BFH Beschluss v. - VII B 211/03

Selbstbehalt bei Nutzung zweier verschiedener Energiequellen durch Betriebe des Produzierenden Gewerbes

Leitsatz

Es verstößt nicht gegen den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG, dass Betriebe des Produzierenden Gewerbes, die steuerbegünstigt sowohl Mineralöl als auch Strom verwenden, sowohl den in § 25 Abs. 4 MinöStG 1993 als auch den in § 9 Abs. 3 StromStG festgelegten Selbstbehalt in Höhe von 1 000 DM zweimal zu tragen haben, während der Selbstbehalt bei Unternehmen, die nur eine Energieart verwenden, nur einmal zu berücksichtigen ist.

Gesetze: GG Art. 3 Abs. 1MinöStG 1993 MinöStG 1993 § 25 Abs. 4StromStG § 9 Abs. 3

Instanzenzug:

Gründe

Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) betreibt eine Bäckerei, in der sie sowohl Erdgas als auch Strom einsetzt. Mit Bescheid vom…vergütete der Beklagte und Beschwerdegegner (das Hauptzollamt —HZA—) der Klägerin unter Berücksichtigung des nach § 25 Abs. 4 des Mineralölsteuergesetzes (MinöStG 1993) in der Fassung von Art. 2 des Gesetzes zum Einstieg in die ökologische Steuerreform vom (BGBl I 1999, 378) in Abzug zu bringenden Selbstbehalts in Höhe von 1 000 DM insgesamt ... DM für die steuerbegünstigte Verwendung von Erdgas. Dem gegen den Vergütungsbescheid eingelegten Einspruch wurde teilweise abgeholfen, im Übrigen wurde er als unbegründet zurückgewiesen. Auch die Klage vor dem Finanzgericht (FG) hatte keinen Erfolg. Das FG urteilte, dass die kumulative Anwendung der in § 25 Abs. 4 MinöStG 1993 und in § 9 Abs. 3 des Stromsteuergesetzes (StromStG) in der Fassung von Art. 1 des Gesetzes zum Einstieg in die ökologische Steuerreform festgelegten Selbstbehalte nicht gegen den in Art. 3 des Grundgesetzes (GG) angelegten Gleichheitsgrundsatz verstoße. Eine gleichheitswidrige Behandlung gegenüber Steuerpflichtigen, die nur eine Energieart verwendeten und daher auch nur einen Selbstbehalt zu tragen hätten, sei nicht festzustellen. Denn dem Gesetzgeber stünde nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) bei der Ausgestaltung der Steuergesetze ein weitgehender Gestaltungsspielraum zu. Der Gesetzgeber durfte deshalb für jede Steuerart einen Selbstbehalt festsetzen, um den Verwaltungsaufwand in Grenzen zu halten und die Zahl der Begünstigten zu beschränken.

Gegen das erstinstanzliche Urteil richtet sich die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin, die sie auf grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 der FinanzgerichtsordnungFGO—) stützt. Von grundsätzlicher Bedeutung sei die Rechtsfrage, ob das im StromStG und MinöStG 1993 vorgesehene Entlastungsverfahren jeweils unabhängig voneinander durchzuführen sei, mit der Folge, dass der Selbstbehalt im Falle der Nutzung zweier verschiedener Energiequellen zweimal zur Anwendung gelangen könne oder ob in der Belastung von einem einen Energiemix nutzenden Unternehmen des Produzierenden Gewerbes eine nicht legitimierte und deshalb willkürliche und daher aus verfassungsrechtlichen Gründen unzulässige Ungleichbehandlung liege.

Es kann offen bleiben, ob die Beschwerdebegründung die Darlegungserfordernisse i.S. von § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO erfüllt. Die Beschwerde der Klägerin hat jedenfalls keinen Erfolg. Die Revision ist nicht zuzulassen, weil der von der Klägerin aufgeworfenen Rechtsfrage mangels Klärungsbedürftigkeit keine grundsätzliche Bedeutung zukommt.

Eine Rechtsfrage ist dann nicht klärungsbedürftig, wenn sich die Antwort auf die streitige Rechtsfrage ohne weiteres aus dem klaren Wortlaut und Sinngehalt des Gesetzes ergibt oder sie offensichtlich so zu beantworten ist, wie es das FG getan hat, die Rechtslage also eindeutig ist (vgl. Senatsbeschluss vom VII B 196/03, BFH/NV 2004, 232; Entscheidung des Bundesfinanzhofs —BFH— vom III B 127/01, BFH/NV 2002, 645, m.w.N.).

Entgegen der Auffassung der Klägerin folgt die behauptete Klärungsbedürftigkeit der Rechtsfrage nicht daraus, dass sich die tatsächliche Rechtslage weder dem Wortlaut des StromStG noch dem Wortlaut des MinöStG 1993 entnehmen lässt. Der Wortlaut des Gesetzes ist in Bezug auf den Selbstbehalt eindeutig und lässt für eine abweichende Interpretation keinen Raum. Nach § 25 Abs. 4 MinöStG 1993 in der im Streitjahr geltenden Fassung wird die Steuer erlassen, erstattet oder vergütet, die im Kalenderjahr den Betrag von 1 000 DM übersteigt. Eine im Ergebnis nahezu identische Regelung ist § 9 Abs. 3 StromStG zu entnehmen, nach der nur der Strom dem ermäßigten Steuersatz unterliegt, der von den begünstigten Unternehmen über die Verbrauchsmenge von 50 MWh (dies entspricht bei Anwendung des Regelsteuersatzes einem Betrag von 1 000 DM) im Kalenderjahr entnommen wird. Aus dem klaren Wortlaut des Gesetzes lässt sich der Wille des Gesetzgebers entnehmen, den Steuervorteil davon abhängig zu machen, dass der Begünstigte eine bestimmte Schwelle in der Steuerbelastung überschreitet. Solche Steuerbetragsgrenzen —hier in Form eines echten Selbstbehalts— sind dem Verbrauchsteuerrecht nicht fremd. Allein für sich genommen geben sie keinen Anlass zu verfassungsrechtlichen Beanstandungen (vgl. zur verfassungsrechtlichen Zulässigkeit des in § 53 der Verordnung zur Durchführung des Mineralölsteuergesetzes vom , BGBl I 1993, 1602, geregelten Selbstbehalts in Bezug auf den Entlastungsanspruch bei Zahlungsunfähigkeit des Warenempfängers Senatsurteil vom VII R 21/97, BFHE 187, 177). Auch die im Streitfall aufgetretene Kumulierung der Folgen aus zwei Steuerbetragsgrenzen hält sich in den von der Verfassung gezogenen Grenzen.

Nach der Rechtsprechung des BVerfG ist es dem Gesetzgeber unbenommen, die Verwirklichung des Steueranspruchs durch Typisierung verfahrensrechtlich zu erleichtern und dabei die für den Staat verfügbaren personellen und finanziellen Mittel zu berücksichtigen (vgl. , BVerfGE 96, 1, 6 f.). Im Steuerrecht kommt es für die am Maßstab des Gleichheitssatzes vorzunehmende Prüfung insbesondere darauf an, ob durch die Differenzierung eine Gruppe von Steuerpflichtigen ohne hinreichenden sachlichen Grund stärker belastet wird als andere und dadurch in eine empfindlich ungünstigere Wettbewerbslage gerät, so dass die gesetzlichen Auswirkungen der getroffenen Differenzierung weiter greifen, als es der die Verschiedenbehandlung legitimierende Zweck rechtfertigt, und schutzwürdige Belange der Nichtbegünstigten ohne hinreichenden sachlichen Grund vernachlässigt werden (, BVerfGE 85, 238, 245, m.w.N.). Die Grenze seines Gestaltungsspielraumes überschreitet der Gesetzgeber erst dann, wenn sich kein sachlicher Grund für die getroffene Differenzierung finden lässt, der auf nachvollziehbaren Erwägungen z.B. finanzpolitischer, volkswirtschaftlicher, sozialpolitischer oder steuertechnischer Art beruht (vgl. und 20/82, BVerfGE 74, 182, m.w.N.).

Ausweislich der Gesetzesbegründungen diente die Einführung eines echten Sockelbetrages bei der Stromsteuer der Vereinfachung des Verwaltungsvollzuges. Aus Praktikabilitätsgründen wurde sie von der Verwaltung als unerlässlich angesehen, denn eine Einbeziehung der Kleinverbraucher des Produzierenden Gewerbes in die Begünstigung wäre angesichts der Vielzahl der potentiellen Begünstigten von der Zollverwaltung nur mit einem unvertretbaren Aufwand an Kosten und Personal zu bewältigen gewesen (vgl. die Gesetzesbegründung in BTDrucks 14/40, S. 9, 13). Auch die in § 25 Abs. 4 MinöStG 1993 verankerte Sockelbetrags-Regelung wird von diesen Praktikabilitätserwägungen getragen (vgl. BTDrucks 14/40, S. 14). Unter diesen Gesichtspunkten ist die Einführung eines Sockelbetrages in Form eines echten Selbstbehalts in den beiden Energiesteuergesetzen nicht zu beanstanden. Dass der Gesetzgeber für Unternehmen, die einen Energiemix verwenden, für den Fall einer Kumulierung der Sockelbeträge keine abweichende Regelung getroffen hat, beruht ebenfalls auf nachvollziehbaren Erwägungen und erscheint nicht willkürlich. Die Aufnahme eines von der Klägerin geforderten Kumulierungsverbotes oder die Einführung eines Anrechnungsverfahrens in Bezug auf den in § 25 Abs. 4 MinöStG 1993 und § 9 Abs. 3 StromStG geregelten Selbstbehalt würde zu einer vom Gesetzgeber offensichtlich nicht gewollten —weil den Verwaltungsaufwand erhöhenden— Verschränkung der beiden Regelungen führen. Dass der Gesetzgeber insbesondere aus Praktikabilitätsgründen die Eigenständigkeit beider Verbrauchsteuergesetze nicht durchbrechen wollte, ist unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten nicht zu beanstanden. Demgegenüber erweist sich die damit verbundene steuerliche Zusatzbelastung derjenigen Unternehmen, die einen Energiemix einsetzen, gegenüber den nur eine Energieart verwendenden Unternehmen als eine Auswirkung der gesetzlichen Regelung, die ihrer Intensität nach eine unvertretbare und willkürlich erscheinende Beeinträchtigung schutzwürdiger Belange nicht erkennen lässt. Wenn auch die von der Klägerin insbesondere unter wettbewerbsrechtlichen Gesichtspunkten geforderte Regelung i.S. eines Kumulierungsverbotes sinnvoll oder gar wünschenswert erschiene, so wird eine solche Regelung von Art. 3 GG dennoch nicht erzwungen. Denn eine vom BVerfG geforderte Evidenz der Unsachlichkeit der Regelung und damit ein Verstoß gegen das Willkürverbot (vgl. , BVerfGE 89, 132, 141 f.) liegen nach Ansicht des Senats nicht vor. Es bleibt dem Gesetzgeber überlassen, eine Änderung der Rechtslage herbeizuführen, wenn er dies aus wirtschafts- oder finanzpolitischen Gründen für geboten erachten und diesbezüglich einen politischen Handlungsbedarf erkennen sollte.

Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, dass die Sockelbetrags-Regelung in zwei verschiedenen Verbrauchsteuergesetzen verankert ist. Dass es sich bei dem von der Klägerin eingesetzten Erdgas und Strom um Energieträger, mithin um artverwandte Steuergegenstände handelt, vermag eine abweichende Beurteilung der Rechtslage nicht zu rechtfertigen. Denn es kann dem Gesetzgeber nicht verwehrt werden, die steuerliche Belastung von Energieträgern insbesondere aus steuertechnischen Gründen in unterschiedlichen Verbrauchsteuergesetzen zu regeln —wie er dies im Übrigen auch bei den Verbrauchsteuern auf alkoholische Getränke getan hat— um damit den Besonderheiten der belasteten Steuergegenstände und den Handelsstrukturen besser Rechnung zu tragen. Gerade die steuerliche Erfassung von elektrischer Energie erfordert aufgrund der Leitungsgebundenheit und der physikalischen Eigenschaften des Stroms sowie aufgrund der gegenüber dem Mineralölhandel unterschiedlichen Abnehmer- und Verteilerstrukturen besondere Regelungen. Diesen Besonderheiten trägt auch die Ausgestaltung der den Unternehmen des Produzierenden Gewerbes eingeräumten Steuervergünstigungen Rechnung. Während der Steuervorteil bei der Mineralölsteuer im Wege eines Entlastungsverfahrens gewährt wird, kann der Erlaubnisinhaber bei der Stromsteuer teilversteuerten Strom beziehen (vgl. Teichner in Teichner/Alexander/Reiche, Mineralölsteuer und Erdgassteuer; Stromsteuer, Mineralölzoll, § 9 StromStG Tz. 1). Es sprechen daher auch steuertechnische Gründe dafür, die Anrechnung eines Selbstbehalts bei Inanspruchnahme der in beiden Gesetzen unterschiedlich geregelten Steuerbegünstigungen unabhängig voneinander zu regeln und etwaige Sonderfälle außer Betracht zu lassen.

Auch bliebe es den Unternehmen, die zwei unterschiedliche Energieträger in der Produktion einsetzen, unbenommen, durch eine Umstellung des Energieeinsatzes auf die Verwendung nur eines Energieträgers, den Folgen einer Kumulierung des Selbstbehalts auszuweichen und damit ihre Wettbewerbssituation zu verbessern. Die Entscheidung für einen solchen Schritt liegt im unternehmerischen Bereich. Anhaltspunkte dafür, dass eine solche Umstellung aus technischen Gründen generell nicht möglich wäre oder für die betroffenen Unternehmen eine unzumutbare, weil unverhältnismäßig hohe Belastung darstellen würde, sind den Ausführungen der Klägerin nicht zu entnehmen; der Senat vermag solche auch nicht zu erkennen.

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:

Fundstelle(n):
BB 2004 S. 817 Nr. 15
BFH/NV 2004 S. 750 Nr. 5
DStRE 2004 S. 536 Nr. 9
INF 2004 S. 330 Nr. 9
StB 2004 S. 164 Nr. 5
KAAAB-17868