BFH Beschluss v. - IV B 68/02

Zulässigkeit des rückwirkenden Übergangs vom Bestandsvergleich zur Einnahmenüberschussrechnung durch Freiberufler

Gesetze: EStG § 4 Abs. 1, 3

Instanzenzug:

Gründe

Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) unterhielt in den Streitjahren (1989 und 1990) als selbständiger Steuerberater verschiedene Beratungsstellen in Deutschland und war Gesellschafter und Geschäftsführer mehrerer Treuhandgesellschaften. Die Gewinne aus den Praxen wurden durch Bestandsvergleich nach § 4 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) ermittelt. Nachdem der Kläger für mehrere Jahre, so auch für die Streitjahre, keine Steuererklärungen abgegeben hatte, führte der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt —FA—) eine Steuerfahndungsprüfung durch und schätzte die Besteuerungsgrundlagen für die Jahre 1985 bis 1990. Im Verlaufe dieses Verfahrens teilte der Kläger dem FA zunächst telefonisch und am auch schriftlich mit, dass er zum für die Beratungsstellen X und Z zur Einnahmenüberschussrechnung übergehen wolle. Die sich aus dem Wechsel zur Einnahmenüberschussrechnung ergebenden Übergangsverluste führten für 1988 zu einer Einkommensteuerfestsetzung auf 0 DM und aufgrund von Verlustrückträgen auch für die Jahre 1986 und 1987 zur Herabsetzung der Einkommensteuer auf 0 DM.

Gegen die Einkommensteuer- und Umsatzsteuerfestsetzungen 1989 und 1990 erhob der Kläger Klage und bestritt die Wirksamkeit des Übergangs zu der von ihm so gewählten Einnahmenüberschussrechnung. Die Klage hatte teilweise Erfolg. Das Finanzgericht (FG) setzte —dem Klageantrag entsprechend— die Einkommensteuer 1989 auf 0 DM herab. Die Einkommensteuer 1990, die Umsatzsteuer 1989 und die Umsatzsteuer 1990 wurden ebenfalls herabgesetzt. Im Übrigen wurde die Klage mit der Begründung abgewiesen, der Kläger habe den Übergang zur Einnahmenüberschussrechnung lange Zeit vor Einreichung der Steuererklärungen für die Jahre 1985 bis 1987 und vor Erstellung der Eröffnungsbilanz zum erklärt und im Verfahren der Aussetzung der Vollziehung auch vorläufige Gewinnermittlungen durch Einnahmenüberschussrechnung vorgelegt. Ein Hin- und Herschwanken je nach Gewinnauswirkung sei steuerlich aber nicht zu berücksichtigen.

Mit seiner Beschwerde gegen das Urteil des FG macht der Kläger Divergenz geltend und rügt einen Verfahrensmangel, auf dem die Vorentscheidung beruhen soll.

Von einer weiteren Darstellung des Tatbestands wird gemäß § 116 Abs. 5 Satz 2 zweiter Halbsatz der Finanzgerichtsordnung (FGO) abgesehen.

Die Beschwerde ist unbegründet. Entgegen der Auffassung des Klägers beruht das Urteil des FG weder auf einer Abweichung von der angeführten Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) noch auf dem Verfahrensmangel eines Verstoßes gegen § 96 Abs. 1 Satz 1 FGO.

1. a) Das Urteil des FG weicht nicht i.S. von § 115 Abs. 2 Nr. 2, 2. Alternative FGO von den beiden vom Kläger bezeichneten Entscheidungen des VIII. Senats des , BFH/NV 1999, 1195, und vom VIII R 40/94, BFH/NV 1997, 403) ab. In diesen Urteilen hat der BFH zwar ausgeführt, das Wahlrecht zur Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG könne nur zu Beginn des Gewinnermittlungszeitraums ausgeübt werden. In beiden Fällen ging es aber um eine erstmalige Gewinnermittlung, nachdem das FA die Aktivitäten der jeweiligen Kläger als gewerblichen Grundstückshandel beurteilt und deren Einkünfte nach den Grundsätzen des Bestandsvergleichs geschätzt hatte. Für diesen besonderen Fall entschied der BFH in BFH/NV 1997, 403 und in BFH/NV 1999, 1195 weiter, dass die Ausübung des Wahlrechts auch das Bewusstsein zur Erzielung von (Gewinn-)Einkünften voraussetzt. Ein Wahlrecht konnten die Kläger in diesen Fällen der nachträglichen Begründung eines gewerblichen Grundstückshandels also gar nicht ausüben.

Im Streitfall hingegen hatte der Kläger ursprünglich seinen Gewinn durch Bestandsvergleich nach § 4 Abs. 1 EStG ermittelt, sich dann für eine Gewinnermittlung durch Einnahmenüberschussrechnung nach § 4 Abs. 3 EStG entschieden und die daraus folgenden Konsequenzen der Ermittlung eines Übergangsgewinns bzw. hier -verlusts gezogen. Das FG hat dies, dem Kläger folgend, auch rückwirkend für zulässig gehalten, weil der Kläger noch keine Bilanz zum aufgestellt hatte. Dies entspricht der Auffassung des Senats, wonach ein nicht buchführungspflichtiger Steuerpflichtiger erst dann sein Wahlrecht auf Gewinnermittlung durch Bestandsvergleich ausgeübt hat, wenn er eine Eröffnungsbilanz aufstellt, eine ordnungsmäßige kaufmännische Buchführung einrichtet und aufgrund von Bestandsaufnahmen einen Abschluss macht (Senatsurteil vom IV R 45/73, BFHE 125, 45, BStBl II 1978, 431). Denn während der Wechsel von der Einnahmenüberschussrechnung zum Bestandsvergleich notwendigerweise eine Anfangsbilanz und die Einrichtung einer Buchführung voraussetzt und damit Maßnahmen vor Beginn des Wirtschaftsjahrs erfordert, hat es das FG für möglich gehalten, dass der Kläger auch noch nach Ablauf des Wirtschaftsjahrs die einfachere Gewinnermittlungsart nach § 4 Abs. 3 EStG wählt.

Im Ergebnis hat das FG seiner Entscheidung damit eine auch im Schrifttum vertretene Auffassung zugrunde gelegt (s. etwa Drüen, Deutsches Steuerrecht —DStR— 1999, 1589 ff.; Gluth, Der Einfluss von Wahlrechten auf die Entstehung des Steueranspruchs, 1997, 24 ff.; Kanzler, Finanz-Rundschau —FR— 1998, 233, 245; Bergkemper in Herrmann/Heuer/Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz, Kommentar, 21. Aufl., § 4 EStG Anm. 552; von Reden in Littmann/Bitz/Pust, Das Einkommensteuerrecht, 15. Aufl., §§ 4, 5 EStG Rz. 2166 —Stand 2002—). Ob diesem Verständnis des Gewinnermittlungswahlrechts, das nicht zuletzt die durch die Verwendung der EDV bewirkte Angleichung der laufenden Buchführung bei beiden Gewinnermittlungsarten berücksichtigt, zu folgen wäre, kann im Verfahren der vorliegenden Nichtzulassungsbeschwerde ebenso dahinstehen (s. schon Senatsurteil vom IV R 18/00, BFHE 193, 436, BStBl II 2001, 102) wie die Frage, ob diese Auffassung etwa dem (BFH/NV 1995, 390) widerspricht. Der Kläger hat dieses Urteil jedenfalls nicht als Divergenzentscheidung bezeichnet.

b) Ebenso wenig hat der Kläger substantiiert vorgetragen, dass eine Entscheidung des BFH zur Klärung einer im Allgemeininteresse liegenden Rechtsfrage und damit gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 2, 1. Alternative FGO zur Fortbildung des Rechts erforderlich ist, oder geltend gemacht, dass die Vorentscheidung unter keinem denkbaren Aspekt rechtlich vertretbar ist (vgl. dazu Senatsbeschluss vom IV B 79, 80/01, BFHE 196, 30, BStBl II 2001, 837). Denn soweit anzunehmen sein sollte, dass nach der Neufassung der Revisionszulassungsgründe durch das Zweite Gesetz zur Änderung der Finanzgerichtsordnung und anderer Gesetze (2. FGOÄndG) auch Fehler eines FG von erheblichem Gewicht bei der Auslegung revisiblen Rechts zur Zulassung gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 2, 2. Alternative FGO führen können, fehlt es an der substantiierten Darlegung eines solchen Fehlers, der zudem geeignet sein müsste, das Vertrauen in die Rechtsprechung zu beschädigen. Das FG hat sich vielmehr eingehend mit der Rechtslage auseinander gesetzt und zutreffend die Auffassung vertreten, dass ein wiederholter Wechsel der Gewinnermittlungsart ohne besonderen wirtschaftlichen Grund unzulässig ist (Senatsurteil in BFHE 193, 436, BStBl II 2001, 102). Es hat dabei insbesondere berücksichtigt, dass die beiden Formen der Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 1 und § 4 Abs. 3 EStG im Regelfall —auf das Ganze und auf Dauer gesehen— zu demselben Ergebnis führen müssen (Senatsurteil vom IV R 68/98, BFHE 188, 291, BStBl II 1999, 481, m.w.N.). Mit seinem Widerruf des einmal ausgeübten Wahlrechts versucht der Kläger angesichts der Vorteile, die ihm die Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG für die Jahre 1986 bis 1988 gebracht hat, ein solches Gesamtergebnis gerade zu verhindern.

2. Entgegen der Auffassung des Klägers ist auch ein Verstoß gegen § 96 Abs. 1 Satz 1 FGO nicht gegeben. Der Kläger meint, das FG habe seiner Entscheidung nicht das Gesamtergebnis des Verfahrens zugrunde gelegt, weil es seine Schätzung u.a. darauf gestützt habe, dass er, der Kläger, seine Mitwirkungspflichten nicht erfüllt sowie insbesondere keine Gewinnermittlungen und Steuererklärungen für die Streitjahre eingereicht habe und deshalb eventuelle Unsicherheiten zu seinen Lasten gehen müssten. Dabei habe das FG jedoch unberücksichtigt gelassen, dass es ihm gar nicht möglich gewesen sei, endgültige Gewinnermittlungen zu erstellen und die entsprechenden Steuererklärungen einzureichen, weil die hierfür erforderlichen Unterlagen vom FA beschlagnahmt und bis heute nicht vollständig zurückgegeben worden seien.

Diese Rüge ist unbegründet. Das FG hat sehr wohl die Tatsache der Beschlagnahme von Unterlagen durch die Steuerfahndung berücksichtigt. Im Tatbestand seines Urteils hat das FG ausdrücklich festgestellt, dass die Unterlagen des Klägers für die Jahre 1985 bis 1990 bei der Durchsuchung am beschlagnahmt und erst im Februar 1999 zurückgegeben wurden. Der Vorwurf, der Kläger habe seine Mitwirkungspflichten verletzt, bezieht sich daher ersichtlich auf die Versäumnisse des Klägers vor Beginn der Fahndungsprüfung und darüber hinaus ausdrücklich auf die Zeit nach Rückgabe der Unterlagen im Februar 1999. Insoweit begründet das FG seine eigene Schätzungsbefugnis nämlich wie folgt: „Dies (d.h. die Befugnis zur Schätzung ohne weitere Ermittlungen) gilt um so mehr, als der Kläger seiner Mitwirkungspflicht für die Streitjahre selbst nach Fristsetzungen gemäß § 79b Abs. 2 FGO nicht oder nur völlig unvollkommen nachgekommen ist...„

Fundstelle(n):
BFH/NV 2004 S. 633
BFH/NV 2004 S. 633 Nr. 5
UAAAB-17308