BFH Urteil v. - VI R 75/02

Aufwendungen für ein aus beruflichen Gründen aufgenommenes Promotionsstudium als vorab entstandene WK

Gesetze: EStG § 9

Instanzenzug: (Verfahrensverlauf),

Gründe

Die Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) wurden für die Streitjahre 1993 bis 1995 als Eheleute zusammen zur Einkommensteuer veranlagt.

Die 1954 geborene Klägerin studierte nach Beendigung ihrer Schulausbildung Soziologie und war nach erfolgreichem Studienabschluss langjährig bis Ende 1992 bei verschiedenen privaten Arbeitgebern im Bildungsbereich tätig, und zwar als pädagogische Mitarbeiterin beim Förderkreis X, zuletzt als Bildungsreferentin für interkulturelle und feministische Bildung beim Verein Y.

Ab Oktober 1992 war die Klägerin an der Universität A im Studiengang Politische Wissenschaft immatrikuliert. Von Januar 1993 bis einschließlich Dezember 1993 bezog sie Arbeitslosengeld, danach bis März 1994 Arbeitslosenhilfe. Ab April 1994 war sie beim Arbeitsamt wegen eines Promotionsstudiums mit beitragsloser Zeit gemeldet. Von Juli 1995 bis Juni 1996 erhielt sie von der Universität ein Promotionsabschluss-Stipendium in Höhe von monatlich 1 700 DM. Nach den Feststellungen des Finanzgerichts (FG) schloss die Klägerin ihr Promotionsstudium ab und fand daraufhin eine Anstellung im höheren wissenschaftlichen Dienst bei der Juristischen Fakultät der Universität B.

In den Einkommensteuererklärungen für die Streitjahre 1993 bis 1995 machten die Kläger Aufwendungen für das Promotionsstudium der Ehefrau als vorab entstandene Werbungskosten bei deren Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit geltend (1993: 3 949 DM; 1994: 4 556 DM; 1995: 7 658 DM). Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt —FA—) sah die Aufwendungen überwiegend als Berufsausbildungskosten i.S. des § 10 Abs. 1 Nr. 7 des Einkommensteuergesetzes (EStG) an und ließ diese jeweils in Höhe von 900 DM als Sonderausgaben zum Abzug zu. Die hiergegen erhobenen Einsprüche blieben ohne Erfolg.

Mit der Klage führten die Kläger aus, angesichts der dramatischen Änderung in der Ausbildungs- und Berufswelt müsse ein höherqualifizierendes Zweit- oder Promotionsstudium ebenso wie traditionelle Fortbildungsmaßnahmen zum Werbungskostenabzug führen. Über die Höhe der geltend gemachten Werbungskosten erzielten die Beteiligten in der mündlichen Verhandlung am unter Berücksichtigung des von der Klägerin bezogenen, steuerfreien Promotionsstipendiums eine tatsächliche Verständigung (1993: 3 871 DM; 1994: 4 508 DM; 1995: 2 342 DM).

Das FG gab der Klage in den Grenzen des in der mündlichen Verhandlung beschränkten und zwischen den Beteiligten seitdem unstreitigen Klageantrags statt. Es entschied, die Kosten der Klägerin für ihr Promotionsstudium stellten vorab entstandene Werbungskosten dar; sie seien keine Kosten einer Berufsausbildung i.S. des § 10 Abs. 1 Nr. 7 EStG. Dies gelte —im Hinblick auf das Veranlassungsprinzip, die Entstehungsgeschichte der genannten Vorschrift und die Entwicklungen auf dem Arbeitsmarkt und im Berufsleben— jedenfalls dann, wenn ein Promotionsstudium —wie vorliegend— nach mehrjähriger Berufstätigkeit im Anschluss an ein Erststudium mit dem Ziel einer anschließenden weiteren Erwerbstätigkeit aufgenommen werde. Die Vorentscheidung ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2002, 1219 veröffentlicht.

Mit der vom FG zugelassenen Revision rügt das FA die Verletzung der §§ 9 Abs. 1 Satz 1, 10 Abs. 1 Nr. 7 EStG. Nach der (seinerzeitigen) ständigen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) seien Promotionskosten stets als Kosten der privaten Lebensführung und daher nur als begrenzt abziehbare Berufsausbildungskosten zu qualifizieren. Das Zweitstudium, mit dem ein Doktortitel erworben werden könne, habe der Klägerin objektiv weitere, über ihr bisheriges Berufsfeld weit hinausgehende Chancen eröffnet.

Das FA beantragt sinngemäß, das erstinstanzliche Urteil aufzuheben.

Die Kläger beantragen, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Sie weisen darauf hin, dass die Klägerin ihr Promotionsstudium zwar noch nicht abgeschlossen habe, einen baldigen Promotionsabschluss aber beabsichtige. Jedenfalls habe sie durch dieses Studium ihre Qualifikation und Beschäftigungschancen erhöht und die Stelle bei der Universität B erhalten.

Die Revision des FA ist unbegründet; sie war daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der FinanzgerichtsordnungFGO—).

Das FG hat die Aufwendungen für das Promotionsstudium der Klägerin zu Recht als Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit berücksichtigt. Der erkennende Senat hält an der bisherigen Rechtsprechung zur Behandlung der Promotionskosten nicht mehr fest. Zur Begründung im Einzelnen wird auf das DStR 2004, 261 Bezug genommen.

Die Aufwendungen der Klägerin sind, wie das FG zutreffend erkannt hat, beruflich veranlasst. Es besteht ein hinreichend klarer Zusammenhang der Ausgaben mit Einnahmen aus der angestrebten beruflichen Tätigkeit im Hochschulbereich. Die Klägerin hat das Promotionsstudium aus beruflichen Gründen aufgenommen, nämlich um eine zusätzliche fachliche Qualifikation zu erwerben und damit ihre Beschäftigungschancen auf dem Arbeitsmarkt zu erhöhen. Da die Bildungsmaßnahme auf die Erzielung von Einnahmen gerichtet war, sind hiermit im Zusammenhang stehende Aufwendungen als vorab entstandene Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit abziehbar. Auch wenn die Klägerin noch keinen Doktortitel erworben haben sollte, ändert dies nichts an der rechtlichen Beurteilung. Nach allgemeiner Ansicht können auch vergebliche Aufwendungen als Erwerbsaufwendungen anerkannt werden (z.B. Schmidt/Drenseck, Einkommensteuergesetz, 22. Aufl., § 9 Rz. 44 ff., m.w.N.).

Die Ausführungen des FG zur Höhe der anzuerkennenden Werbungskosten lassen keinen Rechtsverstoß erkennen.

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:

Fundstelle(n):
QAAAB-17840