Voraussetzung für AdV-Antrag beim BFH
Gesetze: FGO § 69
Instanzenzug:
Gründe
I. Die Beteiligten streiten darüber, ob von einer deutschen GmbH an die Antragstellerin ausgeschüttete Dividenden nach dem Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Russischen Föderation zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen (DBA-Russland) einem Quellensteuerabzug von 5 v.H. —so die Antragstellerin— oder von 15 v.H. —so der Antragsgegner, das Bundesamt für Finanzen (BfF)— unterliegen. Das BfF hatte zunächst Freistellungsbescheide erlassen, in denen es die von der GmbH einzubehaltende und abzuführende Kapitalertragsteuer auf 5 v.H. der Dividenden festgesetzt hatte. Es hat diese —unter dem Vorbehalt der Nachprüfung stehenden— Bescheide jedoch später nach § 164 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO 1977) geändert und ist in den Änderungsbescheiden von einer Kapitalertragsteuer von 15 v.H. der Dividenden ausgegangen.
Die Antragstellerin beantragte daraufhin beim Finanzgericht (FG), die Vollziehung der Änderungsbescheide auszusetzen. Diesen Antrag lehnte das ab. Im Verfahren zur Hauptsache wies es die Klage mit Urteil vom 2 K 2587/02 (Entscheidungen der Finanzgerichte 2003, 1174) ab. Die Antragstellerin hat gegen dieses Urteil die vom FG zugelassene Revision eingelegt, über die noch nicht entschieden worden ist.
Im Verlauf des Revisionsverfahrens hat die Antragstellerin ergänzend zu ihrem Revisionsantrag beantragt, die Vollziehung der angefochtenen Bescheide auszusetzen und zudem rückwirkend auf den Zeitpunkt der Fälligkeit der sich aus den Bescheiden ergebenden Steueransprüche aufzuheben. Zur Begründung macht sie —ebenso wie schon im Aussetzungs- und im Klageverfahren vor dem FG— im Wesentlichen geltend, die von ihr vereinnahmten Dividenden dürften nach Art. 10 Abs. 1 Buchst. a DBA-Russland in Deutschland nur einer Quellensteuer von 5 v.H. unterworfen werden, da sie —die Antragstellerin— an der GmbH einen Kapitalanteil von mehr als 160 000 DM gehalten habe. Als „Kapitalanteil„ im Sinne der genannten Vorschrift sei nämlich nicht der Anteil am Nominalwert des Stammkapitals, sondern der Verkehrswert der Beteiligung anzusehen, der unstreitig 160 000 DM übersteige.
Das BfF ist dem Antrag entgegengetreten.
II. Der Antrag ist unzulässig. Denn nachdem das FG bereits über einen entsprechenden Antrag der Antragstellerin entschieden hat, wäre ein erneuter Antrag auf Aussetzung der Vollziehung (AdV) nur unter denjenigen Voraussetzungen statthaft, unter denen nach § 69 Abs. 6 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) eine Änderung jener Entscheidung verlangt werden könnte. Der Senat verweist hierzu auf seinen Beschluss vom I S 4/99 (BFHE 190, 34, BStBl II 2000, 86), der der gefestigten Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) entspricht (z.B. BFH-Beschlüsse vom IV S 2/01, BFH/NV 2002, 218; vom VIII S 26/02, BFH/NV 2003, 1446; Gräber/ Koch, Finanzgerichtsordnung, 5. Aufl., § 69 Rz. 199, m.w.N.). Die in § 69 Abs. 6 Satz 2 FGO genannten Voraussetzungen liegen jedoch im Streitfall nicht vor.
1. Nach dieser Vorschrift kann die Änderung eines Beschlusses über einen Antrag auf AdV nur wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragt werden. Solche Umstände liegen vor, wenn entweder nachträglich eingetretene oder bekannt gewordene Gegebenheiten den Fall in tatsächlicher Hinsicht in einem neuen Licht erscheinen lassen (vgl. hierzu Senatsbeschluss vom I B 39/96, BFH/NV 1997, 247) oder wenn eine Gesetzesänderung oder eine zwischenzeitlich ergangene gerichtliche Entscheidung zu einer veränderten Beurteilung der maßgeblichen Rechtslage führen kann (, BFH/NV 1991, 535). Bei unveränderter tatsächlicher und rechtlicher Ausgangslage erfüllen jedoch neue rechtliche Überlegungen des Antragstellers ebenso wie die bloße Wiederholung der bisherigen Argumentation den Tatbestand des § 69 Abs. 6 Satz 2 FGO nicht (Gosch in Beermann, Steuerliches Verfahrensrecht, § 69 FGO Rz. 330 f., m.w.N.). Sie sind deshalb nicht geeignet, die Statthaftigkeit eines wiederholten Antrags auf gerichtliche AdV zu begründen.
2. Im Streitfall hat die Antragstellerin in ihrem beim BFH gestellten AdV-Antrag nur diejenigen Ausführungen wiederholt und ergänzt, mit denen sich schon das FG in seiner Entscheidung über den ursprünglichen Antrag auseinander gesetzt hat. Dass in der Zeit seit dem Ergehen jener Entscheidung für den Streitfall bedeutsame tatsächliche Umstände entstanden oder zu Tage getreten wären oder dass sich in rechtlicher Hinsicht eine neue Entwicklung ergeben hätte, die sich auf die Beurteilung der maßgeblichen Fragen auswirken könnte, ist weder von der Antragstellerin geltend gemacht worden noch sonst erkennbar. Angesichts dessen sind die Voraussetzungen des § 69 Abs. 6 Satz 2 FGO im Streitfall nicht erfüllt. Der Antrag ist deshalb unzulässig und muss unabhängig von der rechtlichen Beurteilung der streitbefangenen Bescheide abgelehnt werden.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
BFH/NV 2004 S. 516
BFH/NV 2004 S. 516 Nr. 4
NAAAB-16308