Vor der erstmaligen Nutzung eines Gebäudes angefallener Renovierungs- oder Modernisierungsaufwand als AK oder Erhaltungskosten
Gesetze: EStG §§ 9, 21; HGB § 255
Instanzenzug: (Verfahrensverlauf),
Gründe
I. Die Klägerinnen und Revisionsklägerinnen (Klägerinnen) bilden eine Grundstücksgemeinschaft, die durch den gemeinschaftlichen Erwerb verschiedener Grundstücke 1996 entstand. Auf den Grundstücken stehen mehrere Fabrikhallen und Garagen sowie ein Einfamilienhaus. Die Fabrikhallen und Garagen verpachteten die Klägerinnen 1996 zum Betrieb eines gewerblichen Unternehmens; das Einfamilienhaus vermieteten sie seit dem . Zuvor führten sie in den Streitjahren (1996 und 1997) Renovierungsarbeiten an dem Einfamilienhaus für insgesamt 77 247 DM durch und machten diese Kosten bei ihren Einkünften aus Vermietung und Verpachtung als sofort abziehbare Werbungskosten (Erhaltungsaufwand) geltend. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt —FA—) ermittelte im Rahmen einer Außenprüfung den auf das Einfamilienhaus entfallenden Kaufpreisanteil mit 152 265 DM und bewertete die aufgewendeten Renovierungskosten als anschaffungsnahe Herstellungskosten i.S. von Abschn. 157 Abs. 4 der Einkommensteuer-Richtlinien (EStR) i.d.F. der Streitjahre. Er erließ aufgrund der Feststellungen der Außenprüfung geänderte Bescheide über die gesonderte und einheitliche Feststellung der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung für die Streitjahre. Der Einspruch blieb erfolglos.
Mit ihrer Klage trugen die Klägerinnen vor, die Renovierungsmaßnahmen hätten nicht zu einer wesentlichen Verbesserung i.S. des § 255 Abs. 2 Satz 1 des Handelsgesetzbuches (HGB) geführt; vielmehr hätten die Klägerinnen Erhaltungsaufwand getätigt.
Das Finanzgericht (FG) wies die Klage mit seinem in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2003, 225 veröffentlichten Urteil ab. Zur Begründung führte es aus, das Einfamilienhaus sei nach dem eigenen Vortrag der Klägerinnen nicht mehr vermietbar gewesen. Damit sei der Gebrauchswert des Gebäudes stark eingeschränkt gewesen. Werde das Gebäude wieder vermietbar gemacht, sei der wirtschaftliche Erfolg dieser Aufwendungen erheblich. Sie führten zu einer über den ursprünglichen Zustand hinausgehenden wesentlichen Verbesserung, nämlich zur Herbeiführung eines mittleren Standards. Die von den Klägerinnen getätigten Aufwendungen hätten das Gebäude nicht in dem Zustand erhalten sollen, in dem es sich zum Zeitpunkt des Erwerbs befunden habe. Von den Modernisierungsmaßnahmen seien ausweislich der Steuerakten mindestens drei der Elementarbereiche betroffen gewesen, nämlich Fenster, Elektro und Heizung. Aufgrund dessen habe das FA zu Recht Herstellungsaufwand angenommen.
Hiergegen richtet sich die Revision der Klägerinnen, die sie auf die Verletzung materiellen Rechts stützen. Zwar führe das FG als Beurteilungsmaßstab für die durchgeführten Maßnahmen die vier Kernbereiche auf. Die Voraussetzungen für die Annahme von Herstellungskosten lägen aber nur dann vor, wenn in mindestens drei von vier Bereichen wesentliche Verbesserungen herbeigeführt würden. Im vorliegenden Fall könne diese Voraussetzung schon aufgrund der Art der durchgeführten Renovierungsmaßnahmen nicht als erfüllt angesehen werden. Ferner unterbleibe in der Urteilsbegründung eine Zuordnung der einzelnen Renovierungsmaßnahmen zu den vier Bereichen, so dass die Urteilsbegründung insoweit nicht nachvollziehbar sei. Das Gebäude, das zum Erwerbszeitpunkt dem mittleren Standard zuzuordnen gewesen sei, sei durch die Maßnahmen in einer bei Mieterwechsel üblichen Art und Weise renoviert worden.
Die Klägerinnen beantragen sinngemäß, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und die in den Streitjahren geltend gemachten Reparaturaufwendungen als Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung zu berücksichtigen.
Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
II. Die Revision ist begründet und führt nach § 126 Abs. 2 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung. Aus den Gründen des angefochtenen Urteils geht nicht hervor, aufgrund welcher Tatsachen das FG zu dem Ergebnis gekommen ist, es lägen Herstellungskosten i.S. des § 255 Abs. 2 HGB vor. Hierin liegt ein Rechtsfehler (vgl. dazu Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 5. Aufl., 2002, § 118 Rz. 55, m.w.N.), der zur Aufhebung des Urteils führt.
1. Aufwendungen, die durch die Absicht veranlasst sind, Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung zu erzielen (§ 21 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes —EStG— i.d.F. der Streitjahre), sind dann nicht als Werbungskosten sofort abziehbar (§ 9 Abs. 1 Satz 1 EStG), wenn es sich um Anschaffungs- oder Herstellungskosten handelt. In diesem Fall sind sie nur im Rahmen der Absetzung für Abnutzung (AfA) zu berücksichtigen (§ 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 7 i.V.m. § 7 EStG). Welche Aufwendungen zu den Anschaffungs- oder Herstellungskosten zählen, bestimmt sich für die Gewinneinkünfte und Überschusseinkünfte, mithin auch für die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung, nach § 255 HGB (vgl. , BFHE 198, 74, BStBl II 2003, 569). Die streitigen Aufwendungen sind nicht allein deshalb als Anschaffungs- oder Herstellungskosten zu werten, weil sie im Vergleich zum Kaufpreis hoch sind und in zeitlichem Zusammenhang mit der Anschaffung des Grundstücks stehen (vgl. im Einzelnen BFH in BFHE 198, 74, BStBl II 2003, 569, zu II. 3. b).
Nach den Feststellungen des FG sind die Baumaßnahmen vor der erstmaligen Nutzung des Hauses durch die Klägerinnen (Vermietung ab Juni 1997) durchgeführt worden. In diesem Fall stellt sich entgegen der Auffassung des FG lediglich die Frage, ob die Aufwendungen Anschaffungskosten oder sofort abziehbare vorab entstandene Werbungskosten gemäß § 9 Abs. 1 EStG sind. Herstellungskosten scheiden in diesem Fall aus (vgl. , BFHE 198, 85, BStBl II 2003, 574, zu II. 2. b aa; vom IX R 43/00, BFH/NV 2003, 34, und vom IX R 31/02, BFH/NV 2003, 775).
2. Anschaffungskosten gemäß § 255 Abs. 1 HGB sind die Aufwendungen, die geleistet werden, um einen Vermögensgegenstand zu erwerben und ihn in einen betriebsbereiten Zustand zu versetzen, ferner die Nebenkosten und nachträglichen Anschaffungskosten.
a) Ein Vermögensgegenstand (Wirtschaftsgut, hier: Wohngebäude) ist betriebsbereit, wenn er entsprechend seiner Zweckbestimmung genutzt werden kann. Zu den Anschaffungskosten zählen daher die Aufwendungen, die erforderlich sind, um den erworbenen Vermögensgegenstand bestimmungsgemäß nutzen zu können (vgl. dazu im Einzelnen BFH in BFHE 198, 85, BStBl II 2003, 574, zu II. 2. b aa).
Soll das Gebäude —wie hier— zu Wohnzwecken genutzt werden, dann gehört zur Zweckbestimmung auch die Entscheidung, welchem Standard das Gebäude entsprechen soll (sehr einfach, mittel oder sehr anspruchsvoll). Baumaßnahmen vor der erstmaligen Nutzung eines Gebäudes, deren Schwerpunkt nicht die Reparatur und Ersetzung des Vorhandenen, sondern die funktionserweiternde Ergänzung wesentlicher Bereiche der Wohnungsausstattung (Heizung, Sanitär-, Elektroinstallation und Fenster) zum Gegenstand haben, können den Standard eines Gebäudes erhöhen. Voraussetzung ist jedoch ferner, dass das Nutzungspotential bei mindestens drei dieser Bereiche deutlich erhöht wird. Ist das der Fall, ist eine Standarderhöhung anzunehmen; die Aufwendungen für diese und die damit bautechnisch zusammenhängenden Baumaßnahmen sind Anschaffungskosten i.S. des § 255 Abs. 1 HGB (vgl. im Einzelnen BFH in BFHE 198, 85, BStBl II 2003, 574).
b) Nach diesen Maßstäben vermag der Senat nicht zu entscheiden, in welchem Umfang die streitigen Aufwendungen als Anschaffungskosten oder als sofort abziehbare Werbungskosten zu behandeln sind. Denn es fehlen bereits —worauf die Revision zutreffend hinweist— jegliche Feststellungen des FG über die Art der den geltend gemachten Aufwendungen zugrunde liegenden Baumaßnahmen. Zwar hat das FG ausgeführt, es seien durch die Renovierungsmaßnahmen nach den Steuerakten drei der Elementarbereiche, nämlich „Fenster, Elektro und Heizung„ „betroffen„ gewesen. Es reicht nach der ständigen Rechtsprechung des BFH aber nicht aus, dass durch Modernisierungsmaßnahmen diese Bereiche nur „betroffen„ werden. Vielmehr ist Voraussetzung, dass dadurch deren Funktion (Gebrauchswert) deutlich erweitert und ergänzt wird. Dies hat der BFH z.B. angenommen, wenn Sanitärinstallationen deutlich erweitert oder ergänzt und ihr Komfort (z.B. durch zweckmäßigere und funktionstüchtigere Ausstattungsdetails) erheblich gesteigert wird, wenn eine technisch überholte Heizungsanlage (z.B. Kohleöfen) durch eine dem Stand der Technik entsprechende Heizungsanlage ersetzt wird, wenn bei der Modernisierung der Elektroinstallation die Leitungskapazität maßgeblich erweitert und die Zahl der Anschlüsse erheblich vermehrt wird und wenn einfach verglaste Fenster durch Isolierglasfenster ersetzt werden (so BFH-Urteil in BFHE 198, 74, BStBl II 2003, 569, unter II. 3. a cc). Auch ein Bündel derartiger Baumaßnahmen, bei dem mindestens drei der o.g. wesentlichen Bereiche eine Standarderhöhung erfahren, kann zu Anschaffungskosten führen. Dazu muss das FG aber zunächst die einzelnen Bau- und Renovierungsmaßnahmen feststellen.
3. Die Sache ist nicht spruchreif. Sie geht an das FG zurück um zu klären, welche Renovierungsmaßnahmen durchgeführt wurden und ob diese den Standard des Gebäudes erhöht haben.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
BFH/NV 2004 S. 767 Nr. 6
DB 2005 S. 8 Nr. 34
RAAAB-17510