Festsetzungsfrist bei Steuerhinterziehung
Gesetze: AO § 169 Abs. 2
Instanzenzug:
Gründe
I. Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) ist Alleinerbin nach ihrer am verstorbenen Mutter. Die Klägerin gab in ihrer auf Aufforderung des Beklagten und Beschwerdegegners (Finanzamt —FA—) abgegebenen und beim FA am eingegangenen Erbschaftsteuererklärung u.a. den Bargeldbestand der Erblasserin mit 850 DM und die in einem Schließfach der Erblasserin vorgefundenen Werte mit 500 DM an. Durch Freistellungsbescheid vom stellte das FA den Erwerb der Klägerin steuerfrei.
Mit Schreiben vom teilte die Klägerin dem FA mit, dass sich in dem von der Erblasserin unterhaltenen Schließfach Bargeld in Höhe von ca. 400 000 DM befunden habe. Sie machte geltend, von der Steuerfreiheit des Erwerbs dieser Geldsumme ausgegangen zu sein. Durch gemäß § 173 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 der Abgabenordnung (AO 1977) geänderten Erbschaftsteuerbescheid vom setzte das FA gegen die Klägerin Erbschaftsteuer in Höhe von 27 867 DM fest. Auf den hiergegen erhobenen Einspruch setzte das FA die Erbschaftsteuer auf 27 615 DM herab und wies den Einspruch im Übrigen als unbegründet zurück.
Die Klage hatte keinen Erfolg. Das Finanzgericht (FG) vertrat die Auffassung, dass die Änderungsvoraussetzungen des § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO 1977 erfüllt seien. Festsetzungsverjährung sei unter Zugrundelegung der Festsetzungsfrist von zehn Jahren gemäß § 169 Abs. 2 Satz 2 AO 1977 nicht eingetreten, weil hinsichtlich der gegen die Klägerin festgesetzten Erbschaftsteuer der objektive und subjektive Tatbestand einer Steuerhinterziehung gemäß § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO 1977 gegeben sei.
Das FG hat die Revision nicht zugelassen. Mit ihrer hiergegen gerichteten Beschwerde macht die Klägerin geltend: Die Rechtssache habe grundsätzliche Bedeutung im Hinblick auf die Rechtsfrage, ob FA und FG unter Berücksichtigung rechtsstaatlicher Verbürgungen, des verfassungsrechtlichen Bestimmtheitsgebots und der Garantie des gesetzlichen Richters durch Art. 101 Abs. 1 Satz 2 des Grundgesetzes (GG) für die Feststellung des Straftatbestands der Steuerhinterziehung zuständig seien.
II. Die Beschwerde ist unzulässig. Sie genügt nicht den Anforderungen des § 116 Abs. 3 Satz 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO). Danach müssen in der Beschwerdebegründung die Voraussetzungen des § 115 Abs. 2 FGO dargelegt werden.
Zur Darlegung einer grundsätzlichen Bedeutung (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO) ist es erforderlich, dass die Beschwerdeschrift schlüssige, substantiierte und konkrete Angaben darüber enthält, aus welchen Gründen im Einzelnen die über die entscheidungserhebliche Rechtsfrage zu treffende Revisionsentscheidung das Interesse der Allgemeinheit an der einheitlichen Handhabung und Fortentwicklung des Rechts berührt (Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 5. Aufl., § 115 Rz. 23, m.w.N.). Liegt zu der Rechtsfrage bereits höchstrichterliche Rechtsprechung vor, so gehört zu der Darlegung der Klärungsbedürftigkeit u.a. eine fundierte Stellungnahme dazu, weshalb diese Rechtsprechung noch nicht zu einer hinreichenden Klärung geführt hat oder aufgrund welcher neuen Entwicklung sie nunmehr erneut in Frage gestellt werden muss (Gräber/Ruban, a.a.O., § 116 Rz. 33, m.w.N.). Diesen Anforderungen genügt die Nichtzulassungsbeschwerde nicht.
Der Beschwerdebegründung liegt die Auffassung der Klägerin zugrunde, das in § 169 Abs. 2 Satz 2 AO 1977 enthaltene Tatbestandsmerkmal der Steuerhinterziehung sei einer Feststellung durch Finanzverwaltung und Finanzgerichte entzogen und unterfalle der ausschließlichen Beurteilungskompetenz der Strafgerichte. Die Beschwerdebegründung enthält jedoch keine Auseinandersetzung mit der auf einem anderen Rechtsstandpunkt beruhenden Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH), nach der das in § 169 Abs. 2 Satz 2 AO 1977 enthaltene Tatbestandsmerkmal der Steuerhinterziehung von der Finanzverwaltung und den Finanzgerichten in eigener Zuständigkeit ausschließlich nach den Vorschriften der AO 1977 und der FGO und nicht nach den Vorschriften der Strafprozessordnung zu prüfen ist (, BFHE 127, 140, BStBl II 1979, 570; , BFHE 168, 405, BStBl II 1993, 36). Denn das Vorliegen einer Steuerhinterziehung betrifft nur eine strafrechtliche Vorfrage im Rahmen einer Entscheidung über die Rechtmäßigkeit eines Steuerbescheids. Die nachträgliche Festsetzung der hinterzogenen Steuern hat auch keinen Strafcharakter, sondern dient lediglich der Gleichmäßigkeit der Besteuerung (, BFH/NV 2002, 155). Da die Festsetzung der hinterzogenen Steuer keine strafrechtliche Sanktion ist, findet auch die von der Klägerin angeführte strafrechtliche Unschuldsvermutung keine Anwendung (, BFHE 165, 330, BStBl II 1992, 9).
Die Beschwerdebegründung enthält keine schlüssige und substantiierte Darlegung, aufgrund welcher neuen und gewichtigen, vom BFH bislang nicht geprüften Einwände in der Literatur und/oder in der Rechtsprechung der Instanzgerichte ein weiterer Klärungsbedarf bestehen soll. Zur Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung genügt auch nicht der Hinweis der Klägerin, dass die Revisionsentscheidung für eine Vielzahl von Fällen bedeutsam sei; denn daraus ergibt sich nicht, dass die Rechtsfrage inhaltlich klärungsbedürftig ist.
Fundstelle(n):
BFH/NV 2004 S. 463
BFH/NV 2004 S. 463 Nr. 4
NWB-Eilnachricht Nr. 6/2006 S. 403
KAAAB-14634