BFH Beschluss v. - VII B 131/03

Vollstreckung gegen die öffentliche Hand aus dem Tenor eines die AdV gewährenden Beschl. des FG nicht möglich

Gesetze: FGO §§ 69, 151, 152

Instanzenzug:

Gründe

Mit dem angefochtenen Beschluss hat das Finanzgericht (FG) den Antrag des Antragstellers und Beschwerdeführers (Antragsteller), die Vollstreckung aus dem Beschluss vom …zu verfügen, abgelehnt. Mit diesem Ausgangsbeschluss hatte das FG die Vollziehung des Einkommensteuerbescheides 1997 ab Fälligkeit ausgesetzt, soweit die darin festgesetzte Einkommensteuer zuzüglich Nebenleistungen auf Einkünfte der geschiedenen Ehefrau des Antragstellers in Höhe von ... DM entfällt. Das FG hielt den Antrag, die Vollstreckung zu verfügen, mangels Rechtsschutzbedürfnisses für unzulässig, da er nur vordergründig auf Umsetzung der gewährten Aussetzung der Vollziehung (AdV) gerichtet sei. Das eigentliche Ziel des Antragstellers sei die Erstattung der auf die Einkommensteuerschuld 1997 zuzüglich Nebenleistungen bereits erbrachten Zahlungen, soweit diese auf die inzwischen bestandskräftig festgesetzte und aufgeteilte Steuerschuld seiner geschiedenen Ehefrau entfielen. Erstattung hätte allenfalls die geschiedene Frau des Antragstellers verlangen können. Im Übrigen sei der Antragsgegner und Beschwerdegegner (das Finanzamt —FA—) seiner Verpflichtung, die gerichtlich gewährte AdV im Verhältnis zum Antragsteller, worauf es hier allein ankomme, umzusetzen, nachgekommen.

Hiergegen wendet sich der Antragsteller mit seiner Beschwerde. Er ist der Auffassung, sein Rechtsschutzbedürfnis für die Antragstellung ergebe sich daraus, dass seine Ehefrau in einem Zwischenvergleich im Scheidungsverfahren vor dem Landgericht der unmittelbaren Auszahlung evtl. Steuererstattungen an ihn, den Antragsteller, zugestimmt habe. Hieraus folge seine Berechtigung, mit Wirkung zugunsten seiner geschiedenen Frau die Vollstreckung aus dem AdV-Beschluss zu beantragen.

Das FA ist dem Antrag entgegengetreten. Der Antragsteller könne für sich nicht das Recht in Anspruch nehmen, für seine geschiedene Ehefrau zu handeln, insbesondere nicht deren rechtliche Versäumnisse wie Klageeinlegung und Stellung eines AdV-Antrags nachholen.

Die nach § 128 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zulässige Beschwerde ist unbegründet. Unbeschadet der vom FG erörterten Frage des Bestehens eines Rechtsschutzbedürfnisses kommt die Verfügung der Vollstreckung des AdV-Beschlusses schon deshalb nicht in Betracht, weil dieser Beschluss die öffentliche Hand nicht, wie erforderlich, zu einer Geldleistung oder zu einer anderen Leistung verpflichtet.

Die Verfügung der Vollstreckung wegen einer Geldforderung nach § 152 Abs. 1 Satz 1 FGO durch das FG als Vollstreckungsgericht (§ 151 Abs. 1 Satz 2 FGO) kommt nur „im Fall des § 151” in Betracht. Sie knüpft damit an den konkreten Inhalt des für die Vollstreckung im Einzelfall maßgebenden Titels an (Senatsbeschluss vom VII B 205/89, BFH/NV 1991, 690). Hiernach muss eine der in § 151 Abs. 1 Satz 1 FGO genannten Körperschaften, Anstalten oder Stiftungen des öffentlichen Rechts bzw. eine diesen Einrichtungen zugehörige Behörde (§ 63 FGO) aus einem der in § 151 Abs. 2 FGO abschließend aufgeführten Titeln (vgl. Senatsbeschluss vom VII B 128/71, BFHE 108, 479, BStBl II 1973, 499) zu einer Leistung (hier: Geldleistung) verurteilt worden sein (vgl. Gräber/ von Groll, Finanzgerichtsordnung, 5. Aufl. 2002, § 151 Rz. 1). Im Streitfall kommt es daher darauf an, ob der AdV- dessen Vollstreckung der Antragsteller begehrt, als rechtskräftige Entscheidung (§ 151 Abs. 2 Nr. 1 FGO; zur grundsätzlichen Anwendbarkeit des § 151 Abs. 2 Nr. 1 FGO auch auf Beschlüsse vgl. Senat in BFHE 108, 479, BStBl II 1973, 499) eine „Verurteilung” des FA zu einer Leistung in diesem Sinne darstellt.

Maßgeblich hierfür ist der Tenor der gerichtlichen Entscheidung (Senatsbeschluss vom VII B 109/94, BFH/NV 1995, 616). Anders als Antragsteller und FG meinen, die den Gegenstand des Begehrens des Antragstellers mit „Vollstreckung einer Geldforderung” angeben, wird nach dem Tenor des betreffenden AdV-Beschlusses dem FA keine Leistung, also auch keine Zahlungsverpflichtung, auferlegt.

Die Anordnung der AdV eines Steuerbescheids nach § 69 FGO bzw. § 361 der Abgabenordnung (AO 1977) bewirkt die aufschiebende Wirkung (Suspensiveffekt) des gegen den Steuerbescheid eingelegten Einspruchs. Dabei bleiben Wirksamkeit und Bestand des Steuerbescheids unberührt; gehindert wird lediglich seine Vollziehung (Bundesfinanzhof —BFH—, Urteil vom VII R 58/94, BFHE 178, 306, BStBl II 1996, 55). AdV bedeutet daher, dass der materielle Regelungsgehalt des nach wie vor wirksamen Verwaltungsakts bis auf weiteres nicht mehr verwirklicht werden kann, sodass rechtliche (und tatsächliche) Folgerungen aus dem Verwaltungsakt nicht gezogen werden dürfen (Beschluss des Großen Senats des , BFHE 178, 11, BStBl II 1995, 730). Der Behörde ist jegliches Gebrauchmachen von den Wirkungen des Verwaltungsakts, die auf die Verwirklichung seines Regelungsinhalts, d.h. der in ihm ausgesprochenen Rechtsfolgen sowie der sich daraus ergebenden Nebenfolgen abzielt, einstweilen untersagt (BFH in BFHE 178, 306, BStBl II 1996, 55).

Auch wenn hiernach der AdV im Hinblick auf die Existenz des Verwaltungsakts eine unmittelbare rechtsgestaltende Wirkung nicht zukommt (vgl. Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, § 69 FGO Rz. 22), so wird doch im Hinblick auf den Eintritt des Suspensiveffekts eine Wirkung erzielt, die jedenfalls zu einer zeitweiligen Entkräftung des Verwaltungsakts und damit zu einer die Rechtslage gestaltungsähnlichen Folge führt. Insofern erscheint es gerechtfertigt, einen AdV-Beschluss wie ein Gestaltungsurteil zu behandeln, das im Hinblick auf den Hauptausspruch einer Vollstreckung nach den §§ 151 ff. FGO nicht fähig ist (Senat in BFH/NV 1995, 616). Jedenfalls ergibt sich aus dem Tenor eines AdV gewährenden Beschlusses keine „Verurteilung” der Finanzbehörde zur Leistung von Geldbeträgen, sodass daher eine Vollstreckung aus einem solchen Beschluss nicht möglich ist (vgl. auch den Senatsbeschluss vom VII B 197/99, BFH/NV 2000, 221).

Das gilt auch dann, wenn —wie im Streitfall— die Rückabwicklung bereits auf die Steuerschuld gezahlter Beträge als Folge der Gewährung der AdV in Betracht kommt, also wenn es im Grunde um eine Aufhebung der Vollziehung geht. Insofern gilt nichts anderes als in solchen Fällen, in denen das FG einen angefochtenen Abrechnungsbescheid ändert und darin ein erstattungsfähiges Restguthaben ausweist (Senat in BFH/NV 1995, 616) oder eine angefochtene Steuerfestsetzung zugunsten des Steuerschuldners betragsmäßig ändert und deshalb die bereits gezahlte Steuer teilweise wieder zu erstatten ist (vgl. § 100 Abs. 2 Satz 1 erste Alternative FGO). Diesen Fällen ist gemeinsam, dass der Gesetzgeber nach dem Regelungsgehalt der §§ 150 ff. FGO die Vollstreckung gegen eine Behörde versagt, weil er offensichtlich davon ausgeht, dass die Entscheidung des FG von der Finanzbehörde freiwillig befolgt wird (vgl. Senatsurteil vom VII R 24/77, BFHE 131, 158, 168, BStBl II 1980, 632).

Da es mithin im Streitfall bereits an den Vollstreckungsvoraussetzungen der §§ 151, 152 FGO fehlt und deshalb die Verfügung der Vollstreckung durch das FG unzulässig ist, brauchte der Senat auf die abweichende, aber zu demselben Ergebnis führende Argumentation der Vorentscheidung und die hiergegen vom Antragsteller vorgebrachten Einwendungen nicht einzugehen.

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:


Fundstelle(n):
BFH/NV 2004 S. 794
BFH/NV 2004 S. 794 Nr. 6
VAAAB-17312