Bindung des FG an das Klagebegehren
Instanzenzug:
Gründe
I. Der Kläger und Beschwerdegegner (Kläger) betrieb in den Jahren 1997 und 1998 einen ...-Dienst und erzielte daraus Einkünfte aus Gewerbebetrieb. Zudem waren er und die Klägerin und Beschwerdegegnerin (Klägerin) nichtselbständig tätig. Der Beklagte und Beschwerdeführer (das Finanzamt —FA—) setzte zunächst die Einkommensteuer für die Jahre 1997 und 1998 erklärungsgemäß unter dem Vorbehalt der Nachprüfung fest. Später forderte das FA den Kläger auf, Nachweise über die als Betriebsausgaben geltend gemachten Aufwendungen für Fremdarbeiten einzureichen.
In den Einkommensteueränderungsbescheiden für die Jahre 1997 und 1998 vom berücksichtigte das FA die in den Steuererklärungen geltend gemachten Aufwendungen für Fremdarbeiten der Fa. C. in Höhe von ... DM (1997) bzw. ... DM (1998) sowie einem weiteren Unternehmen nicht und hob den Vorbehalt der Nachprüfung auf.
Mit der nach erfolglosem Vorverfahren erhobenen Klage wandte sich der Kläger gegen die Versagung des Betriebsausgabenabzugs in den Änderungsbescheiden und beantragte, die Einkommensteuerbescheide 1997 und 1998 vom in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom aufzuheben.
Das Finanzgericht (FG) erkannte, dass das FA dem Kläger den Betriebsausgabenabzug insoweit zu Recht verwehrt hat, als die geltend gemachten Aufwendungen die zweite Fremdfirma betrafen. Der Anspruch des Klägers auf Betriebsausgabenabzug hinsichtlich der Aufwendungen zugunsten der Fa. C. ergäbe sich hingegen aus dem Gesetz, da Zweifel des FA über die Existenz des Rechnungsstellers beseitigt werden konnten. Das FG änderte die Einkommensteuerbescheide vom in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom dahin gehend, dass die Einkommensteuer für die Jahre 1997 und 1998 unter Abzug weiterer Betriebsausgaben in Höhe von ... DM (1997) bzw. ... DM (1998) festgesetzt wird.
Mit Schriftsatz vom erhob das FA Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision, soweit die Entscheidung des FG die Einkommensteuer 1998 betrifft. Zur Begründung trug es vor, die Vorentscheidung beruhe auf einem Verfahrensmangel. Das FG habe den Klägern in dem angefochtenen Urteil hinsichtlich der Einkommensteuer 1998 mehr zugesprochen, als jene mit ihrer Klage begehrten. Das Klagebegehren werde durch den Klageantrag präzisiert und der Antrag der Kläger in der mündlichen Verhandlung sei auf die Aufhebung des Einkommensteuerbescheids für das Jahr 1998 vom in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom gerichtet gewesen.
II. Die Beschwerde ist begründet. Das FG hat gegen die Grundordnung des Verfahrens verstoßen, weil es abweichend vom klägerischen Begehren (Schriftsatz vom und Sitzungsniederschrift vom ) im Streitjahr 1998 zusätzliche Betriebsausgaben in Höhe von ... DM anerkannt hat.
Nach § 96 Abs. 1 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) ist das FG grundsätzlich an das vom Kläger verfolgte Klagebegehren gebunden. Nach diesem Grundsatz darf das Gericht in Anerkennung der privatautonomen Verfügungsfreiheit des Klägers über den Streitgegenstand nicht über das Klagebegehren, das regelmäßig im Klageantrag seinen formgerechten Ausdruck findet, hinausgehen. Es darf dabei dem Kläger nicht etwas zusprechen, das dieser nicht beantragt hat, und darüber hinaus auch nicht über etwas anderes (aliud) entscheiden, als der Kläger durch seinen Antrag (einschließlich seiner eigenen Interpretation dieses Antrags) begehrt und zur Entscheidung gestellt hat. Der Kläger muss sein Klagebegehren so deutlich zum Ausdruck gebracht haben, dass das Ziel seiner Klage ausreichend erkennbar wird. Ist dies nicht geschehen, so hat das Gericht das Klagebegehren anhand der vom Kläger gegebenen Begründung der Klage auszulegen und im Zweifel den Kläger zur Klarstellung aufzufordern (§ 76 Abs. 2 FGO). Ist der Antrag indessen schon dem Wortlaut nach eindeutig gestellt und wird dieser Wortlaut durch die Ausführungen des Klägers im Übrigen gestützt, so ist für eine Auslegung des Klageantrags durch das Gericht kein Raum mehr. Geschieht dies dennoch und entscheidet das Gericht über den von ihm entgegen dem Wortlaut ausgelegten Antrag, entscheidet es über ein „aliud„ und verstößt damit gegen die Grundordnung des Verfahrens (, BFH/NV 1995, 697; Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 16. Aufl., § 115 FGO Rz. 101, m.w.N.).
So liegt es im Streitfall. Die Kläger haben beantragt, den Einkommensteuerbescheid 1998 vom in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom aufzuheben. Hätte das Gericht diesem Antrag entsprochen, hätte der ursprüngliche Einkommensteuerbescheid vom wieder Geltung erlangt, in dem die Einkünfte aus Gewerbebetrieb erklärungsgemäß unter Berücksichtigung von Aufwendungen für die Fremdfirma C. in Höhe von ... DM ermittelt wurden. Für die vom FG vorgenommene Deutung des Klageantrags, die Kläger begehrten für das Streitjahr 1998 die Anerkennung von Aufwendungen an die Fa. C. in Höhe von ... DM als Betriebsausgaben, gibt weder dessen Wortlaut noch die im Anschluss an den Antrag gegebene Begründung etwas her. Im Gegenteil: In der Klageschrift vom haben die Kläger nicht nur den Antrag gestellt, den Einkommensteuerbescheid für das Jahr 1998 aufzuheben. Sie haben zudem beantragt, die Steuerfestsetzung für dieses Jahr anhand der eingereichten Erklärung vorzunehmen. Im Schriftsatz vom forderten sie „Wiedereinsetzung in den vorigen Stand„ gemäß dem Einkommensteuerbescheid für 1998, welcher vor dem ergangen ist. Eine weitere Begründung der Anträge erfolgte weder schriftsätzlich noch —ausweislich der Sitzungsniederschrift— in der mündlichen Verhandlung vom . Bei dieser Sachlage bestand für das FG kein Anlass, das Klagebegehren auf einen derart weiten, von den Klägern nicht gewollten Umfang auszudehnen.
Unter den gegebenen Umständen konnte das angefochtene Urteil keinen Bestand haben. Der Senat hält es für angezeigt, nach § 116 Abs. 6 FGO zu verfahren, das angefochtene Urteil aufzuheben, soweit es die Einkommensteuer 1998 betrifft, und den Rechtsstreit zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückzuverweisen.
Für das weitere Verfahren weist der Senat —ohne die Bindungswirkung des § 126 Abs. 5 FGO— auf Folgendes hin: Streitig war im finanzgerichtlichen Verfahren, ob die Aufwendungen für die Fa. C. als Betriebsausgaben anerkannt werden können. Nachdem im gerichtlichen Verfahren die ursprünglichen Zweifel des FA an der Existenz des Rechnungsstellers ausgeräumt werden konnten, war die vom FA weiter aufgeworfene Frage, ob die den Rechnungen der Fa. C. zugrunde liegenden Leistungen auch tatsächlich ausgeführt wurden, entscheidungserheblich. Diese Frage durfte das FG bei der Anerkennung der Aufwendungen als Betriebsausgaben nicht offen lassen und das FA auf die Möglichkeit der Klärung dieser Frage durch eine Außenprüfung verweisen.
Von einer weiteren Begründung sieht der Senat gemäß § 116 Abs. 5 Satz 2 Halbsatz 2 FGO ab.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
BFH/NV 2004 S. 362
BFH/NV 2004 S. 362 Nr. 3
GAAAB-14631