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Steuerfahndung
I. Definition
Die Steuerfahndung erfüllt im Rahmen der Ermittlungsaufgaben der Finanzbehörden besondere Aufgaben. Sie hat dabei eine Doppelfunktion:
eine steuerstrafrechtliche Funktion (§ 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO) und
eine steuerrechtliche Funktion (§ 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und 3 AO).
Zugmaier/Nöcker/Küpper/Odinius, § 208 AO, NWB
Beyer, Neues zur Zuständigkeitskonkurrenz zwischen Finanzamt und Steuerfahndung, AO-StB 2013, 159
Jesse, Das Nebeneinander von Besteuerungs- und Steuerstrafverfahren, DB 2013, 1803
Kusnik, Sammelauskunftsersuchen der Steuerfahndung zu Kunden von Unternehmen: Was darf die Finanzbehörde?, DB 2015 S. 697
II. Organisation
Die Organisation der Steuerfahndung ist gesetzlich nicht vorgeschrieben, sie ist daher in den Bundesländern durch Verwaltungsvorschriften unterschiedlich geregelt. In Berlin, Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen bestehen selbständige Finanzämter und damit Finanzbehörden (§ 6 Abs. 2 Nr. 5 AO) für die Steuerfahndung, in den übrigen Bundesländern ist die Steuerfahndung als ein oder mehrere Sachgebiete in die Finanzämter integriert.
III. Aufgaben und Befugnisse
1. Allgemeines
Die für die Steuerfahndung anzuwendenden Verfahrensvorschriften richten sich nach der Art der konkreten Aufgabe:
Wird die Steuerfahndung im Bereich der Strafverfolgung tätig, gelten die Vorschriften der Strafprozessordnung. Wegen des Verfahrens wird auf das Stichwort „Steuerstrafverfahren” verwiesen.
Wird sie im Besteuerungsverfahren tätig, gelten die Vorschriften der Abgabenordnung.
Im Besteuerungsverfahren hat die Steuerfahndung alle Befugnisse, die auch die Finanzämter, insbesondere die Prüfungsdienste haben (§ 208 Abs. 1 S. 2 AO, AEAO zu § 208 Nr. 2).
Bei der Überprüfung einer konkreten Tätigkeit der Steuerfahndung auf ihre Rechtmäßigkeit hin ist zwischen der Aufgabenzuweisung einerseits (§ 208 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 bis 3 AO) und den zur Erfüllung dieser Aufgaben verliehenen Befugnissen andererseits (§ 208 Abs. 1 S. 2 AO) zu unterscheiden. Eine konkrete Maßnahme der Steuerfahndung ist hiernach rechtmäßig, wenn sich die Steuerfahndung dabei im Rahmen des ihr zugewiesenen Aufgabenbereichs gehalten hat und ihr die in Anspruch genommene Befugnis nach dem Gesetz auch zusteht.
Nach § 208 Abs. 1 S. 1 AO ist Aufgabe der Steuerfahndung:
die Erforschung von Steuerstraftaten und Steuerordnungswidrigkeiten (Nr. 1),
die Ermittlung der Besteuerungsgrundlagen in den in Nr. 1 bezeichneten Fällen (Nr. 2) sowie
die Aufdeckung und Ermittlung unbekannter Steuerfälle (Nr. 3) .
Außerdem kann die Steuerfahndung auf Ersuchen anderer Finanzbehörden Ermittlungen anstellen (§ 208 Abs. 2 Nr. 1 AO).
Die Steuerfahndung ist keine Außenprüfung, da der Begriff „Außenprüfung” in der AO nach h.M. im rechtlichen und nicht im funktionalen Sinne ausgelegt wird (von Wedelstädt in Kühn/von Wedelstädt, AO/FGO, § 208 AO Rz. 3a m.w.N. ). Daher löst sie keine Änderungssperre i.S. des § 173 Abs. 2 AO aus. Die Vorschrift des § 30a Abs. 3 AO ist auf sie auch dann nicht anwendbar, wenn sie Besteuerungsgrundlagen ermittelt (h.M., a.A. Übersicht s. Blesinger/Viertelhausen in Kühn/von Wedelstädt, AO/FGO, § 30a AO Rz. 10 f.).