Unternehmerbescheinigung i. S. des § 61 Abs. 3 UStDV als Voraussetzung für Vergütung von Vorsteuern
Leitsatz
Die Würdigung durch das FG, eine Unternehmerbescheinigung i.S. des § 61 Abs. 3 UStDV sei nicht als Nachweis über die Ansässigkeit als Steuerpflichtiger anzusehen, wenn die ausstellende Behörde des betreffenden Mitgliedstaates nachträglich mitteilt, die bezeichnete Person sei in der Vergangenheit zu Unrecht als Steuerpflichtige beurteilt worden, bindet grundsätzlich das Revisionsgericht.
Gesetze: UStG 1991/1993 § 18 Abs. 9UStDV 1991/1993 § 61 Abs. 3Richtlinie 77/388/EWG Art. 4 Abs. 4 2. Unterabs.
Instanzenzug: (EFG 2002, 233) (Verfahrensverlauf),
Gründe
I.
Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung niederländischen Rechts (BV). Unternehmensgegenstand in den Streitjahren 1992 bis 1994 waren der Im- und Export sowie der Großhandel mit elektronischen Geräten.
Die Klägerin gehörte zum Konzern der L, Großbritannien, die wiederum eine Tochtergesellschaft der L, USA, war. Die Geschäfte der Klägerin leiteten B, USA, sowie F und M, Großbritannien, die ihre Tätigkeit als Geschäftsführer der Klägerin nebenberuflich in den USA bzw. in Großbritannien ausübten. Im Wesentlichen erfolgte die Geschäftstätigkeit der Klägerin (Vertragsabschlüsse, Auslieferungen, Erteilung von Rechnungen usw.) von Großbritannien aus. Eigene Arbeitnehmer beschäftigte sie nicht. Ihr Telefonanschluss war auf die Treuhandgesellschaft T angemeldet.
Die Klägerin vertrieb im eigenen Namen und für eigene Rechnung von den Niederlanden für die Konzernobergesellschaft Prüfgeräte für die Computer-Industrie. Diese wurden zu Transportzwecken zerlegt und beim Abnehmer vor Ort wieder zusammengebaut. Sie lieferte sie auch nach Deutschland und erbrachte auch Gewährleistungen, Beratungs- und Trainingsleistungen und andere Dienstleistungen. Mit der Durchführung dieser Arbeiten beauftragte die Klägerin die L, Deutschland, die auch Wartungsleistungen ausführte. Die L, Deutschland, berechnete der Klägerin dafür vereinbarungsgemäß Vergütungen zuzüglich Umsatzsteuer.
Mit Anträgen vom , vom und vom beantragte die Klägerin die Vergütung von Vorsteuerbeträgen für die ihr in Rechnung gestellten Verkaufs-, Service- und Trainingsleistungen der L, Deutschland, für die Streitjahre 1992 bis 1994.
Dem Antrag für das Streitjahr 1993 war eine dem Muster in Anhang B der Achten Richtlinie 79/1072/EWG des Rates vom zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern - Verfahren zur Erstattung der Mehrwertsteuer an nicht im Inland ansässige Steuerpflichtige —Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften (ABlEG) 1979 Nr. L 331, 11— (im Folgenden: Achte Richtlinie 79/1072/EWG) entsprechende Bescheinigung vom beigefügt, die der niederländische „Belastingdienst, Grote Ondernemingen Rotterdam„ für die Klägerin ausgestellt hatte.
Mit Bescheiden vom und vom lehnte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Bundesamt für Finanzen —BfF—) die Vergütungsanträge ab, weil die Klägerin kein Unternehmer i.S. des § 2 des Umsatzsteuergesetzes (UStG 1991/1993) sei und die Geschäfte nicht von den Niederlanden aus geleitet worden seien.
Nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhob die Klägerin Klage. Während des Klageverfahrens erhielt das BfF von der niederländischen Finanzbehörde „Belastingdienst/Fiod/Informatie/Haarlem„ auf Anfrage mit Schreiben vom die Auskunft, die Klägerin sei in der Vergangenheit zu Unrecht als Mehrwertsteuerpflichtige angesehen worden, was mittlerweile berichtigt worden sei. Sie sei von Großbritannien aus tätig; auch ihr Betrieb werde von dort aus geführt.
Die britische Finanzbehörde „Inland Revenue, (Frau) J„ teilte mit Schreiben vom mit:
„L„ (Klägerin) „does not carry out economic activity independently in the UK. The VAT No. GB...relates to L Ltd. Großbritannien: VAT is not the responsability of Inland Revenue. It is administered by Custom & Excise...You can make a separate request to Custom & Excise but since the VAT No Quoted refers to L Ltd. it is unlikely L is a taxable person for the purpose of VAT in the UK...„.
Die Klägerin reichte zusätzlich eine Bescheinigung des britischen „... Custom & Excise VAT Office„ (C & E) vom ein, die für die L, Großbritannien, ausgestellt ist und dem Muster nach Anhang B zur Achten Richtlinie 79/1072/EWG entspricht.
Darüber hinaus bezog sie sich auf eine weitere Erklärung der britischen Finanzbehörde C & E vom . In deren deutscher Übersetzung ist u.a. ausgeführt, dass die Klägerin sowohl berechtigt als auch dafür angemeldet sei, britische Umsatzsteuer „nach den Regeln für Konzerne„ abzuführen. Danach werde ein Konzernmitglied als Repräsentant ausgewählt, der für die Erstellung von Steuererklärungen und für die Abführung der Umsatzsteuer im Namen der anderen Mitglieder zuständig sei. Derzeit gewählter Repräsentant sei seit dem L, Großbritannien; L sei daher die ernannte Nutznießerin für Vorteile aus der Anmeldung. Die Klägerin sei als eine „Division„ anzusehen. Die Klägerin sei seit dem Konzernmitglied. Daher seien alle von ihr durchgeführten Transaktionen seit dem als in Großbritannien steuerbar anzusehen. Zwar sei die Klägerin in den Niederlanden ansässig; ihr Direktor sei aber in Großbritannien wohnhaft. Außerdem stelle sie in Großbritannien Güter her und unterliege der administrativen Kontrolle der L, Großbritannien. Jede niederländische Vorsteuer sollte zurückverlangt werden, weil die Aktivitäten der Klägerin als in Großbritannien durchgeführt gälten. Zusammenfassend sei festzuhalten, dass —im Gegensatz zu den Behauptungen J's vom Inland Revenue— die Klägerin berechtigt sei, die o.g. britische Umsatzsteuernummer zu verwenden. J habe höchstwahrscheinlich keinen tiefen Einblick in die Regelungen der Konzernbehandlung.
Das Finanzgericht (FG) wies die Klage mit in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2002, 233 veröffentlichtem Urteil ab. In der Urteilsbegründung führte es im Wesentlichen aus, es könne dahinstehen, ob die Klägerin Unternehmer i.S. des § 2 UStG 1991/1993 sei. Denn sie habe jedenfalls nicht durch eine Unternehmerbescheinigung des Ansässigkeitsstaates nachgewiesen, dass sie als Unternehmer unter einer Steuernummer eingetragen sei. Weder für Großbritannien noch für die Niederlande liege eine solche Bescheinigung vor. Aus diesem Grunde brauche das FG auch nicht auf die Frage einzugehen, ob die Klägerin in den Niederlanden oder in Großbritannien ansässig sei.
Mit der vom FG zugelassenen Revision rügt die Klägerin Verletzung materiellen Rechts.
Sie trägt u.a. vor, der niederländische Belastingdienst bringe mit seinem Schreiben vom lediglich zum Ausdruck, dass er die Rechtsauffassung des BfF teile. Daraus sei nicht zu schließen, dass die niederländische Finanzverwaltung die Angaben in der Unternehmerbescheinigung revidiert habe. An ihrer Unternehmereigenschaft bestehe kein Zweifel, weil sie im eigenen Namen Umsatzgeschäfte abgeschlossen habe.
Die Klägerin beantragt, das Urteil des FG aufzuheben und die beantragte Vorsteuervergütung wie folgt festzusetzen:
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Juli 1992 bis
Dezember 1992 |
286 250,17 DM |
Januar 1993 bis
April 1993 |
170 641,44 DM |
Juli 1993 bis
Dezember 1993 |
11 611,21 DM |
Januar
1994 bis April 1994 |
70 309,72 DM |
Juni 1994 bis
Dezember 1994 |
15 793,42 DM |
Das BfF ist der Revision entgegengetreten.
II.
Die Revision ist unbegründet. Die Vorentscheidung hält den Angriffen der Revision stand.
1. Nach § 18 Abs. 9 UStG 1991/1993 kann das Bundesministerium der Finanzen zur Vereinfachung des Besteuerungsverfahrens mit Zustimmung des Bundesrates durch Rechtsverordnung die Vergütung der Vorsteuerbeträge (§ 15) an nicht im Ausland ansässige Unternehmer, abweichend von § 16 und von § 18 Abs. 1 bis 4 UStG 1991/1993, in einem besonderen Verfahren regeln. Von dieser Ermächtigung hat der Verordnungsgeber in §§ 59 ff. der Umsatzsteuer-Durchführungsverordnung (UStDV) 1991/1993 Gebrauch gemacht.
Das in § 18 Abs. 9 UStG 1991/1993 i.V.m. §§ 59 ff. UStDV 1991/1993 geregelte Vorsteuervergütungsverfahren beruht auf der gemeinschaftsrechtlichen Vorgabe des Art. 17 Abs. 4 der Sechsten Richtlinie des Rates vom zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuer - Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage (ABlEG Nr. L 145, 1; im Folgenden: Richtlinie 77/388/EWG). Danach erfolgen Mehrwertsteuererstattungen bei im Gemeinschaftsgebiet ansässigen Unternehmern nach der Achten Richtlinie des Rates 79/1072/EWG.
Mit dem Verfahren zur Vorsteuervergütung für im Gemeinschaftsgebiet ansässige Steuerpflichtige nach § 18 Abs. 9 UStG 1991/1993 i.V.m. §§ 59 ff. UStDV 1991/1993 hat der Gesetz- bzw. Verordnungsgeber Art. 17 Abs. 4 der Richtlinie 77/388/EWG i.V.m. der Achten Richtlinie 79/1072/EWG umgesetzt.
§ 61 Abs. 3 UStDV 1991/1993 bestimmt:
„Der Unternehmer muss der zuständigen Finanzbehörde durch behördliche Bescheinigung des Staates, in dem er ansässig ist, nachweisen, dass er als Unternehmer unter einer Steuernummer eingetragen ist.„
a) Dem genügt die von der Klägerin vorgelegte Bescheinigung des britischen „... Custom & Excise VAT Office„ nicht; sie ist für L, Großbritannien, und nicht für die Klägerin ausgestellt. Hieran ändert auch die Bescheinigung dieser Behörde nichts, die Klägerin sei berechtigt, die britische Umsatzsteuernummer der L, Großbritannien, zu verwenden.
b) Die Würdigung des FG, die Klägerin habe auch mit der niederländischen Bescheinigung nicht den nach § 61 Abs. 3 UStDV 1991/1993 erforderlichen Nachweis erbracht, ist nicht zu beanstanden.
Mit seiner Anfrage an die niederländische Finanzbehörde hat das BfF von seiner Befugnis Gebrauch gemacht, sich an die Behörde des Mitgliedstaats zu wenden, die die Bescheinigung ausgestellt hat, um Informationen einzuholen (vgl. zu diesem Vorgehen die Schlussanträge des Generalanwalts Antonio Saggio vom Rs. C-136/99 —Société Monte Dei Paschi Di Siena—, Slg. 2000, I-6111 Randnr. 13).
Wegen der Auskunft der niederländischen Finanzbehörde vom , nach der die Klägerin in der Vergangenheit zu Unrecht als Mehrwertsteuerpflichtige angesehen worden sei, hat das FG die Bescheinigung des niederländischen Belastingdienstes vom nicht mehr als Nachweis dafür beurteilt, dass sie in den Niederlanden als Steuerpflichtige ansässig gewesen sei. Der Senat ist als Revisionsgericht nicht nur an die eigentlichen tatrichterlichen Feststellungen der Vorinstanz, sondern auch an deren tatrichterliche Würdigung gebunden, wenn die Folgerungen des FG nicht gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze verstoßen (vgl. , BFHE 148, 90). Dies ist im Streitfall nicht ersichtlich.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
BStBl 2004 II Seite 30
BB 2004 S. 91 Nr. 2
BFH/NV 2004 S. 297
BFH/NV 2004 S. 297 Nr. 2
BStBl II 2004 S. 30 Nr. 1
DB 2004 S. 170 Nr. 4
DStRE 2004 S. 155 Nr. 3
INF 2004 S. 131 Nr. 4
NWB-Eilnachricht Nr. 42/2005 S. 4456
StB 2004 S. 44 Nr. 2
UR 2004 S. 206 Nr. 4
VAAAB-13910