BFH Beschluss v. - V B 134/02

Vorsteuerberichtigung bei abweichender tatsächlicher Verwendung oder fehlerhafter Beurteilung der Verwendungsabsicht

Gesetze: UStG §§ 15, 15a

Instanzenzug:

Gründe

I. Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) ist ehemaliger Konkursverwalter über das Vermögen der I-GmbH. Er wurde vom Konkursgericht ermächtigt, u.a. den gegen den Beklagten und Beschwerdegegner (Finanzamt —FA—) geltend gemachten Anspruch betreffend Umsatzsteuer 1989 weiterzuverfolgen.

Die I-GmbH hatte in den Jahren 1985 und 1986 ein Einkaufszentrum mit Kaufhausgebäude, Parkhaus und Wohnungen errichtet, das nach Fertigstellung weiterveräußert werden sollte. Die Wohnungen wurden ab 1985 zu Wohnzwecken vermietet. Kläger und FA behandelten diese Vermietung jedoch als steuerpflichtig. Das FA beurteilte die von dem Kläger von vornherein beabsichtigte Weiterveräußerung als Lieferung einer wirtschaftlichen Einheit, für die nur insgesamt auf die Umsatzsteuerfreiheit verzichtet werden könne und ließ die geltend gemachten Vorsteuerbeträge in den Jahren 1985 und 1986 zum Abzug zu. Diese Umsatzsteuerbescheide sind bestandskräftig.

Nach Eröffnung des Konkursverfahrens über das Vermögen der I-GmbH am veräußerte der Kläger mit Kaufvertrag vom das Einkaufszentrum an eine KG, und zwar die Gewerbefläche umsatzsteuerpflichtig und dementsprechend mit ausgewiesener Umsatzsteuer, die Wohnungen umsatzsteuerfrei und deshalb ohne ausgewiesene Umsatzsteuer.

Mit der Begründung, wegen Bestandskraft der Umsatzsteuerbescheide für 1985 und 1986 könnten die Steuerbescheide der Abzugsjahre, in denen die auf Wohnungen entfallenden Vorsteuerbeträge zu Unrecht berücksichtigt worden seien, nicht mehr geändert werden, berichtigte das FA die auf die Wohnungen entfallenden Vorsteuerbeträge im geänderten Umsatzsteuerbescheid für das Streitjahr (1989) vom gemäß § 15a des Umsatzsteuergesetzes 1980 (UStG).

Es führte aus: § 176 Abs. 1 Nr. 3 der Abgabenordnung (AO 1977) sei im Streitfall nicht anwendbar. Zwar habe sich aufgrund der Entscheidung des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) im Urteil vom Rs. C-291/92 (BStBl II 1996, 392) und der diesem folgenden Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs —BFH— (Urteil vom XI R 43/90, BStBl II 1997, 98) die Rechtsauffassung zur Ausübung des Verzichts auf die Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 9 UStG bei einem gemischt genutzten Gebäude geändert. Nach der geänderten Rechtsprechung habe der Kläger —entgegen der früheren Rechtsauffassung— zwar auch nur in Bezug auf die Gewerbeflächen auf die Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 9 UStG verzichten können; die Berichtigungsvorschrift des § 15a UStG gehe aber insoweit vor.

Einspruch und Klage hatten keinen Erfolg. Das Finanzgericht (FG) vertrat unter Hinweis auf die Rechtsprechung des BFH (zuletzt Urteil vom V R 33/97, BFH/NV 2000, 1144) die Auffassung, eine Änderung der für die Vorsteuerberichtigung nach § 15a Abs. 1 bis 3 UStG „maßgebenden Verhältnisse„ liege auch dann vor, wenn bei tatsächlich gleichbleibenden Verwendungsumsätzen die rechtliche Beurteilung, die der Gewährung des Vorsteuerabzugs im Abzugsjahr zugrunde gelegen habe, sich in einem der Folgejahre als unzutreffend erweise und wenn die Steuerfestsetzung für das Abzugsjahr bestandskräftig und unabänderbar sei. Ohne Bedeutung sei insoweit, dass die bisherige BFH-Rechtsprechung zur Frage der Vorsteuerberichtigung noch unter der Prämisse gestanden habe, dass über den Vorsteuerabzug im sog. Abzugsjahr erst nach der tatsächlichen erstmaligen Verwendung des jeweiligen Wirtschaftsguts materiell abschließend zu entscheiden sei, während nach neuerer Rechtsprechung für den Vorsteuerabzug grundsätzlich die beabsichtigte Verwendung maßgebend sei (vgl. , Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung —HFR— 2001, 787). Die §§ 15 und 15a UStG seien insoweit ihrem Wortlaut nach (noch) nicht mit Art. 17 der Sechsten Richtlinie des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern 77/388/EWG (Richtlinie 77/388/EWG) und der hierzu ergangenen Rechtsprechung abgestimmt. Für die Beantwortung der Frage, welches die eine Vorsteuerberichtigung auslösenden „maßgebenden Verhältnisse„ sind, sei dies ohne Bedeutung.

§ 176 Abs. 1 Nr. 3 AO 1977 greife nicht ein, denn es fehle insoweit schon an einer Änderung der für die Entscheidung maßgeblichen Rechtsprechung.

Der Kläger begehrt die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 der FinanzgerichtsordnungFGO—). Er trägt vor, das FA habe lediglich die Vorsteuerabzugsberechtigung der I-GmbH bei unverändertem und dem FA bekanntem Sachverhalt rechtlich fehlerhaft beurteilt. Der Fehler sei im Abzugsjahr geschehen, aber erst im Jahr der Veräußerung entdeckt worden. Aus der vom FG zitierten Rechtsprechung des BFH ergebe sich nicht, dass das FA den eigenen Rechtsfehler erst im Jahr der Veräußerung korrigieren dürfe und nicht unter Beachtung der allgemeinen AO-Vorschriften bereits in einem davorliegenden (noch nicht bestandskräftigen) Veranlagungszeitraum korrigieren müsse. Auch unterscheide sich der vorliegende Fall von den Sachverhalten, die der Rechtsprechung zugrunde gelegen hätten; diese beträfen sämtlich Fälle mit rechtsmissbräuchlicher gewerblicher Zwischenvermietung, während im vorliegenden Fall kein Gestaltungsmissbrauch verwirklicht worden sei. Das FA hätte von Anfang an eine Vorsteuerkürzung auf den (bei richtiger Behandlung) steuerfreien Vermietungsumsatz vornehmen müssen.

II. Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO wegen grundsätzlicher Bedeutung liegen nicht vor.

1. Nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO ist die Revision zuzulassen, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat; das bedeutet, die für die Beurteilung des Streitfalles maßgebende Rechtsfrage muss das Interesse der Allgemeinheit an der einheitlichen Fortentwicklung und Handhabung des Rechts berühren.

Das ist nicht der Fall, wenn —wie hier— die Rechtsfrage schon durch den BFH geklärt ist und von einer erneuten Entscheidung keine weitere Klärung zu erwarten ist oder aber auch, wenn es lediglich um die Anwendung fester Rechtsgrundsätze auf einen bestimmten Sachverhalt geht (z.B. BFH-Beschlüsse vom VII B 112/73, BFHE 113, 409, BStBl II 1975, 196; vom I B 29/01, BFH/NV 2002, 1033).

Durch die Rechtsprechung ist bereits geklärt, dass das Recht des Unternehmers auf Vorsteuerabzug bereits im Zeitpunkt des Leistungsbezugs entsteht und sich nach der erklärten, objektiv belegten Verwendungsabsicht richtet. Das gilt auch für den Umfang des Rechts (§ 15 Abs. 2 UStG). Außer in Betrugs- oder Missbrauchsfällen kann dieses Recht nicht mehr rückwirkend aberkannt werden. Weicht die spätere tatsächliche Verwendung von der Absicht ab, kommt nur eine Vorsteuerberichtigung in Betracht (§ 15a UStG). Die Verwaltung wendet diese Rechtsprechung inzwischen an (vgl. , BStBl I 2003, 313).

Nichts anderes gilt nach der BFH-Rechtsprechung, auf die sich das FG bezogen hat (vgl. BFH-Urteil in BFH/NV 2000, 1144), in Fällen, in denen das FA die erklärte beabsichtigte Verwendung (oder —wie im Streitfall— zusätzlich auch die bereits begonnene tatsächliche Verwendung) für das Abzugsjahr rechtlich falsch beurteilt und diese Festsetzung für das Abzugsjahr (aus welchen Gründen auch immer) nicht geändert hat. Ist die Steuerfestsetzung für das Abzugsjahr —wie hier: für 1985, 1986— bestandskräftig und unabänderbar, kann allenfalls eine Vorsteuerberichtigung vorgenommen werden, wenn das FA die Verwendung des Wirtschaftsguts in einem Folgejahr dann richtig beurteilt und sich damit „geänderte Verwendungsverhältnisse„ gegenüber der Gewährung des Vorsteuerabzugs ergeben.

2. Von einer weiteren Begründung sieht der Senat gemäß § 116 Abs. 5 Satz 2 FGO ab.

Fundstelle(n):
BFH/NV 2004 S. 381
BFH/NV 2004 S. 381 Nr. 3
SAAAB-15382