OFD Berlin - St 179 - S 2280 - 5/03

§ 32 EStG; Familienleistungsausgleich;
I. Berücksichtigung des Vermögens bei behinderten Kindern
II. Berücksichtigung von Aufwendungen für eine Begleitperson als behinderungsbedingter Mehrbedarf
III. Erfüllung des Unterhaltserfordernisses zur Begründung eines Pflegekindschaftsverhältnisses
IV. Berücksichtigung vermisster Kinder
V. Arbeit suchende Kinder

Das (BStBl 2003 I S. 428) die Familienkassen über die nachfolgenden Änderungen, die für die Berücksichtigung von Kinderfreibeträgen entsprechend gelten, unterrichtet:

  1. Der BFH hat mit seinen Urteilen vom (BStBl 2003 II S. 88 und 91) entschieden, dass bei der Prüfung der Frage, ob ein volljähriges behindertes Kind „außerstande ist, sich selbst zu unterhalten„, dessen Vermögen nicht zu berücksichtigen ist.

    Die Rechtsgrundsätze dieser Urteile sind über die entschiedenen Einzelfälle hinaus für alle volljährigen behinderten Kinder anzuwenden.

  2. Entsprechend dem (BStBl 2002 II S. 765) können in bestimmten Fällen bei der Prüfung der Frage, ob ein volljähriges behindertes Kind außerstande ist, sich selbst zu unterhalten, die Kosten einer Begleitperson auf einer Urlaubsreise in angemessener Höhe als behinderungsbedingter Mehrbedarf berücksichtigt werden. Die Notwendigkeit der Begleitung muss jedoch nachgewiesen werden.

    Die Rechtsgrundsätze dieses Urteils sind auf Fälle behinderter Kinder anzuwenden, für die nachweislich eine ständige Begleitung erforderlich ist.

  3. Der (BStBl 2003 II S. 469) entschieden, dass eine Pflegeperson ein Pflegekind nur dann zu einem nicht unwesentlichen Teil auf ihre Kosten unterhält, wenn ihr tatsächliche Unterhaltsaufwendungen von zumindest 20 v.H. der gesamten Unterhaltskosten des Kindes entstehen und ihr der Aufwand insoweit nicht durch Leistungen Dritter ersetzt wird.

    Zur Prüfung, ob eine Pflegeperson ein im Rahmen der Familienvollzeitpflege (§ 33 Sozialgesetzbuch VIII – SGB VIII) in ihren Haushalt aufgenommenes Kind zu einem nicht unwesentlichen Teil auf ihre Kosten unterhält, ist ein Unterhaltsbedarf in Höhe der Freibeträge für Kinder im Sinne des § 32 Abs. 6 EStG anzusetzen. Unterhält danach eine Pflegeperson ein Pflegekind nicht zu einem nicht unwesentlichen Teil auf ihre Kosten, kann das Pflegekind bei ihr nicht als Kind berücksichtigt werden. Es ist dann bei den leiblichen Eltern als Kind zu berücksichtigen.

    Die Rechtsgrundsätze dieses Urteils sind über den entschiedenen Einzelfall hinaus auf alle offenen Fälle anzuwenden.

    Beispiel 1:

    Eine Pflegeperson erhält für ein in ihrem Haushalt lebendes Pflegekind monatlich 460 € Pflegegeld und 190 € Erziehungsbeitrag vom Jugendamt. Sie macht keine über dem Freibetrag liegenden Aufwendungen für Betreuung und Erziehung oder Ausbildung für das Kind geltend.

    1. Ermittlung des Unterhaltsbedarfs des Kindes im Kalenderjahr

      Tabelle in neuem Fenster öffnen
      Freibeträge nach § 32 Abs. 6 EStG
       
      2 × (1 824 € + 1 080 €)
      5 808 €
    2. Ermittlung der Höhe der Aufwandserstattung im Kalenderjahr

      Tabelle in neuem Fenster öffnen
      12 × (460 € + 190 €)
      7 800 €

    Die Pflegeperson ist nicht mit Unterhalt des Kindes belastet. Es kann deshalb nicht bei ihr als Pflegekind berücksichtigt werden.

    Beispiel 2:

    Eine Pflegeperson erhält für ein in ihrem Haushalt lebendes Pflegekind monatlich 460 € Pflegegeld und 190 € Erziehungsbeitrag vom Jugendamt. Sie weist Aufwendungen für die Betreuung des Kindes in Höhe von 10 000 € nach.

    1. Ermittlung des Unterhaltsbedarfs des Kindes im Kalenderjahr

      Tabelle in neuem Fenster öffnen
      Kinderfreibetrag nach § 32 Abs. 6 EStG
       
      2 × 1 824 €
      3 648 €
      Nachgewiesene Betreuungsaufwendungen
      10 000 €
      Gesamter Unterhaltsbedarf des Kindes
      13 648 €
    2. Ermittlung der Höhe der Aufwandserstattung im Kalenderjahr

      Tabelle in neuem Fenster öffnen
      12 × (460 € + 190 €)
      7 800 €

    Die Pflegeperson ist mit Unterhalt des Kindes in Höhe von (13 648 € ./. 7 800 € =) 5 848 € belastet, also mit 42,85 v.H. des gesamten Unterhaltsbedarfs des Kindes. Es kann deshalb bei ihr als Pflegekind berücksichtigt werden.

  4. Nach dem Ergebnis der Erörterung der für die Einkommensteuer zuständigen Vertreter der obersten Finanzbehörden des Bundes und der Länder, sind vermisste Kinder bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres zu berücksichtigen.

    Diese Rechtsgrundsätze sind auf alle offenen Fälle anzuwenden.

  5. Durch Artikel 8 Nr. 5 des Zweiten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom (BStBl 2003 I S. 3, 12) ist § 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 1 EStG mit Wirkung ab wie folgt gefasst worden:

    „1. noch nicht das 21. Lebensjahr vollendet hat, nicht in einem Beschäftigungsverhältnis steht und bei einem Arbeitsamt im Inland als Arbeitsuchender gemeldet ist oder„

    Nach dem Ergebnis der Erörterung der für die Einkommensteuer zuständigen Vertreter der obersten Finanzbehörden des Bundes und der Länder steht eine geringfügige Beschäftigung im Sinne von § 8 SGB IV einer Berücksichtigung im Rahmen der vorgenannten Vorschrift nicht entgegen.

    Ein Kind, das in einem anderen EWR-Staat oder in der Schweiz arbeitssuchend gemeldet ist, kann ebenfalls berücksichtigt werden.

    Geringfügige Beschäftigungen sind geringfügig entlohnte und kurzfristige Beschäftigungen. Eine geringfügig entlohnte Beschäftigung liegt vor, wenn das Arbeitsentgelt aus der Beschäftigung regelmäßig 400 € monatlich nicht übersteigt. Hierfür ist das monatliche Durchschnittseinkommen maßgeblich. Ein höheres Entgelt in einzelnen Monaten eines Kalenderjahres hat keine Auswirkungen auf die Berücksichtigungsfähigkeit, wenn im jährlichen Durchschnitt die Grenze von 400 € nicht überschritten wird. Eine kurzfristige Beschäftigung liegt vor, wenn sie innerhalb eines Kalenderjahres auf nicht mehr als zwei Monate oder bei weniger als fünf Arbeitstagen in der Woche auf insgesamt fünfzig Arbeitstage begrenzt ist. Diese Begrenzung begründet sich nach der Eigenart der Beschäftigung (z.B. Erntehelfer, Saisonkräfte, Aushilfe) oder sie wird im Voraus vertraglich festgehalten. Eine kurzfristige Beschäftigung liegt nicht mehr vor, wenn sie berufsmäßig ausgeübt wird und das erzielte Arbeitsentgelt 400 € übersteigt. Diese Grundsätze gelten auch, wenn die geringfügige Beschäftigung ausschließlich in Privathaushalten bzw. wenn anstelle der Beschäftigung eine selbständige Tätigkeit ausgeübt wird.

    Der Nachweis, dass ein Kind bei einem Arbeitsamt im Inland als Arbeitssuchender gemeldet ist, hat über eine Bescheinigung des zuständigen inländischen Arbeitsamtes zu erfolgen. Es sind diesbezüglich keine weiteren Prüfungen erforderlich. Eine Berücksichtigung ist auch dann möglich, wenn das Kind wegen Erkrankung oder eines Beschäftigungsverbotes nach §§ 3, 6 Mutterschutzgesetz (MuSchG) nicht bei einem Arbeitsamt im Inland arbeitsuchend gemeldet ist. 2Ist das Kind jedoch wegen der Inanspruchnahme von Elternzeit nicht arbeitsuchend gemeldet, besteht während dieser Zeit kein Anspruch auf Kindergeld für dieses Kind. Eine Berücksichtigung während einer Erkrankung bzw. eines Beschäftigungsverbotes setzt voraus, dass die Erkrankung bzw. das Beschäftigungsverbot durch eine ärztliche Bescheinigung nachgewiesen wird. Bei einer Erkrankung von mehr als sechs Monaten hat ist nach Vorlage eines amtsärztlichen Attestes zu entscheiden, ob das Kind noch berücksichtigt werden kann. Außerdem muss das Kind glaubhaft erklären, sich unmittelbar nach Wegfall der Hinderungsgründe bei dem zuständigen Arbeitsamt im Inland arbeitsuchend zu melden. Geschieht dies nicht, besteht kein Anspruch auf den Kinderfreibetrag ab dem Monat, der dem Monat folgt, in dem die Hinderungsgründe wegfallen.

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Fundstelle(n):
NAAAB-15751