Stiftungsgeschäft von Todes wegen
Leitsatz
1. Von Todes wegen errichtete Stiftungen des privaten Rechts sind im Falle ihrer Genehmigung auf Grund der in § 84 BGB angeordneten Rückwirkung bereits ab dem Zeitpunkt des Vermögensanfalls nach § 1 Abs. 1 Nr. 4 KStG subjektiv körperschaftsteuerpflichtig. Die in § 84 BGB angeordnete Rückwirkung wirkt sich allerdings auf § 5 Abs. 1 Nr. 9 KStG nicht aus.
2. Erfüllt eine Körperschaft die Voraussetzungen des § 62 AO 1977 und ist daher die gemeinnützigkeitskonforme Verwendung ihres Restvermögens sichergestellt, so ist es unschädlich, wenn in der Satzung eine Regelung zur Vermögensbindung enthalten ist, die die Vorgaben des § 61 AO 1977 nicht vollständig erfüllt.
Gesetze: AO 1977 § 55 Abs. 1 Nr. 4AO 1977 § 60 Abs. 2AO 1977 § 61 Abs. 1AO 1977 § 62BGB § 80 Satz 1BGB § 84BGB § 1923 Abs. 1Hessisches StiftG § 1Hessisches StiftG § 3 Abs. 1Hessisches StiftG § 10 Abs. 1 Satz 1KStG § 1 Abs. 1 Nr. 4KStG § 5 Abs. 1 Nr. 9
Instanzenzug: (EFG 2003, 569) (Verfahrensverlauf), ,
Gründe
I.
Streitig ist, ob die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) bereits im Jahr ihrer Genehmigung und Anerkennung als gemeinnützige Stiftung nach § 5 Abs. 1 Nr. 9 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) von der Körperschaftsteuer befreit war.
Die am verstorbene H errichtete durch Testament die unter dem Namen H-Stiftung auftretende Klägerin mit Sitz in Hessen. Die dem Testament angefügte Stiftungsverfassung erfüllte die Voraussetzungen des § 55 Abs. 1 Nr. 4 der Abgabenordnung (AO 1977) nicht, weil eine Bestimmung über die Vermögensverwendung bei Wegfall des gemeinnützigen Stiftungszwecks fehlte. Das Testament enthielt jedoch eine Regelung, wonach der Testamentsvollstrecker das Testament erfüllen und bei rechtlichen und insbesondere steuerlichen Bedenken die Stiftungsverfassung, soweit erforderlich, ändern sollte, um die notwendige Genehmigung für die zu errichtende Stiftung zu erlangen.
Die Klägerin beantragte am beim Beklagten und Revisionskläger (Finanzamt —FA—) ihre Anerkennung als gemeinnützige Körperschaft. Das FA forderte sie daraufhin auf, in die Stiftungsverfassung noch eine Regelung über den Vermögensanfall bei Wegfall des gemeinnützigen Stiftungszweckes aufzunehmen. Dem folgte die Klägerin mit Schreiben vom durch Vorlage einer geänderten Stiftungsverfassung. Die Genehmigung der Stiftung erfolgte durch Ausfertigung der Stiftungsurkunde am . Bis zur Genehmigung übte die Klägerin im Hinblick auf die Zweckverwirklichung keinerlei Tätigkeiten aus. Erträgnisse aus dem Vermögen wurden vom Testamentsvollstrecker zinsgünstig angelegt und nach der Genehmigung an die Klägerin ausgezahlt.
Basierend auf einer Mitteilung des zuständigen FA über die einheitliche und gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen betreffend die Erbengemeinschaft H für den Veranlagungszeitraum 1996 (Streitjahr) rechnete das FA der Klägerin Einkünfte in Höhe von 600 300 DM aus Vermietung und Verpachtung zu. Dagegen erhob die Klägerin nach erfolglosem Einspruchsverfahren Klage vor dem Finanzgericht (FG), welcher dieses stattgab. Das Urteil des FG ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2003, 569 abgedruckt.
Dagegen wehrt sich das FA mit seiner Revision, mit der es die Verletzung materiellen Rechts rügt und beantragt, das Urteil der Vorinstanz aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Dem ist die Klägerin entgegengetreten und beantragt, die Revision zurückzuweisen.
II.
Die Revision ist unbegründet und war daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung —FGO—). Die Klägerin war zwar im Streitjahr nach § 1 Abs. 1 Nr. 4 KStG unbeschränkt körperschaftsteuerpflichtig; sie war aber nach § 5 Abs. 1 Nr. 9 KStG von der Körperschaftsteuer befreit.
1. Das FG hat die subjektive Körperschaftsteuerpflicht der Klägerin nach § 1 Abs. 1 Nr. 4 KStG für die Zeit vor der Genehmigung zu Unrecht verneint. Nach dieser Vorschrift sind sonstige juristische Personen des privaten Rechts, die —wie unstreitig die Klägerin— ihre Geschäftsleitung oder ihren Sitz im Inland haben, unbeschränkt körperschaftsteuerpflichtig. Zu den in § 1 Abs. 1 Nr. 4 KStG genannten sonstigen juristischen Personen des privaten Rechts gehören nach allgemeiner Auffassung Stiftungen des privaten Rechts, denen die nach § 80 Satz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) —neben dem Stiftungsgeschäft— für ihre Entstehung erforderliche staatliche Genehmigung erteilt wurde. Ihre subjektive Körperschaftsteuerpflicht beginnt spätestens mit der Erlangung der Rechtsfähigkeit und damit im Zeitpunkt der staatlichen Genehmigung (Kalbfleisch in Ernst & Young, Körperschaftsteuergesetz, § 1 Rz. 121; Blümich/Rengers, Einkommensteuergesetz, Körperschaftsteuergesetz, Gewerbesteuergesetz, Kommentar, § 1 KStG Rz. 90 und 170, m.w.N.). Streitig ist allerdings der genaue Zeitpunkt des Beginns der Steuerpflicht. Diesbezüglich wird teilweise auf das Tätigwerden der Stiftungsorgane nach der Erteilung der Genehmigung (Hahn/ Schindler, Die Besteuerung der Stiftungen, 2. Aufl., S. 40), teilweise auf die wirtschaftliche Existenz der Stiftung in Form des vollzogenen Stiftungsgeschäfts und des Beginns der Tätigkeit der Stiftung abgestellt (Graffe in Dötsch/Eversberg/Jost/ Witt, Die Körperschaftsteuer, § 1 KStG Rz. 110; ähnlich Streck, Körperschaftsteuergesetz, 4. Aufl., § 1 Anm. 8), während auch vertreten wird, dass für den Beginn der Steuerpflicht die in § 84 BGB für Stiftungen von Todes wegen angeordnete zivilrechtliche Rückbeziehung beachtlich sei (Orth, Zeitschrift für Erbrecht und Vermögensnachfolge —ZEV— 1997, 327, 328; Pöllath in Seifart/von Campenhausen, Handbuch des Stiftungsrechts, 2. Aufl., § 41 Rz. 13).
Der Senat schließt sich der letztgenannten Meinung an. Nach § 84 BGB gilt eine Stiftung, die erst nach dem Tode des Stifters als rechtsfähig anerkannt wird, für die Zuwendungen des Stifters als schon vor dessen Tod entstanden. Die Vorschrift fingiert das Bestehen der juristischen Person „Stiftung„ schon vor dem Tod des Stifters, um der Stiftung im Hinblick auf § 1923 Abs. 1 BGB zu ermöglichen, als Erbe Vermögen vom Stifter im Erbgang zu erwerben. Danach ist die Stiftung hinsichtlich des Vermögensanfalls so zu behandeln, als habe sie im Todeszeitpunkt des Stifters bereits existiert, weil sie kraft der in § 84 BGB geregelten Fiktion mit der staatlichen Genehmigung rückwirkend zur Vollerbin wird (vgl. Reuter in Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, Bd. 1, 4. Aufl., § 84 BGB Rz. 3; Rawert in Staudinger, Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch mit Einführungsgesetz und Nebengesetzen, § 84 BGB Rz. 1 und 6). Anders als bei Kapitalgesellschaften, bei denen das Vermögen erst im Zeitpunkt der Anmeldung zur Eintragung vorliegen muss (vgl. etwa § 7 Abs. 2 und 3 des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung —GmbHG—), ist es bei Stiftungen von Todes wegen bereits seit dem Tod des Stifters vorhanden und bedarf entsprechend einer Zuordnung (Orth, ZEV 1997, 327, 328). Diese Zuordnung nimmt zivilrechtlich § 84 BGB vor, indem er im Falle der staatlichen Genehmigung der Stiftung rückwirkend den Vermögensanfall bei der Stiftung ermöglicht. Es ist nicht ersichtlich, warum diese Zuordnung für das Steuerrecht nicht gelten sollte. Da § 84 BGB hinsichtlich des Vermögensanfalls das Entstehen der juristischen Person „Stiftung„ auf die Zeit unmittelbar vor dem Tod des Stifters zurückbezieht, beginnt auch die subjektive Steuerpflicht der Stiftung in Fällen der Genehmigung rückwirkend in diesem Zeitpunkt.
2. Die Klägerin erfüllte im Streitjahr allerdings die Tatbestandsvoraussetzungen des § 5 Abs. 1 Nr. 9 KStG. Danach sind Körperschaften, Personenvereinigungen und Vermögensmassen, die nach der Satzung, dem Stiftungsgeschäft oder der sonstigen Verfassung und nach der tatsächlichen Geschäftsführung ausschließlich und unmittelbar gemeinnützigen, mildtätigen oder kirchlichen Zwecken i.S. der §§ 51 bis 68 AO 1977 dienen, von der Körperschaftsteuer befreit.
a) Allerdings wirkt sich die Rückwirkungsfiktion des § 84 BGB nicht auf die in § 5 Abs. 1 Nr. 9 KStG geregelte Steuerbefreiung aus (so aber Schauhoff, Handbuch der Gemeinnützigkeit, § 3 Rz. 39). Dagegen spricht bereits, dass § 84 BGB nur das Entstehen der juristischen Person „Stiftung„ vor dem Tode des Stifters fingiert. Eine Ausdehnung dieser Fiktion auf die in § 5 Abs. 1 Nr. 9 KStG angeordnete Steuerbefreiung kommt ohne eigenständige steuerrechtliche Anordnung der Rückwirkung nicht in Betracht.
b) Die Klägerin erfüllte im Streitjahr jedoch materiell die Voraussetzungen der §§ 51 ff. AO 1977. Ein insoweit vom FA allein gerügter Verstoß gegen die §§ 60 Abs. 2, 61 Abs. 1 AO 1977 liegt nicht vor. Es ist zwar richtig, dass § 61 Abs. 1 AO 1977 vorschreibt, dass eine steuerlich ausreichende Vermögensbindung (§ 55 Abs. 1 Nr. 4 AO 1977) nur dann vorliegt, wenn der Zweck, für den das Vermögen bei Auflösung oder Aufhebung der Körperschaft oder bei Wegfall ihres bisherigen Zweckes verwendet werden soll, in der Satzung so genau bestimmt wird, dass auf Grund der Satzung geprüft werden kann, ob der Verwendungszweck steuerbegünstigt ist. Auch ist es richtig, dass nach § 60 Abs. 2 AO 1977 die Satzung den vorgenannten Erfordernissen während des gesamten Veranlagungszeitraums entsprechen muss. § 62 AO 1977 sieht unter anderem für staatlich beaufsichtigte Stiftungen aber gerade eine Befreiung von der satzungsmäßigen Festlegung der Vermögensbindung vor.
aa) Gemäß § 62 AO 1977 muss die jeweilige Stiftung nach dem einschlägigen Landesrecht der staatlichen Aufsicht unterliegen (Fischer in Hübschmann/Hepp/Spitaler, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 10. Aufl., § 62 AO Rz. 2; Sauer in Beermann, Steuerliches Verfahrensrecht, § 62 AO Rz. 2). Die Klägerin unterliegt einer solchen Aufsicht nach §§ 1, 10 Abs. 1 Satz 1 des Hessischen Stiftungsgesetzes vom (Gesetz- und Verordnungsblatt I 1966, 77). § 3 Abs. 1 des Gesetzes stellt dabei klar, dass auch bereits die Erteilung der staatlichen Genehmigung in den Aufgabenbereich der Aufsichtsbehörde fällt, weshalb nicht eingewendet werden kann, die Aufsicht beginne erst mit der Genehmigung.
bb) Die in § 62 AO 1977 angeordnete Befreiung von der satzungsmäßigen Festlegung der Vermögensbindung beruht darauf, dass es dem Gesetzgeber bei den dort genannten Körperschaften gewährleistet erschien, dass das Restvermögen für steuerbegünstigte Zwecke verwendet wird, weil die staatlichen Aufsichtsbehörden andernfalls ihre Zustimmung zur Auflösung versagen würden (vgl. Fischer, a.a.O.; Klein/Gersch, Abgabenordnung, 7. Aufl., § 62 Rz. 2; Tipke in Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, Kommentierung zu § 62 AO —ohne Tz.—; Schauhoff, a.a.O., § 5 Rz. 102). Ist die gemeinnützigkeitsrechtskonforme Verwendung des Restvermögens auf diese Weise sichergestellt, so ist es unschädlich, wenn die Körperschaft —wie die Klägerin— dennoch eine satzungsmäßige Regelung zur Vermögensbindung trifft, die den Vorgaben des § 61 AO 1977 nicht vollständig entspricht (a.A. Schauhoff, a.a.O.; Buchna, Gemeinnützigkeit im Steuerrecht, 8. Aufl., S. 188). Eine solche unvollständige Regelung kann nach den in § 62 AO 1977 zum Ausdruck gekommenen Vorstellungen des Gesetzgebers, der insoweit die staatliche Aufsicht als ausreichend angesehen hat, nicht zu einer gemeinnützigkeitswidrigen Vermögensverwendung führen und kann daher der Klägerin auch nicht entgegengehalten werden.
3. Das FG hat zwar eine von den vorgenannten Ausführungen abweichende Rechtsauffassung vertreten, diese führt jedoch zu keinem anderen steuerlichen Ergebnis.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
BStBl 2005 II Seite 149
BB 2004 S. 202 Nr. 4
BB 2004 S. 368 Nr. 7
BFH/NV 2004 S. 245
BFH/NV 2004 S. 245 Nr. 2
BStBl II 2005 S. 149 Nr. 4
DB 2004 S. 288 Nr. 6
DStRE 2004 S. 229 Nr. 4
KÖSDI 2004 S. 14046 Nr. 2
QAAAB-14671