesem Punkt nämlich ausdrücklich erwähnt. Das Urteil enthält keinen Hinweis darauf, dass er bei der Entscheidungsfindung gleichwohl unbeachtet geblieben wäre. Angesichts dessen greift im Streitfall die Vermutung durch, dass das FG alle im Urteilstatbestand wiedergegebenen Feststellungen bei seiner Entscheidung berücksichtigt hat (Senatsbeschluss vom I B 21/99, BFH/NV 2000, 750, m.w.N.). Dass das FG die in der Beschwerdebegründung zitierte Vertragsurkunde nicht besonders erwähnt und näher gewürdigt hat, ist in diesem Zusammenhang unschädlich.
2. Ebenso hat die Rechtssache nicht die von der Klägerin geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO.
a) Die Klägerin sieht eine solche zunächst darin, dass in einem Revisionsverfahren geklärt werden müsse, ob und ggf. unter welchen Voraussetzungen im Verhältnis zwischen Schwestergesellschaften der Gesichtspunkt des Vorteilsausgleichs (vgl. hierzu , BFHE 122, 491, BStBl II 1977, 704; vom I R 99/80, BFHE 142, 123, BStBl II 1985, 18) die Annahme einer vGA verhindern kann. Diese Frage ist indessen, selbst wenn man ihre Klärungsbedürftigkeit bejaht, im Streitfall nicht klärungsfähig. Denn das FG hat den von der Klägerin vorgetragenen Sachverhalt dahin gewürdigt, dass die Vereinbarung mit der B-GmbH gerade nicht dem Ausgleich gegenseitiger Vor- und Nachteile gedient habe. Es habe sich vielmehr um ein Mittel zur „konzerninternen„ Steuerung von Gewinnen und Verlusten durch den Alleingesellschafter X gehandelt, was u.a. daraus folge, dass zwischen dem behaupteten Vorteil der Klägerin und dem bei ihr eingetretenen Zinsverlust kein innerer Zusammenhang bestehe. An diese Würdigung, die weder gegen Denkgesetze noch gegen allgemeine Erfahrungssätze verstößt, wäre der Senat in einem Revisionsverfahren gebunden (§ 118 Abs. 2 FGO); das gilt unabhängig davon, ob eine abweichende Bewertung des Vorgangs ebenfalls möglich oder sogar naheliegend ist. Ging es aber im konkreten Einzelfall den Vertragsparteien nicht um einen Vorteilsausgleich, so könnte in einem Revisionsverfahren nicht geklärt werden, ob ein tatsächlich beabsichtigter Vorteilsausgleich rechtlich möglich gewesen wäre.
b) Soweit das FG den Bezug einer Tageszeitung durch die Klägerin als vGA gewürdigt hat, enthält die Beschwerdeschrift keine ausreichende Darlegung (§ 116 Abs. 3 Satz 3 FGO) einer grundsätzlich bedeutsamen Rechtsfrage. Von einer weiteren Begründung hierzu sieht der Senat nach § 116 Abs. 5 Satz 2 FGO ab.
3. Gründe für eine Zulassung der Revision nach § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO hat die Klägerin ebenfalls nicht dargelegt. Sie beruft sich insoweit allein darauf, dass die nunmehr vom FA beanstandeten Vorgänge bei einer Außenprüfung für voraufgegangene Veranlagungszeiträume nicht aufgegriffen worden seien und dass sich daraus ein Vertrauensschutz ergeben müsse. Dies widerspricht indessen der ständigen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs, nach der die Beurteilung eines bestimmten Vorgangs im Rahmen einer Außenprüfung keine Bindungswirkung für die Zukunft erzeugt (Senatsurteil vom I R 20/01, BFHE 199, 148, BStBl II 2003, 412; Kruse/Drüen in Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, § 4 AO Tz. 149, m.w.N.). Eine im Interesse der Rechtsprechungseinheit oder der Rechtsfortbildung entscheidungsbedürftige Frage ist in diesem Zusammenhang weder von der Klägerin aufgezeigt worden noch sonst erkennbar.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
BFH/NV 2004 S. 969 Nr. 7
EAAAB-20231