Verfestigung eines Zuckerrübenlieferrechts zum immateriellen WG
Leitsatz
Ein vor dem entstandenes, nicht an Aktien gebundenes Zuckerrübenlieferrecht hatte sich vor diesem Stichtag nur dann als immaterielles Wirtschaftsgut verfestigt, wenn sich für solche Rechte bereits ein Markt gebildet hatte. Sofern das der Fall ist, kommt der Abzug eines anteiligen Buchwerts bei der Ermittlung des Veräußerungsgewinns nicht in Betracht.
Gesetze: EStG §§ 13, 14, 16, 55 Abs. 1 bis 6
Instanzenzug: (EFG 2002, 1607) (Verfahrensverlauf),
Gründe
Das Verfahren befindet sich im zweiten Rechtsgang.
Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) veräußerte mit Wirkung zum seinen landwirtschaftlichen Betrieb (rd. 63,5 ha). Der Kaufpreis in Höhe von 4 261 000 DM —später pauschal um 85 000 DM vermindert— entfiel u.a. auf den Grund und Boden sowie in Höhe von 30 400 DM auf 152 Aktien an der Zucker AG .... Nach § 7 des Vertrages gingen das „Zuckerrübenkontingent„ (13 917 dt A- und B-Rüben, davon 10 124 dt A-Rüben) sowie die Rübenlieferrechte einschließlich der Lieferrechte aus den mitübertragenen 152 Aktien (4 dt pro Aktie) mit auf den Erwerber über.
Der Kläger erklärte einen Veräußerungsgewinn von 346 592 DM, darin enthalten u.a. ein Gewinn aus der Veräußerung der Aktien von 23 912 DM, ferner ein Verlust von 61 608 DM aus der Veräußerung einer nach dem erworbenen Grundstücksfläche sowie ein nach Ansicht der Beteiligten nicht abziehbarer weiterer Verlust aus der Veräußerung von Grund und Boden (§ 55 Abs. 6 des Einkommensteuergesetzes —EStG—).
Nach einer Außenprüfung gelangte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt —FA—) zu der Auffassung, in dem Gesamtkaufpreis sei auch ein Entgelt für die nicht an Aktien gebundenen Zuckerrübenlieferrechte enthalten, und teilte den Kaufpreis nach dem Verhältnis der Teilwerte des Grund und Bodens (5,30 DM/qm) und der Lieferrechte auf. Den Teilwert der Lieferrechte (9 080 dt A-Rüben und 118 dt B-Rüben) setzte das FA —ausgehend von einer Deckungsbeitragsdifferenz von 2 488 DM/ha, die sich Veräußerer und Erwerber hälftig geteilt hätten— unter Annahme einer immerwährenden Nutzung mit dem Achtzehnfachen des Jahreswerts (§ 13 des Bewertungsgesetzes in der damals geltenden Fassung —BewG a.F.—), also mit insgesamt 22 392 DM pro Hektar an. Unter Berücksichtigung des nachhaltigen Zuckerrübenbauanteils von 24,92 % der bewirtschafteten Fläche ergab sich mithin ein Teilwert von 354 368 DM und ein Kaufpreisanteil von 370 861 DM für die Rübenlieferrechte. Nach Abzug der Veräußerungskosten betrug der Veräußerungsgewinn insoweit 359 566 DM. Den auf die Veräußerung der Aktien entfallenden Veräußerungsgewinn änderte das FA nicht.
Die Klage hatte im ersten Rechtsgang teilweise Erfolg. Das Finanzgericht (FG) entschied (Entscheidungen der Finanzgerichte —EFG— 1998, 823), das Rübenlieferrecht sei ein selbständiges immaterielles Wirtschaftsgut. Ein Buchwert sei, da es sich um ein selbstgeschaffenes Wirtschaftsgut handele, nicht anzusetzen. Das FA habe aber den auf die Rübenlieferrechte entfallenden Kaufpreisanteil zu hoch angesetzt.
Der erkennende Senat gab der seinerzeitigen Revision der Kläger durch Urteil vom IV R 33/98 (BFHE 189, 132, BStBl II 2003, 58) statt und wies die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurück. Er schloss dabei nicht aus, dass dem auf das Zuckerrübenlieferrecht entfallenden Kaufpreisanteil ein anteiliger Buchwert gegenüberzustellen sei. Unter Bezugnahme auf seine Urteile vom IV R 23/96 (BFHE 185, 435, BStBl II 2003, 56) und IV R 8/95 (BFHE 185, 434, BStBl II 2003, 54) zum Einfluss der —erst im Jahr 1984 geschaffenen— Milchreferenzmenge auf den Wert des Grund und Bodens führte er u.a. aus: Hinsichtlich des Rübenlieferrechts könne eine verdeckte Regelungslücke nur bejaht werden, wenn sich der Wert der Anbauflächen für Zuckerrüben nach Einführung der Pauschalwerte für den Grund und Boden (nach § 55 Abs. 1 EStG) infolge der Quotenregelung nachhaltig vermindert habe. Zwar seien die Zuckerrübenlieferrechte bereits mit Einführung der Quotenregelung im Jahre 1968 entstanden (s. ländereinheitlichen Erlass des Niedersächsischen Finanzministeriums vom S 2230-156-31 1, Einkommensteuer-Kartei —LuF— Niedersachsen § 13 EStG Nr. 1.27), doch sei streitig, ob sich die Zuckerrübenlieferrechte bereits am zu einem selbständigen immateriellen Wirtschaftsgut verfestigt gehabt hätten (so Wesche, HLBS Report 1998, 15; a.A. Grages, Die Lieferrechte der Zuckerrübenanbauer, 1989, S. 213 f., m.w.N.). Das habe das FG festzustellen; ebenso müsse es auch den Teilwert des Zuckerrübenlieferrechts neu bestimmen. Die Neufassung des § 55 EStG durch das Steuerentlastungsgesetz vom (Art. 1 Nr. 56 und 57, BGBl I 1999, 402 ff., BStBl I 1999, 304 ff.) stelle klar, dass der zum einzustellende Pauschalwert i.S. von § 55 Abs. 1 EStG sich nur auf das damals existierende Wirtschaftsgut „Grund und Boden„ beziehe. Das Absetzen eines anteiligen Buchwerts für ein Zuckerrübenlieferrecht setze nicht voraus, dass der Teilwert des Grund und Bodens tatsächlich unter den Pauschalwert vom gesunken sei. Allein entscheidend sei vielmehr, ob im Pauschalwert die durch die Möglichkeit der Lieferrechte gesteigerte Ertragsfähigkeit des Grund und Bodens mitbewertet worden sei und sich aufwandsmäßig durch die Veräußerung des zum selbständigen Wirtschaftsgut erstarkten Lieferrechts verbrauche.
Das FG gab der Klage im zweiten Rechtszug wiederum nur zum Teil statt. Es entschied, dass dem in Höhe von 156 403 DM ermittelten Veräußerungspreis für die Rübenlieferrechte kein Buchwert gegenzurechnen sei. Anders als die Milchreferenzmenge habe sich das Rübenlieferrecht bereits vor dem als immaterielles Wirtschaftsgut so weit verfestigt, dass es der Gesetzgeber bei der Bildung des Pauschalwerts für den Grund und Boden habe berücksichtigen können. Ein Wertverfall der Anbauflächen sei bereits vor dem und nicht erst danach eingetreten (Urteil in EFG 2002, 1607).
Mit der vom FG zugelassenen Revision rügen die Kläger die Verletzung des materiellen und formellen Rechts.
Sie beantragen, das angefochtene Urteil und den Einkommensteuerbescheid 1989 aufzuheben.
Das FA beantragt, die Revision als unzulässig zu verwerfen, hilfsweise als unbegründet zurückzuweisen.
Die Revision ist zulässig und begründet.
I.
Entgegen der Ansicht des FA ist die Revision zulässig. Die Kläger greifen mit der Revision auch die Würdigung der Zeugenaussage durch das FG und dessen Schlussfolgerungen an. Die Beweiswürdigung durch das FG ist zwar der Nachprüfung im Revisionsverfahren grundsätzlich entzogen; sie ist nur revisibel, soweit Verstöße gegen Denkgesetze, allgemeine Erfahrungssätze oder die Verfahrensordnung vorliegen. Die Kläger bringen jedoch zudem vor, dass das FG die von dem Urteil des erkennenden Senats im ersten Rechtszug ausgehende Bindungswirkung (§ 126 Abs. 5 der Finanzgerichtsordnung —FGO—) nicht beachtet habe. Sie rügen ausdrücklich, dass es nach diesem Urteil auf die Feststellung ankomme, ob sich die Rübenlieferrechte im Bewusstsein der beteiligten Wirtschaftskreise bereits am zu einem selbständigen immateriellen Wirtschaftsgut verfestigt gehabt hätten. Damit aber haben die Kläger die Verletzung materiellen Rechts (§§ 14, 16 EStG) gerügt.
II.
Die Revision ist auch begründet. Das angefochtene Urteil ist aufzuheben und die Sache (erneut) an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 FGO). Das FG hat in seiner Entscheidung nicht die dem Senatsurteil in BFHE 189, 132, BStBl II 2003, 58 zugrunde liegende rechtliche Beurteilung beachtet.
1. Das FG wird der Bindungswirkung des Urteils in BFHE 189, 132, BStBl II 2003, 58 nach § 126 Abs. 5 FGO nicht gerecht. Der erkennende Senat hatte das zunächst ergangene Urteil der Vorinstanz zur Vermeidung einer vom Gesetzgeber nicht beabsichtigten steuerlichen Mehrbelastung (vgl. Senatsurteile in BFHE 185, 435, BStBl II 2003, 56, und in BFHE 185, 434, BStBl II 2003, 54) aufgehoben, weil sich das bereits im Jahr 1968 entstandene Zuckerrübenlieferrecht möglicherweise erst nach dem zu einem selbständigen immateriellen Wirtschaftsgut verfestigt hatte.
Das FG missversteht dieses Abgrenzungskriterium, wenn es die Auffassung vertritt, das Zuckerrübenlieferrecht sei als solches bereits vor dem „als immaterielles Wirtschaftsgut entstanden„, ohne dass es darauf ankäme, ob sich bereits ein Markt für die Lieferrechte gebildet hatte. Dabei geht es davon aus, durch die Einführung der Zuckerrübenquoten im Jahr 1968 sei ein Wertverlust am Grund und Boden eingetreten, weil ein Erwerber —wie im Fall der Milchreferenzmenge— nicht bereit gewesen sei, für den Grund und Boden denselben Preis wie früher und außerdem noch ein Entgelt für das Rübenlieferrecht zu zahlen. Für diese rein theoretischen Überlegungen des FG fehlen jedoch nachvollziehbare Feststellungen über etwa in den Jahren 1968 bis 1970 gezahlte Preise für Rübenlieferrechte einerseits sowie den „nackten Grund und Boden„ andererseits. Zu Unrecht hat das FG es für unerheblich erachtet, ob sich der von ihm angenommene Wertverlust sofort in den Preisen für Rübenland niedergeschlagen habe.
2. Feststellungen zu der Preisentwicklung von Zuckerrübenlieferrechten sowie von rübenfähigen Flächen ohne solche Lieferrechte in der Zeit vor und nach Einführung der Zuckerquoten waren auch nicht deshalb entbehrlich, weil die Vorinstanz sich im zweiten Rechtsgang auf eine offenbar in der mündlichen Verhandlung überreichte Auskunft des Bundesministeriums für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft vom bezogen hat. Danach sollen sich die Zuckerrübenlieferrechte bereits mit der Einführung der Quotenregelung im Jahr 1968 zu einem selbständigen Wirtschaftsgut entwickelt und einen beträchtlichen Wert gehabt haben; die Möglichkeit, den Grund und Boden zum Anbau von Zuckerrüben zu nutzen, habe daher keinen Einfluss auf den Pauschalwert des Grund und Bodens zum gehabt. Diese Auskunft enthält aber weder verwertbare Feststellungen dazu, ob die —nicht an Aktien gebundenen— Rübenlieferrechte zum Stichtag tatsächlich schon einen Marktwert gehabt haben, noch warum sie für den einzelnen Betrieb einen beträchtlichen Wert gehabt haben sollen.
Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der Aussage des Zeugen A. Dieser hat vielmehr bekundet, dass die Rübenquoten Anfang der 70er Jahre in Niedersachsen keine Rolle spielten. Zudem hat er gerade nicht bestätigt, dass die —nicht an die Aktien der Zucker AG…gebundenen— Rübenlieferrechte schon vor dem Gegenstand von Vereinbarungen gewesen seien. Es wäre demnach darauf angekommen festzustellen, ob der Kläger aufgrund der vertraglichen Beziehungen mit der von ihm belieferten Zuckerfabrik bereits vor dem —außer dem an Aktien gebundenen Lieferrecht— noch ein übertragbares und am Markt selbständig bewertetes Wirtschaftsgut besaß. Denn nur dann konnte die durch die Zuckermarktordnung —ZMO— (Verordnung Nr. 1009/67/EWG des Rates vom über die gemeinsame Marktordnung für Zucker, ABl Nr. B 308 vom , 1) auf die Zuckerfabriken entfallende Zuckerquote sich zu einem selbständigen Zuckerrübenlieferrecht des Klägers verfestigt haben.
Auch besagt der Umstand, dass der Weltmarktpreis für Zucker unmittelbar vor dem unter dem EG-Garantiepreis für Zucker lag, allein noch nicht, dass die Lieferbeziehungen des Klägers zu der Zucker AG… sich für ihn zu einem selbständig bewertbaren Lieferrecht verfestigt haben mussten, das nicht bereits als wirtschaftlicher Vorteil in der Rübenfähigkeit der Ackerflächen mitbewertet war (v.Schönberg, 51. Godesberger Steuerfachtung, 2000, 25 ff., 40 f.; ders. Deutsche Steuer-Zeitung 2001, 145 ff., 152 ff.).
3. Das FG wird daher Feststellungen dazu, ob die Rübenlieferrechte des Klägers sich bereits vor dem zu selbständigen Wirtschaftsgütern verfestigt hatten, durch Einholung eines Gutachtens eines unabhängigen Sachverständigen nachholen müssen. Von Bedeutung wird dabei —abgesehen von den vor dem Stichtag geltenden Bestimmungen der Zucker AG ...— sein, ob die Vertragspraxis, z.B. bei der Veräußerung von ganzen Betrieben vor dem , die möglichen Lieferrechte bereits als selbständige Rechte bewertet hatte. Sollte das der Fall sein, kommt der Abzug eines anteiligen Buchwerts bei der Ermittlung des Veräußerungsgewinns nicht in Betracht.
Lässt sich zum die selbständige Bewertbarkeit der Lieferrechte dagegen nicht feststellen, kommt es für die Ermittlung des vom Pauschalwert des Grund und Bodens abzuspaltenden anteiligen Buchwerts der Rübenlieferrechte darauf an, in welchem Verhältnis die Teilwerte dieser Lieferrechte zum Zeitpunkt ihrer Verfestigung am Markt zu den Teilwerten für die rübenfähigen Flächen stehen, die bereits am zum Betriebsvermögen des Klägers gehört hatten.
Sollten sich Marktpreise für die hier strittigen Lieferrechte in der Zeit vor oder nach dem feststellen lassen, dann wären diese Preise auch für die Frage von Bedeutung, in welcher Weise der einheitlich für Grund und Boden sowie das Zuckerrübenkontingent von 13 917 dt (davon 10 124 dt A-Rüben) erzielte Kaufpreis zur Ermittlung des anteiligen, auf die Rübenlieferrechte entfallenden Veräußerungsgewinns nach dem Verhältnis der Teilwerte des Grund und Bodens einerseits und der „Betriebslieferrechte„ andererseits aufzuteilen ist.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Verwaltungsanweisungen:
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
BStBl 2010 II Seite 184
BB 2004 S. 147 Nr. 3
BFH/NV 2004 S. 258
BFH/NV 2004 S. 258 Nr. 2
BStBl II 2010 S. 184 Nr. 3
DB 2004 S. 117 Nr. 3
DB 2005 S. 10 Nr. 34
DStRE 2004 S. 247 Nr. 5
FR 2004 S. 170 Nr. 3
INF 2004 S. 244 Nr. 7
KÖSDI 2004 S. 14048 Nr. 2
StB 2004 S. 42 Nr. 2
FAAAB-14627